17.Oktober 1630 Die Kaiserlichen besetzten wieder Wolmirstedt, wodurch auch die Verbindung nach Norden unterbrochen wurde. Das erste schwedische Kavallerieregiment aus Ostpreußen setzte über die Weichsel und marschierte nach Hinterpommern, die restlichen folgten in den nächsten drei Wochen! 19.Oktober Falkenberg traf in Magdeburg ein und übernahm zu diesem Zeitpunkt noch sechs Infanterie- und fünf Kavalleriekompanien. Falkenberg inspizierte zuerst die Magdeburger Festungsanlagen. Zusammen mit den städtischen Söldnern verfügte er jetzt über ca. 3.000 Infanteristen und 300 Kavalleristen. Für seine in Niedersachsen anlaufenden Werbungen besaß er 30.000Taler. 22.Oktober Virmond nahm in Staßfurt Quartier. 26.Oktober Staßfurt wird von Montecuccoli geräumt, dafür rückt eine andere Garnison ein. Ende Oktober Pappenheim besetzte im Norden Ratzeburg und nahm den Herzog Franz Carl von Sachsen-Lauenburg gefangen, der hier (s.o.) für die Schweden Truppen warb. Dadurch schnitt er Falkenberg die Elbverbindung nach Hamburg und zum König in Pommern ab. Aus Hamburg erwartete Falkenberg vor allem die für seine Werbungen do dringend benötigten Gelder! Anfang November Inzwischen gelang es dem organisatorisch tätigen Falkenberg, ein neues Infanterieregiment von 800 Mann unter dem Obersten Trost aufzustellen. Seine „Armee“ umfasste nunmehr etwa 4.500 Mann. Somit bestand zu den Kaiserlichen rein zahlenmäßig ein ungefähres Gleichgewicht. Der optimistische Schwedenkönig sprach bereits von einer „Elbarmee“ mit 12-21.000 Mann! 10.November Meuterei der schwedisch-administratorischen Kavallerie. Die Soldaten litten nämlich buchstäblich Hungers. Nur der persönliche Einsatz Falkenbergs verhinderte einen Auseinanderfall dieser Truppe. Bei Teilen des Magdeburger Rates und der Oberschicht machten sich zunehmend Bedenken über die bisherige Politik bemerkbar. Nach den ersten schnellen „Siegen“ folgte jetzt eine starke Ernüchterung. Die seit der Ratsänderung von 1630 entmachtete alte „kaiserliche Faction“, sie repräsentierte ausschließlich die alte Oberschicht, begann wieder mit ihrer alten Argumentation für ein Übereinkommen mit dem Kaiser. Dagegen unterstützte die „schwedische Faction“, die lutherische Geistlichkeit, Teile der neuen Oberschicht und vor allem die Mittel- und Unterschichten, auch weiterhin vorbehaltlos Falkenberg. Über diese innerstädtischen Situation in der blockierten Stadt berichtete der schwedische Agent Stallmann am 2.Dezember in einem Brief an den König. Zwischen Magdeburg und der denkwürdigen, erfolgreichen Verteidigung von Stralsund im Jahre 1628 sei ein großer Unterschied, weil damals die Bürger der Ostseestadt eine ungleiche festere Haltung gegenüber dem Wallensteiner bewiesen hätte. Nach dem Eintreffen Falkenbergs traten der Administrator und der eben genannte Stallmann als militärische und politische Führer weitestgehend in den Hintergrund. Das konnte der Sache selbst nur dienlich sein. 20.November Falkenberg begann ein Unternehmen zur Rückeroberung von Haldensleben, in dem nur 150 Kaiserliche lagen. Da er dafür 500 Infanteristen und 150 Kavalleristen einsetzte, war ein Erfolg abzusehen. Um die gleiche Zeit leitete in Vorpommern der schwedische General Horn die berühmte Operation gegen Garz ein, nachdem die Kavallerie endlich aus Ostpreußen eingetroffen war (s.o.). Beide Aktionen glückten. Damit begann die zweite Etappe der militärischen Operation im Erzstift. Allerdings war die Lage gegenüber dem Sommer grundlegend verändert. Zwar waren beide jetzt zahlenmäßig gleichwertig, doch an Erfahrung übertrafen die kaiserlich-ligistischen Truppen die schwedische-administratorische-magdeburgischen bei weiten. Die strategische Initiative hatten letztere gleichfalls eingebüßt. Anscheinend spekulierte Falkenberg in dieser Etappe darauf, sich einen Weg freizumachen und noch die langersehnte Verbindung zum König herzustellen. Zumal sich die Herzöge Georg von Braunschweig-Lüneburg und Franz Carl von Sachsen-Lauernburg im Gebiet der unteren Elbe mit Truppenbewegungen für den Schweden befassten. Allerdings war zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht zu erwarten, daß sich der Braunschweiger als offener Gegner der Kaiserlichen zu erkennen geben würde, ehe nicht Gustav Adolf in Pommern und Mecklenburg siegte. Ganz abgesehen davon stellte sich auch künftig dieser Fürst, selbst vor kurzem wallensteinischer General, immer auf die politisch wie militärisch stärkere Seite. Die schwedische Besatzung in Haldensleben wurde sofort von Kroaten eingeschlossen. Obwohl sie den wichtigen Paß aus dem Erzstift nach Norden besetzt hielten, unternahmen die Schwedischen in Haldensleben nichts, um den Weg auch wirklich benutzbar offenzuhalten, sondern verurteilten sich selbst zur Untätigkeit. 22.November Dagegen schloß Holk zwei Tage nach der Eroberung von Haldensleben durch den schwedischen Obersten Schneidewind diesen mit etwa 2.000 Kavalleristen in der Stadt ein. Als dann am gleichen Tage die ersten Infanteristen vor der Ohrestadt eintrafen, ohne die eine Belagerung nicht möglich war, schien das weitere Schicksal des Unternehmens bereits besiegelt zu sein. Die kaiserlichen Belagerer verfügten zudem noch über Halbkartauen (24 Pfünder), Oberst Schneidewind dagegen nur über zwei kleine, alte Geschütze. 23.November Ausfall aus Magdeburg in Richtung Schönebeck. 26.November Virmond verließ Staßfurt und marschierte auf Haldensleben. In Hameln hielten Tilly und Pappenheim Kriegsrat. Ersterer war nach der Absetzung Wallensteins Oberbefehlshaber der vereinigten kaiserlisch-ligistischen Armee. Pappenheim wurde der Feldzug gegen Magdeburg aufgetragen. Doch vorerst nur mit 2-3.000 Mann; denn zu diesem Zeitpunkt betrachteten die Ligisten die Magdeburger Angelegenheit noch mit Desinteresse, da sie ihrer Meinung nach vor allem den Kaiser und Wallenstein betraf. Diese Einstellung änderte sich nur allmählich, nachdem sie selbst stärker in der Verantwortung standen und die Hauptlast des Krieges zu tragen und auch ihre Nachschublinien durch das Erbstift bedroht waren. 1.Dezember Nach seinem Anmarsch von Hameln her traf Pappenheim vor Haldensleben mit 2.000Infanteristen und 400 Kavalleristen ein. Es konnte deshalb nur eine Frage von tagen sein, bis die Stadt erobert war. 5.Dezember Kapitulation der schwedischen Besatzung in Haldensleben unter ihrem Obersten Schneidewind Falkenberg erhob gegen ihn sofort den Vorwurf des Verrates. Obwohl es entsprechend der damaligen militärischen Gepflogenheit allgemein üblich war, daß man in solch aussichtsloser Lage kapitulierte, ohne den letzten Kampf zu wagen. Pappenheim berichtete von 400 gefangenen Infanteristen und 200 Kavalleristen. Eine solche starke Garnison stellte selbst bei einer größeren Festung durchaus eine achtungsgebietende Zahl dar, wenn man sich energisch zur Wehr zu setzen beabsichtigte. Doch ließen die örtlichen Gegebenheiten, der in der Ohreniederung gelegene Stadt, eine Gegenwehr wohl, als zwecklos erschienen. Zumal in Pappenheim ein bekannter, äußerst energischer Angreifer vor der Stadt lag. So hatte er vor Jahren die ungleiche stärkere Okerfestung Wolfenbüttel dadurch bezwungen, daß er den Fluß aufstaute und sie unter Wasser setzte. Da Haldensleben eine solche Eroberungsmethodik schon einmal erlitten hatte, allerdings im 12.Jahrhundert, befürchtete man wohl eine Wiederholung. Falkenberg verlor so neben einem strategisch wichtigen Punkt 600 nicht mehr zu ersetzende Soldaten. Die ligistisch-kaiserliche Blockadearmee wurde um diese Zeit durch die Rgtr. Manadas, Strozzi (Kürassiere) und Baden (Inf.) verstärkt. Pappenheim verfügte nunmehr über rund 11.500 Mann. Das reichte zwar bei weitem nicht für eine regelrechte Belagerung einer solchen großen Festung wie Magdeburg, aber eine großangelegte Blockade ließ sich damit durchaus erfolgreich gestalten. Um die gleiche Zeit hielt sich Tilly in Halberstadt auf. Er rechnete zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit, in der sonst üblicherweise die Truppen zu ihrer Reorganisation in die Winterquartiere gingen, nicht mehr mit neuen Aktionen des Schwedenkönigs. Desgleichen erschien ihm auch eine Belagerung Magdeburgs noch nicht spruchreif, ehe nicht der Feldzug in Pommern zu einer Entscheidung gebracht worden war. Dies konnte aber kaum vor dem nächsten Frühjahr stattfinden. 10.Dezember Pappenheim befand sich jetzt in unmittelbare Nähe Magdeburgs in Olvenstedt. Da er aber bald darauf in diplomatisch-militärischen Auftrag anderen Orts eingesetzt wurde, verschwand nun auch die zweite, bei der späteren Eroberung bedeutsame Person aus der unmittelbaren Umgebung der Elbestadt. Holstein lag in Barleben und Holk in Gr. Ottersleben in Quartier. Damit blockierten sie die Ausfallstraßen nach Norden und Westen. Mitte Dezember traf der eben vom Kaiser zum Stadthalter im Erzstift ernannte Graf Wolf von Mansfeld hier ein, wodurch es sofort zu schweren Misshelligkeiten zwischen ihm und den bisher so erfolgreichen Befehlshabern Virmond und Pappenheim kam, da er sich auch in die militärischen Angelegenheiten einmischte. Am Tage der Kapitulation von Haldensleben traf Tilly hier persönlich ein, um die Belagerungsarbeiten selbst in Augenschein zu nehmen. Als er von Pappenheim in der Szadt empfangen wurde, kehrte er nach Halberstadt zurück. 11.Dezember Pappenheim berichtete seinem Vettern in einem Brief über die Verteilung der unmittelbar Magdeburg blockierenden Truppen. S c h ö n e b e c k, das Schloß besetzt. S a l z e, die Stadt besetzt. S a l b k e, hier lag der kaiserliche Oberst Bönninghausen mit 500 Kavalleristen. D i e s d o r f, hier lag der Oberstwachtmeister des ligistischen Infanterieregiments Alt-Tilly mit 100 Kavalleristen und 800 Infanteristen. N i e d e r n d o d e l e b e n, hier lag der kaiserliche Oberst Holk mit 800 Kavalleristen. O l v e n s t e d t, hier befand sich das Hauptquartier Papenheim und des kaiserlichen Generalwachtmeister Virmond mit 200 Kavalleristen und 1.200 Infanteristen. B a r l e b e n, hier lag der kaiserliche Oberst von Holstein mit 1.200 Infanteristen und der Kroatengeneral Corpes mit 600 Kavalleristen. W o l m i r s t e d t, die Stadt war besetzt. Damit verfügte Pappenheim im Vorfeld Magdeburgs über: 3.800 Infanteristen und 2.200 Kavalleristen. 19.Dezember Tilly forderte erneut brieflich von Halberstadt aus Magdeburg zur Unterwerfung unter den Kaiser auf. Dies konnte zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr als eine diplomatische Pflichtübung bedeuten; denn dem General drückten mehr die Sorgen um die Fortschritte des Schwedenkönigs nach seinem erfolgreichem Angriff auf Garz (s.o.), als daß er dieser ultimativen Forderung im Augenblick durch die militärische Aktion hätte mehr Nachdruck verschaffen können. 21.Dezember Die Schweden eroberten Garz und Greifenhagen. Damit erzielten sie den sehr wichtigen Einbruch in das Odertal. Es stand ihnen nunmehr frei, sich entweder in südlicher oder westlicher Richtung offensiv zu bewegen. Um Weihnachten Es erfolgte ein pappenheimischer Überfall auf das Kloster berge und die Sudenburg.
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Mitte Januar 1631 Tilly bricht gezwungenermaßen von Halberstadt auf, nachdem seine Hoffnung auf ruhige Winterquartiere zerstoben waren. Mit den Rgtr. Baden, Holstein und Wangeler (Infanterie), sowie dem Rgt. Strozzi (Kürassiere) und 11 Kompanien Kroaten marschiert er auf die untere Oder zu. 15./16.Januar Tilly erreichte über Calbe/S. die Dessauer Brücke, Saarmund und Treuenbrietzen Frankfurt/Oder. Dieser Abmarsch südlich um Magdeburg herum, zeigt deutlich die wichtige Stellung dieser Stadt als Elbübergang; denn nördlich von hier gab es keinen zweiten Flussübergang gleichen Ranges. Ende Januar folgten noch die Rgtr, Liechtenstein und Virmond mit allen restlichen Kroatenkompanien. Somit umfasste die kaiserlich-ligistischen Blockadearmee vor Magdeburg nur noch 8 Kompanien Infanterie und 33 Kompanien Kavallerie aus der kaiserlichen Armee und 5.000 ligistische Infanteristen mit 2 Kompanien Kavallerie. Insgesamt: 6.950 Infanteristen 3.205 Kavalleristen Dabei erscheint vor allem die zahlenmäßig so enorme Überlegenheit an Kavallerie bemerkenswert. Der Grund mag wohl in zwei Tatsachen zu untersuchen sein. E r s t e n s war es üblich, in den Winterquartieren die besonders anfällige Kavallerie so lange wie möglich festzuhalten, um sie als die wichtigste Angriffswaffe auf den bestmöglichen Standart zu bringen. Dafür boten die landwirtschaftlich reichen Stifter Halberstadt und Magdeburg die augenblicklich günstigsten Gelegenheiten. Z w e i t e n s deutete dies an, daß man sich nur auf eine sehr bewegliche Blockade Magdeburgs einzurichten gedachte, wobei die hier stationierte Kavallerie als frei verfügbare Reserve im Bedarfsfall sehr schnell abgezogen und auf dem Hauptkriegsschauplatz eingesetzt werden konnte. Diese Tatsachen können Falkenberg nicht verborgen geblieben sein. So verschaffte ihm der Vorstoß seines Königs oderaufwärts die dringend notwendige Zeit für die Reorganisation seiner Truppen. 17.Januar Der Rat Magdeburgs lehnte gemeinsam mit dem Administrator das tillysche Unterwerfungsangebot (s.o.) ab. 23.Januar Frankreich schloß mit Schweden den bekannten Vertrag von Bärwalde. Gustav Adolf erhielt hierin die Zusicherung einer in zwei Raten (1,Rate zum 15.Mai 1631 und 2. Rate zum 15. November d.J.) erfolgenden Zahlungen von je 200.000 Ecus! Damit war eine erneute Offensive des Schweden vor der Zahlung der 1. Rate kaum zu erwarten; denn die höchst sold- und kostenintensive Reorganisation der Kavallerie konnte man nicht ins Feld ziehen. Ob diese Kausalitäten allen Beteiligten, vor allem aber Falkenberg und den Magdeburgern bekannt wurden, ist zu bezweifeln. Im Kalkül Gustav Adolfs konnte deshalb die Stadt auch jetzt noch die Rolle eines Hin- oder Festhaltepunktes für möglichst große Truppenmassen seines Gegners spielen. Februar Die kaiserlich-ligistische Blockadearmee vor Magdeburg erhält wieder erste Verstärkungen. 1.März Umfasste sie an Infanterie: Die Rgtr. Fürstenberg (10 Kp.), Liechtenstein (5 Kp.)und Virmond (13 Kp.), an Kavallerie die Rgtr. Bönninghausen, Maradas und Holk (Kürassiere) mit dem Kroatenrgt. Corpes, insgesamt 27 Kompanien, dazu 5.000 ligistische Infanteristen und 2 Kompanien Kavallerie. Das waren schätzungsweise: 7.570 Infanteristen und 29 Kompanien Kavallerie, 2.655 Mann. Dagegen bestand die schwedisch-administratorisch-magdeburgische Macht aus: 3.500-4.000 Infanteristen und Kavalleristen, sowie ca. 3.000-4.000 waffenfähigen Bürgern. Rein rechnerisch stellte das ein Gleichgewicht dar. Anfang 1631 verlief die Blockade- und Zernierungslinie um Magdeburg wie folgt: Von Salbke-Diesdorf-Olvenstedt-Barleben nach Rothensee auf dem linken Elbufer. Damit lagen hier die Gegner 4-6km von der eigentlichen Stadt entfernt. Der hier kommandierende Kaiserliche Statthalter Graf Wolf von Mansfeld hatte sein Hauptquartier in Wanzleben. Auf dem rechten Elbufer verlief die Linie von Körbelitz-Gerwisch bis Biederitz. Hier kommandierte Pappenheim. Sein Hauptquartier befand sich in Burg. Die entfernte Lage der Hauptquartiere, durchschnittlich waren sie von der „Front“ 25-30km entfernt, verdeutlicht die Absicht der Belagerer, Magdeburg nur einzuschnüren und noch keinen direkten Angriff zu wagen. Anfang März Pappenheim ließ das zu Magdeburg gehörende Dorf Gübs, 7km von der Stadt entfernt, auf dem rechten Elbufer erobern. Seine Blockadelinie schloß erst bei Frohse an die des Grafen von Mansfeld auf dem linken Ufer an. Damit verfügten die Belagerten nur noch den Klusdamm in das damals kursächsische Amt Gommern über einen dünnen Verbindungsweg nach draußen. Da Sachsen neutral war, wagte auch Pappenheim nicht, hier aktiv zu werden und diesen letzten Weg abzuschneiden. Die spätere Anlage von befestigten Außenposten der Magdeburger in dieser Richtung, findet auch so seine Erklärung. Pappenheim betrieb die Belagerung trotzdem energisch und ließ z.B. aus dem Stift Halberstadt Erdarbeiter, Zugpferde und Geschütze aus Wolfenbüttel kommen. Im Februar verfügte er so bereits 38 Kanonen verschiedensten Kalibers. Allerdings musste er kurz darauf davon das Meiste an Tilly abgeben, der Neubrandenburg belagerte, wohin er von Brandenburg/H. aus nach seinem Rückzug aus Vorpommern aufgebrochen war. Um diese Zeit inspizierte Tilly sogar einmal kurz persönlich die Linie vor Magdeburg. Die bereits erwähnte Misshelligkeiten zwischen Pappenheim und dem Grafen von Mansfeld versuchte das Oberhaupt der Liga, Hurfürst Maximilian von Bayern, brieflich beizulegen. Ersterer beschuldigte seinen Kameraden der allzulässigen Kriegsführung. Den politischen Hintergrund dafür bildete der Gegensatz zwischen dem Kaiser und dem bayrischen Kurfürsten; denn Pappenheim unterstand letzterem, während der Graf von Mansfeld in kaiserlichen Diensten stand! Dezember 1630-Mitte März 1631 Periode der schleppenden Belagerung, deren Gründe für beide Seiten bereits hinreichend dargelegt wurden. Mitte Februar Die Kaiserlichen besetzten Rothensee, während sich die Magdeburger auf Verproviantierungsraids beschränkten. Februar-März Die Verteidiger verstärkten ihre Befestigungsanlagen, außerdem ließ Falkenberg seine umstrittenen Außenwerke anlegen. Sie sollten dazu dienen, die Angreifer solange wie möglich von den eigentlichen Festungsanlagen fernzuhalten, vor allem aber dem sehnlichst erwarteten Entsatz durch Gustav Adolf den Weg über die Elbe offenzuhalten. So entstanden die schwachen und improvisiert aufgeführten Anlagen bei Buckau, auf dem Roten Horn, in der Kreuzhorst, bei Prester, Krakau und dem Brückenfeld. Allerdings war die Gefahr, diese Außenanlagen durch energische Angriffe der Belagerer sehr schnell mitsamt ihren Besatzungen zu verlieren, sehr groß. Sie lagen zu weit vor der Stadt und isoliert voneinander, so daß der an und für sich richtige Grundgedanke (s.u.) nicht verwirklicht werden konnte. Im Gegenteil, es sollte sich bald zeigen, daß man nur den Fehler vom Vorjahr von Haldensleben wiederholte, indem die zu exponiert eingesetzten, ausgebildeten Soldaten geopfert wurden, ohne daß man dadurch die Zeitpläne des Gegners hinreichend durcheinander brachte oder selbst viel Zeit dabei gewann. 27.Februar Pappenheim besetzte kurz die Kreuzhorst und unterbrach so die wichtige und letzt, offene Verbindung nach draußen. Falkenberg erkannt diese Gefahr sofort. Sein Gegenstoß stelle auch die alte Lage wieder her, obwohl ihm Pappenheim Infanteriemassen entgegen warf.
10.März Nach einer Ruhepause ergriff diesmal Falkenberg die Initiative, indem er nach Süden bis Barby vorstieß und hier ein kaiserliches Pferdemagazin aushob. Daran erkannte man, daß die pappenheimischen Vorwürfe gegen den Grafen von Mansfeld, der bekanntlich auf diesem Elbufer kommandierte, doch wohl zu recht bestanden. 11./12.März Pappenheim errichtete daraufhin sofort eine starke Batterie bei Salbke, deren Aufgabe es sein sollte, die starken Werks der Magdeburger auf dem gegenüberliegenden Ufer zu vernichten. Es handelte sich um „Trutz Tilly“ gegenüber von Westerhüsen. Doch erbrachte die Beschießung nicht den gewünschten Erfolg. 14.März Rgt. Alt-Breuner und Teile von Coroini durch Staßfurt. 17.März Erneutes Gefecht in der Kreuzhorst. Falkenberg schrieb unter diesem Datum an seinen König. Er berichtet ihn über den Bau der Außenwerke und teilte ihm mit, daß er diese mit großem Aufwand nur errichtet habe, um ihm den Weg nach Magdeburg offenzuhalten. Etwa um diese Zeit quartierte sich Falkenberg mit seinen Truppen in Magdeburg ein, damit wurde die Stadt zu einer letzten Operationsbasis. Es ist der Stadt sicherlich nicht leichtgefallen, die Soldaten nun auch noch aufzunehmen. Schätzungsweise beherbergte Magdeburg neben den rund 20.000 Einwohnern noch ca. 10.000 Flüchtlinge aus den Schwesterstädten Neustadt und Sudenburg und Umgebung (so hielt sich z.B. der gesamte Rat von Burg mit Angehörigen hier auf). 24.März Zwischen Tilly und Pappenheim fand in Brandenburg/H. eine Lagebesprechung statt. Tillys Kavallerie befand sich auf dem Rückzug aus Pommern und Mecklenburg in der Priegnitz und bei Ruppin, während sich 2 Regimenter Infanterie bei Saarmund aufhielten, um hier den wichtigen Paß ins Sächsische zu sperren. Man einigte sich nunmehr auf eine energischere Belagerung Magdeburgs mit allen zur Verfügung stehenden Kräften. Da der Schwede nach seinen Erfolgen nur sehr langsam vorrückte, sah man eine reale Chance, um endlich mit dem zähen Gegner im Hinterland fertigzuwerden. 26.März Tilly schlug sein Hauptquartier vorübergehend in Möckern auf. Er hatte jetzt 14.000 Infanteristen und 3.000Kavalleristen beieinander. Zuerst wollte man die Außenwerke der Magdeburger erobern. Damit Falkenberg mit seiner Idee eigentlich Recht, den Gegner solange wie möglich durch diese Werke im Vorfeld der Stadt aufzuhalten, um so seinem König die Zeit zu verschaffen den Entsatz durchzuführen. Er konnte nicht ahnen, wie schnell seine Außenposten verloren gehen, so daß er am Ende kaum Zeit gewonnen, dafür aber gut ausgebildete Soldaten verloren hatte, die ihm beim Endscheidungskampf fehlten. 28.März Falkenberg berichtete dem König erneut über die angespannte Lage und die schlechte Stimmung in der Stadt, denn es konnte hier niemand, daß die Verteidigung der Elbfestung und ihre Sache schlecht stand. So berichtete er von dem langsamen Abfall der bisher treusten Anhänger der schwedischen Partei, den einflußreichen Pfarrern. 29.März Pappenheim befahl den Gegenangriff auf die Außenwerke der Stadt. 30.März Kurz nach Tagesanbruch erfolgte der Sturm an vier Stellen auf dem rechten Elbufer. 1. Auf die „Rehberger Schanze“ bei Krakau. 2. Auf die Schanze bei „Prester“. Sie wurde von nur 60 Mann verteidigt. Hier wurden teile des Rgts. Reinach (Liga) unter Oberstleutnant von Grotte und das Rgt. Savelli (Kaiserliche) eingesetzt. 3. Auf die Schanze „Magdeburger Succurs“ nördlich der Kreuzhorst. Hier trifft Tilly mit seinem Regt. persönlich ein. Die Schanze verteidigte ein Leutnant mit nur 24 Mann, denen es heldenhaft kämpfend gelang, fünf Angriffe abzuschlagen, ehe sie überwältigt werden konnten. 4. Auf die Schanze „Trutz Tilly“ gegenüber von Westerhüsen. (Ihre Reste sind noch heute zu sehen). In ihr befand sich eine starke Festung von 80 Mann mit vier Geschützen. Auch sie wurden nach erbitterter Gegenwehr erobert. Die tapfer fechtenden Soldaten wurden entgegen dem damaligen Kriegsausbruch alle niedergemacht, nachdem sie sich ergaben oder verwundet in Gefangenschaft gerieten. Üblicherweise ließ man damals die gefangenen Offiziere gegen Lösegeld frei und steckte die Soldaten in die eigene Truppe. Dieser Vorgang beweist deutlich mit welcher Erbitterung der Kampf um Magdeburg geführt wurde.
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31.März 1631 Die Schanzen bei Prester und Krakau wurden erst erobert nachdem das Rgt. Savelli eingesetzt worden war (s.o.). Die Schanze bei Krakau wurde von Morgen bis Mittag mit Artillerie sturmreif geschossen. Bevor aber zum Angriff kam, zog sich die Besatzung in die „Zollschanze“ zurück. Nacht des 31.März/1.April Der Graf von Mansfeld besetzte die linkselbischen Schanzen bei Buckau. Hier kämpften ca. 180 Mann der Magdeburger. Die gesamte Angriffsoperation war durch Pappenheim sorgfältig vorbereitet worden. Er ließ die kleinen, voneinander isolierten Besatzungen nacheinander mit weit überlegenen Kräften angreifen und wo es notwendig erschien vorher durch Artillerie sturmreif schießen. Dagegen half auch nicht der tapfere Widerstand der Besatzungen. Da sie ohne Hilfe aus der Stadt blieben, sicherte ihm diese Taktik einen durchschlagenden, kräftesparenden Erfolg. Diese Taktik sollte sich auch bei der eigentlichen Eroberung Magdeburgs bewähren. Die schwedisch-magdeburgische Armee verlor in dieser ersten Etappe des Kampfes um die Stadt selbst ca. 400 Mann der besten Soldaten. Den bedeutensten strategischen Verlust brachte aber die Unterbrechung der Verbindung nach Osten, von wo alle noch Hoffnung auf Entsatz bestand. In diesen Tagen erreichte Tilly die Nachricht vom Vormarsch des Schwedenkönigs auf Frankfurt/O., das dann auch am 3.April fiel. Gustav Adolf konnte die Offensive einleiten, da ihm endlich zwischen März und April 40.000 Taler französischer Subsidien zuflossen, mit denen er seine Truppen komplettieren konnte. Tilly stand nunmehr unter unmittelbarem Zeitdruck und musste deshalb die Belagerung Magdeburgs mit allen Mitteln zu einem schnellen Abschluß bringen, ehe er durch einen weiteren Vorstoß des Königs im Rücken gefasst wurde. Tillys Vorposten bei Saarmund und Mittelwalde waren rein zahlenmäßig unterlagen, so daß sie einem Angriff kaum hätten widerstehen können. Deshalb verließ er sogar zeitweilig sein Feldlager vor Magdeburg und begab sich bis nach Brandenburg/H, um eventuell seiner Garnison in Frankfurt/O. zu Hilfe zu kommen. Hier erreichte ihn die Nachricht vom Fall der Stadt. Sicherlich hoffte Tilly auch auf eine Entsatzaktion für Frankfurt/O. durch die in Schlesien stehenden kaiserlichen. Daraufhin kehrte er sofort nach Magdeburg zurück und verlegte nun den Angriffsschwerpunkt auf die Westseite der Stadt. Um sich den Rückzug nach Süden offenzuhalten, ließ Tilly die Dessauer Elbschanzen vor allem mit der Kavallerie stark besetzen. Hier konzentrierte er fast 4.000 Mann dieser offensiven Waffengattung, was eventuell seine Absicht erkennen ließ, einen direkten Vorstoß des Schweden zum Entsatz Magdeburgs von Süden her in der Flanke zu bedrohen. Ihm war nicht bekannt, daß dem Schwedenkönig nach seinem Erfolg bei Frankfurt/O. wieder einmal das Geld fehlte, um seine Kavallerie zu ergänzen, ohne die ein erneuter Vormarsch und Angriff überhaupt nicht möglich war. Tilly zog jetzt von Magdeburg eine Armee mit 14.450 Infanteristen und 2.800 Kavalleristen zusammen. Dagegen verschlechterte sich die allgemeine Lage in der hart bedrängten Stadt immer mehr und die Stimmung fing an umzuschlagen. Die alte kaiserliche Mahnung vom 14.September 1630 und die ähnlich lautenden Schreiben Tillys vom 12.Dezember 1630 und Pappenheim vom 1.februar 1630 ließen nun doch viele Einwohner das Schlimmste befürchten. Die Hoffnungen auf eine baldige Unterstützung durch den Kurfürsten von Sachsen zerrannen gleichfalls, als bekannt wurde, daß er ein Verbot erlassen hatte, in dem alle Munitions- und Verpflegungslieferungen für Falkenberg untersagt wurden, die dieser privat oder auf rechnung anderer bereits in sachsen bestellt und bezahlt hatte. (So sandte z.B. am 21.Januar 1632 (!) Sachsen 100Zt.Pulver und 100Zt. Lunten an den schwedischen General Baner, die noch aus solchen gesperrten Käufen Falkenbergs aus dem Jahre 1631 herrührten und in Wittenberg festgehalten worden waren. Wie sehr gerade die Pulverliefrungen in Magdeburg fehlen sollten, werden wir noch sehen). Hier lagen auch wahrscheinlich wichtige Gründe dafür, daß nach der Katastrophe von Magdeburg alle Beteiligten die Schuld immer beim anderen suchten. Dagegen lieferten Hamburger kaufleute an Tilly 500 Zt. Pulver! 6.April Pappenheim versuchte die Zollschanze zu stürmen. Doch ein Angriff mit 4 bis 5 Kompanien schlug fehl. Von Krakau aus ließ er die Schanze mit flankierenden Geschützfeuer beschießen, durch 5 Halbkartauen (24 Pfünder). Folgende Tage Eine zweite Batterie mit 6 Halbkartauenen bei Buckau und eine dritte mit 5 Halbkartaunen auf dem Krakauer Werder wurden errichtet. Durch sie beherrschte man nun die Elbe am Roten Horn, die Ausfahrt nach Sachsen (Gommern!). Außerdem konnte jetzt die eigentliche Stadt beschossen werden. Die von Falkenberg ebenfalls im Verlauf des Winters vor der Zollschanze erbeute Erdfestung „Trutz Kaiser“ blockierte Pappenheim durch eine Redoute auf dem Steinweg am Krakauer Damm, einen halb Mond auf dem Krakauer Werder und 13 Halbbastionen um die gesamte Zollschanze herum. Er errichtete nun die ersten Approchen (Laufgräben). Falkenberg setzte sich dagegen durch Kontreapprochen und andere pioniertechnische Werke zur Wehr. 15.April Erfolgte der 1.Großangriff auf die Zollschanze durch das Rgt. Holstein. Mit einem Verlust von 200 Soldaten schlug dieses Unternehmen fehl. 17./18.April Pappenheim brach die erfolglosen Bemühungen ab, nachdem auch ein 2.Angriff abgewiesen worden war. Um diese Zeit kehrte Tilly von seiner Exkursion nach Brandenburg zurück und beschloß, den Angriffsschwerpunkt von Ost- auf das Westufer der Elbe und dadurch unmittelbar vor die Stadt zu verlegen. 18.April Kam es zu schweren Kämpfen auf der Holzmarsch, d.h. im Bereich der Zollschanze und der Elbbrücke. Die Angreifer versuchen von der Flanke her, an die hier liegende Sternschanze heranzukommen. Die schwedisch-magdeburgischen Soldaten wurden aus der am Südende der Holzmarsch liegenden Redoute vertrieben, nachdem man sie aus den Batterien von Krakau und Buckau (s.o.) von je 6 Halbkartaunen unter schweres Feuer nahm. ?.April Sturmkolonnen unter dem Oberstleutnant von Grotta versuchten nun, die Redouten und Ravelinen auf dem Krakauer Werder zu erobern. Ein 3.Angriff auf die Zollschanze fand ebenfalls statt. Die schwedisch-magdeburgischen Soldaten räumten daraufhin die Schanze auf der Südspitze des Roten Horns. ? April Die Rgtr. Holstein und Wangeler (Infanterie) unternehmen unterstützt von einer Batterie mit 8 Halbkartaunen einen erneuten Angriff auf das Außenwerk „Trutz Kaiser“ vor der Zollschanze (s.o.). Die schweren Kämpfe dauern bei Regen bis zum Nachmittag an. Wegen dieser andauernden Angriffe auf deine Außenwerke jenseits der Elbe und auf dem Werder sah sich Falkenberg gegen 23.00Uhr gezwungen, die bisher erbittert verteidigte Zollschanze zu räumen. Desgleichen räumen seine Truppen die Neustadt und die Sudenburg. Beide Städte lagen schon größtenteils in Trümmern. Die sich hier noch aufhaltende Bevölkerung zog sich ebenfalls nach Magdeburg zurück. ? April An diesem Tag ließ Falkenberg auch die Schanze „Trutz Kaiser“ (s.o.) von seinen Soldaten räumen. Danach wurde die „Lange Brücke“ zerstört. Damit verblieb ihm nur noch das Kronenwerk auf der Holzmarsch als einziges, eventuelles Verbindungsstück über die Elbe nach Osten zum sehnsüchtig erwarteten Entsatz! Nach diesen schweren und verlustreichen Kämpfen um sie östlichen Verbindungswege mussten die tapferen Verteidiger weichen und die Außenwerke samt der Elbbrücke aufgeben. Ihre Hoffnung auf rechtzeitigen Entsatz wurde immer kleiner, zumal ihnen nunmehr alle Möglichkeiten für einen entgegenarbeitenden Ausfall genommen waren. Nacht vom 22./23.April Tilly verlegte nun seinen Angriffsschwerpunkt auf die geräumte Neustadt und Sudenburg und griff in dieser Nacht letztere an, dabei fiel auch die „Mühlenschanze“ zwischen der Sudenburg und Buckau. Tillys Hauptquartier befand sich jetzt in Gr. Salze. Um ihre Truppen noch schneller und bequemer von einem zum anderen Elbufer verlegen zu können, errichteten die Belagerer bei Frohse eine Schiffsbrücke. Dadurch konnten sie auch bei einem Entsatzversuch durch den Schwedenkönig, ihm entweder schnell die gesamte Armee entgegenwerfen, oder aber das rechte Elbufer gänzlich räumen und die Schiffsbrücke zerstören. Da inzwischen (s.o.) auch die städtische Elbbrücke zerstört worden war, konnte der Schwede keinesfalls schneller als sie auf das linke Elbufer übersetzen. 23.April Pappenheim rückte mit fünf Regimentern, den Hauptkräften seines Korps, vom rechten auf das linke Elbufer nach Rothensee ab. Damit lag der neue Angriffsschwerpunkt eigentlich schon fest. Nach allen bisherigen Erfahrungen mit diesem Kommandeur musste man dort wo er stand immer den gefährlichen Stoß erwarten. Allerdings schien man in Magdeburg diese Erfahrung noch nicht zu besitzen. Graf Wolf von Mansfeld verlegte in diesen Tagen sein Quartier gleichfalls, nämlich von Wanzleben (s.o.) nach Westerhüsen. Damit stand auch er im unmittelbaren Vorfeld der eigentlichen Festungsanlagen. Auf dem rechten Elbufer verblieb lediglich eine schwache Sperreinheit mit ca. fünf Kompanien und 2.000 Infanteristen unter dem ligistischen Obersten Blankaerdt. Seine Aufgabe bestand darin, bei einem eventuellen Entsatz oder Ausfall, Krakau zu halten. Diese auffälligen Umgruppierungen können Falkenberg nicht verborgen geblieben sein. Er stand nun vor der schwierigen taktischen Aufgabe, auch seine Kräfte entsprechend umzuverteilen. Dies konnte er nur tun, wenn er den feindlichen Angriffsschwerpunkt rechtzeitig erkannte und vor allem den Termin rechtzeitig voraussah. Große Gegenoperationen erlaubten ihm weder seine zusammengeschmolzenen Kräfte noch die allgemeine Stimmung in der Stadt. So musste er seine Aufmerksamkeit auf zwei Fronten richten, die i n n e r e und die ä u ß e r e. dadurch wurden seine Kräfte einfach überfordert, zumal sich noch andere schwerwiegende Mängel zeigen sollten, die er nicht hatte voraussehen können. So tat er vorerst das Richtige, indem er seine Truppen in der Stadt an wenigen, exponierten Punkten konzentrierte. 23.April Die schwedisch-administratorisch-magdeburgischen Truppen räumten endgültig die in Trümmern liegende Neustadt. 24.April Die Magdeburger erhielten ein erneutes Schreiben Tillys mit der wiederholten Unterwerfungsforderung. Tilly versuchte, seine gerade abgeschlossene Vertreibung der Verteidiger vom Ostufer der Elbe noch einmal nur durch diplomatische Mittel in einen Gesamterfolg zu verwandeln. 24.April Falkenberg gruppierte seine Kräfte nach den verhängnisvollen Niederlagen der letzten tage um. Noch schloß sich die Bürgerschaft seinen Maßnahmen an. Magdeburg verfügte zu diesem Zeitpunkt über ca. 4.000 Wehrfähige, die nach den 18 Stadtvierteln organisiert waren. Den nominellen Oberbefehl führte der Bürgermeister Brauns, der dann auch beim Sturm auf die Stadt fiel. Da die Bürgerschaft bei den schweren Kämpfen um die Außenwerke selbst kaum Verluste erlitt, da diese von den Söldnern Falkenbergs besetzt waren, muß damit gerechnet werden, daß sie noch voll einsatzfähig war. So besetzten sie 12 Stadtviertel oder Quartiere, wie sie in Magdeburg genannt wurden, den Hauptwall. 3 Stadtviertel, darunter die des Fischufers, deckten das Fischerufer bis zum Fährgarten. 3 Stadtviertel lagen in Reserve. Nachts hielten alle Stadtviertel Wache, am Tage aber nur die Hälfte. Diese taktische Regelung sollte sich am tage des Sturms als sehr verhängnisvoll erwiesen. Anscheinend erwartete man einen Nachtangriff! Die Söldner Falkenbergs des Administrators und die Stadtkompanien wurden wie folgt verteilt: Das Rgt. Falkenberg mit ca. 700 Mann zwischen dem Ulrichstor, dem Schrotdorfer Tor und dem neuen Werk. Die Stadtkompanie und die Reste des in Haldensleben aufgeriebenen Rgts. Schneidewind auf der Holzmarsch und an der Zollbrücke; sie kommandierte Oberst Trost. Das Rgt. Lange Longius? und die Leibkompanie des Admimistrators deckten die Bastion vom Dom samt dem davor liegenden Ravelin bis zum Heydeck. Alles in allem ca. 1.100 Mann. Den Heydeck verteidigten Bürger der umliegenden Stadtviertel. Das Hornwerk am Krökentor hielt eine Stadtkompanie. Die gesamte Nordfront stand unter dem Kommando des Generals Amteroth. Die restliche Kavallerie unter dem Obersten Georg von Uslar hielt Falkenberg in der Reserve (ca.250 Mann). An Artillerie besaß die Stadt: 77 Geschütze verschiedenen Kalibers auf den Wällen. 5 Halbkartaunen (24 Pfünder) 3 ältere Stücke (17 bis 24 Pfünder) in den Werken 21 Schlangen (6 bis 20 Pfünder) (s. Aufstellung n. Heilmann ) 22 Doppelhaken Zum Vergleich: Stralsund hatte 1628 bei der denkwürdigen Belagerung Wallenstein über 200 Geschütze auf den Wällen und das kleine Kolberg konnte sogar noch 49 Geschütze und 29 Doppelhaken aufbieten. Insgesamt verfügte Falkenberg damit über rund 2.500 Söldner und etwa 4.000 wehrfähige Bürger. Daraus kann man sehen, daß Falkenberg mit seinen besten truppen die wichtigsten Stadttore und Werke besetzte. Allerdings mit Ausnahme des neuen Werkes. Aber gerade hier sollte am 10.Mai der verhängnisvolle Einbruch in die Verteidigungslinie erfolgen! Eigentlich besagte dies nicht viel; denn der Heydeck, den Bürger und eine Stadtkompanie verteidigten, hielt sich an diesem Tag bis zuletzt, als alles verloren war. Entscheidend waren eben allein Entschlossenheit und Führung der Verteidiger! Wir sehen aber auch, wie mangelhaft und teilweise veraltet(s. Heilmann u.) vor allem die wichtige artilleristische Bestückung Magdeburgs gewesen war. Traten dann aber etwa noch andere Schwierigkeiten, wie Munitionsmangel, hinzu, musste das unweigerlich zur Katastrophe führen. Diese sollte nicht sehr lange auf sich warten lassen! Befanden sich zu Beginn der eigentlichen Belagerung der Kernstadt noch 150Ztr. Pulver in Vorrat, ganz zu Anfang der Kämpfe sollen es sogar einmal 600Ztr. Gewesen sein. So standen den Verteidigern im Mai, als sich die Laufgräben und Batterien der Belagerer bedrohlich nahe und in guter Beschussposition befanden, plötzlich nur noch 5Ztr.(!) zur Verfügung. Nach den Erfahrungen wurden aber täglich 18 bis 10Ztr. Benötigt, wenn man, die Belagerungsarbeiten auch nur einigermaßen befriedigend unter Beschuß halten wollte. Ohne Artillerieunterstützung konnte bereits damals kein taktischer Erfolg bei einer so ausgedehnten Verteidigung erzielt werden. Waren auch Schlussfolgerungen und Treffsicherheit mit den damaligen Geschützen bei der Verteidigung als auch beim Angriff noch sehr gering, so musste der fast völlige Ausfall der Artillerie des Verteidigers in der Endphase des Angriffs, wo der Belagerer im direkten Beschuß die Werke unter Feuer nahm, schlimme Folgen haben. Mit den vorhandenen Kapazitäten konnten aber täglich nut 7Zt. Pulver hergestellt werden. Dieses plötzliche Verschwinden so großer Pulvervorräte erklärte man mit der anfangs von den Magdeburgern geübte Praxis, mit dem schweren Geschütz sogar auf einzelne Soldaten zu schießen. Inwieweit hier aber ein künstlich organisierter Mangel bestand, mag dahingestellt bleiben; denn eine gesicherte Antwort ist heute nicht mehr möglich. Man muß die Frage aber doch aufwerfen. Wir wissen, daß die zum Kompromiß mit Tilly zeigende Fraktion innerhalb der Bürgerschaft durch ihre Leute im Rat auch Zugang zu den Pulvervorräten besaß. So fanden sich nach der Eroberung der Stadt z.B. im Neuen Werk (!) noch 5Zt. und im städtischen Pulverhof noch 20Zt. im Vorrat. Allerdings spiegeln diese beiden quellenmäßig belegten Angaben wohl auch nicht die volle Wahrheit wieder. Das Neue Werk war eine Hauptbefestigung und der Pulverhof die Produktionsstätte. Wenn man sich dabei aber daran erinnert, daß die Magdeburger im Jahre 1626 in der Lage waren, die Kaiserlichen vor Havelberg mit Pulver in großen Mengen zu versorgen, dann fragt man sich doch unwillkürlich, warum gerade jetzt, als es um Leben und Tod ging, dieser wichtige Stoff fehlt. Auch Tilly konnte natürlich das von seiner Artillerie dringend benötigte Pulver nicht herbeizaubern. Er erhielt aber z.B. allein 600Zt. aus Hamburg und Braunschweig zugeschickt, den „schwesterlichen“ Nachbarstädten Magdeburgs! (s.o.) Auf alle Fälle bleibt die gesamte Angelegenheit recht dunkel und irgendwie verdächtig.
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24.4.1631 In die nunmehr völlig geräumten Vorstädte rückten sofort die Truppen Pappenheims und Wolfs von Mansfeld ein. Sie begannen mit dem bau von Laufgräben und näherten sich immer mehr den Festungswerken der Stadt. 25.April Oberst Trost unternahm mit seinen Soldaten einen energischen Ausfall auf der Holzmarsch. Parallel dazu vertrieben die Magdeburger auch die Kaiserlichen aus ihren Laufgräben vor der Bastion Heydeck. Gegen Mittag Amsteroth stieß in die eben geräumte Neustadt vor und seine Soldaten nahmen hier beinahe den inspizierenden Pappenheim gefangen. Diese Unternehmungen der Magdeburger erwiesen sich als ungemein wirkungsvoll, weil sie die pioniertechnischen Belagerungsarbeiten der Ligisten und Kaiserlichen störten und ihre Soldaten in ständiger Unruhe hielten. Es gehörte zu den klassischen Merkmalen einer guten Verteidigung, daß man die Belagerer durch ständige Ausfälle in Atem hielt. Ließ man darin freiwillig oder schließlich den Fortgang der Belagerungsarbeiten gezwungenermaßen nach, dann war der Fall der zu verteidigenden Festung nur eine Frage der Zeit. Inzwischen zogen die Ligisten ihre Schiffsbrücke näher an die Stadt heran. Sie befand sich nunmehr bei Westerhüsen, wo einer der Kommandeure, Graf Wolf von Mansfeld, Quartier hielt. Damit verkürzte sich der Weg von der einen zur anderen Elbseite um einige Kilometer, was ein schnelleres Verlegen der Angriffsschwerpunkte ermöglichte. Außerdem konnte man bei einem Anmarsch der Schweden das rechte Elbufer schneller räumen oder verstärken (s.o.). 30.April Der Rat von Magdeburg antwortete auf das Schreiben Tillys vom 24.April, indem man um Pässe für eine Gesandtschaft an die Kürfürsten von Brandenburg und Sachsen bat. Klar war, daß Falkenberg dadurch zu gewinnen hoffte und gleichzeitig den neusten Stand der Dinge auf dem Kriegsschauplatz an der Oder und in der Mark zu erfahren trachtete, wenn nicht sogar in Verbindung zu seinem König treten konnte. Zwar gelang es Falkenberg immer wieder, Boten durch die Belagerer an den König zu schicken, aber die Hin- und Rückantwort, soweit letztere überhaupt noch möglich war, erforderten viel Zeit und die wurde jetzt immer knapper. Allerdings begann auch für Tilly, die Situation kritisch zu werden. Deshalb wandte auch er sich an die beiden Kürfürsten und teilte ihnen mit, daß Magdeburg verloren sei! Damit wollte er selbstverständlich den an gleicher Stelle vorsprechenden schwedischen Unterhändler den Wind aus den Segeln nehmen, die sich in Dresden und Berlin um Bündnisse bemühten. Dabei spielte die Magdeburger Frage eine nicht unwichtige Rolle, denn bekanntlich warfen beide Höfe ihr Auge auf das reiche und wichtige Erzstift. Der abgesetzte Administrator Christian Wilhelm, ein Onkel des Brandenburgischen Kurfürsten, befand sich als schwedischer Verbündeter zwar in Magdeburg, also im Besitz des wichtigsten Teiles des Erzstiftes, während der Sachse seinen Sohn August seit 1627 als Koadjutur, d.h. designierten Nachfolger des Administrators, in Hinterhand wusste. Die Ansprüche oder besser gesagt Aussichten beider auf das Erzstift waren aber durch das kaiserliche Restitutionsedikt von 1629 infragegestellt und Tilly nicht gelegen sein, Außerkraft gesetzt (s.o.). So belauerten sich beide Kurfürsten bei all ihren Schritten in Richtung auf das Erzstift und versuchten, im Trüben zu fischen. Auch sie wollten auf Zeit spielen, aber daran konnte Tilly nicht gelegen sein. Ihm saß der Schwede im Nacken. Siegte dieser weiter und hielt sich in Magdeburg, dann hätten sich die gegenseitigen Ansprüche auf das Erzstift in den üblichen diplomatischen Ränkespielen immer verwerten lassen. Eroberte Tilly aber die Stadt, dann war Erzherzog Leopold Wilhelm, der Sohn des Kaisers, dem die magdeburgischen Landstände im Jahr zuvor als neuem Erzbischof bereits gehuldigt hatten, nunmehr der Besitz des gesamten Erzstiftes, einschließlich Magdeburgs. 30.April Kais.-lig. Garnison räumt Brandenburg/H. Anfang Mai Tilly begann, seine exponierten Vorposten in Rathenow und Brandenburg zurückzuziehen. Bei Nauen und Zerbst tauchten erste schwedische Erkundungstrupps auf. 1.-6.Mai Die schwedische Hauptarmee rückte bis Berlin und Potsdam vor. Sie befand sich somit nur noch zwei bis drei Tagesmärsche vor Magdeburg. Die Stadt musste eine schwere Beschießung mit Brandgeschossen über sich ergehen lassen. 3.Mai Der kaiserliche-ligistische General Kratz räumte mit seiner Kavallerie Zerbst, über Köthen marschierten die Rgtr. Strozzi (Kür.), Montecuccoli (dgl.), Golloredo (Ark.), Hydou (dgl.) und Isolani (Kroaten) weiter ins Erzstift ab. 6.Mai Damit entfiel die se Flankenbedrohung der Schweden bei ihrem eventuellen Vormatsch auf Magdeburg (s.o.). 4. u. 8.Mai Letzte Ultimaten Tillys an den Rat der Stadt. 7.-9.Mai Schwerer Beschuß! Es sollen täglich 1.200 bis 1.800 Kugeln in die Stadt beschossen worden sein. Aber noch standen Festungswerke! 9.Mai Tilly zögerte noch bis Mittag, ehe er den Angriffsbefehl für den nächsten Morgen gab. Bis zuletzt dachte er daran, die Belagerung aufzuheben. Er befürchtete noch immer, daß ihn die schwedische Hauptarmee von Osten her in den Rücken fallen würde. Eine Bresche war nirgends in die Festungsmauern geschossen und ohne eine solche war ein Generalangriff nach dem damaligen militärischen Verständnis unmöglich In einer letzten Lagebesprechung überzeugten ihn Pappenheim und einige andere Kommandeure doch noch von der Aussicht auf eine Überrumplung am frühen Morgen. So wurde der Morgen des 10.Mai1631 als Termin für den Generalangriff festgelegt! 10.Mai Über die taktisch-militärischen Vorgänge der Eroberung der Stadt soll hier nicht weiter berichtet werden. Wichtig scheint nur das Ereignis. Am Ende fiel Tilly eine völlig zerstörte Stadt in die Hände, allerdings mit noch weitestgehend intakten Festungsanlagen! Dadurch war ihr strategischer Wert als Elbübergang bewahrt.
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12.Mai 1631 Von seinem Hauptquartier in Westerhüsen aus ritt Tilly in die zerstörte Stadt ein und ließ die in den Dom und das Kloster Unser Lieben Frauen Geflüchteten pardonieren. 10.-15.Mai Tilly gab den Befehl, die Dessauer Elbschanzen samt Brücke zu verbrennen. Er besaß jetzt in Magdeburg den wichtigeren Elbübergang! 14.Mai Tilly verlegte sein Hauptquartier in die erhalten gebliebene Möllendorfsche Kurie. Damit hatte die Tragödie um die altehrwürdige Stadt erst einmal ihr blutiges Ende gefunden. Auf Entsatz durch ihre Bundesgenossen Gustav Adolf sehnsüchtig wartend, hatten Bürger und Soldaten tapfer kämpfend, teilweise schlecht geführt und zuletzt gar unter Munitionsmangel leiden, buchstäblich bis zu dem bewussten „letzten Atemzug“ ausgehalten. Die erbitterten Straßenkämpfe am 10.Mai bewiesen wohl eindeutig den Mut und die Verzweiflung der Magdeburger. Die einfachen Menschen trugen hier wie bei der anschließenden Plünderung die Hauptlast der Leiden. So nimmt man an, daß der in Furie der entmenschten Söldner Tillys etwa 20.000 Menschen unter den Händen dieser Haufen und in den Flammen des ausgebrochenen Brandes ihr Leben lassen mussten. Der Schwede stand währenddessen mit seiner Armee in der Nähe von Potsdam und unternahm nicht den kleinsten militärischen Schritt zur Rettung der Stadt vor dem drohenden Unheil. Über die bedrängte Lage war er durch die einlaufenden Berichte seines Kommandanten Falkenberg stets unterrichtet. Da es Gustav Adolf an Geld fehlte, die französischen Subsidion liefen nur schleppend ein und der Kurfürst v. Brandenburg erfüllte nicht die schwedischen Forderungen nach 30.000 Talern, ließ sich der König bei seinen Unternehmungen allein vom politischen Kalkül leiten, sicherte zuerst seine Nachschublinien und Operationsbasen und leitete langwierige Verhandlungen mit den Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen ein. Dadurch gingen kostbare Tage und Wochen verloren. Am Ende sollte es sich deutlich zeigen, daß Magdeburg eben nur ein Steinchen im Spiel um das Ganze gewesen war! Aber auch der Sieger Tilly konnte sich seines Sieges nicht erfreuen. Zwar herrschte im kaiserlich-ligistischen Lager in Deutschland und dem ihrer verbündeten in ganz Europa großer Jubel, ob der Vernichtung des „Ketzernestes“. Aber alle die Tilly besaß zwar nun die wichtige Elbfestung als neue Basis für die Abwehr des zu erwartenden Angriffs der Schweden, aber sie war lange nicht das, was er sich von ihnen versprochen hatte. Die folgenden Operationen bewiesen, daß Magdeburg nur eine Nebenrolle in dem anschließenden Feldzug spielen sollte. Zudem haftete von nun an Tilly der Ruf des schlimmsten Mordbrenners seit der Zerstörung von Troja und Karthago, ob zu Recht oder Unrecht mag dahingestellt bleiben. Sicher konnte er an einer zerstörten Stadt kein militärisches Interesse besitzen, sicher ist aber auch, daß er seine Söldnerhaufen nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. So musste er zusehen, wie ihm die lang umkämpfte Beute vor den Augen verbrannte! Fortan blieb diese größte Einzelkatastrophe des an ähnlichen Ereignissen nicht gerade armen Dreißigjährigen Krieges auf ewig mit dem Namen Tillys verknüpft. 24.Mai Nach einer zweiwöchigen Erholungspause brach Tilly mit seiner Armee nach Süden auf. Mit ca. 25.000 Mann und 27 Geschützen marschierte er über Staßfurt, Aschersleben durch die Grafschaft Mansfeld bis nach Oldisleben in Thüringen. Bei ihrem Marsch über den Harz erlitten einzelne seiner Abteilungen schwere Verluste durch die Harzschützen, eine auf Partisanenart kämpfende Vereinigung von Bauern und Bergleuten, die schon 1626/27 im Dänisch-Niedersächsischen Krieg von sich reden machten. 26.Mai Kais.-lig. Infanterie zog durch Staßfurt. In Magdeburg verblieb der kaiserliche Gouverneur Graf Wolf von Mansfeld mit der masse der Infanterieregimenter Schlick, Baden und Breuner, sowie Teilen des Regiments Fürstenberg. Insgesamt waren dies 33 Kompanien mit 3.300 Mann. Zeitweilig befanden sich dazu noch die beiden Infanterieregimenter Liechtenstein (Goess) und Virmond (Goltz) im Erzstift und den angrenzenden Gebieten, sowie das Kavallerieregiment Bönninghausen. Das Regiment Virmond verlegte aber bald in die Mark und weiter nach Mecklenburg, das Regiment Liechtenstein nach Schlesien, gefolgt von dem Bönninghausens. So verblieb Mansfeld nur seine aus Infanterie bestehende Garnison. Allerdings ließ Tilly zur Deckung seines Operationsgebietes in Thüringen im Erzstift und Halberstädtischen ein bewegliches, gemischtes Korps unter Pappenheim zurück. 31.Mai Tilly nahm sein Hauptquartier in Oldisleben. Zu diesem auf den ersten Blick unverständlichen Südmarsch zwang ihn die Politik des Schwedenkönigs. Ihm gelang es nämlich, den Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel zum Bündnis zu bewegen. Später suchte ihn dieser im Lager von Werben auf. Der neue schwedische Verbündete begann, entlang der hessisch-thüringischen Grenze seine Truppen zusammenzuziehen. Da sich Kursachen ebenfalls weiter schwankend verhielt, geriet dadurch für Tilly der direkte Weg nach Süddeutschland in Gefahr. Von Oldisleben aus konnte Tilly aber in allen drei gefährdeten Richtungen operieren: Nach Süden ins hessische, nach Westen ins Sächsische und nach Norden gegen Schweden. Damit befand er sich in einer keineswegs schlechten strategischen Lage. Kritisch konnte sie erst werden, wenn sich die zwei potentiellen Gegner gleichzeitig mit den Schweden gegen ihn in Marsch setzen. Solche koordinierten Feldzüge waren bei der damaligen Art der Kriegsführung nur schwer zu realisieren. Einmal fehlte es an einer kurzfristigen Nachrichtenübermittlung und zum anderen lagen solch eine umfassende Operation bei dem fehlenden gemeinsamen Oberbefehl außerhalb der Möglichkeiten seiner Gegner. Tilly verweilte so einen Monat hindurch in Beobachtungsposition in Oldisleben. Als im Laufe des Juni 12.000 Taler aus Frankreich ankamen, bis zum Sommer wurden es insgesamt 580.000 Taler, konnte Gustav Adolf entsprechend seiner strategischen Konzeption 255.000 Taler seinen Nachschublinien deckenden Festungen auszahlen. Außerdem war es ihm endlich gelungen, den brandenburgischen Kurfürsten mit sanften militärischen Druck zum Anschluß eines Bündnisses zu bewegen. 5./6.Juni Tilly und Pappenheim trafen sich in Aschersleben. 8.-14.Juni Pappenheim lag mit seinem Korps bei Staßfurt in einer Wartestellung. Von Tilly hatte er noch die Infanterieregimenter Fürstenberg, Goess(vormals Liechtenstein) und Savelli erhalten, insgesamt 30 Kompanien. Hinzu kamen noch die Kavallerieregimenter Maradas, Alt-Sachsen, Strozzi und Coronini, insgesamt 35 Kompanien, sowie Isolanis Kroaten. Später traf noch das ligistische Infanterieregiment Erwitte hinzu. Damit verfügte Pappenheim über 5.000 Infanteristen und 2.600 Kavalleristen. An Artillerie besaß er zwei Halbkartaunen (24 Pfünder) und drei Feldstücke. Gemeinsam mit der Magdeburger Garnison konnten Pappenheim und Mansfeld damit im Idealfall etwa 13.000 Mann ins Feld stellen. Doch damit war einem ernsthaften Angriff der schwedischen Hauptarme nicht zu widerstehen. 12.Juni Besetzten die Schweden Spandau, Rathenow und Brandenburg/H. 13.Juni Ihr schwedischer General unternahm einen ersten Erkundungsvorstoß über die Altmark, dabei erreichte er Werben und Osterburg. Ein anderer Vorstoß erfolgte bis nach Burg. 14.Juni Gustav Adolf befand sich in Stettin. Dies ließ gerade nicht auf den unmittelbaren Beginn einer Offensive schließen. Er belagerte Greifswald, das am 16.Juni kapitulierte.
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22.Juni 1631 Pappenheim war mit seinen Hauptkräften bis Wolmirstedt vorgerückt. Von hier aus konnte er sowohl nach Osten über die Elbe vorrücken, als auch nach Norden in die Altmark. So deckte er einen zu erwartenden Vorstoß der Schweden über die Elbe bei Tangermünde. Deshalb ließ er auch einen starken Voraustrupp unter Erwitte bis nach Havelberg vorgehen. Eine westliche Flankendeckung hielt noch einige Punkte in der Altmark beigesetzt, so daß man auch einem eventuellen Angriff durch den Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg (s.o.) begegnen konnte. Die schwedische Armee stand mit einigen Vorposten bereits bei Rathenow, Brandenburg/H. und Ziesar. Deshalb mussten die Kaiserlichen auf dieser Linie auch mit dem Angriff des Schwedenkönigs rechnen. Pappenheim beabsichtigte zu diesem Zeitpunkt noch, sich mit der in Schlesien stehenden kaiserlichen Armee (s.o.) unter Tieffenbach zu vereinigen. Dadurch wollte er Gustav Adolf einen direkten Vormarsch in die kaiserlichen Erolande Schlesien und Böhmen unmöglich machen; denn anscheinend rechnete man im Kaiserlichen Lager mit dieser Möglichkeit stärker als mit dem Angriff auf Oberdeutschland. 23.Juni Gustav Adolf traf endlich bei seiner Hauptarmee ein und beschloß nun den Vormarsch auf die Elbe, einen Monat nach der Magdeburger Katastrophe! Der bei Ziesar stehende Rheingraf erhielt deshalb auch Verstärkungen und Baner den Befehl, mit Kavallerie bei Brandenburg/H. aufzumarschieren. Diese Befehle zeigten deutlich die Absicht des Königs, zunächst einmal die Kavallerie zu sichern, ehe er in einem zweiten Sprung zur Elbe vorzustoßen gedachte. Dieses „schrittweise“ Vorrücken war eigentlich nicht die Taktik des Schwedenkönigs! Sonst unternahm er plötzlich und schnelle Vorstöße, die den Gegner immer überraschten. Zu dieser sehr zögerlichen Art der Offensive trugen sicherlich politische bedenken wegen des Sachsen und seines Versuches bei, in aller letzter Minute noch die bisher neutralen, protestantischen Reichsstände zu einer dritten Kraft im Reich zusammenzuschließen (s.u.), die unabhängig vom Kaiser und dem Schweden militärisch und polirisch eingreifen sollten. 24.-29.Juni In den folgenden Tagen konzentrierte sich die schwedische Armee bei Spandau und Fehrbellin, dem wichtigen Paß nach Norden zur Küste! 29.Juni Der König erreichte mit seinen Hauptkräften das Dorf Warchau (Kr. Havelberg). Damit drohte er, einen Keil zwischen die auf der Linie Werben-Havelberg stehenden Teilkräfte Pappenheims und seinen inzwischen von Wolmirstedt über die Elbe bis nach Burg vorgerückten Hauptkräfte zu treiben. Pappenheim stand vor der unlösbaren Aufgabe, eine Linie von Dessau im Süden, wo die Brücken zwar im mai bereits zerstört worden waren, ein Übergang der Schweden aber immerhin noch möglich erschien und Werben-Havelberg im Norden zu verteidigen. Er stand auf dem rechten Elbufer und bedrohte die linke Flanke der vorrückenden Schweden, aber seine Kräfte (s.o.) waren dafür zu gering. Ein Angriff Pappenheims war sicher im kaiserlich-ligistischen Plan auch nicht vorgesehen, sondern ihm oblag nur eine Beobachtungs- und Deckungsaufgabe.
30.Juni Der Schwedenkönig rückte bis Jerichow vor. Auf Tangemünde, das nur von einer schwachen kaiserlichen Besatzung verteidigt werden konnte, stießen das Rgt. Taupadel (Drag.) und Jung-Pfalz (Kürass.) zu. Sie sollten eine Schiffsbrücke schlagen. Damit war der schwedische Plan klar. Man wollte in die Altmark einrücken, die dem verbündeten Kurfürsten von Brandenburg gehörte. Hier befanden sich nur schwache kaiserliche Kräfte, bzw. das Land war unbesetzt. Auch jetzt riskierte Gustav Adolf nicht den direkten Angriff auf den ihm kräftemäßig weit unterlegenen Pappenheim. Wahrscheinlich nahm er an, daß sich dieser sofort auf Magdeburg zurückziehen würde, oder ganz nach Süden zu Tilly. An einer Generalschlacht war dem König zu diesem Zeitpunkt aber nicht gelegen! So bedrohte Gustav Adolf die Verbindungslinie zwischen dem Korps Pappenheim und dem in Thüringen stehenden Tilly. 30.Juni Endlich setzte sich Tilly in Bewegung! Aber nicht wie zu erwarten nach Norden zu Pappenheim hin, sondern weiter nach Süden auf die hessische Grenze zu. Er besetzte von Oldisleben aus Mühlhausen und schob unter Oberst Kratz starke Kräfte bis Vacha und Schmalkalden vor, während ein zweites Korps unter Colloredo nördlich des Thüringer Waldes an die hessische Grenze bis Salzungen und Kreutzberg vorrückte. Sicherlich mögen zu diesen „Fehlentscheidungen“ die langwierigen Nachrichtenverbindungen beigetragen haben. Es dauerte Tage, ehe er von Pappenheim über den schwedischen Vormarsch informiert werden konnte. 1.Juli Der Schwede wandte sich inzwischen mit einem starken Detachment nach Süden und besetzte Burg, um durch seine linke Flanke gegen den hier stehenden Pappenheim abzusichern. Letzterer deckte hier die Elbübergänge bei Rogätz und Magdeburg und konnte bei einem Abbiegen des Schweden nach Süden auf Schlesien, diesem folgen. Als Pappenheim aber die Absichten des Schweden (s.o.) erkannt, zog er sich auf Magdeburg zurück. Zwischen seinen langsam zurückgehenden Truppen und dem nachdrängenden Rheingrafen kam es zwischen Burg und Biederitz zu einem Gefecht. Nachdem Pappenheim das rechte Elbufer geräumt hatte, stand dem Vormarsch des Königs in die Altmark nichts mehr im Wege. Am gleichen Tage eroberte er Tangermünde im Sturm. Die schwache kaiserliche Besatzung von 120 Mann wurde gefangengenommen. Dieser späte Zeitpunkt der schwedischen Sommeroffensive wurde durch folgende Faktoren bestimmt: Endlich waren 140.000 Taler französischer Subsidien durch Wechsel via Amsterdam-Hamburg eingetroffen, so daß man die Offensivwaffe Kavallerie komplettieren konnte. Die Bündnisverhandlungen mit dem sächsischen Kurfürsten, der seine Armee im Raum Torgau-Leipzig versammelte, waren noch nicht angeschlossen. Da sich dieser auf dem Leipziger Konvent deutscher Fürsten um den Aufbau einer dritten Gruppierung bemühte, die zwischen Kaiser und Schweden stehen sollte! Eine Hauptschlacht konnte und wollte der Schwede aber solange vermeiden, ehe er sich den Sachsen auf seiner Seite wusste. Außerdem wollte er vor einer Vereinigung mit den tillyschen Hauptkräften Pappenheim schlagen. Deshalb suchte er, diesen auf dem linken Elbufer zu stellen. Gustav Adolf ließ seine Armee bei Tangermünde über den Fluß gehen und in die nördliche Altmark vorrücken. 3.Juli Der König rückte über die Schiffsbrücke von Tangermünde mit der Hauptmacht nach. Seine Kavallerie begann sich, über die mittlere und nördliche Altmark auszubreiten. Stendal und Arneburg wurden besetzt. Im Süden erreichten schwedische Erkundungstrupps Wolmirstedt. Pappenheim tat das einzig Richtige und zog seine Truppen bei Halberstadt zusammen, also weit von Schweden entfernt! Die in der nördlichen Altmark und bei Havelberg stehenden Kommandeure Erwitte (s.o.) und Bönninhausen zogen sich in einem weit nach Westen gehenden Eilmarsch über Gardelegen zu Pappenheim nach Halberstadt zurück. Dem Schwedenkönig war es nicht gelungen, das Korps Pappenheim zu zertrennen. Die Alrmark befand sich aber in schwedischer Hand, bzw. sie war unbesetzt! 9.Juli Baner nahm Havelberg. Allerdings hielten sich zu diesem Zeitpunkt immer noch weit im Norden kaiserliche Besatzungen in Rostock, Wismar und Dömnitz. Sie versperrten so dem Schweden den wichtigen Weg auf der Unterelbe nach Hamburg (s.o.), zumal sich auch Ratzeburg noch in kaiserlicher Hand befand. Aber auch der direkte Weg auf Lübeck war noch unterbrochen, so daß der Schwede seinen Nachschub über Stettin leiten musste, was sehr zeitaufwendig war. 9.Juli Tilly brach endlich mir seiner Armee von Mühlhausen nach Norden auf, ließ aber Kratz mit einigen tausend Mann zur Beobachtung der Hessen an der Grenze zurück. Inzwischen glitt aber die schwedische Kavallerie ihrer Führung durch ausgedehnte Plünderungszüge in die Altmark aus den Händen. Außerdem waren wieder einmal die Geldmittel erschöpft. Man konnte ihnen den Sold nicht pünktlich zahlen, was die „Versolbeständigung“ der Kavallerie nur noch anheizte. Aus Ostpreußen erwartete man 100.000 Taler. 12.Juli Die schwedische Hauptarmee zog sich von Tangermünde aus nach Norden bis Werben zurück und schlug hier ein stark befestigtes Lager. Dadurch rückte man der Ostseeküste wieder ein Stück naher! Der Abmarsch vom Gegner weg und das Schlagen eines befestigten Lagers deutete in der Taktik immer daraufhin, daß derjenige, der sich dieser Mittel bedient, sich immer für den Schwächeren hält und deshalb den offenen Kampf vermeidet! (Im Jahr darauf beobachten wir einen ähnlichen Vorgang, diesmal aber mit umgekehrtem Vorzeichen bei Nürnberg, als sich diesmal Wallenstein vor den Schweden verschanzte. Allerdings nicht nach einem Marsch fort vom Gegner, sondern indem er dadurch dessen rückwärtigen Verbindungen bedrohte). Tilly und Pappenheim trafen sich in Halberstadt. Die Schweden blockierten inzwischen das wichtige Dömnitz (s.o.). 13.-15.Juli Die tillysche Armee stand um Aschersleben. 15.Juli Nach ihrer Vereinigung bei Aschersleben und Wanzleben zog man noch Teile der Mansfelder Garnison an sich und brach nach Magdeburg auf. Die Kavallerie zog dabei den südlichen Weg über Staßfurt und deckte damit gleichzeitig die rechte Flanke zur Dessauer Brücke hin, andere Kavallerieeinheiten rückten über Egeln auf Magdeburg vor. Durch Staßfurt zogen die Kavallerieregimenter Baumgarten, Coronini, Holk, Montecuccoli, Schönburg, Kronenburg und Hareaucourt.
16.Juli Gustav Adolf, rief wegen kaiserliches Vorrücken seine Erkundungstruppen, die im Süden fast vor die Tore Magdeburg gekommen waren, zurück und konzentrierte seine Kavallerieeinheiten, zumeist Deutsche, bei Arneburg. Von hier rückte er bis Bertingen vor. 17.Juli Tilly versammelte dagegen seine Kavallerie bei Wolmirstedt und ließ das Rgt. Holk bei Burgstall mit 5 Kompanien und das von Bernstein mit 8 Kompanien am gleichen ort, sowie das von Montecuccoli mit 6 Kompanien bei Angern Vorposten beziehen. Es erweckte den Anschein, als ob eine Feldschlacht unmittelbar bevorstände. Die schwedischen kavallerieregimenter Westgotland mit 8 Kompanien, Kurland mit 4 Kompanien, Baudissin (Deutsche) mit 6 Kompanien, Caldenbach (dgl.) mit 4 Kompanien, Rheingraf (dgl.) mir 12 Kompanien und Ortenburg (dgl.) mit 10 Kompanien überrumpelten in einem Nachtangriff die gegnerischen Vorposten, bei Burgstall Montecuccoli, bei Angern Holk und bei Wendorf Bernstein, der hier selbst fiel. Die schwedische Kavallerie drang nach ihrem schnellen Erfolg bis Wolmirstedt vor, wo Tilly selbst sein Quartier hatte. 19.Juli Der König brach den erfolgreichen Vorstoß ab und trat den Rückzug an. Das militärische Wagnis erschien wohl zu groß, als daß es seine kostbare Kavallerie in einen ungewissen Erfolg schickte. 20.Juli Die kaiselich-ligistische Armee folgte auf dem Fuße und besetzte wieder Stendal und Tangermünde. Tilly hielt bei Wolmirstedt eine Generalmusterung seiner Truppe ab. Er rechnete mit einer Feldschlacht. Doch die Schweden waren bereits im Lager von Werben verschwunden. 25.Juli Tilly marschierte nur sehr vorsichtig und langsam und erreichte Arneburg. In Sandau vertrieb ein Detachment Teile des schwedischen Kavallerieregiments Kurland. 26.Juli Tilly stand in Berge. 27.Juli Beginn der artilleristischen Vorbereitung des Sturms auf das Lager von Werben. Schwedische Kavallerie beunruhigte vom rechten Elbufer her die Feinde. 28.Juli Die kursächsische Armee fing an, sich bei Leipzig zusammenzuziehen. Damit bestand im Rücken von Tilly ein neuer, gefährlicher Kriegsherd. Der lange, um den Harz von Thüringen und Franken aus herumführende, Nachschubweg geriet dadurch in Gefahr. Der zögernde Vormarsch Tilly nach Norden findet hier wohl seine Erklärung. Er musste sowohl den Sachsen und Hessen im Auge behalten, als auch den Hauptgegner nicht vernachlässigen. Es war ihm wohl bekannt, daß der Schwede mit beiden potentiellen Feinden im geheimen über ein Bündnis verhandelte. Außerdem machte sich bei den kaiserlich-ligistischen Truppen bald ein empfindlicher Lebensmittelmangel bemerkbar. Vergessen wir nicht, daß die neue Ernte nicht herein war und das neue Kampfgebiet bereits von den Schweden ausgesogen worden war. 29.Juli Deshalb brach Tilly die aussichtslose Belagerung Werbens ab und zog sich auf Tangermünde zurück. 30.Juli Gegen Abend erreichte Tilly die Stadt und schlug hier ein Lager auf. Noch beabsichtigte er, auf gar keines Fall dem Schweden freiwillig den Weg nach Süden freizugeben. 4.August Um ihnen auch das andere Elbufer zu sperren, errichtete Tilly eine Behelfsbrücke bei Tangermünde. Währenddessen beunruhigten ihn schwedische Kavalleriepatroullien vom rechten Elbufer aus. 7.August Holk unternahm einen erfolglosen Vorstoß über die Elbe, um die Schweden zu vertreiben. 8.August Im Gegenteil, eine starke schwedische Kavallerietruppe setzte ihrerseits vom rechten auf das linke Elbufer über und ließ sich nördlich von Tangermünde sehen. Die eingesetzte Verfolgung durch die tillysche Kavallerie blieb auch diesmal ohne Erfolg. 11.August Tilly räumte nunmehr sein Lager bei Tangermünde und zog nach Wolmirstedt ab. Hier schlug er wieder ein Lager, während seine Kavallerie auf den umliegenden Dörfern logierte. Doch die ausgeplünderte Gegend konnte such hier nicht die notwendige Verpflegungsmenge aufbringen, so daß er bald weiterziehen musste. Trotzdem entbehrte die Lage nicht einer guten strategischen Sicht. Tilly befand sich bei Wolmirstedt fast auf dem halben Weg zwischen den Schweden bei Werben und Sachsen, obendrein hielt er sich auch noch den Weg nach Südwesten, ins Hessische, offen. Der Landgraf Wilhelm von Hessen (s.o.) war nämlich unbemerkt im Lager von Werben eingetroffen und unterhandelte mit Dustav Adolf über ein Bündnis. 14.August Tilly schickte den Frhn. Von Schönburg und Metternich, den katholischen Administrator des Stiftes Halberstadt, an den Kurfürsten von Sachsen. Bei den Verhandlungen in Merseburg sollten sie sich endgültige Einsichten in die Absichten des Sachsen verschaffen. 18.August Tilly marschierte von Wolmirstedt ab. Seine Kavallerie ließ er über Staßfurt nach Aisleben ziehen, während die Infanterie über Gr. Alsleben demselben Ziel zustrebte. Man verließ damit die Elboperationslinie und konzentrierte sich altbewährter Manier im Raum Aschersleben. Dadurch öffnete Tilly kampflos den Schweden den Weg nach Süden, die nun analog dem Feldzug Mansfelds vom Frühjahr 1626 auf dem rechten Elbufer nach Süden vorrückten. Allerdings drohte ihnen nicht ein Flankenangriff aus der Dessauer Elbschanze.
19.August Tilly erreichte Staßfurt. Gleichzeitig erhielt er den kaiserlichen Angriffsbefehl gegen Sachsen. Seine Infanterie lag bei Löderburg. Um 20.August Beginn des Abmarsches der Schweden aus ihrem Lager von Werben. Sie gingen auf das rechte Elbufer und rückten über Brandenburg/H. nach Süden vor. Die kais.-lig. Infanterie zieht durch Staßfurt nach halle und Alsleben. 13.-20.August Die Sächsische Armee begann, sich im Raum Leipzig-Torgau zu konzentrieren. 21.August Tilly vereinigte sich mit dem aus Süddeutschland über Thüringen heranmarschierenden Korps Fürstenberg bei Eisleben, damit umfasste seine Armee jetzt 35-36.000Mann. 22.August Abbruch der erfolglosen Tillysch-sächsischen Verhandlungen in Merseburg. Tilly erreichte mit seiner Armee Halle. Er glaubte noch, den wankelmütigen Sachsen vor dem Eintreffen der Schweden durch diese Machtdemonstration zum Einlenken zu bewegen. Doch dieser ließ seine Armee näher an den Anmarschweg der Schweden heranrücken. Er stand bei Torgau, während die Schweden über Belzig Coswig erreichten. 24.August Baner verließ mit einer zweiten Armeeabteilung Werben. 25.August Tilly überschritt mit seiner Armee die Saale und stieß ins Merseburgische vor, damit eröffnete er die offenen Kampfhandlungen gegen Sachsen. 26.August Die Banersche Armeeabteilung erreichte Coswig. Nunmehr verließ der General Teuffel bis auf eine kleine Besatzung mit der restlichen Armee die Werbener Schanze, nachdem klar geworden war, daß Tilly keinen Angriff auf die nach Süden vorgerückte Hauptmacht der Schweden plante. Gustav Adolf manöverierte auch in dieser Phase der Offensive sehr vorsichtig und zog seine Hauptarmee aus der Werbener Schanze in drei Etappen an sich. Bei einem entschlossenen handelnden Gegner konnte dies leicht zur Katastrophe führen falls dieser daraufausging, die einzeln marschierenden Heeresteile einzeln zu schlagen. 27.August Teuffel traf ebenfalls in Coswig ein. 28.August Die vereinigte schwedische Armee stand bei Piesteritz. 29.August Letzte kaiserliche Truppen marschieren nach Süden durch Staßfurt. Tillysche Vorausabteilungen besetzten Merseburg und Weißenfels. 1.September Abschluß des schwedisch-sächsischen Bündnisses in Coswig. 2.September Tilly verließ mit seiner Hauptmacht die Gegend um halle und rückte auf Schkeuditz vor. 3./4.September Schweden und Sachsen vereinigten ihre Truppen bei Düben. Inzwischen waren noch 114 Infanterie-, 9 Kavallerie- und 1 Dragonerregiment zur schwedischen Armee gestoßen. Sie kamen aus Pommern und Mecklenburg. Zu ihnen kann auch ein englisch-schottisches Korps, das in Stettin gelandet war. Tilly besetzte inzwischen Leipzig. Die Entscheidungsschlacht stand bevor! 7.September Schlacht von Breitenfeld. Tilly erlitt die schwerste nur denkbare Niederlage. Er floh mit den Resten seiner Armee nach Norden, da ihm jetzt der Weg nach Norden verlegt worden war. Ohne energisch verfolgt zu werden, eine solche Taktik war damals unüblich, bewegte er sich über Halle auf Halberstadt zu. Von hier aus konnte er dann erst nach Süden abbiegen und sich durch Thüringen marschierend seiner Basis in Oberdeutschland nähern. 8.September Gustav Adolf setzte Halle eine neue Regierung für das Erzstift ein. 10.September Seine Hauptarmee erreichte Halle. 11.September Kapitulierte die kaiserliche Besatzung der Moritzburg. Die kaiserliche Besatzung von Staßfurt zieht nach Magdeburg ab. 12.September Das kaiserliche Kavallerieregiment. Bönninghausen quartiert sich in Aschersleben ein. 17.September Der Schwedenkönig erreichte auf seinem Marsch nach Thüringen, Querfurt und entschied sich nunmehr für einen schnellen Vormarsch nach Franken. Er verfügte über ca. 46.520 Infanteristen und 9.000 Kavalleristen. Eine Belagerung lag außerhalb seines strategischen Konzeptes; denn er wollte mit allen Mitteln eine Reorganisation der kaiserlich-ligistischen Armee verhindern, indem er sie aus ihren besten Winterquartieren in Oberdeutschland vertrieb. Dafür benötigte er jeden entberbaren Soldaten. Ein schwedischer Erkundungsvorstoß auf Aschersleben klärte die desolate Lager der kaiserlichen im Stift Halberstadt auf. Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen wird Statthalter des Erzstiftes. Jetzt gab es deren zwei, den kaiserlichen in Magdeburg (Graf Wolf von Mansfeld) und den neuen schwedischen. 19.September Die Schweden besetzten Staßfurt. Bei Wolmirstedt kam es zu einem Gefecht. Die kaiserlichen hielten zu diesem Zeitpunkt noch die größten teile der Stifter Halberstadt und Magdeburg, sowie das wichtige Wolfenbüttel.
25.September Schwedische Kavallerie besetzte das seit längerer Zeit von den Kaiserlichen geräumte Zerbst (s.o.). 30.September Die Schweden stehen bei Dessau. 1.Oktober Von hier aus besetzten sie Aken. Baner, der den Oberbefehl über die in den Stiftern operierenden Truppen erhalten hatte, ist in Dessau. 7.-9.Oktober Halberstadt wurde von den Schweden besetzt, während Aschersleben in kaiserlicher Hand verblieb. 13.Oktober Baner ging er daran, Magdeburg von fern zu blockieren; seine Truppen befanden sich in Auffüllung. Es handelte sich um Einheiten, die bei Breitenfeld schwer gelitten hatten (Engländer und Schotten). Nachdem auch Calbe/S. besetzt worden war, plante er hier die Anlage einer Schiffsbrücke über die Elbe und die Verschanzung der Saalemündung. 16.Oktober Die kaiserliche Besatzung von Rostock erhielt mit 2.200 Infanteristen, zwei Kompanien Kavallerie, 45 Kroatenkompanien und drei Geschützen freien Abzug unter ihrem Kommandanten Virmond (s.o.), mit der Auflage, sich vorläufig nicht am Kampf zu beteiligen. Zuerst marschierten sie auf die Weser zu, änderten aber dann ihre Richtung, als sie ein befehl des kaiserlichen Gouverneurs von Magdeburg erreichte, sich mit dem in Aschersleben liegenden Kavallerieregiments Bönninghausen zur Rückeroberung von Halberstadt zu vereinigen (Sie kamen erst vor dem 28.Oktober in Aschersleben an). Am gleichen Tage scheiterte ein erster Versuch Bönninghausens, Halberstadt im Handstreich zu überrumpeln. 17.Oktober Ein zweiter versuch schlug gleichfalls fehl. 28.Oktober Der dritte Versuch der nunmehr vereinigten Kaiserlichen misslang ebenfalls. Mansfeld verfolgte mit dieser Unternehmung sicherlich die Absicht, sich zur kaiserlichen Besatzung in Wolfenbüttel eine Verbindung zu verschaffen. Dadurch hätte sich dann eine Verbindung mit dem im Nierdersächsischen operierenden Pappenheim herstellen lassen. Nach ihrem Rückzug von Halberstadt logierten sich die Truppen Virmonds und Bönninghausens in um Wanzleben und in Domersleben ein. Die beiden Kommandeure begaben sich nach Magdeburg, was schlimme Folgen haben sollte. 31.Oktober Baner rückte aus den rechtselbischen, anhaltinischen Gebieten über Dessau auf Calbe/S. vor, um die kaiserlichen zu überraschen. Er verfügte über rund 6.000Mann.
Fortsetzung folgt
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1.November 1631 Musterte Baner seine Truppen bei Förderstedt. Am gleichen Tage griff er die Kaiserlichen in Wanzleben an. Sie flohen entweder ins Braunschweigische, soweit sie beritten waren oder nach Magdeburg, zum kleinsten Teil allerdings. Der große Rest verschanzte sich in Wanzleben. Ein gleichzeitig unternommener Ausfall der kaiserlichen Besatzung aus Magdeburg in Richtung auf Athensleben stieß ins Leere. Somit musste der Versuch als gescheitert angesehen werden, sich eine Verbindung nach Westen zu öffnen. 3.November Die Reste der Kaiserlichen in Wanzleben kapitulierten. Es handelte sich um fast 2.000mann, die nun größtenteils in die schwedische Armee gepresst wurden. Es war damals durchaus üblich, sich aus gefangenen neue Einheiten aufzustellen oder eigene zu ergänzen. 6.November Baner befand sich wieder in Calbe/D. Inzwischen war auch Mansfeld erobert worden. 10.November Versammelte Baner um Gr.Salze seine gesamte Armee. 13.November Kehrte Baner wieder nach Calbe/S. zurück. 17.November Der Graf Hamilton lag in Staßfurt und Taupadel in Burg im Winterquartier. Sie kommandierten unter Baner auf dem rechten bzw. linken Elbufer die schwedischen Blockadetruppen vor Magdeburg. 21./22.November Der König befahl Baner in Calbe/S. sich so schnell als möglichst Magdeburgs zu bemächtigen. Allerdings ließ der elende Zustand seiner Armee kaum eine regelrechte Belagerung zu. Da sie größtenteils im Freien kampierten, dezimierten sie Kälte und Hunger, hinzu kamen die üblichen Lagerkrankheiten. Zudem boten die im Sommer weitestgehend zerstörten Dörfer um Magdeburg kaum hinreichende Quartiere. 25.Dezember Erste Kapitulationsverhandlungen zwischen Mansfeld und Baner. Die Kaiserlichen verlangten freien Abzug durch Sachsen. 28.Dezember Banerz Hauptquartier befand sich jetzt in Salbe. Das nahe Heranrücken an die Stadt machte die aussichtslose Lage der Kaiserlichen deutlich. Doch Mansfeld lehnte jede weitere Unterhandlung ab, da er die Nachricht von einem bevorstehenden Entsatzversuch von Westen her erhielt. Dies fiel ihm um so leichter, als Sachsen das Durchmarschersuchen ablehnte. Als Alternative erwog Mansfeld nun einen Abzug nach Schlesien.
Anfang 1632 Mit etwa 8.000Mann blockierte Baner weiterhin die Kaiserlichen in Magdeburg mit etwa 5.000Mann. Da erreichte ihn die wage Nachrichten über den Entsatz von Westen her durch Pappenheim. Erste Warnungen erhielt er bereits Ende Dezember. Pappenheim wat im Kölnischen mit nur 1.500Mann zur Weser aufgebrochen, durch Westfalen geeilt, wo sich ebenfalls schwedische Truppen befanden, erreichte unbehelligt Wolfenbüttel, sammelte hier auf seinem Anmarsch noch einige tausend Mann und brach dann sofort auf Magdeburg zu auf. Dieser kühne Vorstoß mitten im Winter, wo sich an und für sich die Truppen in den Reorganisationsquartieren aufzuhalten pflegten, bewies einmal mehr die bewegliche pappenheimische Taktik, die der Gustav Adolfs glich. 2.Januar Baner erhielt in seinem Salbker Hauptquartier konkrete Nachricht über den pappenheimischen Vormarsch. In Verkennung der wahren Stärke des Gegners zog er seine Truppen eiligst auf die Linie Schönebeck-Gr.-Salze-Welsleben zurück. Bei letzterem Ort hielt seine Kavallerie, während sich seine Infanterie zwischen beiden ersteren Orten versammelt hatte. Da er Pappenheim auf der Straße Schöningen-Seehausen-Wanzleben-Magdeburg im Anmarsch vermutete, wollte er wahrscheinlich mit der auf seiner linken Flanke versammelten Kavallerie Pappenheim in die rechte Flanke fallen. Deshalb verlegte Baner auch sein Hauptquartier auf seine äußerste linke Flanke nach Langenweddingen. 3.Januar Pappenheim brach mit 5.000Infanteristen und 18 Kompanien Kavallerie von Wolfenbüttel nach Schöningen auf, bog dann aber scharf nach Norden um und zog über Helmstedt und Barleben in Magdeburg ein. Nicht von Westen her, wie Baner vermutete, erreichte er sein Ziel, sondern von Norden. Da sich deshalb der unzureichend informierte Baner, was die wahre Stärke des Entsatzes anbelangte, südlich von Magdeburg konzentrierte, wählte Pappenheim ähnlich wie im Herbst 1630 den nördlichen Weg für seinen Marsch auf Magdeburg. Damit waren seine Truppen am weitesten von den Schweden entfernt in Magdeburg einmarschiert. Eine taktische Meisterleistung! Allerdings erleichterte ihm Baner durch seine passive Taktik diese Überraschung ganz entscheidend. 4.Januar Pappenheim erreichte unbehelligt Magdeburg. 5.Januar Er, Pappenheim unternahm sofort eine Reihe von Ausfällen in die Umgebung der Stadt. Zum einen wollte er seinen Gegner weiter beunruhigen, zum anderen seine Truppen mit Fourage versorgen. Mit 2.000Musketieren, sechs Kompanien Kavallerie und einer Kompanie Kroaten unterstützt durch zwei Geschütze überfiel er das kursächsische Amt Gommern und plünderte es aus. Die Einwohner flüchteten sich in das nahe Zerbst. Pappenheim folgte sogar selbst mit Verstärkungen nach Zerbst und wollte Zerbst angreifen. Inwieweit hierbei die alte Absicht des Grafen von Mansfeld mitgespielt haben mag, sich eventuell nach Schlesien zurückzuziehen, mag dahingestellt bleiben. 7.Januar Andere Plünderungszüge führten die Kaiserlichen (Pappenheim/Mansfeld) nach Wanzleben, Frohse, Schönebeck, Gr. Salze, Barby und Mühlingen. Das alles vollzog sich ohne die geringste Störung durch die Schweden; denn Baner zog sich inzwischen noch weiter nach Süden zurück und konzentrierte seine Armee (2./3.1.32) hinter der Saale bei Calbe. Sicher überschätzte er die Stärke Pappenheims. In diese Plünderungszüge, die mit großer Intensität und vor allem Brutalität durchgeführt wurden, platzte die Nachricht von einem angeblichen Vorstoß des in schwedischen Diensten stehenden Herzogs Georg von Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg. Pappenheim brach daraufhin seine Unternehmungen ab, weil er befürchten musste, von dem aus Norden zu erwartenden Braunschweiger von seinen Verbindungen nach Wolfenbüttel abgeschnitten zu werden. Dadurch wäre der letztere selbst in Magdeburg eingeschlossen worden, was aber nicht seine Aufgabe war. Zeitweilig soll Pappenheim sein Hauptquartier in Biere gehabt haben, was allerdings auf eine Beobachtungsposition gegen Baner im Süden schließen ließe, der wie gesagt bei Calbe/S. stand. Inzwischen begannen die Schweden langsam vorzurücken und besetzten am gleichen Tage wieder das zuvor geräumte Staßfurt. 8.Januar Gegen Mittag verließen Pappenheim und Mansfeld mit ihren Truppen Magdeburg. Sie marschierten mit ihrem umfangreichen Troß und unter Mitnahme des größten teils des in der Stadt angehäuften Kriegsmaterials nur langsam ab. Nachdem sie versuchten, durch einige eilige und deshalb überhastete Sprengungen die Festungswerke zu zerstören, die bekanntlich in der Belagerung nur wenig gelitten hatten. Ihre Unterkünfte steckten sie in Brand. Damit erhielt die schwer geprüfte Stadt wirklich den Rest. Sie wollten sogar durch eine Pulvermine, die aber nicht zündete, auch den Dom zerstören. Ihr Abmarsch, diesmal mit schwerem Gepäck, vollzog sich wie der Anmarsch ohne die geringste Behelligung durch die Schweden. Obwohl es sich geradezu anbot, diesen Zug, der durch einen großen Troß und viele Zivilisten in seiner Bewegungsfreiheit entscheidend behindert war, mit Kavallerie anzugreifen. Sonst stellten solche beutebeladenen Abmärsche immer einen Magneten für die auf Plünderung bedachten Söldner dar! So konnten die Kaiserlichen auch den kürzeren Weg ins Braunschweigische wählen, indem die diesmal über die Straße Domersleben-Wanzleben-Seehausen-Hötensleben-Schöningen nach Wolfenbüttel abzogen. 9.Januar Der vorsichtige Baner stand mit seiner gesamten Armee (7.547)Mann in und um Staßfurt. 10./11.Januar Er beobachtete den Abmarsch aus gebührender Entfernung und rückte am 11.Januar in das verlassene Magdeburg ein. Damit hatte die halbjährige Besetzung der Stadt durch die Kaiserlichen ihr Ende gefunden. Baner erwartete nämlich seine Verstärkungen nicht wie die Kaiserlichen glaubten von Norden her vom Braunschweiger, sondern ganz im Gegenteil aus dem Süden durch den in und um Erfurt liegenden Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar. Dieser war sofort mit ca. 10.000Mann aufgebrochen, als er die Nachricht von dem pappenheimischen Entsatz erhielt. So erklärt sich auch das Ausweichen Baners nach Süden. Das sich nun anschließende Zusammenspiel zwischen Beiden kann als ein schönes Lehrbeispiel für das Zusammenwirken zweier Heerkörper bei der Verfolgung nach den damaligen taktischen Regeln gelten. Sicherlich mag auch der Gedanke mitgespielt haben, dem abziehenden Gegner die sprichwörtlichen „goldenen Brücken“ zu bauen, um dadurch die eigenen Kräfte für den kommenden Frühjahrsfeldzug zu schonen. 12.Januar Herzog Wilhelm erreichte Mansfeld, Baner stand bei Egeln. 13.Januar Herzog Wilhelm gelangte bis Ermersleben. 14.Januar Er marschierte weiter durch Quedlinburg, während Baner von Staßfurt aus über Egeln seinen Weg nach Halberstadt nahm. Beide Truppenkörper zogen parallel zueinander in einiger Entfernung um den Nordharz herum nach Westen, wobei der eine (Baner) mit seinem Vormarsch zögerte, um sich dann mit dem anderen (Herzog Wilhelm) vor dem gefährlichen Paß durch das „Große Bruch“ nördlich von Halberstadt zu vereinigen, denn Wolfenbüttel war noch kaiserlich! 16.Januar Die Weimaraner kamen nach Wernigerode. 17.Januar Beide Armeen vereinigten sich bei Osterwieck. Damit wurde ihre Stoßrichtung ins Braunschweigische um den Nordharz herum klar. 19.Januar Generalmusterung beider Armeen bei Kniestadt/Salzgitter. Nach anderthalb Jahren verließ die Kriegsfurie erst einmal die Landschaften zwischen Elbe, Altmark und Harz. Das bedeutete aber nicht, daß nunmehr friedliche Zeiten angebrochen waren. Auch der Schwede sah in den landwirtschaftlichen fruchtbaren Gebieten des Erzstiftes Magdeburg und des Stiftes Halberstadt eine unerschöpfliche Versorgungsquelle für seine Armeen. So wurden hierher abgekämpfte Truppenkörper verlegt, um sie wieder einsatzfähig zu machen. Das bedeutete im damaligen Gebrauch, daß die Bevölkerung zu unerhörten geld- und Getreidekontributionen gezwungen wurde, mit denen die Obersten ihre Regimenter wieder komplettierten. Andererseits bedeutete die seit Wallenstein niemals wieder erreichte Praxis, den Krieg durch den Krieg ernähren zu lassen, eine ständige Quelle von legalen und illegalen Plünderungen durch Offiziere und Mannschaften. Zwar bemühte sich die schwedische Regierung in Halle um eine einigermaßen funktionierende Ordnung in diesem System und die Stadt Magdeburg erhielt durch umfangreiche Schenkungen ehemals geistlichen Grundbesitzes eine gewisse Art von Wiedergutmachung. Aber es fehlte vor allem Menschen, die die Stadt wieder besiedelten. Die überlebenden Flüchtlinge zögerten lange nach ihrer Rückkehr in die total zerstörte und wieder mit einer Besatzung versehenen Stadt. Es war klar, daß im Falle einer kriegerischen Wende die wichtige Elbstadt erneut in die militärischen Auseinandersetzungen geraten musste. Gustav Adolf schenkte einer Reihe von hohen Offizieren Rittergüter und Ämter im Erzstift Magdeburg, um ihre finanziellen Ansprüche an ihm zu befriedigen und sie gleichzeitig noch enger an sein Kriegsglück zu binden. Baner erhielt z.B. das Amt Egeln geschenkt. Betrachtet man diese Schenkung kartografisch, dann fällt einem auf, daß sie in der Regel an wichtigen Heerstraßen und Pässe lagen. Wahrscheinlich verfolgte er stets strategisch denkende König damit die Absicht, das eroberte Gebiet auch auf diese Art und Weise militärisch zu beherrschen. Die anfänglich enthusiatische Bevölkerung begann nun, die schwedische Befreiung mit etwas anderen Augen zu sehen. Zwischen dem wallensteinischen System der Bezahlung seiner kurz- und mittelfristigen Kredite durch Leistungen (Kontributionen) aus den eroberten Gebieten und dem schwedischen der direkten Bezahlung war für Bauern und Bürger kein Unterschied sichtbar. Zwar wurden alle Versuche der Katholiken rückgängig gemacht, die Klöster und Stifter nur mit Angehörigen ihrer Konfession zu besetzen oder sie überhaupt wieder zu neuem Leben zu erwecken, aber schließlich blieb es sich doch gleich, an wen sie ihre Kontributionen zahlten, gezahlt werden musste auf jeden Fall. In einen geregelten Wiederaufbau Magdeburgs war demnach überhaupt nicht zu denken, obwohl man einen Neubebauungsplan entwarf. Da aber die Einwohnerzahl auf ein Zehntel zusammengeschrumpft war, fehlte dafür jegliche Voraussetzung. Einzelne Bodenspekulanten kauften nämlich verwüstete Grundstücke unter Wert auf und verhinderten so eine bauliche Neulösung. Andere Dörfer und vor allem Städte überdauerten die noch folgenden Grauen des schier endlosen Krieges allerdings ohne vergleichbaren Schäden und Verwüstungen wie in Magdeburg. In die Städte flohen vornehmlich die Bewohner des flachen Landes, wenn sich wieder einmal die Heerhaufen heranwälzten. Teile der Landbevölkerung blieben hier wohnen. Dadurch wurde die fruchtbare Börde zeitweilig oder auf Dauer ihrer produktiven Klasse beraubt! Die Landwirtschaft erholte sich nur in kurzfristigen, zu Ende des Krieges längeren, Ruhepausen. Die Bauern sahen sich deshalb gezwungen, zu völlig neuen Wirtschaftsmethoden überzugehen. So hielten sie weit mehr Vieh (Schafe und Rinder) als früher, weil diese die oft brachliegenden Felder abweiden konnten und andererseits beim herannahen der Heere auf der Flucht mitgenommen werden konnten. Auf der Gegenseite bildete sich deshalb im Verlauf des Krieges die Kontributionsmethodik heraus, daß die Söldner den Bauern ihr Vieh wegnahmen, nicht um es zu verzehren, sondern um es von den Besitzern oder aber anderen mit einer ganz bestimmten Summe pro Stück wieder auslösen zu lassen. Andere Landbewohner bestellten kleine und kleinste Anbauflächen von ihren Zufluchtsorten aus. Die Quellen berichten über die der Börde uneigentümliche Art des „Säens und Erntens um die Hälfte“. Frühere Knechte oder Mägde beackerten mit in der Stadt geliehenen Saatkorn und Zugvieh (Ochsen) brachliegende und von niemandem beanspruchte Flächen, deren eigentliche Eigentümer tot oder geflohen waren, oder das Risiko scheuten. Nach der Ernte teilten sie dann mit den Verleihern die Erträge, Die als Zugvieh verwendeten Ochsen erweckten nicht zu sehr das Interesse der plündernden Söldner, weil diese Pferde als Zugmittel oder Reittiere benötigten. Außerdem konnten die in den Städten lebenden Landbewohner überhaupt nicht oder nur schwer zu Kontributionszahlungen gezwungen werden, weil sie selbstverständlich nicht von ihren städtischen „Leihgebern“ preisgegeben wurden. Die Kontributionseinziehungstruppen stießen auf dem flachen Land somit oft ins Leere. Diese Art der Landwirtschaft kann nicht ohne Erfolg gewesen sein; denn nach dem Ende des Krieges gingen sofort die feudalen Grundbesitzer daran, diese neue Art der Wirtschaft durch strenge Gesetze zu unterbinden. Andererseits wissen wir, daß selbst in den schwersten Zeiten immer noch Getreide zum Verkauf in die Städte kam. So erreichte z.B. der Getreideexport in den beiden letzten Kriegsjahren und den ersten Nachkriegsjahren aus unserem Gebiet fast den Vorkriegsstand! Selbstverständlich trug hierzu auch die gesunkene nachfrage im Inland bei. Diese neuen Bauern standen nämlich außerhalb der feudalen Ordnung. Sie zahlten gar keine oder nur sehr geringe Abgaben an die Grundherren, weil sie für diese nicht erreichbar waren, da sie in den Städten wohnten. Hier aber waten sie in der Regel ebenfalls von den bürgerlichen Abgaben frei, da sie auch keine Bürgerrechte besaßen! Diese wirklich einfallsreiche Art der Landwirtschaft sicherte somit wenigstens zeitweilig ganz erheblichen Teilen der geflohenen Landbevölkerung ohne ökonomische Basis. Indem sie ihren Eigenverbrauch herabschraubten, konnte sie sogar Teile ihrer Erträge im freien verkauf auf die Märkte bringen, was wiederum der handelstreibenden und mit ihr verbundenen Bürgerschaft zugutekam! Für die hier behandelte Zeit von 1630/31 dürfen wir allerdings annahmen, daß ein geordneter Ackerbau in der Börde gänzlich zum Erliegen gekommen sein muß, von einigen Randgebieten einmal abgesehen. So interessant auch vom militärtaktischen- und strategischen Gesichtspunkt aus die oben geschilderten Vorgänge gewesen sind, so sollte der Leser dabei niemals vergessen, daß sich hinter den dargelegten Fakten Tod, Not, Hunger, Seuchen und Elend für die damals lebenden Menschen verbargen. Erhebliche Produktivkräfte wurden für Jahrzehnte zerstört. Sicher, zur Wüstenei wurde das Erzstift nicht! Wie aber die zeitgenösssentlichen Quellen richtig interpretiert, mit der gegebenen Vorsicht, weil sich viele ihrer Verfasser gegen Kriegsende und in den folgenden Jahrzehnten zur Abwehr der ständig steigenden Steuerforderungen des sich herausbildenden feudalabsolutistischen Staates mit den Kriegsschäden und ihrer gelegentlichen Übertreibungen zur Wehr setzten, muß noch erkennen, welch tiefen Einschnitt das Jahr 1630/31 für das Erzstift und seine Einwohner bedeutete. Noch lange nach dem Kriege lesen wir immer wieder vom Aufhören des Ackerbaus in den Jahren des magdeburgischen Elends. Diese schreckliche Ereignis blieb auf viele Generationen hinaus bis heute im geschichtlichen Gedächtnis der Menschen unserer Heimat tief verhaftet. Mögen auch die weiter weg von dem Ort des entsetzlichen Geschehens Wohnenden zu diesem Zeitpunkt noch nicht so hart von der Kriegsfurie betroffen worden sein, so daß sich die Magdeburger Zerstörung für sie wie eine Schauergeschichte anhörte. Einmal erreichte auch sie die Kriegsfurie und dann erlebten sie was es bedeutete, ausgeplünfert und an Leib und Leben bedroht zu werden. Dann verließen auch sie beim Herannahen dieser entmenschten Söldnerhaufen fluchtartig ihre Behausungen und retteten sich in die nächstgelegenen Städte, Wälder und Sümpfe. Teilweise setzten sie sich aber von hier aus gegen die Soldateska aller Parteien mit Waffengewalt zur Wehr, so daß gegen Kriegsende in Teilen des Harzes und der Altmark ganze Regimenter ausrücken mussten, um eine Gegend auszuplündern, wo vordem ein paar Reiter genügten. Die Bauern in der Wische, im Drömling und auf dem Kalbischen Werder organisierten sich und führten gehen die Schweden einen regelrechten Kleinkrieg. Deshalb wird wohl der Dreißigjährige Krieg auf ewige Zeiten im geschichtlichen Gedächtnis unseres Volkes als die schrecklichste aller Zeiten haften bleiben, sehen wir einmal von dem letzten Weltkrieg ab. Bis etwa 1635 schloß sich an diese furchtbare Zeit eine Periode der relativen inneren Ruhe an, da sich die kriegerischen Ereignisse nach Süddeutschland verlagerte. Das bedeutete aber nicht, daß die Menschen vor den immer drastischer und höher werdenden Kontributionsforderungen der neuen Herren Ruhe hatten, ganz im Gegenteil. Das Erzstift war und blieb für alle es besitzende Parteien eine nie versiegende Ausplünderungsquelle! In dieser Zeit begannen auch die quellenmäßig schwer zu fassenden Abwanderungen aus dem Erzstift in „ruhigere“ Gebiete, vornehmlich ins Braunschweigische und bis hinauf nach Hamburg und andere Küstenstädte. Manchmal retteten sich die gequälten Menschen auch in einen Gutsbezirk, den einer der großen Kriegsherren zeitweilig oder für immer sein Eigen nannte, so z.B. in das dem berüchtigten schwedischen General Königsmark gehörende Amt Hötensleben. Hier hatten sie vor den Plünderungen wenigstens einigermaßen Schutz, weil die hohen Offiziere selbstverständlich ihr Eigentum nicht plündern und andere durch Vergeltungen davon abhielten. Auch die erzstiftische Landesregierung und der Administrator August von Sachsen (s.o.) gingen gegen Kriegsende im großen Umfang dazu über, landesherrliche Ämter an hohe schwedische Offiziere zu vergeben! Darin folgten sie dem Beispiel anderer Landesherren, die dadurch die schwedischen Geldforderungen befriedigten. Man verpfändete nämlich die Ämter an Offiziere, die dafür die Bezahlung der Geldforderungen übernahmen. Da der neue Pfandinhaber in den meisten Fällen auch derjenige war, der die Geldforderungen erhob, machten beide Seiten ein gutes Geschäft. Der erwähnte General von Königmark brachte auf diese Weise gegen Kriegsende einen riesigen Grundbesitz zusammen. Die Landesherren konnten so gewiß sein, daß ihre Ämter einigermaßen pfleglich behandelt wurden. So bildeten sich eigentümliche und oft schwer durchschaubare Mechanismen des Schutzes heraus, die eben nur unter dem Vorzeichen des schrecklichen Krieges zu verstehen sind. Viele Flüchtlinge fanden in ihren Zufluchtsorten eine neue Heimat und kehrten auch nach dem Ende des Krieges nicht wieder in ihre alte Heimat zurück. Andere verließen erst nach dem Kriege ihre nur schwer wieder aufzubauenden Wohnstätten in Stadt und Land, um sich als „Neusiedler“ von den Feudalgewalten anderer Landstriche zu steuergünstigen Bedingungen ansiedeln zu lassen. Manch einer wanderte dann von dort weiter, als die steuerfreien Jahre vor rüber waren und die Kredite zurückgezahlt werden sollten. Dadurch versuchten sie, noch nach Jahrzehnten, dem feudalen Druck zu entfliehen. In manchen Gebieten entstand der Eindruck großer Menschenverluste. Selbstverständlich starben viele Menschen durch Seuchen und Hunger. Entlang der großen Heerstraßen verließen die Bewohner die Dörfer gänzlich. Hier mochte auch die Hälfte der Bewohner verdorben und gestorben sein, aber generell davon sprechen, würde an dem Kern der Dinge vorbeigehen. Im Erzstift litten die Gebiete südlich und südwestlich von Magdeburg besonders entsetzlich unter dem Krieg, weil hier wichtige Heerstraßen hindurchführten, von Magdeburg einmal ganz abgesehen! Als dann 1635/36 die dritte Belagerung Magdeburgs begann, diesmal durch die verbündeten Kaiserlichen und Sachsen und neue Kriegshaufen das Land überschwemmten und verheerten, erreichte diese Entwicklung einen neuen, schrecklichen Höhepunkt. Fortsetzung folgt
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Artillerie: 27 Geschütze. Von der Infanterie sind 2.300 Mann abzuziehen, die entweder gefallen oder krank und blessiert waren. Nachfolgende eroberte Geschütze nahm die ligistische Armee aus Magdeburg mit: 1 Halbkartaune(26pfünder) 11 Fuß lang ohne Stadtwappen, gegossen 1627, 1 Nachtigall(25pfünder) 11 Fuß lang mit Stadtwappen, gegossen 1623, 1 Schlange, der „Kukuk“(8pfünder) 13,5 Fuß lang, mit Stadtwappen, gegossen 1566, 1 Schlange, der „Salvater“(8pfünder) 12,5 Fuß lang, mit Stadtwappen, gegossen 1564, 12 Falkonette, die „Apostel“(7pfünder) 11 Fuß lang mit Stadtwappen, gegossen (9) 1564, (3) 1566, 2 Böller (1 37pfünder und 1 14pfünder für Steingeschosse) gegossen 1619
(nach Heilmann, J. „Kriegsgeschichte von Bayern…“ II.Bd.2Abt.München 1868 S. 958)
Alphabetisches Verzeichnis der aus den Quellen zu rekonstruierenden Militärs der administratorisch-schwedischen Truppen 1630-1631
Amsterotä, Carl Heinrich v. Generalmajor der Infanterie Wohnte auf der Kurie des Domherren T i t u s v. Möllendorf am Neuen Markt, fiel am 10.mai 1631 bei den Straßenkämpfen.
Alemann, Hans (IX) Hauptmann seit November 1630 im Rgt. Falkenberg. Sohn des Ebeling (II.) Alemann. Wohnte Breiter Weg 197. Wohl von Falkenberg in Dienst genommen, um diese einfluß- reiche Patrizierfamilie auf die schwedische Seite zu ziehen. Lebte von 1603 – 1661.
Angermann, Hauptmann, am 10.mai 1631 verwundet.
Baumhauer, Valentin Kapitän 1630, Offizier des „Tollen Braunschweigers“ 1621. Im Rgt. Bock ? Magdeburger Bürger. Wohnte Breiter Weg Nr.? Nahm am Vorstoß auf Halle teil im Sommer 1630.
Bause, Johann Heinrich v. Ezst. Untertan aus Gr. Oerner im Querfurtischen. Bei der Rückeroberung Mansfeld durch die Kaiserlichen 1630 gefangengesetzt, wahrscheinlich adm. Offz. Später schwedischer Rittmeister Als solcher besetzt er gemeinsam mit seinem Bruder David August, schwedischer Major im Drag.rgt. Kalkreuth, im November 1631 Querfurt und Bornstedt. Fällt 1633.
Bock, Niklas Oberst 1630/31 Kais. Hauptmann im Rgt. Scherffenberg 1625? Schwedischer Oberst 1631. Hallore. Erobert im August 1630 Halle und Querfurt, im September Mansfeld und im Okt. erneut Halle. Nach der Eroberung von Magdeburg trat er erneut in schwedische Dienste. Im Juni/Juli 1631 ist sein Musterplatz Cottbus. Hier wurde er am 29.Juni von dem kais. Oberst Götz überfallen. Im Herbst 1631 marschierte er mit 8Kp. (500Mann) von Cottbus nach Rathenow ab. Er stirbt 1632 in der Schlacht bei Nürnberg. Er war wohl der tüchtigste Offizier des Administrators.
Böse, Heinrich Kapitän im Regiment Schneidewind 1630.
Boye, Jakob Major, später Oberstleutnant, schwedischer Oberst. Kavall. Kotmeister aus Gr. Salze. Wegen Gewalttätigkeiten und Ehebruchs mehrmals vom Rat angeklagt. Anfang Juli1630 ist er als Major im Dienst des Administrators, unternimmt bereits Streifzüge in die Havelberger Gegend und wirbt 5 Kavalleriekompanien. Besetzt am 30.Juli das Kloster ULF und stößt auf Köthen vor. Bei der Eroberung Magdeburgs gefangen. Nach der Besetzung des Erzstiftes Durch die Schweden im Sommer 1631 wird er der milit. Befehlshaber des Statthalters Ludwig v. Anhalt. 1636 letztmalig als Pate in Gr. Salze genannt. Nach Bock der beste Offiz. des Administrators.
Braunschweig, Hans v. Quartiermeister des Rgts. Boye. Lag im August 1630 in Staßfurt.
Cobach, Jakob Rittmeister im Regiment Boye 1630.
Dancker, Jonas(Tangk.) Kapitän 1630, dann Major im Rgt. Schneidewind. Aus Gr. Salze? Schwed. Oberstleutnant 1623 für eine Offiziersstelle in der erzst. Landesdefension vorgesehen. Ließ sich in Haldens- leben nieder. Hier sein Grabstein in der Kirche erhalten. Heiratete eine Tochter des Bgms. Altstein. 1632 plündern seine Reiter Ruchheim, 1633 in Burg. Stirbt 1635.
Esebeck, Burchard v. Rittmeister 1630. Im Rgt. Boye. Pfänner und Kämmerer von Gr. Salze. Später kam dann Bgm. Nach der Rückkehr des Administrators aus dem Exil musste Gr. Salze eine Kompanie auf- Stellen, deren Rittmeister wurde B. v. Esebeck. Im Dezember besetzte er mit Schneidewind Haldensleben, wurde anschließend bei der Kapitulation von Pappenheim gefangen und auf Ehrenwort entlassen. Seine Familie wohnte während der Belagerung in Magdeburg. Spielte in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle in der erzstiftischen Innenpolitik. Zuletzt bei der Musterung des erzst. Aufgebots zum Türkenkrieg 1664 tätig. Lebte von 1596- 1666.
Feld, Johann v.d.(Fels?) Oberstleutnant 1630/312. Schwager des ersten schwed. Stadtkommandanten von Magdeburg nach der Besetzung 1632 S. Adam Schwed. Oberst 1634.
Gleichen, Johann v. (Gf.) Oberst. Fällt bei dem Ausfall am 5.Dezember 1630. In Schönebeck begraben.
Guth, Jakob Quartiermeister 1631. Wohnt am Neuen Markt.
Hackelberg, Rittmeister. Rgt. Boye? Wohnt am Neuen Markt. Kurie Heinrich v. Treskows.
Hakeborn, Bendix (II.) v. Kapitän im Rgt. Schneidewind. Staßfurter Pfänner. Belagert vom 13.August – 25.August das Schloß Wanzleben. Besetzte es mit seiner Dragonerkompanie. Vom 26.August- 25.September Dann von den Kais. Belagert, muß kapitulieren.
Hartmuth, Kapitän im Infanterieregiment Bock 1630.
Heidemann, Rittmeister im Rgt. Boye? Fällt bei der Eroberung Magdeburgs am 10.Mai 1631.
Heusener, Christian Proviantmeister 1631. Wohnt am Neuen Markt.
Iter, Wilhelm Kapitän im Rgt. Schneidewind 1630.
Knorre, Daniel Hauptmann im Rgt. Bock 1630. 1614 in kais. Armee, 1616 in brem. Diensten, 1617 in venez., 1619 in poln. gegen die Türken, 1621 in ligist., 1635 sächs. Oberstleutnant im Rgt. Drandorf, 1637 verteidigt er mit einem Rgt. Leipzig gegen die Schweden, 1648 schwed. Oberst. Stammte aus Halle. Lebte von 1594 -1651.
Kratz, Johann Wilhelm Ward von Kratzenstein (+1641), Rittmeister im Rgt. Bock, 1630, schwed. Oberstleutnant im Kavallerieregiment Baden, Oberst 1634.
Kresse, Friedrich Major im Rgt. Lange? Aus halle. Im Februar 1631 wurde er gegen den kais. Rittmeister Einhausen ausgetauscht. Fällt beim Sturm auf Magdeburg.
Kroppe, Rittmeister im Regiment Bock 1630.
Küchenmeister, Andreas Offizier im Rgt. Schneidewind. In Hamburg. Diensten 1624-1626, in kursächs. Armee 1631, in schwed. 1632, hier 1640 Major. Teilnahme an den Schlachten von Hördingen, Wittstock, Wolfenbüttel, Leipzig und Jankau, Kommandant von Pinneberg und Seeberg, 1652 abgedankt. Stammte aus Halle. Wurde in Haldensleben im Dezember 1630 gefangengenommen und nach seiner Freilassung wieder am 10.mai 1631 in Magdeburg. 1664 sollte er Oberstleutnant des erzst. Aufgebotes im Türkenkrieg werden.
Kuhlenau, Kapitän im Infanterieregiment Bock 1630.
Lange, David (Longius) Oberstleutnant Infanterieregiment. Wohnte auf der Kurie des Domherren von Erffs. Fällt beim Sturm auf Magdeburg am 10.Mai 1631.
Lazarus, Hauptmann 1631, fällt beim Sturm auf Magdeburg am 10.Mai 1631.
Lehmann, Barthel Fähnrich 1631, wohnt am Neuen Markt.
Lindenau, Wolf Dietrich Offizier im Rgt. Boye. Aus dem Jüterbogschen. Fällt im Gefecht von Germersleben am 24.
v. August 1630, in der Kirche Staßfurt begraben.
Loburg, Rittmeister im Rgt. Boye? Wohnt 1631 am Neuen Markt.
Lüderwald, Balthasar Captain des Armis in Kp. J. Schulzes 1630. Hamburg. Musketier 1627-29, in niederl. Dienst 1629, in mecklbg. Diensten 1631/32, brandbg. Quartiermeister, danach wieder in mecklbg. u. schwed. Armee, Rittmeister im Rgt. Bauchhaupt 1636, Platzmajor von Lüneburg, dän. Hauptmann 1638, 1646 wirbt er in Hildesheim 200 Mann f.d. neue städt. mgdbg. Garnison, Stadtkommandant von Magdeburg 1646-1656. Stammte aus Magdeburg. Wurde beim Sturm auf Magdeburg gefangen.
Mackensen, Major im Rgt. Falkenberg 1631.
Moder, Hans Georg Kriegssekretär 1631. Wohnte Breiter Weg 197.
Mönchmeyer, Daniel Feldprediger 1631. Superintendent in Braunschweig. Beim Sturm auf Magdeburg gefangen. Stammte aus Wanzleben.
Musculus, Martin Rittmeister im Regiment Boye 1630.
Muth, Kapitän im Rgt. Schneidewind. In Haldensleben mit seinen Obersten im Dezember1631 gefangen.
Österling, Samuel Offizier des Administrators 1629. Ging mit diesem nach Schweden, fraglich ob er sich 1630/31 in Magdeburg aufhielt. 1635 lüneburgischer Oberst, 1638 schewd. Oberst, 1639 belagerte er die Motitzburg in Halle, die von einem anderen Hallenser Ärschel verteidigt wurde. Fällt 1647 bei Der tapferen Verteidigung Iglau. Stammte aus Halle, lebte von 1606-1647.
Pletz, David v. (Platz) Kapitänleutnant im Rgt, Boye. 1630 von den kaiserlichen als Kommandant von Sraßfurt, gefangen, beim Gefecht von Germersleben. Rittergutsbesitzer zu Wefensleben im Holzkreis.
Röbzier, Rittmeister im Regiment Bock 1630.
Seiz, Wiegand Major im Infanterieregiment Bock 1630.
Siersleben, Hans v. Kapitän 1630 im Regiment Schneidewind. Kommandant von Egeln und Unseburg. Rittergutsbesitzer zu Sülldorf Holzkreis.
Spiegel, v. Rittmeister 1631. Beim Sturm auf Magdeburg gefangen. Aus dem Halberstädtischen.
Schafmann, Adam Jerslau v. Major? Des Administrators. Schwed. Oberstleutnant 1631, Stellt im Holzkreis ein Rgt. auf. Stammt aus Böhmen.
Schele, Rittmeister 1631. Wohnt am Neuen Markt.
Schieck, Georg v. Fähnrich in admin. Leibkompanie. Später brdbg. Oberstleutnant. Kommandant von Peitz u. Küstrin. Beim Sturm auf Magdeburg gefangen. Rittergutsbesitzer aus dem Saalkreis. Lebte 1607-1668.
Schieck, Heinrich v. Kapitän 1631. Später schwed. ? Oberstleutnant. Rittergutsbesitzer im Saalkreis.
Schlick, Dietrich (v.) Kapitän der admin. Leibkompanie 1630/31.
Schmidt, Jacob Kapitän im Regiment Schneidewind. 1631 bei den Straßenkämpfen schwer verwundet.
Schneidewind, Johann Oberst 1630. Stammte aus Gr. Salze? Vorher in niederld. Diensten, Oberstleutnant und Stadtkommandant von Magdeburg 1626, wirkte aktiv gegen den alten Rat, deshalb entlassen u. verhaftet. Zwischen 1618 und 1628 verwaltete er das v. Münchhausensche Gut Vockenstedt in Sequestor. Er blieb in Magdeburg bis zur Rückkehr des Administrators in Haft, dann wurde er sein erster Oberst. Er eroberte Haldensleben u. kapitulierte bereits im Dezember wieder vor Pappenheim, geriet in den Verdacht des Verrats. Unter den Schweden aber wieder rehabilitiert, wurde er am 7.September 1631 Kommandant aller von den Schweden im Erzstift besetzten Festungen. Belagerte er von 2.Oktober bis zum 24.November das Schloß Mansfeld. Im März 1632 wurde er Kommandant von Donauwörth. Angeblich fiel er in der Görderlinger Schlacht. Doch taucht er später als kais. Oberst auf und stirbt nach anderen Quellen erst 1639.
Schönberg, Major im Regiment Bock 1630.
Schöne, Major. Beim Sturm auf Magdeburg gefangen. Erhob 1632-35 schwere Anschuldigungen gegen Kühlewein, bezichtigte ihn des Verrats an die Kaiserlichen.
Schulze, Johann Hauptmann 1630. Brdbg. Major. 1630 im August lag er in Staßfurt. Später Pächter des von Trothaschen Gutes Gänsefurth.
Söllner, Christopf Kapitän im Regiment Schneidewind.
Steinacker, Otto Johann v. Kapitän 1630? Später schwed. Oberst u. Kriegsrat. Kommandant von Wieder/O. Pf. 1649/50. 1630 begleitete er den Administrator nach Schweden, trennt sich aber gier von ihm und trat in schwed. Dienste. Rittergutbesitzer von Brumby im Holzkreis.
Stoltze, Wolf Kapitän im Infanterieregiment Bock 1630. Kaufmann in Magdeburg 1647.
Stiegk, Oberstleutnant Rgt. Schneidewind. 1630 in Querfurt gefangen.
Stützing, Johann Gefreiter im Rgt. Schneidewind 1625, Fähnrich unter Danker nach der Neuformierung des Rgt. nach der Niederlage bei Dessau 1626. 1627 floh er mit dem Administrator nach Dänemark. Ratsherr und Ratsmeister von Halle.
Suppe, Rittmeister im Regiment Bock 1630.
Treffeler, Oberzeugmeister, Kommandeur der Artillerie. Beim Sturm auf Magdeburg gefangen.
Treskow, Hans Joachim v. Kapitän im Rgt. Schneidewind 1630 und Rittmeister im Regiment Boye. 1633 schwed. Oberstleutnant. Rittergutsbesitzer im Jerichowschen Kreis. Stirbt 1652.
Treskow, Wiprecht v. Oberstleutnant 1630. Rittmeister der erzst. Aufgebotes 1622. Schwed. Oberst über ein Kavallerieregiment 1632 in Baners Elbarmee. Stirbt 1640.
Trost, Oberstleutnant des Rgt. Falkenberg 1630. Vorher in hzgl. weim. Diensten. Fällt beim Sturm auf Magdeburg.
Trotha, Hans Caspar v. Stallmeister des Administrators 1630. Hofjunker des Administrators 1625. Rittmeister unter ihm in der dän. Armee, rettete ihn in der Schlacht an der Dessauer Elbbrücke 1626 das Leben, 1627 in die Heimat zurück. Trat er 1630 erneut in seine Dienste. Wurde beim Sturm auf Magdeburg schwer verwundet. Sächs. Rittmeister im Rgt. Falkenstein. Ritterguts- Besitzer im Saalkreis. Lebte 1608-1665.
Uhrstedt, Hauptmann. Fällt beim Sturm auf Magdeburg.
Ußlar, Georg v. Oberst 1631. Vorher bereits in der böhm. Armee in der Schlacht am Weißen Berg 1620, in Ungarn und den Niederlanden. Wurde beim Sturm auf Magdeburg gefangen und in der Moritzburg festge- gehalten. Hier befreit ihn sein Bruder Thilo als schwedischer Generalmajor in der Schlacht bei Lützen. Lebte von 1584-1632.
Ußlar, Thilo Albrecht v. Oberstleutnant im Rgt. seines Bruders 1631. Vorher in der span. und niederld. Armee, 1620 in der Schlacht am Weißen berg gefangen, 1623 Generalwachtmeister der Niedersächsischen Kreistrup- pen. Schwed. Oberstleutnant 1631, hess. Oberstleutnant 1631, 1632 in der Schlacht von Wiesloch, 1634 erobert er Hildesheim und Minden. Wohnte auf der Kurie des Domherren C.v. Lochau. Lebte 1586-1634.
Vulteius, Kapitän 1631. Fällt im März 1631 beim Gefecht um die Schönebecker Schanze.
Wittenberg, Kornett im Rgt. Boye? Wohnt 1631 auf dem Neuen Markt.
Wundrich (Wodrich) Major 1630.
Wüstenhoff, Meinhardt v. Kapitän 1631 im Regiment Schneidewind. Pfänner aus Gr. Salze. Bereits 1623 für eine Offz.- stelle vorgesehen. Fällt 1631 bei einem Ausfall.
Fortsetzung folgt
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Verzeichnis der Geschütze, die bei der Eroberung Magdeburgs am 20.Mai 1631, auf dem Wall gestanden haben. (nach Ruepps schreiben an den Kurfürsten Maximilian v. Bayern vom 27.Mai 1631. Münchner Hauptarchiv, Dreißig- jähriger Krieg, Tom. 168. Fks, München V, s.90 ff.)
Singerinnen und Kartaunen:
1 Singerin, darauf eine Fortuna und das Stadtwappen, 13,5 Schuh lang (3,45m), schießt 20 Pfd. 1 Singerin, darauf das Stadtwappen, 14 Schuh lang (3,85m), schießt 24 Pfd. 1 halbe Kartaune, darauf das Stadtwappen und ein Vogel Strauß, 12 Schuh lang (3,07m), schießt 24 Pfd. 1 halbe Kartaune, 12 Schuh lang (3,07m), schießt 24 Pfd. 1 halbe Kartaune, 11 Schuh lang (2,81m), schießt 24 Pfd. 1 Singerin, darauf ein Greif, 15,5 Schuh lang, (3,96m), schießt 17 Pfd. 1 halbe kartaune, darauf der Brauer und Bäckerinnung Wappen, 11 Schuh lang (2,81m), schießt 24 Pfd.
Quartier-, Not-, und Feldschlangen, sowie kleine Schlangen
1 Quartierschlange, 11 Schuh lang (2,81m), schießt 12 Pfd. 1 Quartierschlange, die „Lerche“ genannt, 11,2 Schuh lang (2,86m) schießt 12 Pfd. 1 Notschlange, 12 Schuh lang (3,07m) schießt 12 Pfd. 1 Feldschlange, darauf das Stadtwappen, der „Kuckuck“ genannt, 16 Schuh lang, (4,09m) gegossen 1547, Inschrift: V.D.M. I.Q. (Verbum domini manet in aeternum), schießt 8 Pfd. 1 Notschlange, die „Eule“ genannt, 16 Schuh lang (4,09m), schießt 20 Pfd. 2 Schlänglein, jedes 11 Schuh lang (2,81m) schießen 2,5 Pfd. 1 Schlange, 11 Schuh lang, (2,81m) schießt 3 Pfd. 1 Feldschlänglein, der „Drache“ genannt, 13 Schuh lang (3,32m), schießt 3 Pfd. 1 Schlange, der „Landknecht“ genannt, 14 Schuh lang (3,58m), schießt 4 Pfd. 1 Schlänglein, die „Venus“ genannt, 13 Schuh lang (3,32m), schießt 4 Pfd. 1 Schlange, der „Fink“ genannt, 16,5 Schuh lang (4,22m), schießt 6 Pfd. 1 Schlange, 13 Schuh lang (3,32m), schießt 3 Pfd. 1 Schlange, 10 Schuh lang (2,65m), schießt 2,5 Pfd. 1 Schlange, 11,5 Schuh lang (2,94m), schießt 12 Pfd. 1 Stück, an der Fischerpforte, 6,5 Schuh lang (1,69m), schießt 1 Pfd. 2 Bockstückchen, jedes 5,5 Schuh lang (1,40m) schießen 0,5 Pfd.
8 Kartaunen und Singerinnen 18 Quartier-, Not- und Feldschlangen 14 Apostelstücke 10 Falkonettlein 9 Scharffendindl 11 Steinstücke 7 Mörser und Böller 20 Doppelhaken
An Munition wurde aufgefunden:
5 Tonnen Pulver, auf dem Neuen Werk vergraben, 20 Zentner Pulver, lagen noch nicht ganz zugerichtet im Pulverhof. 150 Zentner Salpeter, 12 Zentner Schwefel, 90 Zentner Blei.
Zitiert nach: Generalstaben „Sveriege Krig 1611-1632“ Bilagsband II, Stockhom 1938
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Historische Darstellung der Zerstörung Magdeburgs.
1. Magdeburgs Bündnis mit Gustav Adolf und dem Administrator Christian Wilhelm. Die Generale Tilly und Wallenstein hatten im niedersächsisch-dänischen Kriege alle protestantischen Gegner bezwungen; als letzter hatte der Dänenkönig Christian IV. sich im Frieden zu Lübeck 1629 verpflichten müssen, jede Einmischung in die deutschen Angelegenheiten fortan zu unterlassen. Damit stand die kaiserliche Macht in Deutschland auf ihrer stolzesten Höhe während des ganzen Krieges. Am 6. März 1629 erließ Kaiser Ferdinand II. das Restitutionsedikt, durch welches u. a. festgesetzt wurde, daß alle mittelbaren, seit dem Passauer Vertrage von den Protestanten eingezogenen Abteien, Stifter und Klöster den Katholiken zurückgegeben und alle unmittelbaren, gegen den geistlichen Vorbehalt reformierten Stifter wieder mit katholischen Bischöfen und Prälaten besetzt werden sollten. Ersteres betraf im ober- und niedersächsischen Kreise über 120 Abteien und Stifter, letzteres die Erzbistümer Magdeburg und Bremen und 12 Bistümer. Für das Erzbistum Magdeburg hatte das Restitutionsedikt zur nächsten Folge, daß der Erzherzog Leopold Wilhelm, des Kaisers Sohn, zu seinem Administrator ernannt wurde. Der protestantische Administrator, Christian Wilhelm, hatte bereits im Jahre 1625, als Wallenstein sich Magdeburg näherte, die Stadt verlassen, hatte dann gemeinsam mit Ernst von Mansfeld, dem Herzoge von Weimar und Christian IV. gegen die ligistischen und kaiserlichen Truppen gekämpft, war vom Kaiser geächtet und vom magdeburgischen Domkapitel, »weil er an dem Kriege gegen das Reichsoberhaupt teilgenommen und sich dadurch dessen Ungnade und Acht zugezogen«, seiner Würde für verlustig erklärt worden. Der Administrator Christian Wilhelm jedoch hatte trotz seiner Achtung und seiner Absetzung durch das Domkapitel keineswegs den Gedanken aufgegeben, sich wieder in den Besitz seines verlorenen Erzstifts zu setzen. Dabei rechnete er vorzüglich auf tätige Mitwirkung seiner Freunde in der Stadt Magdeburg, besonders des Befehlshabers der Stadtsoldaten, Obristleutnants Schneidewind, und des Pastors zu St. Ulrich, Dr. Gilbert de Spaignart. Diese standen an der Spitze einer Partei, die fast die ganze gemeine Bürgerschaft umfaßte, die mit der Politik des Magistrats unzufrieden war. Man warf den Vätern der Stadt vor, daß sie im niedersächsisch-dänischen Kriege sich nicht den Verteidigern des Protestantismus angeschlossen, vielmehr das Heer der Liga unterstützt hätten. Das sei Verrat an der evangelischen Religion. Wäre es auf die unzufriedene Partei angekommen, dann hätte der Rat sich mit den Nachbarfürsten zum Schutze des Protestantismus verbünden und die Kaiserlichen mit Gewalt aus dem Lande jagen müssen. Es kam soweit, daß das alte Stadtregiment gestürzt und ein neues gewählt wurde, in dem die Ratsstühle nicht mehr wie bisher nur mit Personen aus den Innungen und Geschlechtern, sondern mit Männern aus der gesamten Bürgerschaft besetzt wurden. Damit ward eine bittere Feindschaft zwischen den angesehenen, bisher ratsfähigen Geschlechtern und der übrigen Einwohnerschaft begründet, und nur zu hart sollte die Stadt die unseligen Folgen dieser Zwietracht bald empfinden. Der Administrator Christian Wilhelm hatte sich längere Zeit am Hofe Gustav Adolfs von Schweden, dessen Gemahlin seine Nichte war, aufgehalten, war dann im Februar 1630 nach Deutschland zurückgekehrt und weilte jetzt in Hamburg. Dort harrte er sehnlich der Ankunft seines königlichen Verwandten, der – zur Rettung des bedrängten Deutschlands und des Protestantismus – am 24. Juni 1630 nach einer mühevollen Seefahrt mit seiner Flotte bei der kleinen Insel Ruden ankerte und seine Truppen auf Usedom landete. Christian Wilhelm hatte Geld von ihm verlangt, um 10 000 Mann zu Fuß und 3000 Reiter zu werben, die er, wenn das Erzstift erst in seinen Händen war, auf eigene Kosten unterhalten und vermehren zu können hoffte. Auch hatte er versprochen, die Stadt Magdeburg und das Land auf schwedische Seite zu bringen, was ihm nicht sonderlich schwer fallen würde, da er den bittern Haß seiner Untertanen gegen den Kaiser und dessen Kriegsvolk kenne. Der König – dem es natürlich sehr erwünscht sein mußte, das feste Magdeburg, den Schlüssel des Elbstroms, in die Hände zu bekommen, um später an ihm einen Stützpunkt für seine Unternehmungen zu haben – hatte den Plan des Administrators gebilligt und letztern ermächtigt, von Wechslern und Kaufleuten in seinem Namen und unter seiner Bürgschaft ein Darlehen bis zum Betrage von 100 000 Talern aufzunehmen. Gleichzeitig aber hatte er ihn gewarnt, nichts zu übereilen, vorsichtig zu Werke zu gehn und lieber zum Schein Unterhandlungen wegen seiner Restitution mit dem Kaiser anzuknüpfen. Allein Christian Wilhelm war zu ungeduldig, um diesen verständigen Rat zu befolgen. Er sandte seinen geheimen Sekretär Peter Meyer in das Erzstift, um daselbst in seinem Interesse zu wirken und namentlich die Stadt Magdeburg für ihn zu gewinnen. Die Sache ging nach Wunsche. Der gegenwärtig in Leiden sich aufhaltende ehemalige magdeburgische Syndikus Werdenhagen hatte dem neuen Magistrate das Anknüpfen von Handelsverbindungen mit den Niederlanden empfohlen, um namentlich dem in Magdeburg gebrannten Bier einen Absatz dahin zu verschaffen. Er hatte gewünscht, daß man zur weitern Besprechung über diese Sache etliche Personen nach Hamburg sende, wo er zu treffen sein würde. Christian Wilhelms Freunde wußten es bei den Vätern der Stadt dahin zu bringen, daß die Absendung wirklich erfolgte. Nachdem die Abgeordneten mit Werdenhagen das Nötige besprochen, wurden sie durch Heinrich Pöpping, einen früheren Magdeburger Kaufmann, der sich durch unglückliche Spekulationen zugrunde gerichtet hatte und der jetzt in Christian Wilhelms Diensten stand, bei diesem eingeführt. Sie wurden von ihm auf das freundlichste empfangen und mehrmals von ihm zur Tafel gezogen. Nachdem er sich mit zweien derselben, den Ratsherren Gerhold und Steinbeck, seinen eifrigen Anhängern, hinter dem Rücken der beiden andern wegen einer nähern Verbindung zwischen ihm und der Stadt und der Vertreibung der Kaiserlichen aus dem Erzstift besprochen, gab er denselben bei ihrer Rückreise seinen treuen Pöpping als Begleiter mit. Letzterer sollte dem Magistrat zwei Schreiben einhändigen, das eine vom Könige von Schweden, das andere von ihm selbst. Pöpping zögerte damit fast drei Wochen lang, gewann inzwischen die Freunde seines Gebieters, auch etliche Ratsglieder und Prediger für dessen Plan, erforschte die Gesinnung des größeren Teils der Bürgerschaft und entledigte sich nun erst seines Auftrags. Das zu Stockholm im Dezember 1629 in lateinischer Sprache abgefaßte Schreiben Gustav Adolfs enthielt die Anzeige, daß er mit einem Kriegsheere nach Deutschland kommen wolle, um die Religions- und politische Freiheit zu schützen und wiederherzustellen, nebst einer kurzen Angabe der Gründe, die ihn zu diesem Entschlusse bestimmt hatten; es stand aber keine Silbe darin von einer Aufforderung an die Stadt, mit ihm ein Bündnis zu schließen. Das Schreiben des Administrators war eine Vollmacht für Pöpping und ermächtigte selbigen, die Stadt zu bewegen, von den Truppen, die Christian Wilhelm mit schwedischer Hilfe zur Wiedereroberung und zum Schutze des Erzstifts werben und unterhalten würde, eine Besatzung einzunehmen. Die Verantwortlichkeit dafür wolle der Administrator auf sich nehmen, die Stadt durch das Landvolk noch mehr befestigen lassen und sie mit noch mehreren Vorrechten und Landgütern begnadigen. Die Mehrheit des Ratskollegiums trug aber Bedenken, auf diesen Antrag einzugehen, und wollte erst nach reiflicher Erwägung in einer so wichtigen Angelegenheit einen Beschluß fassen. Die wiederholten Bemühungen Pöppings sowohl als der Ratsherren Gerhold und Steinbeck hatten keinen andern Erfolg, als daß man sich einigte, die Entscheidung den Hansastädten anheimzugeben. Dies meldete man dem Administrator und ernannte sofort zwei an das Direktorium in Lübeck zu sendende Abgeordnete. Ehe diese aber abreisten, lief ein Schreiben des schwedischen Geschäftsträgers Johann Stalmann ein, in dem dieser dem Magistrat anzeigte, er werde nach Magdeburg kommen, um der Stadt von seiten seines Gebieters und des Administrators wichtige Eröffnungen zu machen. Der große Haufe, höchlich erbittert über etliche katholische Maßnahmen gegen die evangelischen Dom- und Stiftsherren, und von den Freunden des Administrators durch glänzende Vorspiegelungen gewonnen, wünschte eifrig den Abschluß eines Bündnisses mit Christian Wilhelm und sah alle die mit ungünstigen Augen an, die sich dagegen erklärt hatten. Pöpping eilte mit der Nachricht von dem glücklichen Erfolge seiner Mission nach Hamburg zurück, und Christian Wilhelm beschloß nun, selbsthandelnd aufzutreten. Verkleidet, mit abgeschnittenem Haupthaar und Bart, machte er sich, nur von Pöpping, Stalmann und vier andern Personen begleitet, hierher auf den Weg und kam am 27. Juli 1630, ohne Vorwissen des Rats und der Bürgerschaft, in die Stadt. Während er mit Pöpping durch das Ulrichstor einritt, folgten ihm seine Begleiter unerkannt durch das Kröckentor nach. Um sein Incognito zu bewahren, kehrte er beim Rechtspraktikanten Dr. Christoph Schulze ein. Noch am Abend desselben Tages begab sich der Obristleutnant Schneidewind und am folgenden Morgen der Ratmann Steinbeck zu ihm, die in das Geheimnis eingeweiht waren. Stalmann teilte am 29. Juli dem Rate seine Ankunft mit und ersuchte ihn, ihm nun endgültige Nachricht wegen eines Bündnisses mit Gustav Adolf und dem Administrator zukommen zu lassen. Der Magistrat teilte ihm darauf mit, daß er die Entscheidung den Hansastädten anheimgeben wolle. Da entdeckte Stalmann den Abgeordneten des Rates, die ihm diese Botschaft überbrachten, der Administrator sei bereits in der Stadt und wünsche, daß der Magistrat morgenden Tages aus seiner Mitte einige Personen an ihn absende, um selbst mit diesen zu unterhandeln. Nachdem der Rat eine Zusammenkunft gehalten, wurden dann am 1. August die Bürgermeister Brauns und Schmidt, der Syndikus Dr. Denhardt und die Ratsherren Gerhold und Buschau an den Administrator abgesandt. Sie trafen bei ihm den schwedischen Gesandten, der ihnen lang und breit alle Punkte und Forderungen wiederholte, gegen die aber von etlichen Abgeordneten verschiedene sehr triftige Einwände erhoben wurden. Darüber war die zehnte Stunde herangekommen, wo nach des Administrators Befehl die Predigt in der Domkirche ihren Anfang nehmen sollte. Christian Wilhelm lud die Abgeordneten ein, selbige mit ihm anzuhören und hernach bei ihm zu speisen, was sie höflichkeitshalber nicht glaubten ausschlagen zu dürfen. Vor der Domkirche hatte sich eine solche Menge Volks versammelt, daß wegen der Größe des Gedränges kaum durchzukommen war. Der erste Domprediger, Dr. Bake, sprach – es war der zehnte Sonntag nach Trinitatis – über den vorgeschriebenen Text, die Verse Lucä 19, 42-44, in denen Christus der Stadt Jerusalem ihren Untergang verkündet, was man für ein böses Zeichen ansah. Nach aufgehobener Tafel entließ der Administrator seine Gäste, stellte aber gleich darauf durch Pöpping an den regierenden Bürgermeister die Forderung, ohne Säumen die ganze Bürgerschaft zusammenzuberufen, da er ihr in eigener Person seine Sache vorzutragen wünsche. Ihm mußte ja alles daran liegen, die Stadt für sich zu gewinnen und dadurch seiner unsicheren Stellung einen Halt zu geben. Weil solche Zusammenberufungen aber nicht gebräuchlich waren, so ließ der Bürgermeister Brauns den Rat auf das Rathaus bescheiden, stattete der Versammlung Bericht ab über die Anträge, die man ihm und seinen Mitabgeordneten am Vormittage gemacht, und wollte eben die Beratung eröffnen, als die Ankunft des Administrators und des schwedischen Gesandten ihm gemeldet wurde. Beide verlangten eine entscheidende Antwort. Da man sich aber noch durchaus nicht über eine solche vereinigt hatte, so bat die Mehrheit der Versammlung, der diese Hast und dies Drängen sehr befremdlich war, um Aufschub und Bedenkzeit, damit man erst den Rat der Hansastädte einholen könne. Stalmann aber fiel ihr sogleich ins Wort, ließ sich weitläufig über das abzuschließende Bündnis aus, zählte alle Vorteile desselben für die Stadt her und versprach derselben die Summe von 90 000 Talern zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse und zu ihren Festungsbauten, außerdem die Sicherheit des Bündnisses seitens der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen. Schließlich bestand er darauf, man solle sich augenblicklich und zwar in befriedigender Weise erklären, – wo nicht, würde der Administrator sich an die Bürgerschaft wenden. Diese hatte sich zahlreich auf dem alten Markte vor dem Rathause versammelt und frohlockte über Christian Wilhelms Ankunft; denn man hatte ihr vorgespiegelt, der Administrator und alle evangelischen Fürsten und Stände würden am 4. August die Waffen gegen die allverhaßten Glaubensfeinde, die Kaiserlichen, erheben. Nachdem er geredet, fragte der Syndikus Dr. Denhardt die Versammlung um ihre Meinung und die zu gebende Antwort. Ein Teil der Anwesenden schwieg, ein anderer sprach dies und jenes, so daß Denhardt nicht wußte, woran er war. Etliche Stimmen riefen ihm zu, man müsse von Rechtes wegen bei Gottes Wort stehen und könne nicht umhin, zum Besten der evangelischen Sache dem Könige und dem Administrator den Paß zu verstatten, und was dergleichen Worte mehr waren, die aber bei dem großen Gemurmel im Saale nicht von allen Anwesenden, sondern nur vom Syndikus deutlich gehört werden konnten. Durch diesen folgte nun die Erklärung: zur Förderung des allgemeinen evangelischen Wesens, und damit nicht durch die Zögerung der Stadt den mit dem Könige von Schweden verbundenen Ständen Gefahr erwachse, solle der Paß für Se. Majestät offen stehen. Nachdem sie soviel erreicht, boten der Administrator und Stalmann jedem der Anwesenden die Hand und verließen das Rathaus. So scheiterten die wohlgemeinten Absichten des bedächtigern Teils der Stadtväter, die für Magdeburg die bösen Folgen eines solchen Bündnisses voraussahen und daher den Abschluß desselben gern hintertrieben hätten. Leider gingen ihre gerechten Befürchtungen nur zu bald in Erfüllung. Der auf dieses Bündnis bezügliche Generalvertrag wurde hierauf vom Administrator, dem schwedischen Gesandten und im Namen des Magistrats vom Bürgermeister Georg Kühlewein durch Unterschrift vollzogen. Schon am nächsten Tage, dem 2. August, verlangte der Administrator, die Stadt solle ihm von den beiden Kompagnien, die sie in ihrem Solde halte, und deren jede aus 200 Köpfen bestand, die eine auf 14 Tage abtreten; angeblich, damit er sich desto sicherer an die Örter begeben könne, wo er sein Kriegsvolk habe, um es zusammenziehen zu können. Die Kompagnie wurde ihm auf die vorbemerkte Zeit überlassen, man lieh ihm dazu Geschütz und Munition und versah ihn mit Geld und Proviant. Noch am Nachmittage des 2. August sandte Christian Wilhelm die Kompagnie nach Wolmirstedt. Die auf dem dortigen Schlosse liegenden 5 oder 6 kaiserlichen Soldaten wurden zu Gefangenen gemacht und das Archiv nebst Betten, Vieh und einem kleinen Mehlvorrat hierher geschafft. Etliche tausend Geschützkugeln kamen später zu Wasser nach. Das meiste Kriegsvolk des Kaisers war aus dem Erzstifte nach Mecklenburg und Pommern aufgebrochen und stand gegen Gustav Adolf, was für den Administrator allerdings ein sehr erwünschter Umstand war. Die zurückgebliebenen Besatzungen waren größtenteils so schwach, daß man ein gar leichtes Spiel mit ihnen hatte. So war am 4. August in Calbe ein Leutnant mit 20 Musketieren aufgehoben und samt etlichen Wagen voll Munition hierhergebracht. Die Burgenser überlieferten dem Administrator den Obristleutnant Damnitz samt seiner Ausrüstung und einigen mit Salz beladenen Wagen. Hier und da wurden von Christian Wilhelms Truppen Klöster, Amtshöfe und Dörfer ausgeplündert. Am 6. August ließ der Administrator alle Bewohner des Erzstifts, besonders die Ritterschaft, öffentlich auffordern, zur Verteidigung der Religion und des Landes die Waffen mit ihm zu erheben und die Kaiserlichen überall zu vertreiben. Gleichzeitig wurden auch unter öffentlichem Trommelschlag die Werbungen in unserer Stadt eröffnet, und der Zulauf war von allen Seiten ein so großer, daß in kurzer Zeit viel Volks unter den Fahnen stand. Am Abend eben dieses Tages zog der Administrator selbst mit Fußvolk und Reitern nach Halle, ward am 7. in der Nacht durch das Saalpförtchen eingelassen, überfiel die kaiserlichen Wachen und bemächtigte sich der Stadttore. Die Besatzung in der Moritzburg wollte von keiner Übergabe hören, und obgleich Christian Wilhelm aus dem Zeughause zu Magdeburg mit einigen Zentnern Pulver, einem Mörser und andern Kriegsgerätschaften unterstützt ward, auch fünf Kanonen, die die Kaiserlichen in Querfurt zurückgelassen, herbeischaffen und am 13. und 14. August lebhaft auf das Schloß feuern ließ, so konnte er es doch nicht gewinnen. Als am 16. August das fälschlich ausgestreute Gerücht erscholl, die Kaiserlichen zögen mit starker Macht heran, brach er, Geschütz und Munition im Stich lassend, in fluchtähnlicher Eile wieder von Halle auf und kehrte nach Magdeburg zurück. Inzwischen hatte sich Stalmanns ältester Sohn in der Kirche zu Cöthen etlicher Kisten mit Geld – 25 000 Talern – bemächtigt, die dem kaiserlichen Obristen Stammer zugehörten, und die Summe nach Magdeburg gebracht. Mit Hilfe dieses Geldes nahmen die Werbungen unter dem inzwischen zum Obristen beförderten Schneidewind u. a. den glücklichsten Fortgang. Das angeworbene Volk ward teils in die Neustadt und Sudenburg, teils in die Umgegend – nach Calbe, Wanzleben, Egeln, Staßfurt, Calvörde u. a. O. – verlegt. Es sollte bald Gelegenheit haben, sich mit den Kaiserlichen zu messen, die auf die erhaltene Kunde von den Vorgängen im Erzstifte sofort wieder in dasselbe einrückten. In den Gefechten bei Germersleben, Wanzleben und Groß-Ottersleben behielten die Truppen Christian Wilhelms die Oberhand über die Gegner. Am 7. September gewann der Obristleutnant Bock durch List das feste, von den Kaiserlichen besetzte Schloß Mansfeld für den Administrator, indem er auf angeblich mit Korn beladenen Wagen einen Teil seiner Soldaten hineinschickte, die die Wache überwältigten und ihm das Tor öffneten. Christian Wilhelms Angelegenheiten standen also keineswegs ungünstig. Voraussichtlich hatte Magdeburg aber eine Belagerung zu fürchten; denn die Kaiserlichen zogen mit Macht heran, und die verheißene schwedische Hilfe wollte noch immer nicht erscheinen. Dringend riet der Magistrat daher dem Administrator, das Getreide von den Amtshäusern und Klöstern beizeiten hierherbringen und aufschütten zu lassen, damit es später nicht an Proviant fehle; allein dieser wohlgemeinte Rat ward nur teilweise befolgt. Schneidewind widersetzte sich der Abführung des Getreides unter dem Vorwande, daß seine Soldaten dann in ihren Bezirken nichts übrig behalten und Not leiden würden, obwohl er sich später damit entschuldigte, der Administrator habe selbiges zur Bestellung der Amts- und Klosteräcker zurückzuhalten befohlen. Sämtliche Getreidevorräte fielen gleich darauf den Kaiserlichen in die Hände, und es mangelte nachmals nicht nur den in die Stadt und die Vorstädte verlegten Truppen des Administrators ganz und gar an Proviant, sondern es mußte selbst für dessen eigene und Falkenbergs Tafel Korn von den Bürgern gekauft werden. Viel früher war schon der Mangel an Pulver fühlbar; denn der bei den Krämern erkaufte Vorrat reichte nicht weit. Gegen den Willen der meisten Ratsherren brachten Christian Wilhelms Freunde es dahin, daß den Soldaten nach und nach an 100 Zentner Pulver aus dem städtischen Magazin verabfolgt wurden. Die üblen Folgen dieses Schrittes stellten sich hinterher bei der Belagerung der Stadt auf das nachteiligste heraus. Als die Kaiserlichen mit größern Streitkräften heranrückten, verließen die Truppen des Administrators Egeln, Staßfurt und andere kleine Plätze, zogen sich näher an die Elbe und besetzten Calbe, Salze, Schönebeck und Frose, konnten jedoch auch diese Punkte nicht gegen die stärkern ihnen folgenden Gegner behaupten. Am 19. September ward Frose von den letztern erobert und alles niedergehauen, was sich nicht durch die Flucht rettete. Schönebeck ging ohne Schwertstreich über; auch Salze und Calbe wurden von den Kaiserlichen eingenommen. Letzteres hatte eine Besatzung von 750 Mann, die sich vereint mit den Bürgern zwar aufs tapferste wehrte, aber doch endlich der Übermacht erlag und teils niedergehauen, teils gefangen wurde. Nach diesen Verlusten sah der Administrator ein, wie unzweckmäßig das Zersplittern seiner Streitkräfte war, und zog alle noch übrigen Truppen aus den naheliegenden Ortschaften – die kleinen Garnisonen im Saalkreise ihrem Schicksal überlassend – in Magdeburg zusammen. Es waren noch 2000 Mann zu Fuß und etwa 200 Reiter. Sie wurden teils in die beiden Vorstädte gelegt, teils verschanzten sie sich bei Kloster Bergen. Bald darauf verlor der Administrator auch noch Schloß Mansfeld und die Stadt Querfurt an die Kaiserlichen, so daß ihm vom ganzen Erzstifte nichts als Magdeburg blieb. Wegen Mangels an Proviant konnten die Truppen des Administrators in den Vorstädten und dem Lager bei Kloster Bergen nicht gehörig verpflegt, auch konnte ihnen die Löhnung nicht ordentlich gezahlt werden, weil es an Geld fehlte. Die ohnedies schon nicht sonderlich disziplinierten Soldaten hielten sich deshalb bei den unglücklichen Bewohnern der Neustadt und Sudenburg schadlos und ließen ihnen fast nichts übrig. Brachten die Landleute auf ihren Rücken Lebensmittel nach Magdeburg, was der Kaiserlichen wegen mit großer Gefahr für sie verbunden, so nahmen die Leute des Administrators ihnen vor den Toren alles ab, und so ward die Stadt durch sie gleichsam gesperrt. Diese Lage der Dinge und das Nicht-in-Erfüllung-Gehen der von Stalmann gegebenen Zusagen und Verheißungen erregte unter den Bürgern vielseitig Unruhe, Furcht und Mißtrauen. Auch liefen von hier und dort üble Nachrichten ein: der König von Schweden sei noch weit von Magdeburg entfernt, viele wichtige Pässe befänden sich noch im Besitze der Kaiserlichen, der Kurfürst von Sachsen und die Hansastädte gestatteten dem Administrator keine Werbung, und andere unangenehme Dinge mehr, die nicht geeignet waren, eine günstige Stimmung in der Bürgerschaft hervorzurufen. Schon fing man an, Reue über den getanen Schritt zu fühlen. Auch die Prediger, die das Bündnis mit Schweden und dem Administrator von den Kanzeln herab früher so eifrig empfohlen hatten, änderten jetzt ihre Sprache und wälzten alle Schuld der jetzigen Widerwärtigkeiten auf den Magistrat. Als der König von dieser Lage der Dinge unterrichtet ward, erließ dieser ein sehr gnädiges Schreiben an den Rat, voll der besten Vertröstungen auf baldigen Ersatz und rasche Hilfe, und versprach, einen kriegserfahrenen Kavalier zu senden, der das Verteidigungswerk inzwischen in bessern Stand setzen und leiten solle. Um eben diese Zeit erhielt der Magistrat auch ein Schreiben des Kaisers, datiert: Wien, den 24. September 1630, des Inhalts: »Seine Majestät habe mit Befremden vernommen, daß der Magistrat dem Markgrafen von Brandenburg, Christian Wilhelm, der sich erst heimlich in die Stadt geschlichen und dann öffentlich als Administrator aufgetreten, zur Vollführung seiner boshaften Absicht Vorschub geleistet, was um so unverantwortlicher, da bloß etliche Personen aus seiner (des Magistrats) Mitte das böse Spiel angegeben, der Rat der Bessergesinnten und Verständigen aber von dem tumultierenden Haufen nicht gehört und gänzlich verworfen sei. Se. Majestät wolle die Stadt hiermit ermahnen und derselben ernstlich gebieten, sich des besagten Markgrafen nicht ferner anzunehmen, sondern denselben als einen Reichsfeind aus ihren Mauern schaffen. Auf erfolgende gehorsamste Erklärung und wirklichen Gehorsam wolle S. Majestät der Stadt in Gnaden gewogen bleiben.« Dieses Schreiben erhielt der Magistrat aus den Händen des Administrators, dessen Offiziere es dem Überbringer vor dem Tore abgenommen hatten, und beantwortete es unterm 10. November 1630. Der Administrator – heißt es in dem sehr weitläufigen Antwort- und Entschuldigungsschreiben – sei unversehens und ohne des Rats Wissen nach Magdeburg gekommen. Der Rat habe das erst nach etlichen Tagen erfahren, auch nicht gewußt, daß Seine Fürstlichen Gnaden durch einen Rechtsspruch abgesetzt und in die Acht erklärt sei, sondern geglaubt, weil derselbe sich bisher im Römischen Reiche, und sonderlich zu Lübeck und Hamburg, längere Zeit aufgehalten, daß dies ihm auch an andern Orten unverwehrt sei. Der gemeine Haufe, und sonderlich Fremde und Auswärtige, sei zu Christian Wilhelm getreten; es sei demselben etliches Fußvolk zu seiner Verteidigung geliehen, welches jedoch wieder zurückverlangt sei; zugleich sei den Bürgern die Teilnahme an den Ausfällen verboten worden. Da der Markgraf aber Truppen geworben und diese in die Vorstädte verlegt habe, so stehe es nicht in des Rates Macht, denselben zu entfernen, und Seine Fürstlichen Gnaden sei für alles Vorgefallene verantwortlich. Gleichzeitig führte der Rat die bittersten Klagen über die schweren Bedrückungen durch die kaiserlichen Truppen, unter denen die Stadt nun schon ins sechste Jahr zu leiden habe. Der kriegserfahrene Kavalier, den Gustav Adolf der Stadt zu senden versprochen, war sein Hofmarschall und Obrist Dietrich von Falkenberg. Als Schiffer gekleidet, traf er im November 1630, von Hamburg kommend, in Magdeburg ein, händigte dem Rate seine Vollmacht ein und zugleich ein Schreiben des Königs, in dem dieser das Versprechen, die Stadt zu schützen, wiederholte. Er machte sich sofort daran, das Kriegswesen der Stadt in eine bessere Ordnung zu bringen. Der Administrator übergab ihm den Oberbefehl über sämtliche Truppen und behielt bloß seine Leibkompagnie – 250 Mann – für sich. Falkenberg ließ nun – und zwar mit gutem Erfolge – die heimlichen Werbungen in Sachsen, Brandenburg und anderwärts fortsetzen und entlieh von magdeburgischen Kaufleuten die dazu nötigen Summen gegen Wechsel, die in Hamburg gezahlt werden sollten. Das Falkenbergsche Regiment zählte 800 Mann, ward vom Obristleutnant Trost befehligt und stand im Rufe der besten Manneszucht. Ebenso eifrig wie die Vermehrung der Streitkräfte ließ sich Falkenberg auch die Befestigung der Alt- und Neustadt angelegen sein. Letztere ward durch Gräben und Palisaden noch mehr gesichert; bei Prester und auf dem Mühlberge, einen Büchsenschuß nordöstlich von der Zollschanze, wurden Feldschanzen angelegt. Letztere erhielt den Namen » Trotz Kaiser«. Da die Werber fast täglich neue Soldaten schickten und diese in den Vorstädten nicht mehr untergebracht werden konnten, so sandte Falkenberg den Obristen Schneidewind Ende November mit 200 Reitern und 600 Fußknechten gegen Neu-Haldensleben, das nach kurzer Gegenwehr mit stürmender Hand genommen ward. Von der kaiserlichen Besatzung wurden 60 Mann niedergehauen, der Rest – 100 Mann – fiel in Gefangenschaft. Zu seinem Glück war der Herzog von Holstein, dessen Hauptquartier im Orte war, damals abwesend. Die vorgefundenen, nicht unbedeutenden Proviant- und Munitionsvorräte ließ Schneidewind nach Magdeburg schaffen. Allein schon nach wenigen Tagen erschien Pappenheim mit einigen tausend Mann und acht Geschützen vor Haldensleben, und Schneidewind sah sich genötigt, am 5. Dezember 1630 zu kapitulieren. Seine Offiziere und Soldaten erhielten freien Abzug, mußten aber schwören, ihr Lebtag nicht mehr wider den Kaiser zu dienen, und Waffen und Pferde zurücklassen. Den Obristen nahm Pappenheim als Gefangenen mit sich. Falkenberg, dem dies unbekannt war, ließ ihn in Magdeburg dreimal öffentlich bei Trommelschlag vorladen und, da er nicht erschien, für ehrlos erklären und sein Vermögen einziehen. Schneidewind rechtfertigte sich aber späterhin bei Gustav Adolf und ward von ihm reich mit Gütern beschenkt.
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Die Belagerung durch Tilly. Am 26. November 1630, nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr, erhob sich ein orkanähnlicher Sturm, der in Magdeburg und Sudenburg fünf Kirchtürme abwarf, den aus dem erzbischöflichen Palast in den Dom führenden steinernen Gang zertrümmerte, sechs Wasser- und fünf Windmühlen zerbrach und an den Häusern sehr beträchtlichen Schaden anrichtete. Man sah diese Verwüstungen an als Vorzeichen eines größern der Stadt drohenden Unglücks. In eben der Stunde, wo Magdeburg die verheerenden Wirkungen dieses furchtbaren Sturmes empfand, hielt Tilly zu Hameln einen Kriegsrat, in dem der Angriff auf unsere Stadt beschlossen ward. Nachdem dieser Beschluß gefaßt, war Pappenheim sofort in das Erzstift geeilt und, nachdem er Neu-Haldensleben erobert, vor Magdeburg gerückt. Tilly, der seit Wallensteins Absetzung auch kaiserlicher Oberbefehlshaber war, folgte ihm mit der Hauptmacht und erließ unterm 29. Dezember 1630 von Halberstadt aus ein Schreiben an unsere Stadt. Er zeigte ihr darin an, daß er das Kommando über die kaiserliche Waffenmacht erhalten habe, und ermahnte sie, sich Sr. Majestät zu unterwerfen, indem sie nicht die geringste Ursache zur Widersetzlichkeit habe. Sollte die Stadt jedoch wider Erwarten diese Warnung nicht beachten, dann werde sie ihren gänzlichen Ruin und ihren Untergang unfehlbar zu gewärtigen haben. Auf dies Schreiben versicherte der Magistrat, daß die Stadt nie den Gehorsam gegen das Reichsoberhaupt verletzt habe und auch jetzt nicht gewillt sei, es zu tun. Der Administrator, durch den Generalissimus ebenfalls aufgefordert, von seinem Vorhaben abzustehen, oder aber zu gewärtigen, daß andere Mittel in die Hand genommen würden, um ihn und die Stadt zum Gehorsam zu bringen, antwortete: er sei als deutscher Reichsfürst nicht gesonnen, sich in seinen wohlerworbenen Rechten kränken zu lassen, sehe die Rechtmäßigkeit der Expeditionen und Handlungen Tillys nicht ein und werde sich an seine Abmachung nicht kehren. Gegen die vielen erlittenen Bedrückungen habe er keine andere Hilfe als die des Königs von Schweden finden können und wolle daran festhalten. Er werde für seine Untertanen kämpfen, mit ihnen alles wagen für Religion und Gewissen und das Äußerste erwarten. – Um eben diese Zeit suchte auch Pappenheim den Obristen von Falkenberg durch glänzende Versprechungen dahin zu bringen, daß er ihm die Stadt Magdeburg übergebe. Der Ehrenmann wies aber die ihm gemachten Anträge mit gerechtem Unwillen zurück und drohte, im Wiederholungsfalle den Überbringer ohne weiteres aufknüpfen zu lassen. Für den Augenblick ging die Gefahr noch glücklich vorüber, die die Stadt von der Nähe einer so großen Streitmacht zu fürchten hatte. Denn Tilly eilte im Januar 1631 zunächst ins Brandenburgische und dann ins Mecklenburgische, wo ein fester Platz nach dem andern mit den kaiserlichen Magazinen in die Hände Gustav Adolfs fiel. Zwar nahm er Neu-Brandenburg am 9. März durch Sturm wieder ein und ließ die 2000 Schweden, zu welchen der Befehl ihres Königs, sich zurückzuziehen, nicht gelangt war, niederhauen; weil es ihm aber an Lebensmitteln fehlte, sein Gegner sich auch auf keine Feldschlacht einlassen wollte, so kehrte er wieder in das Erzstift zurück, entschlossen, die Stadt Magdeburg mit aller Macht feindlich anzugreifen und sie, bevor Gustav Adolf zu ihrem Schutze herbei eilen könne, in seine Gewalt zu bringen. Während seiner Abwesenheit konnte Pappenheim mit dem wenigen Kriegsvolke, das Tilly ihm gelassen hatte, nichts Ernstliches gegen Magdeburg unternehmen. Er konnte nicht einmal den Ausfällen der Eingeschlossenen wehren. Die Verteidiger der Stadt wagten sich 5-6 Meilen weit hinaus, überfielen die Kaiserlichen in ihren Quartieren, machten sie nieder und erbeuteten eine Menge Vieh. Bei einem Streifzuge ward ein kaiserlicher Obristleutnant aufgefangen und niedergehauen. Man fand bei ihm einige Schreiben, aus denen man die Anschläge der Feinde auf die Stadt Magdeburg kennen lernte. Als Anfang März mildere Witterung eintrat, ließ der schwedische Kommandant von Falkenberg die unterbrochenen Befestigungsarbeiten wieder aufnehmen. Im Rehberge bei Pechau, in der Kreuzhorst und auf der Spitze des roten Horns wurden Schanzen aufgeworfen, an andern Stellen Kron- und Hornwerke angelegt. Die Kaiserlichen versuchten sich der Schanze in der Kreuzhorst, nachdem sie kaum vollendet war, zu bemächtigen, wurden aber mit einem Verluste von 100 Mann zurückgeschlagen. Allein gegen die bald darauf herandringende Übermacht des Feindes konnte sich dieses Werk so wenig wie die übrigen neuangelegten behaupten. Sie fielen alle, und mit ihnen verlor die Stadt viel Volk, Geschütz und Munition, was ihr doppelt empfindlich, da die Besatzung nur schwach und der Pulvervorrat äußerst gering war. In der letzten Hälfte des März kehrte Tilly mit einem zahlreichen Heere aus Mecklenburg in das Erzstift Magdeburg zurück, nahm sein Hauptquartier zu Möckern, legte in Zerbst Magazine an und rückte dann bis Pechau vor, wo er sich im Rehberger Holze lagerte und verschanzte. Nachdem er die von den Magdeburgern angelegten Werke in Augenschein genommen, gab er den Generalen Mansfeld und Pappenheim seine auf den Angriff bezüglichen Befehle, worauf letzterer sofort das blutige Drama eröffnete. Er zog am 30. März bei Tagesanbruch gegen die Schanze im Rehberge, der die Magdeburger ihm zum Hohn den Namen » Trotz Pappenheim« beigelegt hatten. Sie ward erstürmt, die Besatzung niedergehauen, und die Leiber der Erschlagenen wurden in den Elbstrom geworfen. Dann kam die Reihe an ein befestigtes Wachthaus in der Kreuzhorst, » der Magdeburger Succurs« [Fußnote] geheißen, in dem ein Leutnant mit 24 Mann lag. Dieser schlug mit seinem tapfern Häufchen fünf Stürme zurück, bei denen die Kaiserlichen an 100 Mann einbüßten, und ergab sich erst, als eine Drahtkugel ihm den rechten Arm zerschmettert und ihn kampfunfähig gemacht hatte. Tilly, der persönlich zugegen war, schenkte dem Mutigen das Leben und schickte ihn nach Magdeburg, die kleine Besatzung aber ward ohne Gnade getötet. Hierauf wurde die mit vier Geschützen besetzte Schanze in der Kreuzhorst angegriffen, der man den Namen » Trotz Tilly« gegeben hatte. Da diese aber aus bloßem Sande aufgeschüttet war, so glaubte der Kapitän Böse, sie gegen eine solche Übermacht nicht verteidigen zu können, zumal er auf keine Hilfe aus der Stadt rechnen durfte; er ergab sich daher mit seinen 80 Soldaten zu Kriegsgefangenen. Am nächsten Tage wurde der befestigte Turm in Krakau angegriffen, der nur durch ein Fenster zugänglich war, zu dem man vermittelst einer Leiter gelangte. Vom frühen Morgen bis an den Mittag ließ Pappenheim den Turm aus fünf Geschützen und mit dem kleinen Gewehr beschießen. Als die 15 Falkenbergischen Soldaten im Turme keine Hilfe aus der Stadt erhielten, wünschten sie zu kapitulieren und ließen die Kaiserlichen ein, von denen sie aber sofort niedergemacht wurden. Außer den genannten wurden noch mehrere andere Schanzen von den Kaiserlichen genommen. Mit Schrecken sahen die Magdeburger sich im Laufe zweier Tage des größten Teils ihrer Außenwerke beraubt. Der Verlust an Toten und Gefangenen betrug über 500 Mann. Nach dem Verluste der entfernteren Werke, denen man wegen der großen Übermacht der feindlichen Streitkräfte keine Hilfe leisten konnte, wenn man nicht auch das noch übrige Volk aufs Spiel setzen wollte, ließ der Obrist Falkenberg die Sicherung der Elbbrücken seine vorzüglichste Sorge sein. Auf dem Krakauer Werder, diesem gegenüber auf dem Steinwege am Krakauer Damme und unterhalb der Zollschanze ließ er Schanzen aufwerfen. Dann ließ er rings um die Zollschanze ein neues Verteidigungswerk von 3 ganzen und zwei halben Bastionen abstecken und ersuchte den Rat, dieses Werk durch die Bürger fertigen zu lassen. Es wurde damit auch ein tüchtiger Anfang gemacht. Nachdem aber die Kaiserlichen aus einer bei Krakau angelegten Batterie mit fünf halben Karthaunen [Fußnote] die Stadt und die Zollschanze zu beschießen anfingen, mußte die Arbeit eingestellt werden. Da nur eine rauhe Brustwehr nebst einem kleinen Graben fertig geworden, das Werk also von allen Seiten zugleich ohne Schwierigkeit angegriffen werden konnte, so war man genötigt, um es gehörig besetzen zu können, das Volk aus der Zollschanze und von andern Posten wegzunehmen. Tilly, dessen Heer täglich wuchs, näherte sich nicht nur mit vielen Laufgräben der Zollschanze und beschoß sie und die Stadt von zwei angelegten Batterien sehr heftig, sondern ließ sie auch am 15. April erstürmen. Allerdings vergeblich: die Kaiserlichen wurden von der Besatzung zurückgeschlagen und verloren 200 Mann. Zu Wasser sollten 300 Musketiere den Angriff versuchen; sie blieben aber mit ihren Kähnen auf dem Sande und zwischen den Pfählen sitzen, und ein Teil von ihnen versank mit den zertrümmerten Fahrzeugen. Da es unmöglich schien, das stärkste der magdeburgischen Außenwerke, die Zollschanze, durch einen Angriff von vorn her zu erobern, faßte Tilly den Entschluß, sich von der hintern, der Brücke zugekehrten Seite heranzumachen, wo man jedenfalls ein leichtes Spiel haben würde. Um dies aber zu können, mußte er zuvor die Schanze auf der Spitze des roten Horns in seiner Gewalt haben. Er legte daher, um sie zwischen zwei Feuer zu bringen, auf dem Krakauer Werder und linksseits der Elbe bei Buckau zwei Batterien an, deren jede mit sechs Geschützen besetzt ward, und diese mußten das von bloßem Sande aufgeführte Werk einen ganzen Tag und eine Nacht hindurch so heftig beschießen, daß die kleine Besatzung sich genötigt sah, es aufzugeben und sich zurückzuziehen. Am 18. April, frühmorgens um 2 Uhr, ließ Tilly nun auf zwei großen Kähnen, die zu Lande bis Buckau geschafft waren, weil die Magdeburger an der Spitze des roten Horns die Elbe durch große Bäume gesperrt hatten, ein Regiment zu Fuß und etliche Kompagnien Reiter übersetzen. Diese bemächtigten sich der Schanze und machten sogleich Laufgräben, um vordringen zu können und dann die Besatzung der Zollschanze ganz von der Stadt abzuschneiden. Obwohl Falkenstein den Kaiserlichen ihre Eroberung gern wieder entrissen hätte, so unterließ er doch jeden Versuch, um seine Leute zu schonen, die dabei dem Feuer der Batterien auf beiden Elbufern ausgesetzt gewesen wären. Man schoß zwar heftig nach dem roten Horn hinüber, konnte aber dem Feinde nichts anhaben, da er durch das Gebüsch gedeckt war, traf oft mit dem zwanzigsten und dreißigsten Schusse nicht einen Mann und verschwendete nur unnötigerweise den kleinen Pulvervorrat der Stadt. Tilly drang unterdessen mit seinen Laufgräben gegen die zur Sicherung der Zollschanze angelegten Werke so rasch vor, daß man die Schanze Trotz-Kaiser, sowie die am Krakauer Werder, nicht länger behaupten konnte und in derselben Nacht verlassen mußte. Auch das neue Werk geriet in die äußerste Gefahr, als der Feind sich bis in den Graben desselben hineingearbeitet hatte. Überließ man es ihm aber, dann war auch der Verlust der Zollschanze unvermeidlich. Tilly unternahm am 20. April einen Angriff darauf, der aber durch die Ungunst der Witterung ganz und gar mißglückte. Vor dem herabströmenden kalten Regen und dem heftigen Winde konnte fast kein Soldat im Felde aushalten, und die Laufgräben wurden unter Wasser gesetzt. Am nächsten Tage sollte ein neuer Sturm unternommen werden; er unterblieb aber, weil die Schanze bereits von ihren Verteidigern aufgegeben und geräumt war. Falkenberg hatte nämlich noch um 11 Uhr abends den Magistrat zusammenberufen und ihm die Unmöglichkeit erklärt, besagten Punkt länger zu verteidigen. Mit Genehmigung des Rats rief er in eben dieser Nacht die Besatzung ab, die bei ihrem Rückzuge die Zugbrücke vor dem Zollhause hinter sich aufziehen und ein Joch der langen Brücke abwerfen mußte. Durch das Aufgeben dieses so festen Werkes, das durch Palisaden und einen morastigen Graben geschützt war, sah sich die Stadt nunmehr gänzlich von dem rechten Elbufer abgeschnitten und konnte also von dorther keine Hilfe mehr erwarten. Daß man ihm diese Hauptschanze so bald und so leichten Kaufes überlassen würde, hatte Tilly nicht erwartet; die Nachricht von dem Abzuge der Besatzung war ihm überraschend. Aus Furcht vor versteckten Minen ließ er aber erst gegen Abend etliche Kompagnien hineinrücken, die die Brücke abbrannten und die Schanze nach der Stadtseite zu befestigten. Die Stärke des Belagerungsheeres und die von ihm errungenen Vorteile erregten bei einem großen Teile der hiesigen Einwohner die lebhaftesten Besorgnisse. Da die verheißene schwedische Hilfe immer noch ausblieb, so rieten viele, man solle sich an die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, sowie an die Hansastädte wenden, um durch deren Vermittlung vom Kaiser einen Waffenstillstand und die Aufhebung der Belagerung zu erhalten. Der Administrator und Falkenberg wußten aber die ängstlichen Gemüter durch die Nachricht etwas zu beruhigen, daß Gustav Adolf in vollem Marsche auf Magdeburg begriffen sei, bereits in der Mark stehe und bitte, die Stadt möge sich getrost halten, er wolle sie bald königlich entsetzen. Nachdem Tilly den Magdeburgern die Außenwerke entrissen hatte, führte er seine Hauptmacht auf das linke Ufer des Stromes, um nun die Stadt selbst anzugreifen. Da letztere mit ihrer kleinen Truppenzahl die sehr unvollkommen befestigten Vorstädte Neustadt und Sudenburg nicht verteidigen konnten, so ließ Falkenberg dieselben – im Einverständnis mit dem Magistrat – demolieren: beide wurden angezündet, und tags darauf wurde alles noch stehengebliebene Mauerwerk vollends niedergerissen. Die unglücklichen Bewohner beider Ortschaften wurden mit ihrer Habe in die Altstadt aufgenommen und die ärmeren, die keine Herberge finden konnten, im Kreuzgange der Nikolaikirche untergebracht. Von den noch rauchenden Brandstätten nahmen die Kaiserlichen sofort Besitz und fingen an, sich dort zu befestigen. Das Kriegsvolk, das bisher in der Sudenburg und Neustadt gewesen, dessen Stärke sich noch auf 1100 Mann zu Fuß und 250 zu Pferde belief, mußte man nun notwendigerweise in die Stadt hineinnehmen. Etliche vermögende Ratsglieder schossen darlehnsweise einige hundert Taler zusammen, und jeder gemeine Soldat erhielt jetzt wöchentlich 21 gute Groschen. Damit konnte er seinen Unterhalt gar wohl bestreiten, weil in der Stadt gegen Zahlung noch Lebensmittel genug zu bekommen waren. Quartiergeld aber ward diesen Mannschaften nicht verabreicht, weil sie täglich auf dem Walle oder in den Wachthäusern liegen mußten. Überdies brachten die Bürger für die Soldaten Speck, Würste, Bier und dergleichen zusammen und trugen ihnen das auf ihre Posten hin. Für den Unterhalt der Offiziere sorgte Falkenberg, der bei den Kaufleuten offenen Kredit hatte. Mitte April trafen Falkenberg und dessen höhere Offiziere mit einigen Ratsgliedern gemeinsam die nötigen Anordnungen hinsichtlich der Besetzung der Posten. Die Bürgerschaft war in 18 Stadtviertel geteilt. Von diesen sollten 12 Viertel den Hauptwall rings um die Stadt bewachen. Den Fischern, die ein eigenes Viertel bildeten, nebst noch 2 andern Vierteln ward das Fischerufer und die ganze Wasserseite zur Obhut anvertraut. Die übrigen 3 Viertel wurden zur Reserve bestimmt und hatten ihren Sammelplatz auf dem alten Markte. Die Bürgerschaft schätzte man auf 2000 Köpfe, die waffenfähigen Bürgersöhne, Knechte und Handwerksburschen auf 3000. Das eigentliche Kriegsvolk, mit Einschluß des Falkenbergschen Regiments, der beiden Stadtkompagnien und der des Administrators, belief sich auf nicht ganz 2000 Mann zu Fuß und 250 Reiter. Die Bürger sollten die ihnen überwiesenen Posten auf dem Hauptwalle des Nachts in voller Anzahl, bei Tage aber nur zur Hälfte besetzen. Die Soldaten waren unten im Wall in die Zwingermauern verteilt, und es würde nicht im geringsten an guter Ordnung gemangelt haben, wenn nur alle Bürger sich derselben willig hätten unterwerfen und dem Befehle ihrer Vorgesetzten nachkommen wollen. Aber da herrschte eine große Nachlässigkeit: der eine sah mehr auf den andern als auf sich selbst und wollte nicht das geringste mehr tun als jener; der Arme mißgönnte dem Reichen seine Wohlfahrt, obgleich dieser an seiner Statt oft seine Diener, also zwei oder drei statt eines, zu Wall schickte. Von denen, die auf ihren Posten gingen, hatten die wenigsten die Absicht, dem Feinde Abbruch zu tun, sondern gingen hin aus bloßer Neugier, um etwas Neues zu hören. So kam es, daß viele wohl den ganzen Tag auf dem Walle lagen, aber ihre Flaschen Bier viel besser gebrauchten als ihre Musketen. Um dem Feinde zu zeigen, daß man durch die erlittenen Unfälle und Verluste keineswegs entmutigt sei, ward gleich, nachdem sich Pappenheim auf den Ruinen der Neustadt festgesetzt hatte, ein Ausfall nach dem Holzmarsch hin unternommen. Man schlug die dort liegenden ligistischen Soldaten aus den Laufgräben, hieb zwei Kompagnien von ihnen zusammen und würde sie ganz und gar von dort und dem roten Horn vertrieben haben, wenn nicht gerade die zur Ablösung bestimmte Abteilung eingetroffen wäre und dies verhindert hätte. Die Magdeburger büßten 5 Tote ein, 15 von ihnen wurden verwundet. Von Süden und Norden suchte sich jetzt Tilly der Stadt durch viele Laufgräben zu nähern, an denen seine Soldaten und das dazu aufgebotene Landvolk unausgesetzt arbeiten mußten. Sobald sie nahe genug herangekommen, ließen die Generale Pappenheim und Mansfeld jeder drei Batterien errichten und diese mit grobem Geschütz bepflanzen. Aus der einen ließ Mansfeld zu großer Belästigung der Stadtwachen den ganzen Hauptwall bestreichen; von der andern feuerte er nach den Domtürmen und richtete an ihnen nicht wenig Schaden an. Die dritte Batterie ließ ihr Geschütz besonders gegen die festen Türme an der Stadtmauer spielen. Auch die drei Pappenheimschen Batterien, die zusammen mit 17 halben Karthaunen besetzt waren, fügten der Stadt, den Mauern und den Schiffmühlen viel Schaden zu. Die Magdeburger setzten den Belagerern tapferen Widerstand entgegen. Unaufhörlich, besonders des Nachts, schossen sie aus dem kleinen Gewehr und dem groben Geschütz auf die feindlichen Laufgräben, und nicht ohne Glück. Da Pappenheims zweite Batterie, die hinter der Neustädter Stadtmauer lag, die Schießscharten und das Geschütz der Magdeburger sehr beschädigte, so richtete man nach jenem gefährlichen Punkte zwei halbe Karthaunen hin. Deren Kugeln rissen ein großes Stück der Mauer weg, zertrümmerten die feindlichen Geschütze, zerschmetterten den Konstablern Arm und Bein und brachten die Batterie völlig zum Schweigen. Leider aber war man sehr bald genötigt, das Feuern ganz einzustellen, weil der Bürgermeister die unerwartete Anzeige erhielt, der Pulvervorrat der Stadt sei bis auf 5 Tonnen zusammengeschmolzen. Man hatte seither täglich 18-20 Tonnen, jede zu einem Zentner, verschossen. Zwar würden aus Salpeter, wovon noch 250 Zentner vorrätig, jeden Tag 2 Zentner Pulver gefertigt, dies reiche aber nicht hin und nicht her; es müsse daher eine größere Sparsamkeit eingeführt werden. Der regierende Bürgermeister beauftragte den Ratmann Otto von Guericke, dies dem Kommandanten zu melden. Falkenberg entsetzte sich sehr über die gemachte Anzeige und äußerte: es habe ihm längst so etwas geahnt, denn es habe sich niemand dreinreden lassen und das unzeitige Schießen mit dem groben Geschütz einstellen wollen. Damit nun kein gänzlicher Mangel an Pulver eintrete, ließ Falkenberg in Mörsern, die von Apothekern dazu hergeliehen wurden, den Salpeter stoßen, und auf diese Weise war die Pulvermühle der Stadt denn doch imstande, täglich 5 Zentner zu liefern. Gleichzeitig untersagte er auch das Schießen mit dem groben Geschütz, und die Belagerer konnten daher ungestört ihre Batterien vollenden. Am 24. April sandte Tilly aus seinem Hauptquartier einen Trompeter mit drei Schreiben in die Stadt, von denen das eine an den Administrator, das andere an Falkenberg und das dritte an den Magistrat und die Bürgerschaft gerichtet war. Alle drei enthielten Aufforderungen, vom weitern fruchtlosen Widerstande abzulassen und die Stadt zu übergeben, da kein Entsatz mehr zu hoffen sein dürfte. Ende April gab der Magistrat – mit Einwilligung des Administrators, Falkenbergs und ihrer Anhänger – die Antwort. Zunächst wurde der Vorwurf Tillys, daß die Stadt sich in Rebellion gegen den Kaiser befinde, abgelehnt; nie habe sie den ihrem Herrn schuldigen Gehorsam verletzt. Fast ganze sechs Jahre aber sei sie, ohne dazu Ursache gegeben zu haben, aufs äußerste verfolgt worden: man habe ihr die Nahrung völlig abgeschnitten und auch in Religionssachen ihr zuzusetzen sich unterstanden. Daher habe die Stadt zu der hochnotwendigen Verteidigung gegriffen, nicht gegen den Kaiser, sondern gegen die, die gegen kaiserlichen Willen und Befehl solches alles vorgenommen. Die Stadt wünsche, daß die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg sich ihrer als Vermittler annähmen, und bitte daher Tilly, ihren Gesandten, die sie deshalb nach Dresden, Berlin und Lübeck absenden wolle, Pässe zur Hin- und Rückreise zu erteilen, inzwischen aber alle Feindseligkeiten einstellen zu wollen. Falkenberg und seine Umgebung hofften, durch diese Vorschläge, die nicht so schnell zu erledigen waren, Zeit zu gewinnen und inzwischen Gustav Adolf von der bedrängten Lage Magdeburgs benachrichtigen zu können. Schon früher hatte Falkenberg mit Einwilligung des Rats den Advokaten Hermann Cummius gegen Zusage einer ansehnlichen Belohnung bewogen, die Reise zum König von Schweden zu wagen. Glücklich war Cummius durch das feindliche Kriegsvolk hin- und zurückgekommen und hatte berichtet, daß S. Majestät ihm bei Dero königlichem Worte zugesagt, die Stadt gewiß entsetzen zu wollen und nicht über die rechte Zeit auszubleiben. Am 2. Mai sandte Tilly ein neues Schreiben, in dem er sich damit einverstanden erklärte, daß die Gesandten abreisten, und außer den Pässen auch je einen Trompeter mitzugeben versprach. Gleichzeitig aber forderte er die Stadt auf, nicht länger mit dem Entschluß der Übergabe zu zögern; denn da die Abordnungen und Beratschlagungen viel Zeit erforderten, die Sache aber keinen längeren Verzug erleiden dürfe, könne es leicht zu spät werden, und die Stadt müßte sich für alle Gefahr und Ungelegenheit, die aus solcher Verzögerung erfolgen könne, die Schuld selbst beimessen. Zwei Tage vorher hatte Tilly auch Schreiben an die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg gesandt, in der Absicht, den König von Schweden bei ihnen zu verdächtigen und sie abzuhalten, ihm den Paß durch ihre Länder zu gestatten. Er klagt darin über die Magdeburger, die, aller Erinnerungen ungeachtet, bei ihrem Ungehorsam und ihrer Widersetzlichkeit beharrten und sich vorzüglich auf die schwedische Hilfe verließen. Er ersuchte aber die Kurfürsten, ihm die Hand zu bieten, um die Stadt Magdeburg zum Gehorsam zu bringen; denn so dies nicht geschehe und schwedisches Volk ins Erzstift rücke, sei es nötig, daß man auch kaiserlicherseits noch fremde Nationen ins Reich ziehe, und damit würde alles in die höchste Verwirrung geraten. In der Hoffnung, daß Tilly seine Zusage betreffs der mitzugebenden Trompeter erfüllen werde, wählten Christian Wilhelm und der Magistrat die für die Sendungen bestimmten Männer: den Syndikus Dr. Denhardt und den Licentiaten Freudemann für die Mission nach Dresden, den schwedischen Rat Stalmann und den Bürgermeister Kühlemann für die an den brandenburgischen Hof, und den Stadtsekretär Friese und Kämmerer Calvör für die nach Lübeck an das hanseatische Direktorium. Am 4. Mai beantwortete der Rat das Schreiben des Oberfeldherrn und meldete ihm, die Gesandten wären zur Reise fertig und würden sich auf den Weg machen, sobald er die versprochenen Trompeter sende. Tilly zog aber sein gegebenes Wort zurück, und so mußten die Abschickungen unterbleiben. Inzwischen hatten die Kaiserlichen ihre Belagerungsanstalten ohne Unterbrechung mit dem größten Eifer fortgesetzt, die Stadt beschossen und eine Menge von Laufgräben gefertigt. Die Belagerten unternahmen oft an einem Tage mehrere Ausfälle auf die Feinde, schlugen sie aus den Laufgräben und warfen ihr Schanzzeug in den Stadtgraben. Bei diesen Angriffen – die tags und nachts erfolgten – verloren die Belagerer jedesmal 20 bis 40 Mann. Um für die Folge derartige Überfälle zur Nachtzeit zu verhüten, ließ Tilly von da an jede Nacht 30 bis 45 Granaten und Feuerkugeln in die Stadt werfen. Die Feuerkugeln aber wurden durch eigens dazu bestellte Leute mit nassen Säcken und Häuten gelöscht und richteten daher fast gar keinen Schaden an; gefährlicher waren die Granaten, die mitunter in die Häuser einschlugen und dort alles zerschmetterten. Es war der Stadt unmöglich, mit ihren wenigen Verteidigern dem zahlreichen Belagerungsheere kräftigen Widerstand leisten zu können, besonders da es ihr so sehr an Pulver fehlte, während die Gegner davon im Überfluß hatten und aus ihrem Wurfgeschütz alle Tage 12-1800 Kugeln gegen die Wälle und in die Festung schleuderten. Von drei Seiten richteten die Feinde ihren Hauptangriff auf die Stadt. Gern hätten sich die ligistischen Truppen, die auf dem Holzmarsch lagen, der Schanzwerke von der Kurzen Brücke bemächtigt; weil sie sich aber mit ihren Laufgräben auf der Elbinsel nicht gehörig wenden konnten, man ihnen auch vom Hauptwalle in die Linie sehen konnte, so mußten sie das Vordringen durch weitere Laufgräben ganz einstellen. Der Graf von Mansfeld ging von der Sudenburger Seite mit seinen Laufgräben auf den Heydeck zu, von dessen fünf Seiten die eine mit dem Festungsgeschütz nicht bestrichen werden konnte. Hier ließ er durch die Futtermauer des Grabens ein Loch brechen und durch dieses den Graben mit Reisig und Erde füllen, um so einen Weg zu bilden, mittels dessen man bis an das Bollwerk gelangen und es dann auf Leitern erklimmen könne. Falkenberg bemühte sich sehr, dies zu hindern. Er ließ von starken eichenen Bohlen einen Kasten machen, ihn mit Musketieren besetzen und auf dem Wasser bis an den gefährdeten Punkt flößen. Weil man letzteren aber vom Walle aus nicht mit Geschütz bestreichen konnte, so war auch dieses Schutzmittel ohne Erfolg. Von der Nordseite her ward die Stadt durch Pappenheim angegriffen, der dabei die stehengebliebenen Mauern und Keller der abgebrannten Neustadt auf das vorteilhafteste für seinen Zweck zu benutzen wußte. Quer durch die ganze Neustadt hin ließ er die Erde mit Laufgräben durchwühlen und über dem Graben eine zu beiden Seiten mit Schanzkörben besetzte Galerie machen. Da bei diesem neuen Bollwerk der Graben nur geringe Tiefe hatte, so ging Pappenheim mit fünf verschiedenen Laufgräben hindurch bis an den Wall; hier ließ er Palisaden ausheben, auch etliche hundert Leitern ansetzen und so alles zu einem Sturme fertig machen. In ähnlicher Weise bahnte er sich an der Elbseite einen Weg, der sogar bis an das Fischerufer reichte. Das wurde nur dadurch möglich, daß der Elbstrom den alten Stadtgraben so vollgeschwemmt hatte, daß man zu Fuß hinübergelangen konnte. Die zahlreichen Laufgräben wurden dann so stark mit Musketieren besetzt, daß, sobald nur einer von den Belagerten ein wenig hinter der Brustwehr hervorlugte, augenblicklich sechs bis acht Schüsse auf ihn fielen. – Größtenteils wohl hätten die Magdeburger den feindlichen General verhindern können, sich in den Besitz solcher Vorteile zu setzen, wäre ihnen nicht wegen Pulvermangels das Feuern aus dem groben Geschütz gänzlich verboten gewesen.
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Die Erstürmung und Zerstörung. Nachdem Tilly in den ersten Maitagen der Stadt mit seinem groben Geschütz nur wenig zugesetzt hatte, fing er, als alle Batterien vollendet waren, am 7. an, Magdeburg aufs heftigste zu beschießen. Er wünschte sie vor dem Eintreffen Gustav Adolfs, der zu ihrem Entsatze unterwegs und am 6. Mai schon bis Potsdam gekommen war, in seine Gewalt zu bringen. In Magdeburg war alles in der größten Bewegung, die ganze Bürgerschaft stand unter Gewehr; denn man glaubte, die Kaiserlichen würden, da sie bereits Sturmleitern angesetzt, einen Angriff auf die Stadt machen. Tilly hoffte, die Belagerten sollten sich schrecken lassen und zu unterhandeln wünschen; allein diese waren weit entfernt von derartigen Gedanken und leisteten eine sehr mutige Gegenwehr. Es war ein solches Hin- und Zurückschießen aus dem großen Geschütz und den Musketen, daß der Erdboden davon erzitterte und die Flintenkugeln dicht wie ein Hagel fielen. Am 8. Mai wurde das Bombardement mit gleicher Heftigkeit fortgesetzt. Am Nachmittag des 9. Mai ließ Tilly das Schießen ganz und gar einstellen, etliche Geschütze von den Batterien bei der Sudenburg abführen und alles zu einem Sturme vorbereiten, den er am nächsten Morgen zu wagen sich entschlossen hatte. In der Erkenntnis, daß er wegen der Nähe Gustav Adolfs die Belagerung binnen kurzem werde aufheben müssen, wollte er wenigstens noch einen Versuch machen, sich durch Gewalt der Stadt zu bemächtigen, da sie zur freiwilligen Übergabe nicht zu bringen war. Er hielt deshalb mit seinen Generalen und Obristen einen Kriegsrat, in dem das für den Angriff Nötige besprochen wurde. Tilly hegte große Zweifel hinsichtlich des Erfolgs; denn noch war kein Graben gefüllt, keine Bresche geschossen, und wenn auch die Grafen Mansfeld und Pappenheim beim Heydeck und vor der Neustadt Vorteile errungen, so war das Ersteigen der erstgenannten, ungemein hohen und festen Bastion sowie das Erobern des Walles im Norden immer noch mit großen Schwierigkeiten verbunden. Als jedoch ein bejahrter kaiserlicher Obrist den Sturm empfahl und dabei an Mastricht [Fußnote] erinnerte, das in der Morgenstunde erobert sei, als die Wachen schliefen, ward für den nächstfolgenden Tag auf die gleiche Zeit der Angriff festgesetzt. Am 10. Mai bei Tagesanbruch rief Tilly noch einmal seine Unterbefehlshaber zur Beratung zusammen, denn neue Bedenklichkeiten waren in der Nacht bei ihm aufgestiegen – so verzögerte es sich mit dem Angriff bis gegen sieben Uhr. Um den Mut der Offiziere und Soldaten zu erhöhen, ward vor dem Beginne des Sturmes guter Rheinwein unter sie verteilt. Auch soll ihnen eine dreitägige Plünderung der Stadt versprochen worden sein [Fußnote], – kein geringer Köder für die raubgierigen Scharen; denn Schätze (so ging das Gerücht) im Werte von sieben Königreichen winkten hier dem Tapfern als Siegeslohn. Die Magdeburger waren des festen Glaubens, Tilly werde nichts unternehmen, bevor nicht sein Trompeter, der am 8. Mai eine neue Ermahnung gebracht hatte und dessen Abfertigung am 10. erfolgen sollte, mit einer Antwort zurückgekehrt sei. Der Magistrat versammelte sich gleich am 9. mit den Vertretern der Bürgerschaft zur Beratung, ob man sich in Unterhandlungen mit Tilly einlassen solle oder nicht. Die Meinung war sehr verschieden: einige waren für Übergabe, andere wollten von keiner Kapitulation etwas wissen, sondern sich lieber bis auf den letzten Mann wehren. Schließlich wurde beschlossen, daß man zu Tilly schicken solle und verhandeln wolle, und dieser Ratsbeschluß sei sofort an den Herrn von Falkenberg zu überbringen. Falkenberg ließ noch am selben Abend den regierenden Bürgermeister ersuchen, ohne sein Wissen keinen Schritt bei dem feindlichen Heerführer zu tun, sondern am nächsten Morgen um 4 Uhr den Rat zu versammeln. Am Dienstag, den 10. Mai 1631, begaben sich Magistrat und Bürgervertreter (Viertelsherren) um die bemeldete Stunde nach dem Rathause und vereinigten sich über den zu fassenden Entschluß. Dann schickten sie den Bürgermeister Kühlewein, den Syndikus Dr. Denhardt und die Ratsherren Gerhold und Otto von Guericke zu Falkenberg, Stalmann und den Räten des Administrators, die sich in einem abgesonderten Zimmer befanden, um die Vergleichsvorschläge zu entwerfen, mit denen dann etliche Abgeordnete in Begleitung des Tillyschen Trompeters in das Hauptquartier gehen sollten. Sofort beim Beginn der Verhandlungen nahm Falkenberg das Wort. Er erinnerte an alle von seinem Könige so vielfach gegebenen und hoch beteuerten Versprechungen hinsichtlich des Entsatzes, auf deren Erfüllung man mit Sicherheit vertrauen könne. Die Gefahr sei trotz Pulvermangels noch keineswegs so groß, wie einige meinten; jeden Augenblick könne die ersehnte Hilfe erscheinen, und jede Stunde, die man sich länger hielte, sei mit keiner Tonne Goldes zu bezahlen. Er hatte in dieser Weise wohl eine Stunde gesprochen, als ihm die Meldung überbracht wurde: die Wächter auf dem Dom- und Jakobiturme hätten angezeigt, daß die Kaiserlichen aus allen Lagern sich stark nach der Sudenburg und Neustadt zögen und hinter den Laufgräben und stehengebliebenen Mauern aufstellten. Gleich darauf erschien ein Bürger vom Walle und berichtete: im Felde lebe es hinter allen Hügeln und Gründen von Reitern, auch habe man sehr viel Volk in die Neustadt rücken sehen. Falkenberg – statt sofort vom Rathause zu eilen und die erforderlichen Maßregeln zu treffen, um den beabsichtigten Sturm der Feinde abzuwehren, wie das seine Pflicht gewesen wäre – gab den Überbringern dieser Nachrichten die etwas prahlerische Antwort: »er wolle, daß die Kaiserlichen sich's unterstehen und stürmen möchten, sie sollten gewiß so empfangen werden, daß es ihnen übel gefiele«, und fuhr dann in seiner Rede fort, bis – der Türmer zu St. Johannes Sturm blies und die weiße Kriegsfahne aussteckte. Falkenberg hatte am Abend vorher wegen der Bewegungen der feindlichen Truppen verschärfte Wacht befohlen. Bürger und Soldaten mußten die ganze Nacht hindurch auf den Wällen unter Gewehr stehen. Erst am Morgen ging, wie gewöhnlich, die Hälfte der Mannschaften nach Hause, und auch die Offiziere, die vom Wachdienste frei waren, begaben sich hinweg, um zu ruhen; denn am Tage, so glaubte man, werde der Feind nichts Sonderliches gegen die Stadt unternehmen. Während nun aber die vom Walle Heimgekehrten sich sorglos dem Schlummer überlassen wollten, keines Unheils sich versehend, und Falkenberg der Konferenz auf dem Rathause beiwohnte, – eröffnete Pappenheim mit seiner ganzen Macht um 7 Uhr den Generalsturm. Sechs Schüsse von der Hauptbatterie in der Neustadt gaben das Signal dazu. Als Erkennungszeichen trugen seine Leute eine weiße Binde um den Arm, ihr Feldschrei war: »Jesus Maria!« Mit Ungestüm griff er das Werk vor der Neustadt an. Auf den vorher angelegten Sturmleitern drangen seine Krieger über die Brustwehr auf den Unterwall und überfielen die Falkenbergschen Soldaten, die nicht in entferntesten auf einen Angriff gefaßt waren. Denn unverzeihlicherweise hatte ihr Chef die Offiziere und Knechte auf den Wällen von der ihm gemachten Anzeige, daß der Feind sich aus allen Lagern in die Vorstädte und Laufgräben ziehe, nicht in Kenntnis gesetzt. Auch hatten nur die Schildwachen brennende Lunten, und auf den Unterwällen war keine Pike, kein Morgenstern oder eine andere Waffe, wozu die Überfallenen in der Eile hätten greifen können, da man ihnen keine Zeit ließ, sich schußfertig zu machen. Sie flüchteten auf den Oberwall, wohin die Pappenheimschen ihnen folgten und wo sie sich ohne viel Widerstand, weil gerade ein Feldprediger dort mit der Besatzung Betstunde hielt, des Werkes bemächtigten. Auch an andern Stellen hatten die Stürmenden ein ziemlich leichtes Spiel; die wenigen dort liegenden Soldaten waren schläfrig, die Schildwache ward der heranklimmenden Kaiserlichen nicht eher gewahr, als bis sie den Todesstreich von ihnen empfing. Die übrige Mannschaft ward ohne Mühe bewältigt. Andere Truppen drangen nach dem Fischerufer vor, zwei Kompagnien Kroaten ritten durch die damals sehr niedrig stehende Elbe und gelangten durch das Tor, dessen Bewachung die Fischer übernommen hatten, aber gerade im entscheidenden Augenblicke schlecht hüteten. Als der Wächter auf dem Johannisturme in das Lärmhorn stieß, eilte der Ratmann und Bauherr der Stadt, Otto von Guericke, sofort aus dem Sitzungszimmer hinweg, um nachzusehen, was es gebe. In der Fischerstraße fand er die eingedrungenen Kroaten bereits mit dem Stürmen und Plündern der Häuser beschäftigt. Sogleich stürzte er nach dem Rathause zurück und überbrachte der noch ruhig dasitzenden Versammlung die ihr ganz unglaublich erscheinende Kunde, daß die Kaiserlichen in der Stadt seien. Indem er noch sprach, berichteten auch Falkenbergs Pagen ihrem Herrn, daß der Feind sich des Walles bei der Neustadt bemächtigt habe. Ohne Säumen schwang sich der Kommandant nun in den Sattel und sprengte hinaus nach dem Holzmarsch, das Regiment des Obristleutnants Trost hereinzuholen. Der Magistrat aber eilte voller Bestürzung und Schrecken vom Rathause auf den Markt, um noch Rettungsanstalten zu treffen, so gut es gehen wolle. Trommelschläger wurden abgesandt, dem stürmenden Feind einen Vergleich anzubieten; keiner von ihnen kehrte mit einer Antwort zurück. Falkenberg warf sich mit seiner kleinen Schar mutvoll den Stürmenden entgegen, jagte sie vom neuen Werke und tötete mehr als 100 Mann. Nun will er sie, an der Spitze seiner Tapferen, auch bei der Hohenpforte zurückdrängen; eine Kugel streckt ihn tödlich verwundet nieder. Sterbend wird er in ein Bürgerhaus bei der Jacobskirche gebracht, das bald darauf ein Raub der Flammen wurde, die auch den Körper des Gefallenen verzehrten. Gleich nach ihm fällt auch der Obristleutnant Trost, und entmutigt durch den Verlust ihrer beiden Führer, weichen nun die Soldaten in die Stadt zurück, nachdem sie sich ganz verschossen haben. Der Feind dringt ihnen durch das Tor nach bis in die Große Lakenmacherstraße, wo sich der Obrist Uslar mit den Reitern und den Reservetruppen ihm mutig entgegenstellt, aber auch zurückgeschlagen wird. Pappenheim, der auf Sturmleitern immerfort frisches Kriegsvolk nachrücken ließ, besetzte nun den ganzen Wall bis an das Kröckentor und kam dem Herzoge von Holstein zu Hilfe, der das dortige Werk ohne Erfolg stürmte. Er fiel den tapferen Soldaten des Administrators in den Rücken, hieb sie sämtlich nieder und eroberte auch dies Tor. Der Kapitän Schmidt schlägt den Feind aus der Lakenmacherstraße bis an den Wall zurück. Auch die Bürger stürzen sich jetzt hinein in den Kampf; sie fechten mit dem Mut der Verzweiflung und ermatten die Kaiserlichen so, daß diese kaum noch atmen können. Aber der wackere Schmidt sinkt hart verwundet nieder. Pappenheims Reiter drängen auf einem mit Hacken und Piken für sie gebahnten Wege über den Wall in die Stadt, brechen unter Pauken- und Trompetenschall durch die Lakenmacherstraße hervor und stürzen sich auf die Bürger, Tilly selbst stürmt durch das geöffnete Kröckentor mit neuem Volke herein, und das Geschütz auf den Wällen wird gegen die in den Straßen Kämpfenden gerichtet. – Da endlich müssen die Magdeburger der Übermacht weichen und sich zurückziehen. Inzwischen hatte der Sturm auch auf allen übrigen Angriffspunkten begonnen, überall aber setzte man den Kaiserlichen den tapfersten Widerstand entgegen. Zweimal war der Graf von Mansfeld am Heydeck zurückgeschlagen. Als sich der Feind aber der Stadt bemächtigt hatte, fielen die Eingedrungenen vom Walle aus den dort Kämpfenden in den Rücken, sie mußten sich ergeben und wurden größtenteils zusammengehauen. Von den Werken bei der Kurzen Brücke zog der Administrator während des Sturmes die Besatzung an sich und ließ ein Joch der Brücke abwerfen. Obgleich bei dem eiligen Rückzuge die Balken des abgeworfenen Joches meistenteils liegen blieben, wagten es die Kaiserlichen doch nicht, hinüber in die Stadt zu kommen, bis diese von der andern Seite völlig erobert war; denn vorher waren die dortseitigen Stadttore mit starken Bürgerwachen besetzt. Viele feindliche Reiter wollten, um ja nicht etwa bei der Plünderung zu spät zu erscheinen, mit ihren Pferden durch die Elbe schwimmen, fanden aber zum großen Teile in den Fluten ihr Grab. So zog der Verlust des Werkes vor der Neustadt den Fall der übrigen und den Ruin der ganzen Stadt nach sich. Wäre jenes gehörig bewacht gewesen und nachdrücklich verteidigt worden, dann hätte der Sturm darauf – trotz aller für Pappenheim glücklichen Umstände – schwerlich einen solchen Erfolg gehabt. Und die Stadt von den drei übrigen Seiten her durch Sturm zu gewinnen, war fast unmöglich, da an den dortigen Werken noch nirgends eine Bresche vorhanden war. Der Heydeck war sogar von den vielen auf ihn geschossenen und darin steckengebliebenen Kugeln nur noch fester geworden. Zersprengt und in die Straßen der Stadt zurückgetrieben, sammeln sich die Magdeburger hier und da wieder und bieten dem Feinde aufs neue die Stirn. Eine Generalsalve stäubt sie endlich auseinander, und mit lautem Jammergeschrei flüchten sie auf die Kirchhöfe, in die Kirchen und in ihre Häuser. Bei der zunehmenden Gefahr hatte auch der Magistrat sich vom Markte entfernt, um jetzt für seine eigene Rettung zu sorgen. Statt vom Donner der Geschütze und vom Prasseln des Gewehrfeuers hallt die Luft jetzt wider von dem rohen Freudenjubel der Sieger und dem herzzerreißenden Wehklagen der Besiegten. Die ersteren verteilen sich nun durch die Straßen, metzeln schonungslos alles nieder, was ihnen aufstößt, und dringen in die Häuser, um zu plündern. Der kleine Überrest der Besatzung und der kämpfenden Bürger wurde aus den Toren gedrängt und dort niedergehauen oder entwaffnet. Der Administrator Christian Wilhelm wollte auf die Nachricht, daß der Feind in die Stadt gedrungen sei, sich demselben entgegenstellen, ward aber alsbald gefangen genommen und von den erbitterten kaiserlichen Soldaten auf das schmählichste behandelt. Sie feuerten heftig auf ihn, erschossen seine Diener, verwundeten ihn mit einer Kugel am Schenkel, hieben mit einer Lanze an seinen Kopf, schlugen und stießen mit aller Gewalt auf ihn los und schalten ihn mit vielen ehrenrührigen Worten, so daß er endlich besinnungslos vom Pferde sank. Nun nahm man ihm Hut, Degen, Kragen, Handüberschläge und alles, was er in den Taschen hatte, und würde ihn nackt ausgezogen haben, wenn nicht ein Leutnant sich seiner angenommen hätte. Er ward in das Gezelt Pappenheims geschafft, wo er von diesem sowie von andern Generalen nicht eben die freundlichsten Reden zu hören bekam. Am folgenden Tage wurde er nach Wolmirstedt gebracht, woselbst er in seinem eigenen Schlosse von dem dort befehligenden kaiserlichen Offizier kaum ein dürftiges Strohlager erhielt.
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Als sich nun auch das Ulrichstor öffnete und die Reiter, besonders die Kroaten, in die Stadt eindrangen, da erreichte das Unglück der armen Magdeburger seinen Gipfel. Gleich einem Heere wilder Tiger stürzten die den verschiedensten Nationen angehörenden Scharen – Ungarn, Kroaten, Heiducken, Polen, Italiener, Spanier, Franzosen, Wallonen, Ober- und Niederdeutsche – über die bejammernswürdigen Einwohner her. Die Eindringenden waren teils von Rachgier gespornt (weil nämlich die Belagerten mit Drahtkugeln geschossen, auch von den Wällen herab sie durch Schmähreden beleidigt hatten), teils von Religionshaß entflammt, von Wein und berauschenden Getränken erhitzt und durch den anfänglichen Widerstand der Bürger noch mehr in Wut gesetzt. Keine Menschenseele fand vor den Unholden Schonung. Da war nichts als morden, brennen, plündern, peinigen, prügeln. Die Hauptsache war: Beute! Beute! Wenn eine Abteilung Beutehungriger in ein Haus kam, mußte der Hausherr hergeben, was nur da war, und wenn dann andere ankamen, denen nichts mehr gegeben werden konnte, dann ging eine Not an, die nicht beschrieben werden kann. Aber nicht nur Männer wurden mißhandelt und getötet, nein, auch Frauen erfuhren das gleiche Schicksal, und nicht einmal wehrlose Greise und Kinder fanden vor den Entmenschten Schonung. Ein Soldat vom Regiment Pappenheim rühmte sich im Beisein mehrerer Magdeburger gegen einen Kameraden, daß er mehr als 20 kleine Kinder umgebracht habe, und antwortete auf die Frage, was ihm die unschuldigen Kleinen getan hätten, es wären ja nur Rebellen-Kinder, und wenn er noch hundert töten könne, solle es ihm um so lieber sein. Der unendliche Jammer, den die Scharen Tillys in dem kurzen Zeitraum von zwei Stunden über die unglückliche Stadt gebracht hatten, erreichte die höchste Stufe, als gegen elf Uhr die Flammen überall emporzulodern anfingen. Wer den Brand verschuldet? Die widersprechendsten Meinungen wurden darüber laut, und die Wahrheit hat sich nicht ermitteln lassen. [Fußnote] – Angefacht durch einen am Nachmittage sich erhebenden heftigen Ostwind, wälzte die Flamme sich von Haus zu Haus, von Straße zu Straße so unaufhaltsam und mit so reißender Schnelligkeit fort, daß die kaiserlichen Soldaten, um nicht in den Gluten umzukommen, vom Plündern und Morden ablassen und sich auf die Wälle oder hinaus in ihr Lager flüchten mußten. Der Sturmwind führte die Lohe und Asche von der brennenden Stadt bis nach vier Stunden entfernten Orten hin. Nachts gegen elf Uhr war es im Lager bei Fermersleben von der entsetzlichen Feuersglut so hell, daß man einen Brief lesen konnte. Sie hatte da ihren Höhepunkt erreicht und fing nun an zu erlöschen. Der kurze Zeitraum von zwölf Stunden hatte genügt, um das blühende Magdeburg, die Perle des Sachsenlandes, mit seinem Rathause, seinen Kirchen, Klöstern, Wohnhäusern, ja selbst mit allen Toren und deren Brücken und Türmen in Asche zu legen. Nur 139 kleine Häuser am Fischerufer, das Kloster Unserer Lieben Frauen und der Dom und ganz wenige Gebäude mehr blieben vom Feuer verschont. Zur Rettung des Klosters und Domes hatte Tilly auf Bitten der Mönche 500 Soldaten angestellt. Bei dem Überhandnehmen der Flammen sahen sich diejenigen Einwohner, die bis dahin in ihren Verstecken der Mordwut des Feindes entgangen, nun doch genötigt, sich in seine Hände zu liefern, wenn sie nicht ersticken und verbrennen oder sich unter den Trümmern der zusammenstürzenden Gebäude begraben lassen wollten. Durch das Versprechen eines Lösegeldes suchten sie ihr Leben zu retten. Die Tillyschen Soldaten, besonders die deutschen, sagten vielen unter dieser Bedingung Quartier zu, führten sie wirklich hinaus ins Lager, während die Pappenheimer, zumal die Wallonen und Kroaten, häufig das Lösegeld hinnahmen und dann die Unglücklichen doch niedermetzelten. Je nach dem Stande der betreffenden Person wurde das Lösegeld höher oder niedriger bestimmt; die Vornehmsten mußten 1000 und mehr Taler für ihre Freilassung zahlen. Geringere Handwerker, Tagelöhner, Knechte und Jungen, auch Soldaten, die in schwedischem oder städtischem Dienste gestanden und nichts zu geben hatten, mußten entweder dem Feinde die gewonnene Beute eine Zeitlang nachtragen oder sich zu allerlei niedrigen Verrichtungen gebrauchen lassen. Oft auch wurden sie einfach in die Regimenter gesteckt. Viele unglückliche Gefangene wurden in näheren und entfernteren Städten um ein Spottgeld verkauft oder verschenkt. Zu Halberstadt wurden am 25. Mai elternlose Kinder aus Magdeburg, größere und kleinere, fuderweise feilgeboten und von mitleidigen Bürgern gekauft und adoptiert. Viele Knaben wurden von den Kaiserlichen mitgenommen, in Klöster getan und für den Mönchsstand erzogen. Ein Bürgermeister und drei Ratsherren kamen durch das Schwert der Feinde ums Leben. Die drei andern Bürgermeister nebst dem Ratsherrn Otto von Guericke und vielen andern Personen flüchteten sich mit den Ihrigen in das Haus eines früheren Ratsherrn und wurden errettet. Der Ratmann Gerhold und andere Leute mehr, die auf schwedischer Seite gewesen, lösten sich sofort bei den kaiserlichen Soldaten aus und flüchteten zu Gustav Adolf, dem sie die Trauerkunde von der Eroberung und Zerstörung Magdeburgs hinterbrachten. Der schwedische Gesandte Stalmann fiel den Kaiserlichen in die Hände und ward schwer gefesselt in das Lager bei Fermersleben gebracht. Bei einem Feuer, das dort am 14. Mai ausbrach, glückte es ihm, zu entkommen, sich mit Hilfe eines ihm wohlbekannten Juden der Fesseln an Händen und Füßen zu entledigen und zu seinem Könige zu retten. Nachdem am 11. Mai die Flammen ausgewütet hatten, strömten die kaiserlichen und ligistischen Truppen aufs neue in die Stadt, um nach Beute zu suchen. Gar mancher wurde dabei von Flammen und Rauch erstickt. Aus Furcht vor einer Beschädigung ihrer Häuser durch die feindlichen Kugeln hatten die Bürger ihre besten Habseligkeiten in die Keller gebracht, und dort fanden nun die Soldaten viel Geld, Geschmeide, Geschirr aus Kupfer, Messing, Zinn, desgleichen große Vorräte an Wein, Bier (mehr als 1000 Faß), Fleisch und andere Lebensmittel. Von den vorgefundenen Speisen und Getränken hielten sie nun unter Jubel und Jauchzen ihre rohen Mahle, die durch drei Tage von ihnen fortgesetzt wurden und die man die magdeburgische Hochzeit nannte. Am 12. Mai ließ Tilly die bis dahin sorglich gehütete Domkirche eröffnen, in die sich 1000 Menschen [Fußnote] jeden Alters und Standes, größtenteils weiblichen Geschlechts, geflüchtet hatten. Drei Tage lang hatten die Ärmsten ohne Nahrung, in fürchterlichster Ungewißheit über ihr Schicksal, dort geschmachtet. Der erste Domprediger, Dr. Bake, trat dem greisen Feldherrn entgegen, warf sich vor ihm auf die Knie und redete ihn mit bittenden Worten an. Tilly gewährte allen Pardon und ließ Brot unter die fast Verschmachteten austeilen. Nachdem die Kirche gereinigt war, begab sich Tilly wieder hinein, um die dahin geflüchteten magdeburgischen Soldaten zu mustern, und um zu sehen, ob vielleicht Ausreißer von seinem Heere darunter seien. Er verhieß ihnen Quartier und Löhnung, wenn sie ihm dienen wollten, gab ihnen aber vorher einen Verweis, daß sie sich so schlecht gewehrt hatten. Am 14. Mai nahm Tilly in Magdeburg Wohnung und erließ nun den Befehl, das Plündern einzustellen. Alle Soldaten mußten die Stadt verlassen, und bei Trommelschlag ward den noch lebenden versteckten Einwohnern Leben und Sicherheit des Eigentums zugesagt, letzteres, soweit es noch vorhanden. Da kamen viele hervor, die sich in die Gärten, Klöster und Keller gerettet hatten. In der Nacht dieses Tages brach im Lager von Fermersleben (das bereits erwähnte) Feuer aus, das sehr heftig war und den räuberischen Soldaten ihre Beute größtenteils wieder entriß, aber auch vielen armen Gefangenen eine erwünschte Gelegenheit zur Flucht bot. Am 15. Mai hörte Tilly mit all seinen hohen Offizieren in der Domkirche die Messe, nach der das Tedeum gesungen ward; dabei mußten die Geschütze aller Batterien und der in Ruinen liegenden Stadt eine dreimalige Salve geben. Die Zahl der durch Schwert und Flammen Umgekommenen läßt sich mit Gewißheit nicht feststellen. Die Zahlen in Otto von Guerickes Handschrift und mehreren Flugschriften aus jener Zeit schwanken zwischen 20-24 000; bezüglich der am Leben Gebliebenen wird angegeben, daß von 40 000 Einwohnern nur 4000 um Pardon gebeten und ihn erhalten hätten. Allein höchst wahrscheinlich war die Gesamtzahl der Geretteten bedeutend höher. So fiel das alte, blühende Magdeburg. Groß und herrlich hatte es dagestanden unter den Städten des deutschen Reiches, und weit über die Grenzen des Reiches hinaus war der Ruhm seines Namens erklungen. Die Nachricht von seinem fürchterlichen Untergange durchflog mit Blitzesschnelle die vaterländischen Gaue, von dem größten Teile der Papisten ward sie mit Jubel und Frohlocken begrüßt, von den Protestanten mit Trauer und Entsetzen vernommen. Pappenheim, welcher versicherte, die Ehre, Magdeburg erobert und den Administrator gefangen genommen zu haben, gebe er um keine Million Gulden hin, schrieb dem Kaiser, daß seit der Zerstörung Trojas und Jerusalems kein solcher Sieg gesehen worden sei. Am empfindlichsten traf die Kunde von dem Schicksal Magdeburgs wohl das Herz Gustav Adolfs. Tränen füllten sein Auge; er hatte den Magdeburgern mit seinem königlichen Worte Hilfe und Rettung zugesagt, sie hatten so zuversichtlich auf sein Erscheinen gehofft und geharrt und mußten nun so schmählich zugrunde gehen. Um dem Vorwurfe zu entgehen, daß er durch geflissentliches Zögern die verbündete Stadt in die Hände des grausamen Vernichters habe fallen lassen, rechtfertigte er sein Benehmen in einer öffentlichen Schrift. Nachdem er im Eingange derselben die von den Magdeburgern gemachten Fehler aufgedeckt, zeigte er, daß es ihm vor der Eroberung Frankfurts unmöglich gewesen sei, etwas für die Stadt zu tun, wenn er nicht alles aufs Spiel setzen wollte, wie er dann in Eilmärschen zum Entsatz Magdeburgs herbeigerückt, aber durch die Hindernisse, die ihm die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen in den Weg gelegt, an der Ausführung des Planes gehindert worden sei. – Seinen Schwur, die Stadt an ihren Zerstörern blutig zu rächen, hat er getreulich erfüllt; seine wohlgemeinte Absicht aber, sie aus ihrer Asche zu neuer und schönerer Blüte zu erheben, vereitelte der Tod, der ihn mitten in seiner Siegeslaufbahn am 6. November 1632 bei Lützen dahinraffte. Berichte dreier Augenzeugen. 1. Geschichte der Errettung des Predigers Christoph Thodänus und seiner Gattin. Nachdem ich Dienstag, am 10. Mai 1631, meine Wochenpredigt gehalten, sie mit Gebet und dem gewöhnlichen Friedenswunsch geschlossen und mich nach Hause begeben hatte, brachten mir etliche Leute aus der Jakobipfarre die Nachricht, der Feind sei schon auf dem Walle und in der Stadt. Wir erschraken darüber heftig, wollten es auch anfangs nicht glauben; allein es war leider wirklich so. Ich ließ nun mein Haus und alles offenstehen und ging mit meiner Hausfrau und unserer Magd zu meinem Kollegen, dem Herrn Senior und Pfarrherrn zu St. Katharinen, Johann Malsius, wohin auch viele andere Leute gekommen waren. Wir trösteten einander, beteten zusammen, empfahlen unsere Seelen dem getreuen Gott, und erwarteten mit großer Furcht und Bangigkeit, was der Himmel über uns verhängen würde. Wieviel bittere und heiße Tränen, sonderlich von dem wehmütigen Frauenvolk, vergossen und wieviel Herzensseufzer ausgestoßen wurden, weiß der barmherzige Gott am allerbesten. Unterdessen schickte ein vornehmer Obrist von den Unsrigen, der sehr gefährlich verwundet war, aus dem »Gasthofe zum langen Hals« zu mir, daß ich ihn vor seinem nahen Ende tröste. Ich ließ mir meinen Chorrock holen, und weil die Magd vor Schrecken mein Barett vergessen, so lieh mir der Herr Senior das seinige. Darauf nahm ich Abschied von meiner Frau, befahl sie und alle andern dem getreuen Gott und sprach mit betrübtem Herzen: »Nun, sehn wir uns in diesem Leben nicht wieder, so wollen wir doch im ewigen Leben mit Freuden einander Wiedersehen!« Meine Frau rief unter vielen bittern Tränen: »Ach, wollt ihr mich nun allhier allein lassen, so sei es Gott geklagt!« Ich sprach sie zufrieden, bedeutete sie, daß ich den Pflichten meines Amtes mich nicht entziehen könne, ging hinweg und empfahl mich mit Leib und Seele dem Schutze des Höchsten. Auf dem Breitenwege liefen etliche Frauen und Jungfrauen auf mich zu und fragten, was sie tun sollten. Ich konnte ihnen keinen andern Rat geben, als im Gebete zu Gott ihre Zuflucht zu nehmen. Im Gasthofe angelangt, fand ich den Verwundeten in der vordersten Stube auf der Erde liegend; er war äußerst schwach. Ich sprach ihm Trost zu, so gut ich in meiner damaligen Stimmung es vermochte. Er hörte mir aufmerksam zu, ließ mir durch seinen Diener einen Dukaten verehren, welcher jedoch nachher auf dem Tische liegen blieb, und bat mich freundlich, bis an sein Ende bei ihm zu bleiben und ihm ein ehrliches Begräbnis halten zu lassen. Ich würde dies getan haben, wenn ich allein geblieben wäre. Als aber der Feind das arme Volk auf dem Breitenwege wie eine Herde Vieh vor sich hertrieb und unter dasselbe schoß, kam meine Frau mit der Magd zu mir in die Stube. Sie zog mich mit Gewalt aus dem Zimmer, welches voller Gewehre hing, und vor dessen Fenstern die Feinde schon so heftig schossen, daß der Pulverdampf hineindrang, und wir gingen alle drei in das nach dem Hofe zu liegende hintere Gemach. Kaum waren wir daselbst eingetreten, so erschienen auch die feindlichen Soldaten und schlugen mit Macht an die verriegelte Tür. Auf Befehl des Wirtes mußte sie geöffnet werden, und die Feinde drangen nun mit Ungestüm zu uns herein. Sie verlangten sogleich Geld. Ich hatte ein Schächtelchen, worin sich ungefähr 6 oder 7 Taler befanden, bei mir und gab es dem einen, weil aber kein Gold dabei war, verlangte er, daß ich ihm solches schaffe. Er ließ indessen meine Entschuldigung gelten, nahm das Silbergeld und ging davon. Unterdessen wurde in der Stube und Kammer alles aufgeschlagen und fortgeschleppt. Unter den eingedrungenen Soldaten war ein feiner, mitleidiger junger Mensch, den meine Frau mit Tränen und um Gotteswillen bat, uns zu schützen; er antwortete ihr aber: »Liebe junge Frau, das können wir nicht tun, wir müssen noch unsern Feind verfolgen.« Mit diesen Worten entfernte er sich. Die erste Angst war also glücklich überstanden, und wir glaubten, daß nun alles vorbei und abgetan sei. Aber bald kam eine neue Rotte, verlangte gleichfalls Geld von uns, ließ sich indes mit 2 Talern und 2 silbernen Löffeln, welche unsere Magd zu Hause eingesteckt hatte, abfinden und ging davon, ohne sonst etwas Feindseliges gegen uns zu verüben. Bald darauf erschien ein anderer Trupp, darunter einer, der wie der lebendige Teufel aussah, zwei Musketen trug, in jede Backe eine Kugel gesteckt hatte, mich mit grimmigem Gesichte anblickte und mir zuschrie: »Pfaff, gib Geld!« Meine Entschuldigung, daß ich nichts mehr bei mir habe, auch nicht in dieses Haus gehöre, fand ein taubes Ohr. Er richtete vielmehr die eine Muskete auf mich, blies seine Lunte an und drückte los. Meine Frau aber, sich ermannend, schlug ihm das Gewehr in die Höhe, so daß die Kugel über meinen Kopf weg in die Wand fuhr, und hielt ihn bei den Armen fest, daß er sich nicht regen konnte. Da kein Geld zu erlangen war, so forderte er Silberzeug. Zum Glück erinnerte sich meine Frau der silbernen Haken an ihrem Brustleibchen, schnitt diese ab und reichte sie ihm hin. Er stand vor ihr, sah ihr zu, rührte sie aber mit keinem Finger an. Ein anderer wollte auch Geld von mir haben, ich griff in die Tasche, fand noch 3 alte böhmische Groschen darin, legte sie ihm auf den Tisch und versicherte, daß ich nichts weiter habe. Er strich sie ein und ging davon. Endlich kamen noch 4 oder 5 Soldaten mit Spießen. Als sie mich in meinem priesterlichen Gewande stehn sahen und hörten, was mich hergeführt, verlangten sie nichts von uns und entfernten sich mit den Worten: »Wir wollen doch sehn, ob du Pfaff wirst Wort halten.« Da wir jetzt weder Geld noch Geldeswert mehr hatten, auch zu befürchten stand, daß die Plackereien kein Ende nehmen möchten, so verließen wir die Stube und flüchteten zwei Treppen hoch auf den obersten Boden in eine Kammer, hier brachten wir eine Zeitlang in großer Sorge und Todesangst zu und hörten von der Straße herauf ein gräßliches Trommelwirbeln, Schreien und Pferdegetrappel. Unter uns im Hause ward alles gewaltsam mit Äxten aufgehauen in solcher Wut und mit solchem Grimm, daß einem die Haare zu Berge standen und das Herz zitterte und bebte. Unser bester Trost, nächst Gott, war noch der, daß wir lauter Deutsche reden hörten; inzwischen baten wir den Himmel, doch einen Obristen in das Haus führen zu wollen; denn wir hofften, mit einem solchen leichter fertig zu werden, als mit den gemeinen Soldaten. Allein wir mußten uns in Geduld fassen. Nachdem endlich unten und auf dem mittleren Boden alles aufgeschlagen war, kamen die Plünderer auch zu uns. Wir traten dicht an die Treppe, um sogleich von ihnen gesehn zu werden. Unter der ersten Rotte war einer, der eine große spitzige Keilhaue trug und mir damit einen Hieb über den Kopf versetzen wollte. Sein Kamerad aber wehrte ihm und sprach: »Was willst du machen? Du siehst ja, daß es ein Prediger ist.« Da ließ er's und ging davon. Bald folgten andere; einem derselben mußte meine Frau den Flor geben, welchen sie noch um den Hals trug, obgleich unsere Magd ihn dringend bat, ihr doch selbigen zu lassen. Endlich kam ein toller Eisenfresser mit einem blanken Stechdegen die Treppe hinauf, hieb mich damit sogleich über Kopf und Stirn und sagte: »Pfaff, gib Geld!« Da das Blut stark aus der Wunde drang, auf meinen weißen Priesterkragen und den Chorrock herabfloß und meine Frau deswegen sehr jammerte, so setzte der Wüterich ihr den Degen auf den Leib, daß ich nicht anders dachte, als er würde sie damit durchbohren. Allein unwillkürlich zuckte sein Arm, und der Stich fuhr blos durch ihr Gewand. Weil mein großer Blutverlust und unsere Geduld aber den Menschen doch etwas zu rühren schienen, so sprach ich zu ihm: »Ach, lasset doch mit euch reden; ich gehöre garnicht ist dieses Haus, sondern ich bin nur hierher gefordert, den verwundeten Herrn da unten, den ihr wohl werdet gesehen haben, zu trösten. Kommt mit zu uns, wir wollen euch geben, was wir noch haben.« »Nun so komm, Pfaff!« war seine Antwort, »gib mir dein Geld, ich will dir's Wort sagen; Jesus Maria! ist das Wort; wenn du das sagst, tut dir Soldat nichts mehr.« Denn er konnte nicht recht Deutsch. Darauf faßte ihn meine Frau fest bei dem Mantel, und so wandelten wir die Treppen hinunter in den Hof, vermeinend, nun wohl gefischt zu haben. Auf dem Breitenwege sahen wir viele Tausende von Menschen, auch lagen dort überall tote Körper umher. Unweit der Katharinenkirche hielt ein Obrister auf einem braunen Pferde. Er ward uns gewahr und sagte zu unserm Führer: »Kerl, Kerl, mach's so mit den Leuten, daß es zu verantworten ist.« Dann zu meiner Frau sich wendend, fragte er: »Ist dies euer Haus?« Er zeigte auf ein solches hin. Als sie es verneinte, sprach er: »Nun fasset an meinen Steigbügel, nehmet euern Herrn bei der Hand und führet mich in euer Haus; ihr sollt Quartier haben.« Zu mir sagte er mit etwas leiserer Stimme und mit der Hand winkend: »Ihr Herren, ihr Herren, ihr hättet es auch wohl anders machen können.« Ich wußte aber nicht, wie das gemeint war. Unser Soldat hatte sich inzwischen davon gemacht; wir konnten nun auch seiner füglich entbehren, aber er hat mir ein Andenken zurückgelassen, das ich Zeit meines Lebens werde aufzuweisen haben. Als wir an unser Haus kamen, trat eben ein Plünderer heraus und ging mit 3 schönen Röcken meiner Frau davon. Unser Obrist ritt vor die Tür, wies alle, die noch darin waren, fort und sprach dann zu uns: »Es soll euch nun,« setzte er hinzu, »kein Leid mehr widerfahren; ich will mein Quartier bei euch haben; räumt im Hause fein wieder auf.« Er stellte auch sofort zwei von seinen Leibschützen als Wachen vor die Tür und ritt davon mit dem Versprechen, bald zurückzukommen, um zu sehen, was wir machten. Mittlerweile kamen viele Soldaten und wollten in das Haus; unsere Wächter aber wiesen sie alle mit dem Bedeuten zurück, der Obristwachtmeister und Hauptmann vom Savellischen Regiment habe sein Quartier darinnen und sie dürften niemand einlassen. Einige murrten laut darüber und sagten: ob das recht wäre, Tilly hätte gesagt: drei Tage plündern, rauben, totmachen. – Allein sie mußten draußen bleiben, erhielten einmal zu trinken, und gingen weiter. Unsern Beschützern taten wir gütlich, so viel wir konnten, und dankten Gott von Herzen, daß er uns diesen Obristen als einen rettenden Engel zugesandt. Um die Ersteren für den Verlust der Beute zu entschädigen, welche sie hätten machen können, gaben wir einem jeden zwei Goldstücke. Sie waren damit so wohl zufrieden, daß sie uns sagten, wenn wir etwa noch einen guten Freund hätten, so möchten wir denselben nur holen lassen, denn mit uns habe es keine Not weiter. Wir schickten darauf unsere Magd in Begleitung des einen Leibschützen nach der Katharinenkirche, wo sich der Magister Gravius versteckt hatte; aber er war dort weder zu hören noch zu sehn, und so kehrten denn beide unverrichteter Sache zu uns zurück. Bald darauf kam unser Obrist vor das Haus geritten, fragte, ob wir auch noch guten Frieden hätten und hieß uns, als wir ihm bejahend antworteten, guten Muts sein. Er entfernte sich sodann wieder, um zu sehn, ob nicht Anstalten getroffen werden könnten, das Feuer etwas zu dämpfen. Kaum aber war er die Gasse hinaus und auf den Breitenweg gekommen, als er zurücksprengte und sagte: »Frau, nehmet mein Pferd beim Zügel und euern Mann bei der Hand, und führet mich zur Stadt hinaus, oder wir müssen alle verbrennen.« Denn das Feuer nahm gewaltig überhand; schon brannte das große und schöne Haus des Herrn Bürgermeisters Georg Schmidt lichterloh, und hinter unserer Kirche auf dem Breitenwege sahen wir einen großen schwarzen Rauch emporsteigen. Wir warfen nun alles noch vorhandene – auch meinen schönen warmen Schlafpelz, den ich hinterher schmerzlich vermißte, und meine teure Hausbibel – in den Keller, machten denselben zu und beschütteten die Tür mit Erde. Meine Frau nahm einen Chorrock von mir über die Achsel, unsere Magd das vor dem Hause stehende Kind unseres Nachbars, welches sonst im Feuer umgekommen sein würde, auf den Arm; und so wanderten wir davon. Weil alle Tore schon in vollen Flammen standen, gingen wir dem Fischerufer zu, meine Frau hielt des Obristen Pferd am Zügel gefaßt. Unterwegs sahen wir wider mein Erwarten schon das St. Petri- und St. Johannis-Kirchspiel lichterloh brennen und mußten uns durch viele tausend Soldaten und eine Menge von toten Körpern hindurcharbeiten. Die Kroaten und anderes Gesindel wollten immer auf mich schießen, hauen und stechen, so daß unser Obrist genug zu tun hatte, uns zu schützen. Seine Diener umgaben uns, und so kamen wir endlich durch bis zu der hohen Schanze, wo die Feinde mit den Sturmleitern angelaufen waren, hier mußten wir, obgleich einem davor hätte schwindeln mögen, den Wall hinunter. Unterwegs sahen wir zwar einige Bekannte, konnten aber nicht mit ihnen sprechen, denn die Zeit drängte. Als wir durch das Lager gingen, hatten wir viel Lästerung, Hohn und Spott von den Soldaten anzuhören, verschmerzten es aber.
Nachdem wir ein wenig aus dem Gewirre und also aus dem Tode wieder einigermaßen ins Leben gekommen, sprach der Obrist: »Frau, ich habe euch und eurem Herrn das Leben gerettet, was könnt ihr mir nun geben?« Wir antworteten, unser Gold und Silber sei von uns versteckt, hoffentlich werde man es so leicht nicht finden, er solle alles haben. Damit war er zufrieden. Etwas weiter hinaus trafen wir etliche Offiziere, die uns arme Gefangene anblickten und von denen einer zu mir sagte: »Ich habe Mitleiden mit dir, denn auch ich bin der Augsburgischen Konfession zugetan«. Aus Furcht aber durfte ich ihm nicht antworten. Jetzt war das Zelt des Obristen vor dem Rotensee'schen Holze erreicht, und wir wurden mit einem Becher Wein erquickt. Gegen Abend traf der Koch unseres Retters auch mit dem Dr. Olvenstedt ein; letzterer war aber so übel zugerichtet, daß wir ihn nur an der Sprache erkannten. Ich tröstete ihn, als in der Nacht seine Schwäche so zunahm, daß sie sein Ende befürchten ließ; allein er erholte sich wieder und erwies mir den gleichen Liebesdienst, als ich tags daraus erkrankte. Am späten Abend mußten wir bei unserm Obersten speisen. Es ging wohl alles prächtig zu, aber uns schmeckte weder Essen noch Trinken. »Frau,« sprach unser Wirt, »warum wollt ihr nichts genießen?« Sie antwortete: »Herr Oberst, wenn der Herr nur eine Viertelstunde an meiner Stelle wäre, die Eßlust sollte ihm wohl vergehen.« Über Tische bat ich den Feldpater auf lateinisch, eine Fürbitte für mich einzulegen. Der junge unwissende Mensch aber, der vom Latein wenig verstand, gab mir ein bloßes » diam« zur Antwort und machte sich davon. Nach aufgehobener Tafel, bei welcher zu meinem Befremden kein Mensch gebetet hatte, verabschiedeten wir uns und mußten mit einem Nachtlager in der Hütte des Kochs vorlieb nehmen. Der ehrliche Mann legte sich, in seinen Mantel gehüllt und den bloßen Degen im Arm, vor uns, die übrigen Diener lagerten sich um uns her und bildeten so unsere Schutzwache. Den folgenden Morgen schickte der Obrist etliche von seinen Leuten mit unserer Magd in die Stadt, um unser Lösegeld abholen zu lassen; sie kamen aber unverrichteter Sache zurück, weil der Keller noch voll Feuer und an kein Hinuntergehn in denselben zu denken gewesen sei. Inzwischen tat meine Frau unserm Obristen, wo sie ihn nur antraf, manche Predigt und hielt ihm das Gesetz und Evangelium vor; ich habe es oft mit meinen Augen gesehn, wie er ihr so fleißig zugehört. Einmal sagte er: »Frau, wenn euer Herr nicht mehr predigen kann, so seid ihr gut dazu!« Und ein andermal: »Frau, ich glaube, ihr könnt zaubern; hat mich doch kein Mensch mein Lebtage so betört, als ihr.« Auf solche Äußerungen ward ihm allezeit mit Bescheidenheit geantwortet. Am nächsten Abend fiel kaltes Regenwetter ein, weshalb wir bei guter Zeit in unsere Hütte krochen. Gegen die Nacht kam ein Spanier, der uns viel Leid antat, und riß unsere Magd mit Gewalt hinweg. Als er aber mit ihr an das Zelt des Obristen kam, erhob sie ein solches Geschrei, daß dieser heraustrat und jener sie wieder loslassen mußte, nachdem er ihr eine tüchtige Maulschelle gegeben. Da der Obrist wohl denken konnte, daß wir über den Vorfall möchten erschrocken sein, so ließ er uns wieder zur Tafel fordern, denn er pflegte sehr spät zu essen. Als wir ins Zelt kamen, fragte er meine Frau sogleich, wie es gehe. »O Herr Oberster,« war ihre Antwort, »es geht, daß es Gott im Himmel erbarmen möchte.« Er sprach uns zufrieden, und wir setzten uns. Schon über Tische bekam ich ein Frösteln. Nachdem wir aufgestanden waren, wärmte ich mich ein wenig in der Küche, und von da gingen wir wieder in die Hütte, wo mich ein so furchtbares Fieber ergriff, daß ich von mir selbst nichts wußte und meine Frau so wie der Dr. Olvenstedt wähnten, es gehe mit mir zum Sterben. Am folgenden Tage gegen Mittag besserte sich mein Zustand ein wenig. Auf die Nachricht von meiner Erkrankung soll der Obrist geäußert haben: wenn nur der Pfaff stürbe so wolle er das Weib zu sich nehmen, er habe sein Lebtage kein so beredtes Weib gesehn. Ein andermal hatte er zu meiner Frau gesagt, man werde mich nach Prag schicken, sie aber hier behalten; worauf sie ihm aber unumwunden erklärt, sich so etwas nur nicht einzubilden; keine Viertelstunde werde sie lebendig allein bei ihm bleiben. Ich selbst hatte aus der am vorigen Abend französisch geführten Tischunterhaltung so viel verstanden, daß ich des nächsten Tags zu Tilly nach Magdeburg sollte geschickt werden, vielleicht würde dies geschehen sein, wenn ich nicht erkrankt wäre und, wie ich glaube, unser Obrist für uns gebeten hätte. Endlich brachte die Magd unser Lösegeld. Meine Frau behändigte es unserem Retter, der alles auf den Tisch schüttete; es war mancher schöne alte Taler darunter, den ich selbst lange Zeit nicht gesehen hatte. Er gab meiner Frau ihre neuen silbernen Haken und einen Taler Zehrgeld zurück. Alles übrige, Geld und silberne Becher, behielt er. So sauer es uns auch geworden war, solches ehrlich zu erwerben, so gönnten wir es ihm doch gern, weil er als wackerer Beschützer an uns gehandelt hatte. Meine Frau hatte nun aber keine Ruhe mehr; obgleich er verlangte, wir möchten wenigstens noch diesen Tag bleiben, sie an meinen leidenden Zustand erinnerte, und ihr riet, mich vor der Abreise erst noch etwas zu pflegen, so wollte sie doch auf kein Zureden hören. Sie erklärte, sie könne und möge nicht länger bleiben. Mit seiner Wartung sei ihr nicht mehr gedient, sie wolle mich auf den Rücken nehmen und tragen, so weit sie vermöge, sie begehre hinweg, um mich nur auf Stroh betten und besser pflegen zu können, als es ihr in unserer gegenwärtigen Lage möglich sei. Hierauf ließ er uns denn einen Paß ausfertigen, welchen er mit seinem Namen unterzeichnete. Auch gab er meiner Frau einen Diener mit, um sich nach einem Fuhrwerke umzusehen, da er uns kein solches schaffen könne. Durch Vermittlung eines edlen Offiziers, des Hauptmanns v. Potthausen, erhielten wir einen Magen, der uns – meine Frau und mich, denn unsere Magd blieb auf ihren Wunsch zurück – meinen Schwiegervater, Andreas Betzel, samt dessen Frau und Kindern nach Olvenstedt brachte, wo wir von dem lutherischen Feldprediger des Holkischen Regiments, Herrn Jacob Schwanenberg, aufs liebreichste empfangen wurden. Dieser würdige Mann erzeigte uns und vielen anderen Magdeburgern, besonders aber mir, der ich noch sehr leidend war, viele und große Wohltaten. Am folgenden Sonnabend (14. Mai) ließ uns der Herr von Potthausen sicher nach Gardelegen schaffen, wo nicht allein ein anderer Offizier des Holkischen Regiments, der Obristleutnant von Bellin, sondern auch unsere dortigen Freunde sich unserer aufs tätigste annahmen. Von da gingen wir nach Salzwedel und gelangten endlich, nach vielem ausgestandenen Ungemach, glücklich in Hamburg an. Hier erhielt ich vom Rat und der ganzen Gemeinde zu Rendsburg in Holstein die Einladung, auf ihre Kosten dorthin zu kommen und eine Predigt zu halten. Dies tat ich am 5. Sonntage nach Trinitatis (10. Juli), worauf man mir sogleich die erledigte Diakonusstelle übertrug. Am 20. Juli bezog ich mit meiner Frau meine neue Amtswohnung, vier Tage später hielt ich meine Antrittspredigt. Der allerhöchste Gott lasse mein Wirken hierselbst ein gesegnetes sein! Geschichte der Errettung des Oberstadtschreibers Daniel Friese und seiner Familie. Auf die Nachricht, die Stadt sei von dem Feinde gewonnen, hatte auch der Vater das Rathaus verlassen und sich zu uns begeben, um bei der drohenden Gefahr noch schnell einige Vorkehrungen zu treffen. Da er etlichemal zu den kaiserlichen Generalen Tilly, Pappenheim und andern hinaus in das Lager gesendet und deshalb ziemlich bekannt war, so fürchtete er, man möchte ihm ein hohes Lösegeld abfordern. Um nun für einen geringen Bürger angesehen zu werden, zog er ein ledernes Wams und graues Beinkleid an, auch die aus der Heil. Geistkirche herbeigeeilte Mutter wählte ihren schlechtesten Anzug. Inzwischen ward das Schießen immer heftiger; endlich erfolgte eine entsetzliche Salve; das Feuer schwieg jetzt, der Widerstand hörte auf, und die fliehenden Bürger eilten mit ihren Gewehren unter Ach- und Wehgeschrei in ihre Häuser. Alle Türen wurden nun verschlossen und aufs beste verwahrt. Nicht lange hernach ertönte das »All gewonnen, all gewonnen!« der kaiserlichen Soldaten durch die Gassen, und sie schlugen an die Türen wie lebendige Teufel. Wir armen Leute hätten vor Furcht in den Häusern sterben mögen und beteten zu Gott um gnädige Errettung. Jetzt ward auch bei uns angepocht. Die Soldaten drohten alles im Hause umzubringen, wenn man ihnen nicht augenblicklich öffne, wir machten auf. Zwei Musketiere traten ein und verlangten Geld. Vater und Mutter gaben, was sie hatten, auch noch Kleider und Geräte. Sie entfernten sich damit, unsere Bitte, uns gegen ein Lösegeld aus der Stadt zu helfen, mit der Antwort zurückweisend, sie müßten erst Beute machen. Nachdem die Soldaten hinweggeeilt waren, zerschlug der Vater mit einer Axt Ofen, Türen und Fenster, riß das Stroh aus den Bettladen, warf die Gesindebetten, auch die Töpfe aus der Küche überall umher und sperrte die Tür angelweit auf. In eine Ecke des Flurs ließ er einen mit Speisen besetzten Tisch aufstellen, jedoch so, daß er nicht sogleich in die Augen fiel. Die plündernden Soldaten hielten das Haus, seinem wüsten Aussehen nach, bereits für ausgeräumt, und achteten es daher nicht mehr der Mühe wert, hineinzugehen. Unglücklicherweise aber bemerkten vier gerade vorüberkommende Musketiere die Mutter, stürzten mit ihren brennenden Lunten zu uns in die Stube und schlugen und stießen auf den Vater los. Die Mutter warf bisweilen eine Hand vor, aber es half nichts. Wir Kinder hingen uns wie Kletten an die Soldaten und weinten und schrien, sie sollten uns nur die Eltern leben lassen. Fern davon, über unsere Zudringlichkeit böse zu werden und uns zurückzustoßen, ließen sie sich vielmehr durch unser Flehn erweichen, wir gaben ihnen nun einiges Geschmeide und andere Wertsachen, auch suchten sie sich das beste Leinengerät aus und gingen dann weg, ohne sonderlich nach dem Essen auf dem Tische gefragt zu haben. Nunmehr aber getrauten wir uns nicht länger in der Stube zu bleiben, sondern flüchteten in eine finstere Kohlenkammer, die auf dem Hofe in einem wüsten Stalle lag. Wie wir eben dahin laufen wollten, stieg ein Student, der nebenan wohnte, über das Häuschen des Brunnens, welchen wir mit dem Nachbar gemeinschaftlich hatten, um sein Licht bei uns anzuzünden. Er erzählte uns, die Soldaten, die in ihrem Hause wären, verlangten Beute; man habe alles im Keller versteckt, und es fehle an Licht, um den Plünderern hinunterzuleuchten. Nachdem der Student mit seiner brennenden Kerze wieder zurückgeklettert war, öffnete der Vater die beiden Falltüren am Brunnen und befestigte sie nach unserer Seite zu, so daß dieser Paß nicht mehr benutzt werden konnte; denn er besorgte, die Nachbarn könnten die in ihrem Hause fürchterlich tobenden, fluchenden und unaufhörlich nach Beute rufenden Soldaten in ihrer großen Angst zu uns herüberweisen. Wir verhielten uns in unser Kohlenkammer mäuschenstill. Nach einer Weile schlich der Vater sich wieder ins Vorderhaus, um zu sehn, wie es dort hergehe; aber alsbald wurde ein Trupp Plünderer seiner ansichtig und stürzte mit großem Geschrei auf ihn zu. Dies hörte die Mutter, lief auch hervor, und wir Kinder folgten ihr. Es waren sieben Soldaten, alle hatten brennende Lunten, redeten eine fremde Sprache, und wir entnahmen bloß aus ihren Gebärden, daß sie Geld haben wollten. Die Entschuldigung des Vaters, daß uns bereits alles genommen sei, verstanden sie nicht und schossen zweimal im Flur nach ihm. Die Kugeln fuhren aber in die Wand, ohne ihn zu treffen. Indem sich die Eltern nun in die Stube zurückziehen wollten, hieb einer mit seiner Hellebarde nach dem Vater, verfehlte ihn aber zum Glück ebenfalls. Als der Vater endlich den Offizier lateinisch anredete und ihm, da er kein Geld mehr habe, Kleider, Leinwand, Zinn und anderes anbot, wurden sie etwas ruhiger. Der Offizier verlangte aber Geld. Bekomme er dies, dann wolle er die Soldaten alsbald wegführen. Da besann sich die Mutter auf ein Kästchen, in dem Perlen, sowie das uns Kindern gehörige Patengeld aufbewahrt lag, führte den Offizier hinauf, gab ihm dasselbe und bat ihn zugleich, uns gegen ein Lösegeld aus der Stadt zu helfen. Allein er wollte nichts davon wissen, fluchte gewaltig, nahm den besten Mantel des Vaters, den dieser nur bei feierlichen Gelegenheiten trug, hing sich ihn um und ging davon, wir suchten nun unser Versteck im Kohlenkämmerchen wieder auf. Die Soldaten aber, nachdem sie dem Frühstück weidlich zugesprochen hatten, liefen noch fast eine halbe Stunde im Hause umher, schlugen alles auf und suchten nach Beute; jedoch kam keiner in den Stall. Als es etwa um 9 Uhr wieder ein wenig still ward, sagte der Vater, nun wollten wir uns erst recht verstecken und zwar auf dem alten, wie ein Taubenschlag eingerichteten und finstern Boden. Dort aber hätten wir sämtlich verbrennen müssen, wenn wir da geblieben und nicht von Gott, den wir nicht genug dafür preisen können, wunderbar hervorgezogen wären. Unsere frühere, an einen Nadler verheiratete Magd hatte ihre Zuflucht zu uns genommen, da sie ihren Mann, der die Wache an der Lakenmacherpforte gehabt, verloren gab, und sich mit uns in der Kohlenkammer versteckt. Sie blieb, als wir die Kammer verließen, noch zurück, um einen Korb, worin ihre Habe war, dort sicher zu verbergen. Als sie damit fertig, nun über den Hof lief, ward ein Soldat ihrer ansichtig und schrie ihr sein: Halt, – Halt! zu. Sie aber floh die Treppen hinan und zu uns auf den Boden. – »Ach, Anna,« rief ihr der Vater entgegen, »du wirst mir gewiß die Soldaten hierher ziehn!« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so drang auch schon der Verfolger mit seinem Spitzhammer auf ihn los. Die Mutter eilte laut schreiend herbei, und wir Kinder umringten alle den Soldaten und flehten ihn an, meinen Vater zu schonen. Mein vierter Bruder, Christian, der kaum laufen und lallen konnte, rief in seiner Herzensangst: »Ach, laßt doch nur den Vater leben, ich will euch auch gern meinen Dreier geben, den ich Sonntags bekomme.« Unser Flehn, und namentlich die Worte des kleinen Bruders, rührten den Soldaten. Er sah uns freundlich an und sagte: »Ei, das sind ja feine Büble!« Darauf sprach er zum Vater: »Willst du mit den Kindern zur Stadt hinaus, so geht alsobald fort; denn die Kroaten kommen in einer Stunde zur Stadt herein und da würdest du mit den Deinigen schwerlich am Leben bleiben.« »Ja« – fuhr er nach einigem Besinnen fort – »ich habe aber noch keine Beute gemacht. Ich will dich wohl hinausführen, aber ich muß erst Beute machen.« Wir fielen ihm zu Füßen und baten ihn, uns doch nur mitzunehmen, wir wollten ihm 200 Taler geben, wenn er uns nach Gommern brächte. Er blieb dabei, er müsse erst Beute machen; vermaß sich aber hoch und teuer, wenn er ein paar Häuser ausgesucht habe, wiederherzukommen und uns abzuholen, »Wenn ihr denn so sehr auf Beute besteht,« sprach die Nadlerin, »ich will euch Geld und Kleider von meinem Manne geben; führt uns nur aus der Stadt.« Er nahm dies Erbieten an, und beide gingen. Wir zweifelten aber an ihrem Zurückkommen, befahlen uns Gott und krochen wieder unter das Dach. Da hörten wir erst, wie es in unserm und den anstoßenden Häusern zuging. Kisten und Kasten wurden aufgeschlagen, auch sahen wir durch die Ziegel, wie unsere armen Nachbarn geprügelt und gemartert wurden. In der fürchterlichsten Todesangst verharrten wir eine gute halbe Stunde. Indessen hatte der Soldat von der Nachbarin die versprochenen Sachen erhalten, auf sein Befragen von ihr gehört, wer der Vater sei, und sie mehrere Male aufgefordert, ihn wieder in das Haus zu führen, wo die kleinen Büble wären. Ganz wider unser Vermuten kamen jetzt beide zurück, und der Soldat rief im Hofe nach dem Boden hinauf: »Herr Oberstadtschreiber, kommt herunter!« Diese Worte drangen dem Vater wie ein Dolchstich in das Herz; er glaubte sich verraten und rief mit Tränen: »Ach, daß es Gott erbarme, nun werden wir gewiß verloren sein!« Er und die Mutter segneten einander und meinten, wir würden nun entweder sterben oder doch eins von dem andern kommen. In großer Angst und Todesfurcht gingen wir hinunter. Als wir aber in den Hof traten, fanden wir unsern Kriegsmann mit der Magd. Das ganze Haus war voller Soldaten und Pferde. Etliche von den ersteren wollten strikt auf den Vater los; der Nürnberger aber nahm sich unserer an, sagte, wir wären seine Gefangenen, und ließ uns nicht antasten. Wir packten hierauf einige wenige gerettete Trümmer von unserer Habe in einen Korb, den die Mutter trug, legten zwei Brote darüber und machten uns dann – es war gegen 10 Uhr – auf den Weg. Wir Kinder gingen paarweise hinter dem Soldaten; unsere Eltern, die Nadlerin und unsere Magd, die kleinste Schwester in ihrem Bettchen aus dem Arme tragend, folgten. Um ungehinderter fortzukommen, trug der Vater die Muskete unsers Retters und sah in seinem Aufzuge einem Soldaten nicht so unähnlich. So gingen wir durch die Straßen und mußten oft im großen Gedränge über ganze Haufen von toten Körpern hinwegsteigen. Unser Führer trat endlich in ein Haus, und wir folgten ihm. Er müsse, sagte er, uns Kindern etwas zu essen und zu trinken holen, denn bis zum Lager sei es sehr weit und wir könnten sonst nicht ausdauern. Darauf langte er aus dem Rauchfange Würste und Speckseiten herab und schlug sie in einen türkischen Teppich. Unterdessen aßen wir vom mitgenommenen Brote. Um uns sammelten sich etliche zwanzig kleine Kinder, die von der Mutter auch Brot verlangten und es erhielten. Der Soldat lief auch in den Keller, holte einen Eimer Bier herauf und labte uns mit einem Trunke. Dann ging's weiter. Endlich war die Pforte erreicht, durch welche die Kroaten eben einritten und neben uns alles niederhieben. Wir stiegen den Wall hinunter und kamen in das Lager, wo der Soldat uns in sein Zelt führte. Die Frau des Soldaten, auch aus Nürnberg, empfing uns nicht sehr freundlich, »Was bringst du denn her?« sagte sie zu ihrem Manne. »Du bringst die Hütte voll Kinder! Ich dachte, du brächtest Beute.« Er beruhigte sie mit den Worten, er habe die Büble müssen herausführen, Gott werde ihm schon Beute bescheren; und damit warf er den Teppich mit den Speckseiten ab. Wir setzten uns, sehr erfreut, nun ein wenig Sicherheit und Schutz zu haben. Die Frau, die für die Offiziere des Regiments kochte, gab sich endlich auch zufrieden; denn die Mutter ging ihr bei ihrem Geschäfte zur Hand und half ihr die drei Tage, welche wir in der Hütte des Soldaten zubrachten, so fleißig, daß sie ganz wieder ausgesöhnt wurde. In der Nacht gegen 11 Uhr führte uns der Vater hinaus und zeigte uns zur unvergeßlichen Erinnerung das in Flammen stehende Magdeburg. Es war im Lager, welches doch ziemlich weit entfernt war von der großen Feuerglut, so hell, daß man einen Brief lesen konnte. Des andern Tages, den 11. Mai, ging der Soldat mit seiner Frau in die Stadt, um Beute zu holen. Die Mutter wartete indessen das Kind beider und besorgte die Küche. Wir aber blieben in der Hütte, denn der Vater wollte nicht gern erkannt sein, sahen aber von dort aus viele Magdeburger, Männer und Frauen, an Stricken als Gefangene durchs Lager führen und priesen uns glücklich, wenigstens frei herumgehen zu können. In der Abwesenheit unsers Wirts kam ein Soldat in die Hütte, um jenen zu sprechen. Er hatte große Beute gemacht und alle Finger mit den kostbarsten Ringen besteckt. Als er die Mutter weinen sah, und von ihr hörte, daß sie nicht einmal soviel behalten hatte, uns durstenden Kindern einen Trunk Bier zu kaufen, schenkte er ihr anderthalb Taler, um dafür Getränk zu holen. Gegen Abend kehrte unser Soldat mit seiner Frau zurück, und sie brachten schönes Geschmeide, Gold und köstliches Leinengerät mit sich. Er war darüber sehr vergnügt, meinte, Gott habe ihm alles deswegen beschert, weil er die kleinen Büble hätte herausgeführt, und verwies es seiner Frau, daß sie gestern darüber unwillig gewesen war. Er war ein mildherziger gottesfürchtiger Mensch. Der Herr vergelte ihm ewig, was er an uns getan! Wir werden der Wohltaten, die er uns erwiesen, nie vergessen! +++ Am 13. Mai fuhr die Friesesche Familie auf dem Leiterwagen nach Wolmirstedt. Ihr Retter verzichtete auf jede Belohnung von ihrer Seite; der Himmel, sagte er, habe ihm genug beschert. Seine Frau nahm nach vielem Bitten zwei silberne Löffel an, welche Friese's Gattin noch zu Hause eingesteckt hatte und ihr als Andenken verehrte, von Wolmirstedt ging die Reise zunächst nach Halberstadt, wo die Geretteten Sicherheit und Unterstützung fanden. Später kam Friese nach Altenburg als Amtsschöffe; dort starb er auch. Geschichte der Rettung eines dem Namen nach unbekannten magdeburgischen Bürgers und Konstablers. Beim Einbruch der Feinde in die Stadt war ich auf dem Rathause; sonst verließ ich den Wall nicht und hatte von 16 Nächten nur eine einzige in meiner Wohnung zugebracht. Ich eilte sofort nach dem Heydeck auf meinen Posten und hörte, den Breitenweg entlang gehend, viel Weinens und Heulens vom Frauenvolke. Vor meiner Tür traf ich meine Frau, die eben aus der Kirche zurückkam, wo der Prediger des Lärmens wegen hatte aufhören müssen; ich sagte ihr Lebewohl, ergriff meine Zündrute und lief damit auf den Wall; denn ich war ein Konstabler und hatte zuvor die Büchsenmacherkunst erlernt. Wie ich dahin kam, stürmte bereits das Volk des Grafen von Mansfeld; es konnte aber nichts schaffen und ward von uns und den 50 unten am Heydeck postierten Soldaten zurückgeschlagen. Dies währte von 7 bis halb 10 Uhr. Vor unserm Schießen hatten wir nicht hören und sehn können, was aus andern Punkten vorging; jetzt erfuhren wir, daß die Stadt bereits erobert sei. Als nun der Feind von daher auch auf unsere Posten kam, das Sudenburger Tor öffnen ließ und alles Volk hereinzog, ging unser Fähnlein ihm entgegen, in der Meinung, Quartier zu erhalten, was aber nur etlichen zuteil ward. Ich wanderte mit fünf Gefährten nach dem Ulrichstore, wo bereits alles niedergemacht war, und so in die Stadt. Auf dem Breitenwege kamen drei Kameraden von uns ab und fanden den Tod; der vierte erreichte sein Haus. Ich ging mit dem fünften weiter, und wir gelangten, nachdem wir einem feindlichen Soldaten alles hatten geben müssen, was wir bei uns trugen, glücklich in sein Haus. Es war bereits ganz ausgeräumt. Die Plünderer umringten mich und schrien, ich solle ihnen Geld geben, oder sie würden mich niederhauen. Ich sagte ihnen, ich hätte nichts bei mir; wenn ich in meinem Hause wäre, wollte ich ihnen etwas geben. Darauf sprach einer: »Komm, ich will dich hinbringen! Ist es weit ab?« Ich antwortete: »Nein!« und so ging er mit mir. Daselbst angelangt, fanden wir auch schon alles ausgeplündert und ein solches Umsuchen darin, daß ich meinem Begleiter nichts geben konnte. Meine Frau hatte sich zu einem Nachbar hingeflüchtet in der Meinung, da sicher zu sein, war aber sehr übel angekommen. Als sie mich erblickte, eilte sie zu mir. Wie sie aber quer über den Breitenweg ging, rissen ihr die Soldaten den Pelz vom Leibe, weil sie eingenähtes Geld darin vermuteten. In unserm Hause traf sie es noch schlimmer. Meine Mutter war arg gemißhandelt, konnte aber noch ein wenig heruntergehen. Meine 4 Kinder waren, was ich nicht wußte, mit Hackenbergs Tochter Gertraud auf dem obersten Boden, wohin sich aber noch keiner von den Feinden gewagt hatte. Bei meinem Eintritt in das Haus umringte mich ein Trupp böser Buben; einer wollte mich durchstechen, ein anderer durchschießen, ich sollte Geld geben. Ich sagte, sie sähen wohl, daß alles weg wäre; ich hätte keins. Indem blies einer die Lunte auf, mich zu erschießen. Da sprach ich, wenn ihm mit einer Hand voll Blut gedient wäre, könnte ich nichts dazu tun; ich wäre ein gefangener Mann, zudem hätte mir der, welcher mich ins Haus gebracht, Quartier versprochen. »Hast du ihm Quartier gegeben?« fragte er meinen Begleiter. »Ja!« war dessen Antwort. Da stieß mich einer mit der Muskete so in die Seite, daß ich glaubte, ich hätte mein Teil, aber es schadete nichts. Mein Junge bat für mich, erhielt aber mit einem Beile einen Schlag über den Kopf, daß er umsank; allein er kam auch ohne Schaden davon. Indem erhob sich ein Lärm auf der Straße; die bösen Gäste eilten hinaus und ließen mich allein. Nun ging ich in meine Küche; da war es finster, und an finstere Orte gingen sie nicht gern, bis zuletzt. Um mich noch besser zu verbergen, stieg ich auf den andern Boden, kroch in einen Winkel hinter der Feuermauer und zog die geflochtenen Strohseile, deren ich viele liegen hatte, davor hin. Es war etwa gegen elf Uhr. Da mußte ich über zwei Stunden aus den Knien sitzen, die mir davon sehr weh taten, und nun bekam ich ein wenig Zeit, mein Gebet an Gott zu richten, vorher konnte man es nicht wegen des greulichen Unwesens. Inzwischen suchten die Beutemacher alles um auf dem Boden; zu mir aber kam gottlob! keiner, wiewohl sie mir oft sehr nahe waren, ich auch stets Sorge hatte, daß sie von des Nachbars Seite her durchbrechen würden. Aber ich schwieg immer still. Aus der Ferne her vernahm ich viel Rufens, Schreiens, Niederhauens und Niederschießens. Meine Frau und meine Mutter waren unten im Hause, und die Soldaten gaben denselben gute und böse Worte, um Geld von ihnen zu erhalten. Erstere stand kläglich weinend und die Hände ringend in der Tür; denn das Feuer nahte sich unserm Hause immer mehr, und ihr bangte für mich und die Kinder. Da gehen drei vornehme Offiziere mit ihren Dienern vorüber; einer von ihnen, ein stattlicher Mann, war der Obristleutnant Byzarte vom Bernsteinischen Kavallerie-Regimente. Sie fragten meine Frau, warum sie so übel tue. »Ach,« sprach sie, »sollte ich nicht übel tun? Ich bin um alles gekommen; nun ist das Feuer nicht weit, und ich weiß nicht, wo mein Mann ist.« »Wo ist euer Mann?« fragten sie; »er soll Quartier haben.« Sie traute aber ihrer Zusage nicht und erwiderte, ich sei auf dem Walle, und sie wisse nicht, wo ich hingekommen, »Wenn euer Mann auf dem Walle angetroffen ist,« war ihre Antwort, »dann wird er wohl hin sein,« und damit wollten sie weiter gehn. Da meine Frau aber immer kläglicher tat, so sprach einer zum andern: »Die Frau muß sonst ein großes Anliegen haben,« und sie wiederholten ihre Frage nach mir. Nun sprach sie: »Wenn die Herren meinem Manne Quartier zusagen, dann will ich sehn, wo ich ihn finde.« Sie versprachen ihr dies in die Hand, so wahr sie redliche Leute wären; sie müßten aber eine Ergötzlichkeit haben; wir hätten wohl noch etwas verborgen, das sollte sie ihnen geben. Sie versprichts, kommt dann auf den Boden hinauf, und der Obristleutnant hinter ihr her; denn sie wußte, daß ich dort war, und rief mir zu, es sei ein Obrister da, welcher mir Quartier geben wolle. Ich machte mich nun hervor und ging auf den Obristleutnant zu, der mir die Hand reichte mit den Worten: »Es ist mir leid, daß ich euch so finde; ihr sollt Quartier haben, aber ich verlange dafür eine Ergötzlichkeit; ihr habt wohl noch etwas verborgen, ihr kommt doch darum, deshalb gebt es nur her.« Wir stiegen nun sogleich hinunter. Ich hatte aber im Keller in einer eisernen Lade etwas beisetzen lassen an Silber, goldnen Bechern, Armbändern, Ringen, und andern Sachen von Wert, um darin einen Notpfennig zu haben. Bloß der Feuersgefahr wegen, und da ich mich eines solchen Übergangs der Stadt nicht versah, hatte ich auch in meiner Küche durch meine Mutter eins und das andere ein wenig einscharren lassen; dies aber war von den gemeinen Soldaten sogleich gefunden worden, und so mußte denn das im Keller verwahrte hervor. Die drei Offiziere nebst ihren Dienern gingen mit mir hinunter und brachten die eiserne Lade, weil sie ziemlich eingezwängt in der Erde stand, mit großer Mühe heraus. Da ich den Schlüssel verloren hatte, so ward der Deckel mit Gewalt aufgesprengt, und die drei Offiziere teilten sich sogleich gütlich in den Inhalt. Nachdem dies geschehen, bat ich den Obristleutnant, mich und die Meinigen mit nach seinem Quartier zu nehmen. Der wackere Mann, anscheinend 50 Jahre alt, sprach: »Ja, Kommt nur alle; ich habe draußen Kutsche und Pferde stehn; ihr sollt mitfahren, aber ihr müßt mir draußen noch Geld geben, dann will ich euch hinbringen lassen, wohin es euch gefällt; was soll ich dafür haben?« Ich verhieß ihm 100 Taler. Darauf sagte er: »Haltet euch an meinem Pferde.« Damit nahm er meine Frau bei der Hand und sie die Kinder, ich hielt mich an des Obristleutnants Pferd, und so folgten wir ihm. Meine Mutter wollte, alles Bittens ungeachtet, nicht mit uns. Sie meinte, sie könne nicht gehen und werde noch etwas bleiben. Wir durften nicht zögern, oder der Obrist hätte uns stehen lassen, vier Häuser, einen Garten und alles Eigentum, darunter auch viel Geld, mußten wir mit dem Rücken ansehen; keiner von uns hatte einen Pfennig bei sich oder auch nur ein gutes Kleid auf dem Leibe. Am schmerzlichsten aber war es mir, meine geliebte Mutter zurücklassen zu müssen, von der ich nicht weiß, wo sie hingekommen ist. Wie wir nun in dem großen Getümmel mit dem Obristleutnant an das Sudenburger Tor gelangt waren, – es war so nach 2 Uhr – da sollte weder Bürger noch Bürgersfrau aus der Stadt. Unser Beschützer aber redete in fremder Sprache mit der Schildwache, daß er mich hinausbrächte, und ich nahm meinen Sohn Simon mit mir. Da mußten meine Frau und ich abermals von einander scheiden. Sie und die übrigen Kinder wurden in ein Haus am Tore gewiesen, in welchem schon viele Frauen von Adel untergebracht waren. Es war mit einer Wache besetzt, und Tilly selbst hielt mit seinem Pferde davor, wir verabredeten, uns in Quedlinburg wieder zusammenfinden zu wollen. Der Obristleutnant versprach, meine Frau und die Kinder des anderen Tags zu holen, setzte aber hinzu, wenn wir zu lange machten, dann müsse ich auch zurückbleiben. Da trieb mich meine Frau zur Eile, denn sie fürchtete noch immer, ich könnte niedergemacht werden, weil sie überall so viele Tote liegen sah. Durch das Gedränge kam ich mit meinem Sohne glücklich aus dem Tore, indem ich mich stets an des Obristleutnants Pferde hielt. Die Musketiere draußen waren alle toll und voll, hatten große vergoldete Becher und andere Beutestücke in Händen und riefen: »Haut den rebellischen Schelm nieder!« aber der Obristleutnant verteidigte mich wohl. Als wir nach Kloster Bergen kamen, vermochte ich kaum noch einen Schritt zu tun, denn es war ein sehr warmer Tag. Hier hatte unser Retter eine Kutsche mit sechs Pferden stehn; er setzte sich hinein, nahm mich und meinen Sohn zu sich, und fuhr mit uns nach seinem Quartier, das im Dorfe Dornitz war, eine halbe Meile von Calbe und viertehalb Meilen von Magdeburg. Letzteres sahen wir bei unsrer Abfahrt in vollen Flammen. Ungefähr um 8 Uhr kamen wir an. Unser Obristleutnant nahm uns mit in seine Stube; wir mußten mit ihm und seinen Offizieren speisen, und er legte meinem Sohne und mir zu essen vor mit den Worten: mein Trauern könne mir doch nichts helfen; ich solle mich zufrieden geben und Gott danken, daß ich mein Leben davon gebracht. Unterdessen besah er meine vergoldeten Becher, die er zu seinem Anteil bekommen hatte, fing an, aus ihnen auf Tillys Gesundheit zu trinken, und ich mußte, ohne mich weigern zu dürfen, ihm Bescheid tun. Am andern Tage holte unser Retter meine Frau und die übrigen Kinder, und erst, als wir alle in Quedlinburg wieder zusammentrafen, fühlten wir uns vollends geborgen.
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