Dr. Manfred Gleiche, Jg. 1931, Ankerstr. 1, MD. Interview durch H. Menzel
Kindheit/HJ. Die Neustädter gehörten zum HJ-Baun? (Bund) 26 im Franke-Jugendheim MD. MG. gehörte in Neustadt zum Fähnlein 11. Besucht hatte ich zunächst die 15. Gemeindeschule Umfassungsstr. . Ab 1941 W.-Raabe-Schule .Aufnahme in HJ 1941 20.4. (Jungvolk). Die Eltern mussten die Uniform besorgen. Dann wurde ich Jungschaftsführer zum Schluß. Als Hordenführer bekam man noch einen Winkel auf dem Ärmel. 1943 im Dezember wurden wir wegen der zunehmenden Bombenangriffe in ein KLV-Lager verlegt (Kinder Land Verschickung) nach Barby. Das klingt zunächst nach Ferien, in Wieklichkeit war es so etwas wie ein HJ-Lager. Die Leitung oblag zwar formell unseren Lehrern aber die HJ hatte einen erheblichen Einfluß. Wir machten Dienst, mussten marschieren usw. Wir bekamen eine vormilitärische Ausbildung, waren aber nicht bei der Flak (Luftwaffenhelfer). Ich war damals erst 13 Jahre alt. In Barby kamen dazu wehrunfähige Soldaten, die mit uns Ausbildung machten (am Karabiner). Beim marschieren schlug der Kolben mir immer an die Wade, so groß waren die für uns. Schon im Jungvolk waren Geländespiele an der Tagesordnung. Jetzt brauchten wir nur noch das Schießen lernen. Meine Eltern brachten gegenüber dem Auftreten und gegenüber den Uniformen der Nazis immer Unbehagen zum Ausdruck. Die Not war groß. Vater war „Arbeitslos“, nur immer von Kurzarbeit etwas verdient, keine schöne Zeit. 1934 begann die Wiederaufrüstung und so fand mein Vater bei Krupp wieder Arbeit, da er Schlosser war. Von da ab merkten auch viele andere, dass es aufwärts geht. So ging mein Vater auch in die NSDAP. Zuvor war er aber im NSKK als Kraftfahrer. So wurde ich schließlich auch im NS-Sinne erzogen…. So war ich dann auch gern im Jungvolk. Als wir dann in Barby waren, und der Drill hart wurde, da stand mir das alles auch bis oben hin ….! Am 11.4.1945 wo Feindalarm kam, kam ich wieder nach MD. Luftangriff: In der Neustadt hatte ich nur einen Luftangriff miterlebt, weil ich ja in Barby in KLV-Lager war. Da waren wir in der Moritzstr. In einem Hauskeller, als die Neustadt bombardiert wurde. In der Ritterstraße wurde ein Gebäude von Hauswaldt getroffen. Das war der nächstgelegene Treffer den wir im Keller deutlich verspürten In unserem Keller lagen wir alle auf dem Fußboden. Aber Einschläge waren auch in der etwas weiteren Entfernung noch zu hören. Man fühlte sich im Keller ausgeliefert. Auch in Barby habe ich diese schlimmen Erlebnisse gehabt, als dort ein Bombenteppich gelegt wurde, am westlichen Rand des Ortes, da lagen wir alle auf dem Fußboden des Kellers. Man hatte das Gefühl als ob die Erde in den Bauch gestoßen wird. Wir zitterten. Hinterher schauten wir uns den Bombenteppich an, da war dann ein Trichter neben dem anderen. Da kam ein Uniformierter der Partei zur Besichtigung. Wie fanden auch die abgeworfenen Zusatztanks aus Pappe. Der Parteimensch schwang gleich überhebliche Reden: „Da kann man sehen, die Amis haben nicht einmal mehr Blech, jetzt sind die Tanks nur noch aus Pappe!“ 11.4.45 war Feindalarm und ich war von Barby aus wieder in MD. 17.4.45 Die Lübecker Str. war schon damals mit Robinien bewachsen. Da, wo die Stadtsparkasse ist war auf dem Radweg ein MG-Nest aufgebaut, mit einem MG dass von einem Uffz. Bedient wurde. Der war zunächst allein, dann kam noch ein Schulfreund von mir mit dazu. An diesem Tag gab es einen rollenden Luftangriff. Wie hockten im Bunker. Aber der stundenlange infanalische Motorenlärm mit Schüssen und Einschlägen war draußen zu hören. Ich bin aus dem LB auf den Nicolaiplatz südseite auch nicht wieder raus gekommen, den die Kampfhandlungen waren schon im Gange. Ich bekam Bauchschmerzen. Um in den anderen nördl. Bunker zu kommen, wo ein Chirurg war, bin ich in der Nacht aus dem Südbunker gekommen. Da pfiffen mir Gewehrkugeln um die Ohren. Da bin ich sofort wieder in unseren Bunker zurück. Erst am kommenden tag ging ich dann wieder raus. Alles war rauchig, mit Staub bedeckt und am Nicolaiplatz brannten noch Häuser. Aber es schien die Sonne. Die Straßenbahnoberleitungen waren heruntergerissen. Die GI. Fuhren mit ihren Autos auf der Straße. Unser Haus war zwar beschädigt, aber es stand noch. Als wir die Wohnung betraten, sahen wir, dass die Amerikaner schon in der Wohnung drin gewesen waren. Die hatten auf dem Staub ihre Fußabdrücke (Schuhwerk ist hier sicherlich gemeint) hinterlassen. Dennoch war ich froh, endlich wieder in einem richtigen Bett schlafen zu können, auch wenn die betten völlig verstaubt waren. Aber in der Nacht begann die Schießerei der Artillerie ins ostelbische Gebiet ab 18./19.4. das ging dann jede Nacht so. Man konnte vom Fenster auch in der Nacht das Mündungsfeuer sehen. Die schossen mit richtiger Artillerie aus Richtung Ebendorf. Dieses Schießen, nur die Abschüsse waren zu hören. Und dennoch lag ich im Bett mit den Gedanken: „Mich geht das alles nichts mehr an!“ Aber nach dem 18.4. bin ich auf dem Boden des Hauses gestiegen. Auf dem dach fehlten überall Dachziegel. Von hier aus konnte ich den Beschuss der Innenstadt sehen. Jabos flogen auch an diesem tag noch über die Innenstadt. Als Artilleriebeobachter kam von Süden herüber ein leichtes Flugzeug das wir damals „Hummel“ nannten. Die drehte über Neustadt und flog Richtung Industriegelände, mehrmals am Tage. Wenn ich mal von Barby aus auf Urlaub zu hause in Neustadt war, erlebte ich ja die Vor-und Fliegeralarme. Schon bei Voralarm strömten die Neustädter in ihre Bunker. Das war ein Zellenbunker. Jede Familie hatte ihren angestammten Platz. In den Zellen standen Doppelstockbetten. Alles war sehr eng. Wie standen immer in den Gängen und unser Nachbar Schmidt auch. Einmal war ich in den riesigen tiefen keller der Diamantbrauerei gegangen. Da kann man von außen über eine Holztreppe runter. Da waren auch viele Menschen. In die Bunker durften keine Ausländer rein. Es war Fliegeralarm. Da kam ein LKW, wohl von Junkers, der brachte die Leute (Fremdarbeiter), nach außerhalb. Ein kleiner Junge der nicht mehr rauf gekommen war, flitzte hinterher und hielt sich hinten am LKW fest und kam da nicht hoch. Zum Teil sind die auch in den Vogelgesang (vermutlich ist hier der Klang der Sirene gemeint) raus gelassen worden. Da waren bei einem Luftangriff auch etliche umgekommen. Fahrt 1944 17.Juni von Barby über Schönebeck mit Wehrmachtsauto nach MD. Wie kamen etwa an der Fauhmannstr. Nach MD rein, links abgebogen, Richtung Flugplatz Süd. Von da aus sind wir die Leipziger Straßen entlang gefahren und stoppten an der Einmündung Halberstädter Straße wegen der Trümmer. Überall dicker rauch. Wir konnten kaum noch gucken. Wie mussten absitzen und sind dann durch die Trümmer, Rauch und herunterhängende Oberleitungen, Richtung Innenstadt marschiert. Wir erreichten die Gegend am Weinhof wo wir eine Straße frei räumen sollten. Das war eine sinnlose Arbeit, denn mit bloßen Händen war das nicht zu schaffen. Im Papenhof haben wir die Nacht verbracht und am nächsten Tag ging es zurück nach Barby. Auf dem Papenhof gelanten wir durch eine kleine Durchfahrt die von einer Pergola überbrückt war. Hier sollten wir aus den Häusern wo schon die Dachstühle brannten, Möbel heraus holen. Wir stellten ein Sofa auf den Hof, dann weitere Gegenstände auf das Sofa, doch der starke Funkenflug von den Dächern und brennende Dachpappe ließ diese Sachen auch in Flammen aufgehen. Inzwischen war es Nacht. Die Rauchentwicklung wurde unerträglich und sehen konnten wir auch nichts mehr. So gaben wir auf. Schließlich hatten wir Sorge den Rückweg nicht mehr zu finden. Durch einen Durchschlupf fanden wir den Weg ins Clacis und von dort ging es zum Franke-Jugendheim, wo wir auf unseren Abtransport warteten.
Brabag 1945 war die Brabag zerstört. Mein Vater war vom Kruppwerk aus verpflichtet worden die Brabag zu säubern vom Trümmerschutt und zum Neuaufbau. Auch meine Mutter musste da arbeiten (Aufbauarbeiten). Manchmal musste auch ich Sonntags dort arbeiten. So sollten wir einmal einen Kabelschacht ziehen, durch ein vorheriges Trümmergelände, voll mit Eisenteilen usw. Das war eine riesige Quälerei. Es mussten Rohre beiseite geschafft werden usw. Irgendwann war die Brabag wieder aufgebaut und produzierte wieder Benzin. Das wurde auch ganz groß bekannt gegeben als echter Erfolg nach dem Krieg. Dann fand eine Belegschaftsversammlung statt im Gloria-Filmtheater, wo auch ein russischer Offizier anwesend war. Da wurde von Arbeitern gefragt: “Wir haben gehört, die Brabag wird demontiert?“ Antwort: „Davon ist mir ja überhaupt nichts bekannt….!“ Viele dachten dann, na dann wird ja alles in Ordnung. Es dauerte auch nicht lange, da wurden an alle Aggregate und Leitungen Zahlen/Buchstaben angeschrieben in der Brabag. Dann wurde die Brabag mit russischen Posten umstellt und die Demontage als Reparationsleistung begann. Die Demontage erfolgte durch die unterschiedlichsten Leute, die von überall herbeigeholt wurden, Friseure, Landwirte, Arbeiter usw. So waren auch die Unfälle enorm. Die Teile auseinander gesägt wurden auf Güterwaggons geladen in Rothensee. Große Kessel wurden Wellenförmig zerschnitten. Nach der Demontage war das Gelände wüst. Gegenüber der Brabag war Giesches Erben Zinkhütte dran. Da war auch ich mal im Einsatz zur Demontage.
Sperrballons standen einst um die Brabag herum, aber auch an der Ebendorfer Chaussee/Barleber Chaussee, wo heute die Wohngebiete sind. Die Sperrballons bedienten Frauen.
E N D E
Teddy
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Interessanter Bericht. Sperrballons? Wofür sollten die denn sein? Weit entfernt von den Besatzungsgrenzen. Hatte man Angst vor Luftangriffen der westlichen Alliierten? Wäre interessant eine Antwort zu finden.
Bevor die Ami’s kamen ( nach MD hinein kamen) – einzelner GI Wein trinkend in der Fallerslebener Straße, Frau versorgte ihn mit Wasser, SS-Streife soll die Frau dann noch dafür erschossen haben. US-GIs in Schützenlinie über die Bahn, Schützenlöcher in Gärten an der Bahn 3 US-Soldaten vergewaltigen die Mutter des Herrn Gabriel.
nördlich der Steinkopfinsel am Mittellandkanal zwischen Havelstraße – Saalestraße –August Bebel –Damm bis Portola mehrere Lager (Ostarbeiter) ganzes Gebiet heute Praktiker/Bauhaus usw.
Anmerkung: Den Weintrinkenden GI gabs wirklich! In einem Bericht des 120. UD IR wird berichtet, dass sich der Soldat.............. bei einer Patrouille zur Erkondung der HKL in Rothensee von seien Kameraden getrennt hatte. Die beiden anderen verständigten sich, dass ihr Kamerad sturz betrunken sei und einfach (Richtung Neustadt) weiter lief.... Was werden wir im Stab davon berichten??? Ob der wieder zurück kehrte wird im Bericht nicht beschrieben. Es ist mal wieder so ein Beispiel, wo sich der Kreis durch ZZ schließt.
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