mussten wir ihrer Meinung nach militärisch gehen lernen; sie verstanden darunter marschieren lernen. Sie waren aber recht schnell davon zu überzeugen, dass wir das schon konnten. So marschierten wir in der Regel zum Auftakt der Infanterieausbildung einmal von der Stellung aus die Ebendorfer Chaussee entlang bis zur Autobahnbrücke und zurück mit zackigem Marschgesang, fast immer mit den in der Wehrmacht weithin beliebten Liedern „Glutrot sank die Sonn’am Himmelszelt, eine Amsel hört’ ich singen…“ oder „Fern bei Sedan, auf den Höhen stand ein Pionier auf Wacht..“. Bei uns stand natürlich „ein Kanonier auf Wacht“. Und bei anderen Waffengattungen standen dementsprechend Grenadier, Infanterist usw. auf Wacht. Ich hatte den Eindruck, dass da ganze Armeen bei Sedan auf den Höhen auf Wacht gestanden haben müssen. Dazwischen gab es einige Einlagen wie „Tiefflieger von vorn!“ oder „Panzer von rechts!“. Dann hatten wir blitzschnell in Deckung zu gehen, egal, wo wir uns gerade befanden. Das war der Uniform nicht sehr zuträglich, aber das störte unsere Ausbilder wenig, denn nicht sie, sondern wir hatten sie ja schließlich zu reinigen, aber bitte schön in der Freizeit. Dann ging es meist für zwei Stunden auf unseren Sportplatz mit dem obligatorischen Übungen in der infanteristischen Grundausbildung. Spaß machte es, wenn uns einer unserer Unteroffiziere, der Uffz. Hille, mit der Nahkampfausbildung vertraut machte. Vor allem aber deshalb, weil er kein Theoretiker auf diesem Gebiet war, sondern aus einer unerschöpflichen Quelle praktischer Erfahrungen schöpfen konnte. Er war Träger der Silbernen Nahkampfspange, hatte also fünfundzwanzig Mal den Nahkampf mit der blanken Waffe Mann gegen Mann überlebt und war auch sonst voller Orden. Da er ein Auge verloren hatte und seine linke Hand als Folge einer Verwundung nicht mehr gebrauchen konnte, also eigentlich vollkommen dienstuntauglich war, war er nun bei der Flak im Heimatbereich zur Ausbildung eingesetzt worden. Er war es, der uns die Angst vor Handgranaten und Pistolenschüssen auf Nahdistanz nahm. Er führte uns vor, dass man eine Handgranate auf seinen Stahlhelm detonieren lassen konnte, ohne dabei verletzt zu werden, da die Splitterwirkung schräg nach unten verlief, man also im toten Winkel stand. Er zeigte uns auch, dass man auf einem geduckt anlaufenden Gegner mit einer Pistole meist zu hoch schoss uns auch, wie man einen Gegner mit einem Stich des Nahkampfdolches in die Nieren lautlos töten konnte usw. usw. Trotz seiner kriegerischen Rauheit war er ein musisch begabter Mensch, der hervorragend singen konnte. Wenn er auf Kameradschaftsabenden das Lied vom Chianti-Wein schmetterte, waren alle hingerissen. Er hatte, wir viele jungen Männer meiner Generation, nur das militärische Handwerk gelernt und fühlte sich dabei wohl. Wir aber verehrten ihn beinahe, denn für uns war er ein soldatisches Vorbild und eine echte Fundgrube an militärischem Wissen und Können. Aber einige Bemerkungen sollen aber noch zu unseren Spieß, der so genannten „Mutter der Kompanie“ gewidmet sein. Der Dienststellung nach war er Hauptwachtmeister und hieß Küster, mit dem Spitznamen „Fäustchen“, weil er so klein und rund war. So gemütlich er aber auch aussah, dieses Aussehen täuschte. Er war ein echter preußischer Kommisskopf. Berüchtigt waren seine Kleider- und Schuhappelle. Die Sohlen unserer Schnürschuhe und unserer Stiefel waren mit Nägeln beschlagen, den so genannten Pinnen. Diese Pinnen durften nun aber keinerlei Rostflecken aufweisen, sondern mussten glänzen. Die Nähte in den Stiefeln hatten weiß zu sein. das war nur mit Kreide zu schaffen, was wiederum nicht erlaubt war. Schuhe und Stiefel mussten so geputzt sein, dass sie wie ein jung er Frühlingstag zu glänzen hatten. Allerdings durften die Stege wiederum nicht glänzen, hatten aber geputzt zu sein. Verstehe da jemand diese Logik. Wir mussten uns überhaupt abgewöhnen, mit unserem aus dem Zivilleben geprägten gesunden Menschenverstand zu denken. Da hieß es ganz einfach: „Das Denken überlassen sie mal den Pferden, die haben einen größeren Kopf!“ Doch unter Anleitung der älteren Soldaten brachten wir es fertig, alle diese Ungereimtheiten richtig einzuordnen und auch die Tricks zu lernen, mit denen wir diese Appelle ohne größere Schikanen überstehen konnten. Beim Kleiderappell hatten die Uniformstücke in Päckchenform vorgeführt zu werden. Fäustchen schlug dann nur einmal kurz mit der flachen Hand auf das Päckchen. Dabei kamen natürlich immer einige Staubkörnchen ans Licht. Sein Kommentar: „Sie Specker! Sehen Sie mich eigentlich noch?“ Der Fama nach soll ihm einmal einer unserer Vorgänger geantwortet haben: „Jawohl, Herr Hauptwachtmeister, aber nicht gerne!“ Wir haben zwar versucht zu ergründen, wer der Mutige war, es aber nicht erfahren können. Vermutlich ist diese schöne Geschichte doch mehr ins Reich der fabeln zu verweisen. Aber auch wenn sie nicht stimmt, so ist sie doch zumindest sehr schön. Übrigens hieß es grundsätzlich bei Preußens militärisch „jawoll“ und nicht etwa so auf Zivilistenart „jawohl“. War dann ein Staubkorn ans Tageslicht gekommen, hatte man abzutreten und sich mit gereinigten Klamotten innerhalb von fünf Minuten erneut zu melden. Erst beim dritten oder vierten Mal fand man vor seinen strengen Augen Gnade, auch wenn man in der Zwischenzeit nichts geändert hatte. Wir hatten sehr bald weg, wie solche Appelle zu handhaben waren und auch sein Gebrüll schreckte uns immer weniger. Allerdings waren wir bestrebt, ihm immer, wo es nur ging, „eins auszuwischen“, wie man in Magdeburg so schön sagt. Im Zivilberuf muss er ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen sein, denn er verstand es, aus allem Geld zu machen, vor allem auf unsere Kosten. Das ging so: Wir Luftwaffenhelfer erhielten einen Wehrsold von 50Pfennige pro Tag und waren auch an der Versorgung mit Marketenderware angeschlossen. Dazu gehörten natürlich auch Alkohol und Zigaretten. Da wir aber noch keine achtzehn Jahre alt waren, also unter das Jugendschutzgesetz fielen, wurden uns diese Sachen vorenthalten und unser Fäustchen machte damit seine krummen Geschäfte. Seltsamerweise fielen wir nicht unter das Jugendschutzgesetz, wenn wir im Bombenhagel anfliegender Bomberverbände lagen oder dem Beschuss aus den Bordwaffen ihrer Begleitjäger standhalten mussten, die oftmals im Tiefflug die Flakstellungen angriffen. Doch einmal gelang es uns, unserem Fäustchen seine Geschäfte gründlich zu versalzen. Er wollte mit zwei Koffern in die Stadt, der Inhalt bestand aus unserem Anteil an Schnaps und Zigaretten, um damit einige Frauen zu beglücken. Da er noch einmal umkehren musste, ließ er seine Schätze einen Augenblick ohne Aufsicht am Chausseerand stehen. Wie durch Zuberhand gerieten sie unter ein vorbeifahrendes Fuhrwerk. Das haben sie schlecht vertragen, es schepperte gewaltig, einige von uns, die dabei standen, achten schadenfroh und Fäustchen war einem mittelschweren Schlaganfall nahe. Als Höhepunkt dieses Auftritts sah man dann über eine halbe Stunde lang den gesamten Zug der Luftwaffenhelfer sich behände um die Mannschaftsbaracken bewegen, immer in der Position „Häschen hüpf“. Wie süß ist die Schale der Rache, doch wie gallebitter ist ihr Kern, konnte man getrost zu unserer Aktion sagen. Dennoch war es für uns ein echtes Erfolgserlebnis. Als er eines Tages in die Nebelschwaden der am kleinen Silberberg gelegenen Nebelbatterie geriet, deren Nebel uns eigentlich tarnen sollte, war er unserer ungeteilten Schadenfreude sicher, denn die Nebelschwaden hatten die unangenehme Eigenschaft, zu Hautverätzungen zu führen, wenn man ihnen längere Zeit ausgesetzt war. Ansonsten nutzten sie im Zeitalter der Radargeräte nichts. Unser Spieß besaß aber auch einige lustige Seiten. Sie erlebten wir am Tag der Wehrmacht 1944, es war der 21.März. Die Batterie war zur Besichtigung durch die Bevölkerung freigegeben und es herrschte ein buntes Treiben. Auch unsere Eltern waren zu Besuch. Den Höhepunkt sollte eine amerikanische Versteigerung von allerlei Bastelarbeiten der Soldaten darstellen. Es wurde ein echter Höhepunkt aber erst, als unser Fäustchen einen Hosenknopf für 80.-RM versteigerte. Das Geheimnis seines Erfolges bestand darin, dass er diesen Hosenknopf zu einem Knopf an einem Damenstrumpf ernannte und dessen Erlebnisse nun etwas anrüchig auszuschmücken begann. Es wurde ein umwerfender Erfolg. Mit ähnlichen anrüchigen Anzapfungen glänzte auch unser Küchenbulle, Uffz. Bender, von den alten gestandenen „Landsern“ ganz zu schweigen. Sie sorgten schon für die entsprechende Aufklärung. Wenn es in den Stadturlaub ging, hörten wir von unserem Küchenbullen nicht selten: „Ihr wollt doch nur wieder Strumpfhalter knacken.“ Für einen beträchtlichen Teil meiner Kameraden waren solche Bemerkungen vorerst noch „böhmische Dörfer.“ Ich nehme mich da gar nicht aus. Wunschträume und die Realität klafften bei uns eben noch weit auseinander. Nach Abschluss der Ausbildung -es muss im März 1944 gewesen sein- wurden wir endlich vereidigt. An den genauen Text der Eidesformel erinnere ich mich nicht mehr. Mit der Vereidigung, so glaubten wir, seien wir nun endlich richtige Soldaten. Die Zeremonie fand im Stab der Abteilung statt, der in Barleben lag. Unser Spieß blieb sich auch da selbst treu und dämpfte unser Hochgefühl sehr schnell. Statt uns zu beglückwünschen, wie wir es eigentlich erwartet hatten, „belehrte“ er uns erst einmal: „Nun, meine Herren, jetzt sind Sie vereidigt uns ab jetzt können Sie auch mit Arrest bestraft werden. Und wenn Sie nicht spuren, dann gibt es Zunder bis Ihnen das Wasser im Arsch kocht! Verstanden?“ Nun waren uns die kernigen Sprüche unseres Spießes nichts Neues und beeindruckten uns wenig. Doch gerade an einem solchen Tage befanden wir sie völlig deplaciert. Seine „wohlgemeinten Hinweise“ waren ja nicht so ganz unbegründet, denn wir waren noch richtige Jungen und folglich noch für jeden Streich zu haben, besonders dann, wenn einer unserer Ausbilder uns geistig unterlegen war und das waren sogar einige. Das waren meist Jungen vom Land gewesen, die als langjährige Berufssoldaten nicht das Zeug zum Unteroffizier mitbrachten, aber während des Krieges nun doch noch befördert worden waren. Nun wollten sie uns zeigen, wie man mit Schülern einer gehobenen Schule umging -und das ging meist in die Hose- in die ihrige natürlich. Eines Tages beim Infanteriedienst kam so eine Geistesgröße auf die Idee, uns den Befehl zu geben: „An den Horizont! Marsch, marsch!“ Wir trabten los und hörten ab sofort nicht mehr, günstig für uns war dabei, dass uns der Wind entgegenstand. Er brüllte wohl zigmal hinter uns her „Aaach---tung!“. Das hieß „Stehenbleiben!“, doch wir liefen munter weiter, so schnell wie noch nie sonst in der Ausbildung. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zurück in den Batteriebereich zu laufen, sich ein Fahrrad zu holen und uns persönlich einzufangen. Da er uns keine Pflichtverletzung nachweisen konnte, blieb das offiziell ohne Folgen für uns, einen Freund hatten wir mit ihm allerdings nicht gewonnen. Ich kann mich aber auch nicht erinnern, dass er dieses Spiel noch einmal wiederholt hat. Und das war schließlich Sinn der Sache. An Originalen war, wie in vielen Einheiten der Wehrmacht, auch bei uns kein Mangel. In diesem Zusammenhang ist auch der Wachtmeister Kruschinski zu nennen. Er unterrichtete uns im Flugzeugerkennungsdienst. Dabei führte er uns die Modelle der gängigen Flugzeugtypen vor und wir mussten dann bestimmen, ob es ein englisches oder ein amerikanisches Flugzeug war. Von Beruf war er Gärtner und sicherlich auch kein schlechter. Sein Intelligenzquotient genügte zwar in etwa den Anforderungen seiner Dienststellung, erschien uns darüber hinaus aber doch sehr begrenzt zu sein. Sehr schnell hatten wir gemerkt, dass er mit bestimmten Begriffen, die nicht ganz unmittelbar zu dem von ihm behandelten Stoff gehörten, nichts anzufangen wusste. Während einer der Unterrichtsstunden erhielt er beispielsweise bei der Frage, ob es bei dem betreffenden Modell um ein englisches oder amerikanisches Flugzeug handelte, einmal die Antwort: „Ein anglo-amerikanisches!“ Erst stutzte er für einen Moment. Damit konnte er nun gar nichts anfangen und nickte dann schließlich diplomatisch. Hinzu kam, dass er einen Augenfehler hatte und wir daher nie wussten, wen er denn wirklich anschaute, wenn er eine Frage stellte. So kam es des öfteren vor, dass er seine wirkliche Zielperson näher charakterisieren musste. Daher waren solche Sprüche wie: „Mensch, sie da mit der Brille“, keine Seltenheit. Mit den grammatikalischen Fällen kam er steht‘s durcheinander, natürlich sehr zu unserem Gaudium, denn als Mittelschüler beherrschten wie sie schließlich. Ein Original ganz anderer Art war dagegen der Stabswachtmeister Feierabend. Er trug statt Stiefel Schnürschuhe mit Ledergamaschen zu den Stiefelhosen und stolzierte so durch die Batterie. Für uns in seinem altmodischen militärischen Habitus immer ein Anlass zu einem mitleidigen Grinsen hinter seinem Rücken. Niemand wusste, was er eigentlich zu tun hatte. Offiziell leitete er den Feuerlöschtrupp der Batterie. Meines Erachtens war er ein Berufssoldat noch aus der Reichswehr, nicht mehr frontdiensttauglich, der aber irgendwie untergebracht werden musste. Uns ließ er jedenfalls in Ruhe. Unser Batteriechef, Oberleutnant Dewitz, kümmerte sich kaum um unsere Ausbildung. Er erschien morgens einmal zum Dienstbeginn und ansonsten sahen wir ihn nur bei Fliegeralarm auf seinem Gefechtsstand am Kommandogerät oder zu bestimmten Anlässen. Fortsetzung Dr. Grigoleit folgt
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Von seinem Privatleben erfuhren wir nur, dass sein Kind plötzlich verstorben war und wir sahen seine Frau danach öfters bei ihm zu Besuch in der Stellung. Von ganz anderem Kaliber als die oben genannten Originale waren die Unteroffiziere, die für die Feuerleitsysteme der Batterie wie Kommando-, Funkmeß- und Malsi-Geräte verantwortlich waren. Das waren echte Profis und sehr intelligente Männer. Wenn wir uns mit ihnen anlegten, zogen wir meistens den kürzeren. Ihnen gelang es, uns einige Male reinzulegen. Als beispielsweise Uffz. Bozau als UvD (Unteroffizier vom Dienst) Dienst hatte, fragte er einige herumstehende Lw.-Helfer, ob unter ihnen jemand sei, der Optiker werden wolle. Als sich zwei von und meldeten, sagte er nur trocken: „Sehr schön, dann gehen Sie mal zur Latrine und putzen Sie schon mal zur Übung die Brillen dort.“ Die beiden hatten eine Stunde zu putzen. So etwas gelang im allgemeinen nur einmal, aber auf einen Trick fielen wir immer wieder hinein und zwar auf die Frage: „Wer kann Radfahren?“ Sich hier zu melden, war immer ein Risiko, denn entweder bekam man einen Ausgangsschein, um für den betreffenden Unteroffizier etwas in der Stadt zu besorgen, natürlich mit der Möglichkeit eines Abstechers nach hause, oder aber man bekam den Befehl: „Dann gehen Sie mal hin und putzen Sie die Räder der Batterie!“ So erging es an einem Sonnabendnachmittag unserem „Pepo“ Beinhoff. Er meldete sich und erhielt statt des erhofften Ausgangsscheines den weniger schönen Auftrag, die besagten Fahrräder zu putzen. Wütend ging er hinaus und ließ seinen Spind offen stehen. Der Unteroffizier, es war wieder einmal Bozau, räumte ihn natürlich sofort aus. Wie also raus zu Pepo und überbrachten ihm brühwarm die freudige Nachricht. Er lief in voller Tage zurück, baute sich vor dem verblüfften Unteroffizier auf, stemmte die Arme in die Hüften und schrie ihn an: „Herr Unteroffizier, Sie sind wohl verrückt geworden!“ Dem blieb ob dieser Frechheit die Sprache weg. Als wir dann laut lospusteten vor Lachen, spielte der den wilden Mann und jagte uns eine halbe Stunde lang über die uns außerordentlich gut bekannte Strecke um die Baracken. Es gab schon lustige Geschichten. So hatten wir eines abends herumgetobt, noch kurz vor dem Stubendurchgang und Günter Krinke, wegen seiner Klarheit bei uns nur „Kackebautz“ genannt, hatte sich hinter einen der über Eck stehenden Spinde versteckt. Da erschien plötzlich der UvD, der gegen alle sonstigen Gewohnheiten, den Stubendurchgang an diesem Tage bei unserer Stube begann. Das Malheur war da -es fehlte einer! Wir mussten ihn suchen, während der UvD in der Stube wartete. Natürlich war er nicht zu finden bis es uns gelang, den Störenfried aus der Stube zu lotsen. Da tauchte erst unser Günter aus seiner Versenkung wieder auf, leider nicht schnell genug, um auch noch von dem Spind wieder herunterzukommen. Urplötzlich war der UvD wieder da. Er schien sehr zufrieden, uns endlich einmal erwischt zu haben. Der Abend endete selbstverständlich mit der obligatorischen Runde um unsere Unterkunft. Übrigens verstarb unser „Kackebauz“ am 30.November1997 in Kanada. Obgleich wir beide uns immer prächtig verstanden, hatte ich ihn seit dem Kriege nicht mehr wiedergesehen. Auch hatten wir uns den Spaß ausgedacht, Kameraden unter den Vorwand in die Nachrichtenzentrale zu locken, die Freundin wäre am Telefon. Der dort diensttuende Kamerad hatte nun die Aufgabe, in der Zwischenzeit einen Feldsprecher an die Türklinke anzuschließen und voll aufzudrehen, wenn der ahnungslose dort anfasste. Man ahnt nicht, welche Stromstöße so ein Feldfernsprecher erzeugen kann, wenn er entsprechend schnell gekurbelt wird. Schadenfreude ist immer noch die reinste Freude! Die Sache hatte nur einen Hacken. Das Fenster der Bunkers befand sich hinter der Tür vom Nieredgang aus gesehen, so dass man nicht sah, wer da gerade herunterkam. So geschah es, dass eines Tages vor dem von uns ausgesuchten Delinquenten, unser Fäustchen die Treppe zum Bunker hinabstieg. Der Kumpel im Bunker erwartete nun den vorgemeldeten Kameraden und drehte voll auf. Unser gefürchteter Spieß hat vor Schreck gequiekt, wie ein Schweinchen. Das Ergebnis war zwar wieder zwei Minuten Spaß, aber zwei Stunden Reue in Form von Strafexerzieren des gesamten Luftwaffenhelfer-Zuges. Nun muss man sich hüten, beim Erzählen solcher Geschichten den Eindruck zu erwecken, dass der Dienst bei der Flak wäre nur eine lustige Sache gewesen. Natürlich waren wir noch richtige Jungen und besaßen Sportgeist, der uns vieles nicht so tragisch nehmen ließ. Im Allgemeinen war das aber ein stupider, geistestötender Drill, der uns zum kadavergehorsam dressieren sollte, also unter allen Umständen jeden Befehl auszuführen, sei er sinnvoll oder nicht, sei er verbrecherisch oder nicht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich während einer der Ausbildungsstunden nach dem Befehl „Hinlegen!“ völlig erschöpft im Grase lag, dicht vor meinem Gesicht die Grashalme und dachte : „Wie schön doch dieser Grashalm ist, jetzt müsste man einfach liegen bleiben und das in Ruhe betrachten können.“ Auch wenn ich heute auf einer Wiese liege, denke ich oft an diesen Augenblick aus dem Jahre1944. Ja, sie haben uns wirklich ganz schön geschafft. Der Gipfel allerdings war ein Ereignis im Sommer1944. Wir hatten eine Hitzewelle und auf dem Dienstplan war schon tagelang als Dienstanzug Sportzeug befohlen. An jenem Vormittag, es waren schon wieder fast 30Grad Celsius, stand ab 10Uhr Infanteriedienst auf dem Plan. Wir hatten gerade einen neuen Zugführer bekommen, der sich bei uns so vorgestellt hatte: „Mein Name ist Reincke und wenn Sie nicht spuren, werde ich zum Fuchs!“ Es sollte sich zeigen, dass er dann nicht zum Fuchs, sondern zur ausgemachten Wildsau wurde. Also am besagten Vormittag traten wir in Sportzeug zum Dienst an. Oberwachtmeister Reincke betrachtete uns lächelnd und sagte dann sehr friedlich: „Meine Herren, können Sie sich vorstellen, wie es wäre, wenn wir jetzt 30Grad Kälte hätten?“ Auf Befehl konnten wir uns schon alles vorstellen. Als wir unser „Jawoll!“ herausschmetterten, sagte er nur: „Nun gut.“ Dann kommandierte er mit schneidendem Befehlston: „Weggetreten! In fünf Minuten raustreten in Winteruniform!“ Wie dachten erst, der macht Spaß oder der spinnt. Aber der machte weder Spaß, noch war vom Spinnen die Rede -der machte Ernst!- Als wir abmarschierten in Winteruniform mit Mantel, Handschuhe und Kopfschützern, natürlich mit einem „fröhlichen“ Lied auf den Lippen, kam auch schon sein Befehl „Gasalarm! Gaaas!“ Das bedeutete, die Gasmaske raus und aufsetzen. Dabei wurde natürlich weitergesungen! Um das ganze noch zu krönen, befahl er dem Zug „Dauerlauf, marsch! marsch!“ Wir waren noch nicht auf dem Sportplatz, da lagen schon die ersten erschöpft am Boden. Und dann ging das so die ganze Zeit weiter. Wir waren so ausgepumpt, dass wirklich nichts mehr ging. Ich ließ mich nach etwa einer Viertelstunde mit dem Gesicht ins Gras fallen, so, dass die Gasmaske mir in die Zähne schlug. Dabei blutet man sehr schnell. Wenn das Schwitzwasser dann mit dem Blut vermischt, aus dem Ventil ausgestoßen wird, sieht das zwar sehr gefährlich aus, aber das ist auch alles. Jedenfalls habe ich so meine „Kampfunfähigkeit“ nachweisen können und hatte vorerst Ruhe vor dem Schinder. Er hatte überhaupt so unfaire Sachen drauf. Er ließ den ganzen Zug über den Sportplatz robben mit der Maßgabe, dass die ersten, die das gegenüberliegende Tor erreichten, ausscheiden können. Natürlich trieb uns der Sportgeist voran. War man aber kurz vor dem Tor, befahl er einfach „kehrt marsch!“ Da kann einem schon der Spaß vergehen am Soldatenleben. Und Reincke besorgte es uns gründlich. In dieser Nacht wurde vom Posten auf ihn geschossen. Er hatte auf Anruf angeblich nicht geantwortet. Getroffen wurde er nicht. Die anschließende Untersuchung ergab auch keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung unseres Posten, aber scheinbar war er nun gewarnt, denn danach wurde er merklich ruhiger. Einer seiner beliebtesten „Späße“ war der so genannte Maskenball. Mitten in der Nacht wurde Alarm gegeben und zum Raustreten gepfiffen.
Fortsetzung Dr. Grigoleit folgt
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Zitat von MAGADO-2 im Beitrag #147Von seinem Privatleben erfuhren wir nur, dass sein Kind plötzlich verstorben war und wir sahen seine Frau danach öfters bei ihm zu Besuch in der Stellung. Von ganz anderem Kaliber als die oben genannten Originale waren die Unteroffiziere, die für die Feuerleitsysteme der Batterie wie Kommando-, Funkmeß- und Malsi-Geräte verantwortlich waren. Das waren echte Profis und sehr intelligente Männer. Wenn wir uns mit ihnen anlegten, zogen wir meistens den kürzeren. Ihnen gelang es, uns einige Male reinzulegen. Als beispielsweise Uffz. Bozau als UvD (Unteroffizier vom Dienst) Dienst hatte, fragte er einige herumstehende Lw.-Helfer, ob unter ihnen jemand sei, der Optiker werden wolle. Als sich zwei von und meldeten, sagte er nur trocken: „Sehr schön, dann gehen Sie mal zur Latrine und putzen Sie schon mal zur Übung die Brillen dort.“ Die beiden hatten eine Stunde zu putzen. So etwas gelang im allgemeinen nur einmal, aber auf einen Trick fielen wir immer wieder hinein und zwar auf die Frage: „Wer kann Radfahren?“ Sich hier zu melden, war immer ein Risiko, denn entweder bekam man einen Ausgangsschein, um für den betreffenden Unteroffizier etwas in der Stadt zu besorgen, natürlich mit der Möglichkeit eines Abstechers nach hause, oder aber man bekam den Befehl: „Dann gehen Sie mal hin und putzen Sie die Räder der Batterie!“ So erging es an einem Sonnabendnachmittag unserem „Pepo“ Beinhoff. Er meldete sich und erhielt statt des erhofften Ausgangsscheines den weniger schönen Auftrag, die besagten Fahrräder zu putzen. Wütend ging er hinaus und ließ seinen Spind offen stehen. Der Unteroffizier, es war wieder einmal Bozau, räumte ihn natürlich sofort aus. Wie also raus zu Pepo und überbrachten ihm brühwarm die freudige Nachricht. Er lief in voller Tage zurück, baute sich vor dem verblüfften Unteroffizier auf, stemmte die Arme in die Hüften und schrie ihn an: „Herr Unteroffizier, Sie sind wohl verrückt geworden!“ Dem blieb ob dieser Frechheit die Sprache weg. Als wir dann laut lospusteten vor Lachen, spielte der den wilden Mann und jagte uns eine halbe Stunde lang über die uns außerordentlich gut bekannte Strecke um die Baracken. Es gab schon lustige Geschichten. So hatten wir eines abends herumgetobt, noch kurz vor dem Stubendurchgang und Günter Krinke, wegen seiner Klarheit bei uns nur „Kackebautz“ genannt, hatte sich hinter einen der über Eck stehenden Spinde versteckt. Da erschien plötzlich der UvD, der gegen alle sonstigen Gewohnheiten, den Stubendurchgang an diesem Tage bei unserer Stube begann. Das Malheur war da -es fehlte einer! Wir mussten ihn suchen, während der UvD in der Stube wartete. Natürlich war er nicht zu finden bis es uns gelang, den Störenfried aus der Stube zu lotsen. Da tauchte erst unser Günter aus seiner Versenkung wieder auf, leider nicht schnell genug, um auch noch von dem Spind wieder herunterzukommen. Urplötzlich war der UvD wieder da. Er schien sehr zufrieden, uns endlich einmal erwischt zu haben. Der Abend endete selbstverständlich mit der obligatorischen Runde um unsere Unterkunft. Übrigens verstarb unser „Kackebauz“ am 30.November1997 in Kanada. Obgleich wir beide uns immer prächtig verstanden, hatte ich ihn seit dem Kriege nicht mehr wiedergesehen. Auch hatten wir uns den Spaß ausgedacht, Kameraden unter den Vorwand in die Nachrichtenzentrale zu locken, die Freundin wäre am Telefon. Der dort diensttuende Kamerad hatte nun die Aufgabe, in der Zwischenzeit einen Feldsprecher an die Türklinke anzuschließen und voll aufzudrehen, wenn der ahnungslose dort anfasste. Man ahnt nicht, welche Stromstöße so ein Feldfernsprecher erzeugen kann, wenn er entsprechend schnell gekurbelt wird. Schadenfreude ist immer noch die reinste Freude! Die Sache hatte nur einen Hacken. Das Fenster der Bunkers befand sich hinter der Tür vom Nieredgang aus gesehen, so dass man nicht sah, wer da gerade herunterkam. So geschah es, dass eines Tages vor dem von uns ausgesuchten Delinquenten, unser Fäustchen die Treppe zum Bunker hinabstieg. Der Kumpel im Bunker erwartete nun den vorgemeldeten Kameraden und drehte voll auf. Unser gefürchteter Spieß hat vor Schreck gequiekt, wie ein Schweinchen. Das Ergebnis war zwar wieder zwei Minuten Spaß, aber zwei Stunden Reue in Form von Strafexerzieren des gesamten Luftwaffenhelfer-Zuges. Nun muss man sich hüten, beim Erzählen solcher Geschichten den Eindruck zu erwecken, dass der Dienst bei der Flak wäre nur eine lustige Sache gewesen. Natürlich waren wir noch richtige Jungen und besaßen Sportgeist, der uns vieles nicht so tragisch nehmen ließ. Im Allgemeinen war das aber ein stupider, geistestötender Drill, der uns zum kadavergehorsam dressieren sollte, also unter allen Umständen jeden Befehl auszuführen, sei er sinnvoll oder nicht, sei er verbrecherisch oder nicht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich während einer der Ausbildungsstunden nach dem Befehl „Hinlegen!“ völlig erschöpft im Grase lag, dicht vor meinem Gesicht die Grashalme und dachte : „Wie schön doch dieser Grashalm ist, jetzt müsste man einfach liegen bleiben und das in Ruhe betrachten können.“ Auch wenn ich heute auf einer Wiese liege, denke ich oft an diesen Augenblick aus dem Jahre1944. Ja, sie haben uns wirklich ganz schön geschafft. Der Gipfel allerdings war ein Ereignis im Sommer1944. Wir hatten eine Hitzewelle und auf dem Dienstplan war schon tagelang als Dienstanzug Sportzeug befohlen. An jenem Vormittag, es waren schon wieder fast 30Grad Celsius, stand ab 10Uhr Infanteriedienst auf dem Plan. Wir hatten gerade einen neuen Zugführer bekommen, der sich bei uns so vorgestellt hatte: „Mein Name ist Reincke und wenn Sie nicht spuren, werde ich zum Fuchs!“ Es sollte sich zeigen, dass er dann nicht zum Fuchs, sondern zur ausgemachten Wildsau wurde. Also am besagten Vormittag traten wir in Sportzeug zum Dienst an. Oberwachtmeister Reincke betrachtete uns lächelnd und sagte dann sehr friedlich: „Meine Herren, können Sie sich vorstellen, wie es wäre, wenn wir jetzt 30Grad Kälte hätten?“ Auf Befehl konnten wir uns schon alles vorstellen. Als wir unser „Jawoll!“ herausschmetterten, sagte er nur: „Nun gut.“ Dann kommandierte er mit schneidendem Befehlston: „Weggetreten! In fünf Minuten raustreten in Winteruniform!“ Wie dachten erst, der macht Spaß oder der spinnt. Aber der machte weder Spaß, noch war vom Spinnen die Rede -der machte Ernst!- Als wir abmarschierten in Winteruniform mit Mantel, Handschuhe und Kopfschützern, natürlich mit einem „fröhlichen“ Lied auf den Lippen, kam auch schon sein Befehl „Gasalarm! Gaaas!“ Das bedeutete, die Gasmaske raus und aufsetzen. Dabei wurde natürlich weitergesungen! Um das ganze noch zu krönen, befahl er dem Zug „Dauerlauf, marsch! marsch!“ Wir waren noch nicht auf dem Sportplatz, da lagen schon die ersten erschöpft am Boden. Und dann ging das so die ganze Zeit weiter. Wir waren so ausgepumpt, dass wirklich nichts mehr ging. Ich ließ mich nach etwa einer Viertelstunde mit dem Gesicht ins Gras fallen, so, dass die Gasmaske mir in die Zähne schlug. Dabei blutet man sehr schnell. Wenn das Schwitzwasser dann mit dem Blut vermischt, aus dem Ventil ausgestoßen wird, sieht das zwar sehr gefährlich aus, aber das ist auch alles. Jedenfalls habe ich so meine „Kampfunfähigkeit“ nachweisen können und hatte vorerst Ruhe vor dem Schinder. Er hatte überhaupt so unfaire Sachen drauf. Er ließ den ganzen Zug über den Sportplatz robben mit der Maßgabe, dass die ersten, die das gegenüberliegende Tor erreichten, ausscheiden können. Natürlich trieb uns der Sportgeist voran. War man aber kurz vor dem Tor, befahl er einfach „kehrt marsch!“ Da kann einem schon der Spaß vergehen am Soldatenleben. Und Reincke besorgte es uns gründlich. In dieser Nacht wurde vom Posten auf ihn geschossen. Er hatte auf Anruf angeblich nicht geantwortet. Getroffen wurde er nicht. Die anschließende Untersuchung ergab auch keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung unseres Posten, aber scheinbar war er nun gewarnt, denn danach wurde er merklich ruhiger. Einer seiner beliebtesten „Späße“ war der so genannte Maskenball. Mitten in der Nacht wurde Alarm gegeben und zum Raustreten gepfiffen.
Bild entfernt (keine Rechte)
Bild entfernt (keine Rechte)
Fortsetzung Dr. Grigoleit folgt
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Alles verlief in völliger Dunkelheit, denn die Sicherungen waren herausgeschraubt worden, so dass kein Licht gemacht werden konnte. Stand der Zug angetreten, hieß es : „In zwei Minuten in Sportzeug antreten, Marsch, marsch!“ Nun galt es, sein Sportzeug in der Dunkelheit zu finden und anzuziehen. Stand man dann im Sportzeug wieder draußen, hieß der nächste Befehl: „In zwei Minuten in Ausgangsuniform antreten, Marsch, marsch!“ Und so ging das dann weiter, bis alle Uniformarten durchgespielt waren. Die jeweils beiden Ersten konnten das Spiel beenden. Ich habe es auch einmal gewonnen, indem ich auf den Befehl: „In Winteruniform antreten!“, einfach den dicken Wintermantel über mein Sportzeug warf und in die Stiefel schlüpfte. Obgleich Reincke sehr oft kontrollierte, hatte ich Glück und konnte ausscheiden. Wäre es schief gegangen, hätte ich mit für die nächsten vier Wochen den Ausgangsschein verkneifen müssen. Es war aber eine alte Soldatenweisheit: Wer bei einem solchen Theater kein Risiko einging, wurde einfach kaputt gespielt. War dann alles vorüber, hatten wir innerhalb ganz kurzer Zeit unsere Spinde wieder einzuräumen und die Stube aufzuräumen. Klappte das nicht zur Zufriedenheit unseres Herrn Zugführers, ging der ganze Klamauk von vorn los. Besondere „Freude“ bereitete uns immer die Ausbildung an der Gasmaske. Geübt wurden Filterwechsel und Klarscheibenwechsel und zwar in einem Raum voller Gas. Wir betraten immer gruppenweise den Waschraum, der dicht mit Tränengas gefüllt war und hatten dann im Kreis um die Waschanlage zu gehen. Dann wurde erst einmal der Filter ab -und wieder angeschraubt, dabei durfte man jedoch das Auspusten des dabei in die Maske gedrungendenen Gases nicht vergessen, denn das rächte sich sehr schmerzlich in den Augen. Doch erheblich komplizierter wurde das Auswechseln der Klarscheiben. Dazu musste die gesamte Maske abgenommen werden, dann waren die alten Klarscheiben, die mit einem Sprengring befestigt waren, aus den Sichtfenstern der Maske herauszunehmen und die neuen einzusetzen. Das alles musste mit geschlossenen Augen und angehaltenem Atem vollbracht werden, denn das Tränengas war ein unerbittlicher Richter. Das konnte man nur ohne Schaden überstehen, wenn man sein Übungspensum vorher exakt erfüllt hatte. Übrigens bekam auch hier der seine Quittung, der zur Atemerleichterung bei der Infanterieausbildung ein Streichholz in das Filtergewinde verkeilt hatte, um besser Luft zu bekommen. Wehe, er hatte vergessen, es herauszunehmen! Neben dieser allgemeinen militärischen Grundausbildung lief natürlich die Spezialausbildung für die Flak, die ich wesentlich interessanter fand, obgleich das Marinewesen mein eigentliches Metier war. Da man irgendwie im Leben einmal alles gebrauchen kann, brachte ich mich auch hier voll ein. Das rein Mathematische in der Flakschießlehre hatten wir sowieso schon in der Schule gelernt. Aber der Flugzeugerkennungsdienst, also das Üben des Erkennens eigener oder feindlicher Flugzeuge, war nicht nur interessant, sondern unter Umständen für uns auch lebenswichtig, besser überlebenswichtig, denn dabei kann jeder Fehler verhängnisvolle Folgen haben. Ich habe das einige Zeit später sehr tragisch erleben müssen. Der Schwerpunkt lag aber hier auf praktischen Ausbildung. Sie umfasst bei unserer Korporalschaft sowohl die Ausbildung in der Umwertung, also am Malsi-Gerät, als auch am Kommandogerät40. Dazu gehörte auch das Aufzeichnen der Kurse der georteten gegnerischen Flugzeuge. Das war im Falle eines Abschusses wichtig, um den Anteil der Batterie daran beweisen zu können. Unser Kapo setzte mich meist an der großen Übersichtskarte ein, auf der die feindlichen Einflüge gekennzeichnet wurden, denn er meinte, dass ich dabei ja nicht viel zu sprechen habe. Er traute nämlich der Verständigungsfähigkeit meiner Sprachkünste nicht viel zu. Doch als ich einmal mit dem Kehlkopfmikrophon meine Meldung durchgeben musste und die klar und deutlich zu verstehen waren, erhielt ich auch hier die höheren Weihen zum Einsatz in diesem Bereich. Die Ausbildung war übrigens so angelegt, dass jeder auf jeder Station einsatzfähig sein musste. Das Leben in der Batterie füllte uns also voll aus, für uns war das Zivilleben schon ferne Vergangenheit, wir fühlten uns als echte Soldaten. Und da sollten wir auch noch unseren Schulunterricht absolvieren, allerdings auf die wichtigsten Fächer begrenzt. Irgendwie fanden wir das nicht in Ordnung. In der Praxis sah das so aus, dass wir montags nach Magdeburg in unsere Schule am Sedanring mussten, die Batterie war dann nicht einsatzbereit, Mittwochs und Freitags kamen unser Lehrer in die Stellung und unterrichteten uns hier. Wenn wir montags früh um acht in unserer stolzen Uniform unsere Schule betraten, dann kamen da nicht Schüler zur Schule, sondern „gestandene Krieger“, die sich herabließen, hier mal einige Stunden zu verweilen und den daheimgebliebenen Mitschülern zu zeigen, was echte Männer sind. Es liegt auf der Hand, dass bei einer solchen Einstellung die Unterrichtsergebnisse nicht gerade berauschend waren. Auch wenn unsere Lehrer bei uns in der Stellung erschienen, war das nicht viel anders, allerdings auf einer anderen Ebene. Wir saßen dann da mit Stahlhelm und der Gasmaske neben uns, immer auf das Alarmsignal wartend und je weiter das Jahr 1944 voranschritt, desto öfter schrillte die Alarmglocke und rief uns mitten aus den Unterricht heraus zum Einsatz gegen die anfliegenden amerikanischen Bomberverbände. Manchmal halfen wir auch ein wenig nach, wenn uns der Unterricht zu langweilig wurde und keine Feindverbände im Anflug waren. Aber so ein „getürkter“ Fehlalarm konnte böse Nachwirkungen haben, den unser Batteriechef, der sonst viel Verständnis für uns aufbrachte, verstand da keinen Spaß. Eine nette kleine Geschichte ist mir da noch in Erinnerung geblieben. Es betraf unseren Papa Schaper, der uns gerade äußerst anschaulich das Entstehen der Jahreszeiten mit Hilfe einer Stricknadel, einer Taschenlampe und eines Apfels erläuterte. Er hatte die Stricknadel durch den zur Erde ernannten Apfel gesteckt und sie so zur Erdachse befördert, die Taschenlampe zur Sonne umfunktioniert und war nun gerade dabei, uns durch die Bewegung der Erdachse die Jahreszeiten darzustellen. Da schrillte plötzlich die Alarmklingel und wir mussten weg, jedoch nicht ohne Papa Schaper die „Erde“ von seiner Stricknadel zu klauen. Äpfel waren schließlich bei uns rar. Als wir nach etwa einer Stunde zurückkamen. War unser Papa Schaper immer noch böse. Es gelang uns aber, ihn durch das Überreichen eines Kommissbrotes zu versöhnen, denn davon hatten wir genug. In der Folgezeit entwickelte sich so ein reger Tauschhandel zwischen Wissenschaft und Wehrmacht. Äpfel gegen Brot war die Devise des Handels. Sonst habe ich wenig Erinnerung an die Schulstunden in der Batterie, zu wenig band uns noch an die Schule. Doch alles endete sowieso Mitte 1944, weil einmal die Kampfeinsätze immer mehr das Leben in der Flakbatterie bestimmtem und zum anderen die militärischen Erfordernisse immer öfter eine Verlegung der Batterien erforderten, so dass die Bindung an die Heimatorte verloren ging. Damit war der Versuch, uns Schüler wenigstens ein Minimum an Kenntnissen für die Mittlere Reife mitzugeben, endgültig gescheitert und der Unterricht wurde kurzerhand eingestellt. Während unsere Vorgänger zwar viele Alarme erlebten, aber keine Angriffe auf Magdeburg, begannen wir schon am zweiten Tage unserer Dienstzeit, damit unsere Erfahrungen zu sammeln. Die anglo-amerikanischen Luftstreitkräfte beobachteten bei ihren Angriffe auf Deutschland eine strikte Arbeitsteilung. Am tage griffen die Amerikaner, die 8.US-Air-Force und nachts das britische Bomber Command der Royal Air Force an. Die Amerikaner führten ihre Angriffe vor allem mit den Typen Boeing B17 „Flying FortessII“ und „Liberator“ und die Briten mit dem Typ „Lancaster“. Am 11.Januar1944, unserem ersten Ausbildungstag, erfolgte der erste amerikanische Tagesangriff auf die Junkerswerke in der Neustadt. Wir Neulinge wurden dabei in Deckung in die Munitionsbunker geschickt und schauten zu, wie unsere Batterie das Feuer eröffnete. Es wurde gewaltig laut, als alle sechs Geschütze zur gleichen Zeit feuerten. Doch der Krach und der Erfolg bildeten zwei völlig entgegengesetzte Seiten, das heißt, wir machten zwar viel Lärm, schossen aber keinen einzigen Feindbomber ab. Den zweiten großen Angriff der britischen Royal Air Force am Abend des 21.Januar1944 erlebten wir ebenfalls wieder im Bunker. 585 britische Lancaster-Maschinen griffen Magdeburg an. Sie täuschten zuerst einen Angriff auf Berlin vor, drehten dann aber überraschend auf Magdeburg zu. Genau wie ein Jahr später bei dem Angriff am 16.Januar1945. es war der erste versuch, das Stadtzentrum zu zerstören. Doch Magdeburg hatte noch einmal Glück. Durch das gut liegende Sperrfeuer der Magdeburger Luftabwehr konnten die britischen Geschwader ihre Formation nicht einhalten und wurden so gezwungen, ihre Bomben wahllos abzuwerfen. Daher kam es zu Bombentreffer, die über die ganze Stadt verstreut waren, von Diesdorf, über Neustadt und Sudenburg bis nach Salbke. Neben der Luftabwehr standen den Magdeburgern in dieser Nacht auch noch die Naturgewalten zur Seite. Da ein steifer Westwind herrschte, trieben die Zielmarkierungen, die der Masterbomber gesetzt hatte, die so genannten „Weihnachtsbäume“, nach Osten ab und die Bewohner der östlichen Stadteile erlebten so ihren ersten Bombenangriff. Aber auch sie hatten noch Glück im Unglück, denn die Abdrift nach Osten war so stark, dass die Masse der Bomben in die Feldmark östlich der Stadt und die Kreuzhorst niederging. Trotzdem starben in Magdeburg 112 Menschen und 271 wurden verletzt. Durch das Abwehrfeuer der Flak und durch die eingesetzten Nachtjäger wurden 55 britische Flugzeuge bei diesem Angriff abgeschossen, allerdings nicht alle über Magdeburg selbst, sondern auch beim An- und beim Abflug. Das waren für die Engländer fühlbare Verluste. Die Batterie aber reklamierte zwei Abschüsse für sich bzw. die Teilnahme an zwei Abschüsse. Die Teilnahme an Abschüssen war insofern von Bedeutung, weil davon die Verleihung des Flakabzeichens abhing, das am 10.Januar gestiftet worden war. Die Verleihung erforderte die Teilnahme des betreffenden Soldaten an mindestens fünf Abschüssen feindlicher Bomber durch die eigene Batterie allein. Waren noch andere daran beteiligt, mussten zehn Abschüsse erreicht werden. Das alles lief über ein Punktekonto. Seit dem 13.August1943 konnte die Verleihung des Flakkampfabzeichens auch an Luftwaffenhelfer erfolgen. Natürlich waren wir sehr an diesem Kampfabzeichen interessiert, den die Verleihung des erstrebten Eisernen Kreuzes stellte bei der Heimatflak eher ein seltenes Ereignis dar. Da wir aber noch nicht aktiv an den Gefechtseinsatz teilgenommen hatten, konnte die Punkte auch nicht auf unser Konto für das Flakabzeichen gutgeschrieben werden. Vier Wochen später, am 22.februar 1944, erfolgte noch einmal ein Tagesangriff der Amerikaner auf die Junkerswerke, bei dem wir aber keinen Abschusserfolg erzielen konnten. Da unsere Ausbildung nahezu beendet war, besetzten wir schon die 2.Position neben der Stammbedienung, waren also nun schon aktive Teilnehmer an den Kampfhandlungen. Zwischen Februar und Mai1944 erfolgten keine weiteren Angriffe der Anglo-Amerikaner auf Magdeburg. Die Bomberströme zogen alle in Richtung Berlin, nördlich an Magdeburg vorbei. Nur wenn sie einmal in unsere Reichweite gerieten, was recht selten vorkam, eröffnete die Batterie unserer Abteilung das Feuer, aber steht’s mit wenig erfolg, was meistens der bereits geringen Reichweite unserer Geschütze geschuldet war. Das erinnert fatal an ein Rudel Hunde an der kette, das zwar laut kläffen, aber nicht beißen konnte. Am 12.Mai1944 starb ganz plötzlich meine Großmutter Adelheid, die bei uns zu Hause wohnte. Ich hatte von all dem nichts mitbekommen, nur zur Beerdigung erhielt ich Urlaub. Nach der Beisetzung gingen wir langsam vom Westfriedhof her durch die Goetheanlagen nach Hause. Natürlich war ich traurig, aber meine Trauer hielt sich in Grenzen, zu gering war der Kontakt gewesen, den unsere Oma zu uns unterhalten hatte. Und auch in der Zeit, in der sie bei uns wohnte, war ich die meiste Zeit nicht anwesend gewesen, so dass auch hier eine engere Bindung nicht entstehen konnte. Dennoch ging es mir irgendwie nahe, denn nun hatte ich keine Großeltern mehr. Oma Adelheid war die letzte meiner noch lebenden Großelternteile gewesen. Bis zum Mai1944 hatte uns die Intensivierung des Luftkrieges nicht direkt persönlich betroffen. Wir sahen wohl die Bomber in 8.000Meter Höhe als kleine silberne Punkte mit langen weißen Kondensstreifen am Himmel vorbeiziehen oder hörten nachts ihre Motorengeräusche, da die britischen Kampfflugzeuge eine Angriffshöhe von etwa 6.000meter bevorzugten, aber wir sahen nicht die Personen selbst, die in den Flugzeugen saßen. Kurz: Der Feind hatte für uns noch kein Gesicht. Das änderte sich ganz plötzlich am 28.Mai1944. es war der 1.Pfingsttag und herrliches Sommerwetter. Der Batteriechef hatte für den Nachmittag Besuchererlaubnis für Angehörige, Freundinnen, Bräute und „Bratkartoffelverhältnisse“ gegeben. An diesem Nachmittag wollten auch meine Eltern kommen Der Vormittag war frei und wir beschlossen, nun endlich einmal das schon lange geplante Gruppenbild von unserer Korporalschaft zu schießen. Wir hatten unsere Ausgangsuniform angelegt und uns auf der Chaussee vor der Batterie versammelt, unseren Uffz. Stahlecker in die Mitte genommen und gerade geknipst, als die Alarmglocken loslegten. Noch in der Ausgangsuniform -zum Umziehen blieb keine Zeit mehr- eilten wir uns auf unsere Stationen. Die Luftlagemeldung besagte, dass starke amerikanische Bomberverbände im Anflug auf den Raum Hannover/Braunschweig seien. Wir rechneten wieder wie üblich mit einem Angriff auf Berlin und machten es uns gemütlich, denn in diesem Falle zogen die Bomberverbände wie immer nördlich an uns vorbei. Doch diesmal kam es ganz anders. Plötzlich übermittelte das FuMG Werte an das Kommandogerät, die uns zeigten, dass die Bomber sich in einem direkten Anflug auf Magdeburg befanden. Sehr bald schon hörten wir das auf- und abschwellende Brummen vieler Flugzeugmotoren. Es wurde so intensiv, dass man meinen könnte, es wäre Bestandteil der Luft um uns. Dieses Vibrieren ging durch Mark und Bein und erzeugte eine unterschwellige Furcht vor dieser gewaltigen Armada, die geradewegs auf uns zuflog. Ich hatte an diesem Tage am Kommandogerät die Höhe zu bedienen, das heißt, ich hatte den Höhenwinkel der anfliegenden Maschinen zu messen Schon waren die kleinen silbernen Punkte mit ihren langen Kondensstreifen am tiefblauen Himmel zu sehen. Sie hielten genau auf uns zu. Jetzt waren wir dran! Sehr schnell hatte ich den amerikanischen Bomberpulk genau und hielt ihn hier eisern fest, denn nur so konnte man genaue Schießwerte erhalten. Ich konnte die Maschinen ganz klar erkennen, es waren die bekannten Boeing B-17, „Flying Fortress II“, die „fliegenden Festungen“. Wir hatten gerade gemeldet „aufgefasst!“, da gab unser Batteriechef auch schon den Feuerbefehl. Es musste alles exakt geklappt haben, denn schon die erste Gruppe, so hieß die Salve bei der Flakartillerie, saß genau im Ziel. Ich sah, wie die Führermaschine zu brennen begann, vier Mann sprangen mit dem Fallschirm ab, aber nur drei öffneten sich. Der vierte Mann ruderte verzweifelt mit den Armen, aber es gelang ihm nicht, den Fallschirm zu öffnen. Wie ein Stein fiel es zur Erde. Dann zerriß eine gewaltige Explosion die brennende Maschine, deren Einzelteile nun auf unsere Stellung zufielen. Ich hatte den Eindruck, dass einer der Motoren direkt auf unserem Kommandogerät landen müsste und zog den Kopf ein und den Stahlhelm fest. Als ob das hätte helfen könne, wenn der Motor bei uns einschlagen wäre. Ich hatte erstmalig echte Angst um mein Leben. Aber der Kelch ging an uns noch einmal vorüber, der Motor lag schließlich nachher fast fünfzig Meter neben uns. Es war der erste Abschuss unserer Batterie, den ich von Anfang bis Ende mit eigenen Augen und allen seinen tragischen Einzelheiten verfolgen konnte. Der Angriff galt der Brabag in Magdeburg Rothensee und war ein Teil der amerikanischen Bomberoffensive gegen die Treibstoffversorgung der Wehrmacht und diente -wie wir dann nach dem Kriege erfuhren- der Vorbereitung der Landung in der Normandie, die dann am 6.Juni1944 stattfand. Die Brabag stellte Benzin aus Braunkohle her und war insofern ein wichtiger Rüstungsbetrieb. Der amerikanische Angriff war erfolgreich, denn bald erhoben sich dichte schwarze Rauchwolken über dem Zielgebiet. Wenn wir auch die Treffer nicht verhindern konnten, so konnten wir doch dem Gegner empfindliche Verluste zufügen, denn ich sah noch eine Reihe weitere Fallschirme am Himmel. Ein Zeichen dafür, dass noch mehrere andere Maschinen getroffen worden waren. In der Zwischenzeit waren die drei Amerikaner mit dem Fallschirm in unserer Nähe gelandet und waren vom Batterietrupp gefangen genommen worden. Zum ersten Male sah ich nun den Feind von Angesicht zu Angesicht. Es handelte sich um drei junge Männer, einige Jahre älter als wir, unter ihnen ein Farbiger. Als dann Entwarnung gegeben wurde, war unser erster Auftrag, uns zum Aufschlagort der Maschine zu begeben, um die Toten zu bergen und eventuelle Unterlagen sicherzustellen. Fortsetzung Dr. Grigoleit folgt
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.