Ruth Storchs Erinnerung an den Beschuss Hohenwarthes durch die Amerikaner und flüchtende Wehrmacht
Erinnerungsbericht von Ruth Storch, geb. Schulle, Jg.1933, aufgeschrieben am 9.11.2010 von H. Menzel
„Als die Amerikaner in Glindenberg waren und von dort Hohenwarthe beschossen wurde, hatten viele Hohenwarther Schutz im östlichen Kanalbrückenwiderlager gesucht. Als der Artilleriebeschuss wieder aufhörte, und man diesen Schutzraum wieder verlassen wollte, saß man in einer Falle. Amerikanische Scharfschützen hatten auf dem westlichen Widerlager Stellung bezogen und schossen auf alles, was sich hier bewegte. Dabei wurde auch Herr Krietsch erschossen. Der wollte unbedingt raus. Mit einer weißen Fahne in der Hand verließ er den Schutzraum. Die Amis dachten wohl, dass es ein Wehrmachtsoldat sei und schossen auf ihn. Tödlich getroffen brach er draußen zusammen. Unmittelbar vor dem Beschuss wurden alle Einwohner aufgefordert Hohenwarthe zu verlassen, da jetzt mit scheren Kämpfen zu rechnen sei. Viele Einwohner verließen das Dorf zu Fuß. Andere fuhren auf Fahrzeugen (Traktorengespanne) bis nach Pietzpuhl. Auf dem Schloss war der Sammelpunkt für mehrere Tage vorgesehen. Dort wurden wir von der Schlossherrin v. Wulffen versorgt. Mehrere Familien teilten sich jeweils ein Zimmer im Schlosse. Die Schlossherrin, in ihren Reithosen, kümmerte sich um alles persönlich. Doch die Entfernung bis Hohenwarthe gönnte uns nicht lange Ruhe. Die Amerikaner schossen nun mit schwerer Artillerie bis nach Pietzpuhl. Luftbeobachter hatten den Füchtlingszug bis hier her verfolgt und die Koordinaten an die Artillerie durchgegeben. Als die Russen immer näher rückten, sind unzählige deutsche Soldaten vor ihnen zur Elbe geflohen, um hier in amerikanische Gefangenschaft zu gehen. Ich vergesse das Bild der vielen Verwundeten Soldaten nicht, die aus dem Burger Krankenhaus hier her gebracht wurden, auf Krücken, mit amputierten Beinen, Kopfverbänden, Armschienen usw. Sie kamen in Scharen gegen Abend des 4. Mai. Es kamen aber nicht mehr alle rüber. Einige Hohenwarther hatten noch einen Kahn, der an einem Seil auf der Elbe hin und her pendelte, um Flüchtlinge und Verwundete auf das andere Ufer zu bringen. Doch bereits am nächsten Tag war auch das nicht mehr möglich. Der Russe war da. Unser Ortspolizist Golz und der Ortsbauernführer Warthenberg hatten es noch geschafft, den Russen nicht in die Hände zu fallen. Sie wurden am anderen Ufer gleich von den Amis in Empfang genommen und abgeführt.“
Anmerkung Menzel: Es handelte sich nicht um die Schlossherrin sondern um die Frau des Gutsinspektors, die, als die Rote Armee heranrückte, über die Elbe zu den Amerikanern flüchtete.
Wehrmacht in Hohenwarthe verschanzt -Aus der Erinnerung von Ruth Storch-
Aufzeichnung des Zeitzeugengesprächs von Helmut Menzel, 9.11.2010
„Als die Amerikaner bereits Glindenberg erreichten, hatten sich Wehrmachtsoldaten in und um Hohenwarthe zur Verteidigung der Elblinie verschanzt. In unserem Dorf hatten die Soldaten noch gefeiert und viele waren betrunken. Ein betrunkener Soldat fuchtelte mit der geladenen Pistole herum, als er durch die Dorfstraßen torkelte. Die Bewohner waren verunsichert und riefen den Dorfpolizist Golz. Er sollte für Ruhe und Ordnung sorgen. Auf der Hauptstraße stand der betrunkene Soldat bei Funkes und auf der anderen Straßenseite Golz. Auch der Dorfpolizist Golz wurde von ihm mit der Waffe bedroht. Da sich die Situation immer mehr zuspitzte schoss ihm Golz durch die Schulter und machte ihn dadurch Handlungsunfähig. Anschließend brachte man den Verwudeten ins Krankenhaus Lostau. Was wird aus dem betrunkenen Soldaten geworden sein? Als der Beschuss auf Hohenwarthe einsetzte, rückten auch unsere Wehrmachtsoldaten vorerst ab. In der Bäckerei hatten auch deutsche Soldaten gearbeitet. Die rückten nach Stegelitz ab. Meine Mutter fuhr auch nach Stegelitz, um für uns dort Brot zu organisieren. Sie kannte ja die deutschen Soldaten der Militärbäckerei. Auf dem Weg dort hin heulten die amerikanischen Granaten dicht über sie hinweg. Sie sprang vom Fahrrad in den Graben. Ich war mit den anderen bereits nach Pietzpuhl evakuiert. Als es ruhig war, lag ich dort im Schlosspark im Liegestuhl. Doch dann kam Ruf: Ab, rein ins Haus! Die Amis fangen wieder an zu schießen. Jetzt schlugen Granaten auch vor und in Pietzpuhl ein. Als wir von Hohenwarthe nach Pietzpuhl flüchteten, sind wir über die Mösersche Brücke, die über die Autobahn führt, gefahren. Wir saßen auf einem Anhänger, der von einem Traktor gezogen wurde. Der weg führte durch Schermen hindurch.“
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Zeitzeuge Reinhold Neumann, geboren am 24.7.1926 in Hohenwarthe Interview mit H. Menzel Frühjahr 2012 im Burger Pflegeheim
Als ab 15.4.1945 der Beschuss Hohenwarthes begann flüchteten viele Bewohner nach Pietzpuhl. Gustav Dedens wurde dabei schwer verwundet und erlag seinen Verletzungen im Lazarett Burg. Fritz Köppe,der auf Genesungsurlaub zuhause war, er war bei der Marine, und Heinz Barbelzek, damals erst 15Jahre alt, und Hermann Schulle waren auch mit dabei. Die sind morgens mit einem Trecker losgefahren, über die Autobahn nach Pietzpuhl. Auf dem Weg wurden sie,wie einige andere Trecks, von Tieffliegern angegriffen und beschossen. Bis auf Hermann Schulle sind alle hier genannten ums Leben gekommen. Auch das hatte ich später von meiner Mutter und Schwester erfahren.
Als ich nach Kriegsende wieder zuhause war hatten die Russen unten an der Elbe eine hölzerne Behelfsbrücke errichtet. Das Holz dafür hatten sie wohl in Kürzauer Forst geschlagen. Diese Brücke wurde aber bald wieder entfernt da sie die Elbe vollends sperrte. Die Amerikaner bauten eine viel größere Behelfsbrücke damit der Verkehr auf der Elbe wieder erfolgen konnte. Später rollten sogar amerikanische Panzer über diese Brücke Richtung Berlin. Es kam auch öfters zu schweren Unfällen auf dieser Brücke. Einmal stürzte ein amerikanisches Fahrzeug seitlich von der Brücke in die Elbe. Die hatten nochmal Glück gehabt und schrien um Hilfe. Schließlich konnten sie sich ans Ufer retten. Ein russisches Fahrzeug hatte nicht so viel Glück. Die Insassen ertranken oder starben durch den Aufschlag auf eine Landzunge. In Pietzpuhl war durch die Russen nach dem 5. Mai 1945 der Gutsinspektor Klaus Brauer von russischen Soldaten erschossen worden. Es ging das Gerücht dass der alte Herr von Wulffen erschossen worden sein soll. Das kann aber nicht sein, denn der alte Wulffen war von den Russen nach Torgau in ein NKWD- Lager verschleppt worden. Der Herr Dietz von Elbschlösschen Hohenwarthe war auch dort, ebenso wie mein Onkel, der 1959 hier in Hohenwarthe in Freiheit verstarb. Mein Onkel hatte mit dem alten Wulffen früher einen Streit um ein Stückchen Land. Hier in Torgau hatten sie nun viel Zeit und sprachen öfters über diesen Streit und söhnden sich schließlich aus. Mein Onkel kehrte bald wieder nachhause und berichtete dass er sich mit dem Wulffen in Torgau ausgesöhnt habe und wenn dieser auch wieder zuhause sei könne alles endlich geregelt werden. Doch von Wulffen kehrte nicht wieder zurück. Keiner weiß was aus ihm wurde. Möglicherweise ist der im Lager wohl am Altersschwäche oder Erschöpfung verstorben. Als die Russen nach Pietzpuhl kamen waren es zuerst kirgiesische Reiter. Später sollen andere Truppen da gewesen sein. Dass der Gutsinspektor Brauer von Russen erschossen wurde, berichtete mir dessen Sohn mit dem ich befreundet war, später:“ Vatern haben die Russen erschossen.“ Möglicherweise hatten dort die Fremdarbeiter den Inspektor und auch den alten Wulffen denunziert.
Anmerkung Menzel: Es gibt verschiedene Zeitzeugenaussagen. Eine ältere, nach dem Kriege aufgeschriebene, will wissen, dass Lothar v. Wulffen von Russen oder Fremdarbeitern ermordet worden sei und ganz in der Nähe des Schlosses im Wald verscharrt wurde. Geklärt konnte das nie werden. Nachforschungen Hanno v. Wulffen in Torgau und anderen ehem NKWD -Stellen ergab unter diesem Nanen in den Haftregistern keine Einträge. Der letzte obige Zeitzeugenbericht bringt etwas Klarheit. Weshalb in den Registern kein Eintrag zu finden ist, darüber läßt sich nur spekkulieren. Für den Mord könnte also auch der Gutsinspektor als Opfer in Frage kommen. Interessant erscheint auch, dass in der Ortschronik von Pietzpuhl nichts davon geschrirben steht. Der hier abgebildete Text ist alles , was die Gemeinde zum Kriegsende zu berichten weis.!
69. Armee 5.-6.Mai 45 Die Truppen der Armee stellten am 6.5.45 die Ordnung bei Personal, Bewaffnung und Technik her und bauten die eingenommenen Positionen aus.
68.тор – konzentriert sich im Wald 2km östlich Stegelitz 33.TTP – erreicht den Raum Piezpuhl (7km südlich Burg)
Die Lage der übrigen Verbände der Armee ist unverändert.
7.5.45 33.TTP – ging aus dem Bestand der Armee in die Reserve der Front und rückte aus Pietzpuhl ab.
8.5.45 69. Armee Die Truppen der Armee haben am 8.5.45 die Ordnung an Technik und Bewaffnung hergestellt und Exerzierbesichtigung der Truppenteile durchgeführt. Mit einem Teil der Kräfte wurden Wälder und Ortschaften der eingenommenen Räume durchkämmt. Die Lage der Truppen der Armee ist unverändert. Aus dem Kriegstagebuch der 1. Belorussischen Front, Tagebuch im Militärarchiv Podolsk
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Zur Ergänzung: Vermutlich am 28. Mai 44 ? wurde ein abgesprungener US-Flieger an der Straße Richtung Wörmlitz erhängt; ob gelyncht oder postmortem ist unklar. (Ersteres wahrscheinlich, nimmt man die Anzahl der Übergriffe in der Region.) Pietzpuhl ist zwar der nächste Ort, das Gelände gehört aber zur Gemarkung Schermen, also hing der bedauernswerte Kerl weiter dort, weil in P. keiner einsah, ihn zu bestatten und die Schermener ihn nicht wollten.
Am 11. 09. 44 stürzte eine B-24 J (42-50989) auf die Gemarkung von P. . Von den Überlebenden wurden drei im Stegelitzer Forst erschossen. Einer, 1st Ltn. Yaus, David, (Bombardier) wurde im Wrack von Pietzpuhlern aufgefunden und auf dem Friedhof bestattet. Später erfolgte durch US die Umbettung.
Zu Lothar von Wulffen und Dajo von Wulffen: soweit mir bekannt, ist Lothar v. W. ohne Urteil verschleppt worden und im April 1946 in einem Lager verstorben. Von Dajo v. W. Schicksal habe ich keine genaue Kenntnis, wo und wie er umgekommen ist. Dem Gerücht nach im Park von den Russen ermordet.
In dem Gebiet zwischen P und dem Ausweichlandeplatz könnte es noch zu kleineren Gefechten gekommen sein. Entsprechende Funde habe ich bei Waldarbeiten gemacht.
Hallo AGO Scheer, worauf beruhen diese Angaben? Von Lynchungen hatte ich in um Pietzpuhl bisher nicht gehört, und die umfangreiche Chronik von P ist ohnehin sehr dürftig, was diese zeit betrifft. Da kommt nichteinmal der mögliche Mord an Lothar oder des Verwalters drin vor. Wie auch immer, hier ist der Platz, wo sich die Dinge bestätigen können oder aber Legenden ausgeräumt werden können. Magado
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