17. April 1945: Magdeburger Zeitzeugen erinnerten sich „Dieser 17. April 1945 brachte noch einmal das ganze Grauen des Luftkrieges über unsere Elbestadt. Sechs schwere Bomben fielen auf die Maschinenanlage, den Hauptverteiler im Fernsprechamt, das Verstärkeramt.“, berichtete bereits 1965 Herr Sch., der damals im Fernsprechamt tätig war. „Im Gebäude waren über 100 Personen, meist Frauen.“ Gegen Mittag war er noch einmal draußen auf dem heutigen Universitätsplatz. „In dem Augenblick schlugen mehrere Bomben gleichzeitig ein, Tote und Verletzte lagen auf der Straße.“ Tote und Verwundete gab es auch vor dem Hochbunker an der Fürstenstraße und am Strombrückenbunker, weil diese Schutzräume nicht mehr rechtzeitig erreicht wurden. Frau M. war an dieser Stelle: „Rings um den Bunker war eine Kraterlandschaft von den Einschlägen her. Vor dem Hochbunker wurden Akten verbrannt. Tiefflieger schossen auf einkaufende Frauen.“ Tieffliegerangriffe erfolgten auch auf den Befehlsbunker am Nordpark. Hermann P. aus der Arndtstraße, bekam zu diesem Zeitpunkt einen Anruf aus der Seecktkaserne: „Ein amerikanischer Parlamentär war hier. Er hatte schon anderthalb Stunden auf dem Korridor gewartet, wurde aber vom Kampfkommandanten nicht empfangen. Als er ging, sagte er: „Na schön – mir tut nur die arme Zivilbevölkerung leid…“ Die Luftangriffe hielten danach Stunden lang an. Herr N. hatte sie so beobachtet: „In halbstündigen Abständen flogen die Fliegerstaffeln aufeinander. Der erste Angriff galt der Otto-von-Guericke-Straße, die zweite Welle traf den Magdeburger Hof und das City-Hotel, die dritte Welle richtete ihren Angriff auf die Schrotekaserne, wo vor allem Munitionslager in die Luft gingen. Die vierte Welle zielte dann auf den heutigen Universitätsplatz.“ Danach war Ruhe. „Ab 18.00 Uhr verdichteten sich die Meldungen, dass die Amerikaner mit dem Vorstoß in die Innenstadt begonnen hatten.“ In Salbke wohnte Adalbert G.: „Die Amerikaner zogen ihre Panzer aus den Straßen wieder heraus, die Masse von ihnen fuhr zum Kienwäldchen zwischen Westerhüsen und Welsleben. Dann kamen amerikanische Bomberstaffeln und warfen Bomben auf die befestigten Ausgangspunkte der Stadt um das Straßenbahndepot Buckau herum, in der Großen Diesdorfer Straße, in der Halberstädter Straße und auf den Aschenberg von Krupp.“ Er berichtete weiter: „Gegen 13.00 Uhr wurden auf dem Bahnhof Buckau Munitionszüge von der Wehrmacht gesprengt. Faustgroße Steine flogen bis zu unseren Häusern.“ Näheres darüber wusste Georg B.: „Am Verwaltungsgebäude des Bahnhofs Buckau lagen schon die Amerikaner, hinter dem Stellwerk lagen zwanzig bis dreißig Wehrmachts-Infanteristen in Stellung. Am 17. April erschienen deutsche Offiziere und Soldaten und bereiteten Sprengungen vor. Viele Züge standen auf dem Bahnhofsgelände, meist mit Lebensmitteln beladen. Es hatte hier schon Plünderungen gegeben. Dann flogen drei Munitionszüge in die Luft, vier Stunden hielten die Explosionen der Munition an, die auch viele andere Züge vernichtete.“ „Sechs schwere Bomben fielen auf die Maschinenanlage, den Hauptverteiler im Fernsprechamt, das Verstärkeramt“, erzählte Herr Sch., der damals im Fernamt tätig war. „Im Gebäude waren über 100 Personen, meist Frauen. Gegen Mittag war ich noch einmal draußen auf dem heutigen Universitätsplatz. In dem Augenblick schlugen mehrere Bomben gleichzeitig ein, Tote und Verletzte lagen auf der Straße.“ G. P. aus der Faulmannstraße, die damals bereits seit einigen Tagen von den Amerikanern besetzt war, erlebte diesen Angriff so: „Morgens forderten uns die Amerikaner auf, in die Keller zu gehen. Zwei Stunden lang fielen dann Bomben auf Buckau und Sudenburg. Das reichte ihnen aber wohl noch nicht, denn gegen 12.00 Uhr begann ein neuer Angriff, der bis gegen 15.00 Uhr dauerte. Die letzten Flugzeuge luden ihre Bomben über Westerhüsen ab. Wir hatten Nordwestwind, der trieb die Wolken aus der Stadt zu uns heraus, so dass wir schlechte Sicht hatten. Wir hörten nur starke Explosionen, auch unsere Häuser wurden beschädigt…“ Von den Ereignissen im Stadtkern am Vormittag und Mittag dieses Tages berichtete Herr Sch., der sich damals im Gerichtsgebäude in der Halberstädter Straße befand: „Von früh 7.00 bis 13.00 Uhr gab es Artilleriebeschuss und Fliegerangriffe auf den damaligen Justizpalast. Gegen 13.00 Uhr kam ein besonders starker Luftangriff. Fürchterlich waren die Bombeneinschläge, die Luftschutzdecke hob sich eine Handbreit, fiel herunter, und blieb glücklicherweise unbeschädigt. Die Türen sprangen auf, und eine Staubwolke zog in den Raum. Es gab Panik, die 200 Menschen in dem Luftschutzbunker stürzten schreiend ins Freie. Das war gefährlich, denn es kamen noch mehrere Angriffe, aber sie richteten nur noch Gebäudeschäden an. In der Halberstädter Straße lag ein großer Trümmerhaufen. Der linke Turm des Justizpalastes und das Mittelportal waren zerstört, Sandsteinblöcke versperrten die Straße, die Häuser gegenüber brannten lichterloh.“ Frau W. aus der Ottersleber Straße war an diesem Tag gegen 10.00 Uhr unterwegs, um Brot zu kaufen. „Da kamen mir aber Leute entgegen und riefen mir zu, ich sollte schnell Schutz suchen. Wir liefen über den Acker und kauerten uns hinter dem Bahndamm nieder. Dann krachte es auch schon, Haustüren und Fenster kamen durch die Luft geflogen. Auf der Ottersleber Straße war ein mächtiger Bombentrichter…“ Von den Ereignissen in der Neustadt berichtete Kurt H.: „Am 17. April drangen Amerikaner bereits bis kurz vor den Nikolaiplatz vor und verteilten sich dort auf die Häuser. Es kam noch zu einem langen Bombardement, weil dort SS gelegen hatte, bei dem Häuser, Schuppen und ein Holzlager in Flammen aufgingen.“ Familie Berfelde berichtete: „Am Sonntag, dem 17. April, in der Mittagstunde war ein besonders schwerer Luftangriff. Wir saßen gerade beim Mittagessen in unserer Wohnung in der Ackerstraße in Sudenburg, als plötzlich Luftminen und Bomben in unmittelbarer Nähe explodierten. Es war ein ungeheurer Krach und Druck in der Luft. Wir liefen die Treppe hinab, dabei fielen die Flurfenster aus ihren Verankerungen. Nach dem Angriff hatten wir auf der Vorderseite keine Fensterscheiben mehr. Wir waren aber alle unverletzt. Über dem Justizpalast standen Rauch- und Staubwolken. Glücklicherweise waren viele Bomben in die Gärten an der Klinke gefallen.“ Nach Osten absetzen! Diese Meldung entsprach den Tatsachen. Zum gleichen Zeitpunkt zogen sich die letzten Wehrmachtseinheiten über die Elbe zurück. Herr F. aus der Hagedornstraße war damals Sanitäter bei einer Einheit, die sich noch im Industriegelände befand. „Nach den Bombenangriffen des 17. April erhielten wir den Befehl, uns nach Osten abzusetzen. Der Regimentsstab rückte aus der Aktienbrauerei (in der Sieverstorstraße) ab. Unsere Kompanie ging durch die Gärten der Neustadt. Das geschah so schnell, dass wir mit den Verwundeten und den Tragbahren nicht folgen konnten. Darum gingen wir zum Nordparkbunker und meldeten uns dort bei einem Polizeimajor. Wie die Lage ist, das wissen wir auch nicht. Melden Sie sich bei der nächsten Rettungsstelle, erklärte er uns. Schließlich kamen wir zur Lukasklause. Dort befand sich eine Versprengten-Sammelstelle. Hier lag noch Volkssturm, er hatte schon zwölf Tote, aber sein Kommandeur war verschwunden.“ Ursula Fischer: „Zu diesem Zeitpunkt war ich 13 Jahre alt. Ich wohnte in der Schönebecker Straße 53. In diesem Haus war eine Gaststätte. Hier war zum Kriegsende der Volkssturm untergebracht. Es waren noch halbe Kinder im Alter von 15 bis 18 Jahren. Im Knochenpark, uns schräg gegenüber, waren zwei Flakstellungen und am Wasserwerk zwei Panzersperren aufgebaut. Da der Ami schon am Buckauer Friedhof stand und er nicht weiterkam, wurde ein Luftangriff angefordert. Dieser brachte so einiges Leid. Um unsere Wohnung waren dann fünf große Bombentrichter. Neben dem Haus der Fleischerei Langheinrich und uns gegenüber war ein Kindergarten, alle die dort Unterschlupf suchten, haben ihr Leben gelassen. Unsere Hauswand wurde ebenfalls zerstört und wir konnten vom Luftschutzkeller aus den Himmel sehen. Wir kletterten über die Trümmer, um im Nebenhaus Nr. 52 (Bäcker Butz) Schutz zu suchen. Aber auch dieses Haus bekam etwas ab, ebenso ein anschließendes Haus in der Neuen Straße, das die ganze Neue Straße versperrte. Wir mussten uns eine neue Übernachtung suchen, wir kletterten über diese Trümmer und kamen in der Schule in der ehemaligen Feldstraße (jetzt Karl-Schmidt-Straße) unter, wo am anderen Tag der Ami den Keller nach Soldaten durchsuchte. Wir bekamen dann in der Neuen Straße 9 von ausgesiedelten Leuten eine Wohnung zugewiesen. Vom Volkssturm hat wohl niemand überlebt. Außer den Befehlshabern, die beizeiten das Weite gesucht hatten. Von den Amerikanern wurde am anderen Tag mit Planierraupen alles glatt gemacht. In diesen Bombentrichtern wurden auch alle Leichen, die auf der Straße lagen, eingegraben, daher müssen noch einige Tote in dem damaligen großen Bombentrichter liegen.“ Peter Barczik: „Wir verbrachten eine Woche im Luftschutzkeller und gingen zwischendurch nur für wenige Minuten in die Wohnung. Auch unser Luftschutzkeller erhielt einen Bombenvolltreffer. Es war nur eine Frau in diesem Teil des Kellers, die glücklicherweise gerettet werden konnte. Außer den Bombenangriffen, die noch viele Tote zur Folge hatten, gab es Artilleriebeschuss. Mein Großvater starb dabei durch eine Artilleriegranate in Neustadt (Rothenseer Straße 2). Er hatte sich für einige Stunden in der Wohnung aufgehalten, weil er müde war und geschlafen hatte. Am 17. April haben uns die Amerikaner befreit.“ Am Nachmittag dieses Tages drangen amerikanische Truppen auch von Olvenstedt aus weiter vor. Frau B. vom Olvenstedter Platz sah dieses: „Gegen 17.00 Uhr kamen Amerikaner zu Fuß durch die Gärten. Auf der Olvenstedter Chaussee beseitigten sie eine Sperre aus einem mit Steinen vollgepackten Möbelwagen. In unserer Parterrewohnung bauten sie ein Maschinengewehr auf und schossen von hier aus in die Olvenstedter Straße hinein. Bei uns stand auch ein amerikanischer Granatwerfer und feuerte. Von dort schoss ein deutsches Geschütz zurück, Gewehrfeuer gab es auch von einer Sperre an der Ecke Olvenstedter Straße und der Stormstraße, wo der Volkssturm in Stellung lag. Drei Volkssturmmänner fielen dabei, sie wurden nach den Kampfhandlungen in einem Vorgarten an der Ecke Friesenstraße begraben. Die ganze Nacht hindurch hielt das Schießen an, erst am Morgen des 18. April rückten die Amerikaner in die Olvenstedter Straße ein.“ Zeitzeugenangaben aus Zeitungsbeiträgen, MNN Mai 1965, Stadtjournal, 12.4.1995, 15.4.2005
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Hannelore Ziorzik, geb. Schulze, wohnte 1945 an der Halberstädter Straße/Nähe Eichplatz in Groß Ottersleben: „Dann kam das Wochenende und plötzlich war in Ottersleben kein Ami mehr zu sehen. Das war am 17.4.1945. Gegen 11.00 Uhr begann plötzlich ein mehrstündiger Luftangriff auf Magdeburg. Vom Hof aus konnte ich sogar die Bomben aus den Flugzeugen herabfallen sehen. Nach dem Luftangriff rückten die Amis wieder heran und zogen mit der Panzerspitze auf der Halberstädter Straße auf Sudenburg zu. Der Bäcker neben uns am Eichplatz hatte einen polnischen Zwangsarbeiter als Gehilfen, den er oft schlecht behandelte. Jetzt, als die Amis da waren und dieser nun frei war, versteckte sich der Bäckermeister irgendwo in Ottersleben bis alles wieder ruhiger wurde.“ Hannelore Ziorzik, geb. Schulze, Augenzeugenbericht 28.2.2008
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Wilhelm Meißemann, Magdeburg-Sudenburg, erinnerte sich an den 17. April: „Nach dem Beschuss war unsere Grundstücksmauer aus Hohlblocksteinen wie ein Sieb durchlöchert. Unsere deutschen Verteidiger, die frischen Rekruten, hatten zunächst noch einen Granatwerfer auf die Bahnschienen gestellt und einige Probeschüsse in Richtung Ottersleben abgegeben, wo bereits die Amis waren. Die gingen dort in der Friedrichstraße in einem Bauerhof runter, was ich von unserem Haus aus gut beobachten konnte. Die Otterslebener hatten immer gedacht, dass dies Bomben oder Granaten der Amis gewesen seien. Das ist falsch. Es waren unsere eigenen Granaten. Ich hatte oben neben dem Offizier auf unserem Boden gestanden. Er wies die Granatwerfertruppe ein, mit links oder rechts usw. Deshalb konnte ich auch die Treffer genau sehen, da ich die katholische Kirche, und auch die Grundschule, in die ich gegangen war, von hier oben gut erkennen konnte. Dann rückten die Amis über die Ecke an, wo jetzt das Hansahotel steht, die war früher völlig unbebaut. Da konnte man bis zum alten Forst rüber schauen. Wie sollte dieser Ansturm aufgehalten werden? Da musste man sich besser selbst in Sicherheit bringen. So habe ich also unsere Volkssturmleute und Soldaten aus der HKL zurückziehen sehen. Irgendwo aus Richtung Ottersleben schallten Schießereien herüber. Als die Amis am 17.4.1945 ihren Sturmangriff auf Sudenburg begannen, rannte noch ein deutscher Oberleutnant von der Flak hier umher, mit einer MPi an der Hüfte. Der ist dann noch zu denen übergelaufen und hatte unsere Stellungen verraten. Die Soldaten waren plötzlich auch verschwunden. Sie sind wohl deshalb zurückgezogen worden. Da hab ich noch schnell unsere Hühner in einen Sack gesteckt, um sie vor den Amis zu verstecken. Nachdem mein Vater mit dem löschen der Brände auf dem Hof fertig war, Granaten hatten auch unser Haus und die Hofgebäude getroffen (durch Artillerie oder Panzerbeschuss), haben wir uns beide mit dem Sack mit den Hühnern in die Deckungslöcher gelegt. Ich sah wie die Granatfontänen auf dem Acker immer näherkamen, bis der Dreck auch in unsere Löcher fiel. Das muss aber die letzte Salve gewesen sein, sonst hätten sie wohl auch unsere Löcher getroffen. Die deutschen MG-Schützen, die jenseits der Brenneckestraße in einem Heuhaufen/Schober saßen, waren noch dort (vorgeschobener Posten). Die bekamen nun Angst, weil sich ihre Kameraden bereits nach Sudenburg zurückgezogen hatten. So rannte der erste MG-Schütze über die Brenneckestraße, als die ersten US-Panzer bereits oben an der Ecke standen und von dort die Brenneckestraße einsehen konnten. Als sich nun auch der zweite absetzen wollte, wurde diesem durch beide Kniegelenke geschossen und er brach schreiend zusammen. Er lag auf der Straße und jammerte, während sein Kamerad ihn einfach dort liegen ließ. Da zwischen uns und dem Verwundeten noch ein Garten lag und somit Deckung bot, ist mein Vater mit mir dort hin gekrochen. Die Zaunlatten waren an dieser Stelle zerbrochen. So konnten wir den Soldaten durch den Zaun ziehen und schließlich auf unseren Hof bringen. Im Keller wurde er versorgt. Als die Amis später auf unseren Hof kamen, haben sie den Soldaten als Gefangenen mitgenommen. Einen anderen HJ-Kameraden an der Straßensperre haben die Amis noch beim Schießen erwischt. Als die Mutter Kupel (Ackenbürger) im Hause in den Keller gehen wollte, stolperte sie über seine Leiche. Die Amis hatten ihn erschossen. Bei Siesdorf war das auch so. Die Hitlerjungs hatten dort noch sechs US-Panzer abgeschossen. Einen 16jährigen hatten die Amis noch erwischt und an Ort und Stelle erschossen.“ Zeitzeugeninterview zwischen Wilhelm Meißemann und Helmut Menzel, April 2009
Alfred Eichel aus Wolmirstedt erinnerte sich an seinen Kampfeinsatz in Magdeburg-Sudenburg: Der eigentliche Sturmangriff auf Magdeburg-Sudenburg begann ja am 17.4.1945 und da bin ich auch gleich an der Panzersperre Ecke Kroatenweg/Halberstädter Straße gefangen genommen worden. Wir standen hinter der Panzersperre. Auf einmal kam ein Feldwebel hinter der Ecke hervor und wurde mit MG-Salven empfangen. Wahrscheinlich von einem US-Panzer in Reichweite. Der Feldwebel warf sich robbend zurück, sprang auf und kam zu uns mit der Panzerfaust. Dann machte er sie schussbereit, sprang hinter unserer Sperre hoch, feuerte auf den US-Panzer, traf aber den Träger der Sperre. Einen von uns hatte es erwischt – Granatsplitter. Ich versorgte ihn mit meinem Verbandspäckchen, verband ihn im Liegen auf der Straße. Der Feldwebel wollte den Verwundeten ins Hilfslazarett zurückbringen. Da stand ein PKW in einem Hausflur. Er sprang rein, schloss das Fahrzeug kurz, fuhr im Schutz der Panzersperre heraus, lud den Verletzten ein und rollte auf der Halberstädter Straße Richtung Innenstadt davon. Er kam auch nicht wieder zurück. MG-Salven des amerikanischen Panzers schlugen immer etwa einen halben Meter zu kurz hinter uns ein. Unsere Panzersperre stand zwischen den Häusern. Links und rechts ein mit Schutt gefüllter Kastenverbau und in der Mitte war sie nur mit einem Stahlträger geschlossen. Da kam noch ein Panzer an. Auf der Straße lag ein Eisenbahnrad, dahinter hatte ich mich geworfen, um Deckung zu finden. Vom Panzer aus wurde ich mit einem MG beschossen. Die Geschosse trafen mich zwar nicht, aber sie knallten auf das Eisenbahnrad. Auch links und rechts Einschüsse. Dann schoss von uns aus das MG 42 auf den Panzer. Der US-Panzer setzte zurück und ich konnte hinter dem Eisenrad verschwinden. Als die Ami’s anrückten, war die Panzersperre noch geschlossen. Die Ami’s sind von der Seite gekommen und somit bestätigte sich, dass die Sperren keinen Sinn machten. Auch die Panzer umfuhren die Sperren. Wir saßen gerade im Keller. Nun sagte der Leutnant, Waffen aufnehmen und raus. Hier lassen wir uns kampflos gefangen nehmen. Draußen entbrannte ein Feuergefecht mit MG’s. Ich war in einem Hausflur mit dem MG. Auch auf der anderen Seite wurde mit MG geschossen, aber ich konnte nicht sehen, wo das war. So stand ich da und wartete. Da kam ein anderer deutscher Soldat in den Hausflur. Von wo wird denn geschossen? Ich konnte ihm das nicht beantworten. Da nahm er die Panzerfaust und feuerte dort hin, wo das MG sein könnte. Der Feuerstrahl hatte meine ganze MG-Munition zur Explosion gebracht. Wir sind dann ganz schnell in den Keller runter geeilt. Der Feldwebel hatte dort ein Mädchen gefragt, ob die mit einer weißen Fahne zum Ami gehen wolle, um ihnen zu melden, dass hier im Keller deutsche Soldaten sind, die nicht mehr kämpfen wollen und sich ergeben. Sie tat das, kam dann auch zurück und rief, kommt hoch. Oben sind wir fünf dann von elf GI’s in Empfang genommen und auf LKWs abtransportiert worden. In Oschersleben sind wir dann von den kleinen US-LKW’s runtergeholt und auf große LKW verladen worden. In Oschersleben blieben wir zusammengepfercht in der Sonne stehen. Ich hatte solchen Durst. Da bin ich einfach über die Planke geklettert, um Wasser zu holen. Da stand aber gleich der Posten mit Seitengewehr vor mir. Da kam ein Offizier an, und ich sagte, dass ich Durst habe. Auf dem LKW sprach ein Gefangener Englisch und rief, gib dem Wasser. Glücklicherweise nahm der amerikanische Offizier mich mit. Ich nahm aber viele Kochgeschirre von meinen Kameraden mit. Der Offizier füllte im Haus alle Kochgeschirre und Feldflaschen und gab sie mir zurück. Ich trank eines sofort aus und hielt es ihm wieder hin. Der Ami füllte auch das wieder und dann ging ich zum LKW zurück. So haben viele was zu trinken bekommen. Dann ging es weiter und überall, wo wir hinkamen, hieß es, es ist ein Durchgangslager, hier wird keine Verpflegung ausgegeben. Als wir in Hildesheim waren, wurde noch immer nichts gegeben. Dann in Rheinsberg hieß es, Verpflegung für heute ist bereits ausgegeben, Verpflegung gibt es morgen...“ Zeitzeugeninterview zwischen Alfred Eichel und Helmut Menzel, 28.1.2013
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Hans Adlung – aus dem Gedächtnis nacherzählt von seinem Sohn Günter Adlung: Im Laufe des Tages des 17. April rannten nach einem großen Luftangriff und anschließendem heftigen Beschuss aus Richtung Ottersleben, Wehrmachtssoldaten, Polizisten, SS-Angehörige und HJ-ler die Halberstädter Straße in Richtung Hasselbachplatz runter. Mein Vater stand an der Ecke Lemsdorfer Weg/Halberstädter Straße und konnte von dort aus alles beobachten. Zuvor hatten noch einige beherzte Männer – auch mein Vater – einige HJ-ler aus einem Schützengraben geholt, die wohl noch bis zum Endsieg kämpfen wollten. Sie wurden nach Haus geschickt. Die Waffen wurden ihnen abgenommen, was wohl nicht ohne ein paar deftige Ohrfeigen abging. Die Waffen und die Munition brachte man in die Kneipe Lemsdorfer Weg Nr. 5. Hinter den Fliehenden tauchten bereits die ersten Amis auf. Die schlichen immer an den Hauswänden entlang. Mein Vater war an der Ecke stehen geblieben und ist natürlich von einem Amerikaner angesprochen worden. Zusammen gingen sie ins Haus Lemsdorfer Weg Nr. 5, wo die Leute im Keller saßen. Auch die Waffen in der Kneipe wurden dem Soldaten gezeigt. Nach seiner Kontrolle und der Frage, ob sich Soldaten im Haus und Keller aufhielten, zog er wieder ab, aber nicht ohne meinem Vater klar zu machen, dass er sich nicht auf der Straße aufzuhalten habe – was dieser aber negierte als der Ami wieder weg war. Es hatte sich aber dort nichts weiter ereignet. Einige Tage nach dem Einmarsch kamen Lkw's der US-Army und holten Leute aus den Häusern, die dann nie wiedergesehen wurden. Auch Wohnungen wurden nach Wertsachen durchsucht, die man natürlich einkassierte. Radios, Fotoapparate und Uhren waren gefragt. Günter Adlung berichtete 2016 über die Erlebnisse seines Vaters 1945
Walter Friesecke erinnerte sich: „Am 17. April setzte schwerer Artilleriebeschuss ein und dauerte den ganzen Tag an. Wasser und Licht versagten. Auch die Bombenangriffe wurden fortgesetzt. So wurde der Justizpalast auf das Schwerste getroffen, die Mitte der Vorderfront gänzlich zerstört und die übrigen Teile schwer beschädigt. Der rechte Seitenflügel brannte aus. Die Verteidigung der Stadt kostete vielen Einwohnern das Leben. Am Abend sahen wir in der Dämmerung, wie einige deutsche Soldaten sich durch die Lutherstraße in Sudenburg vor den Amerikanern zurückzogen. In diesen Tagen mussten unsere Frauen ständig um Lebensmittel anstehen. Am 17. April sollte es, um die Versorgung für längere Zeit zu sichern, 4 Pfund Fleisch auf den Kopf der Bevölkerung geben. Die für uns bestimmten insgesamt 16 Pfund holte Martin abends unter Artilleriebeschuss vom Fleischer, zur großen Freude aller Hausbewohner.“ Zeitungsbeitrag von Walter Friesecke, Kompakt, 31.1.2017
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Wie Karl-Wilhelm Ostehr den 17. April erlebte: „Eigentlich war dieser Tag ein ruhiger Tag. Aber nicht so eine Ruhe, wie sie sonntags ist. Über ganz Magdeburg lag eine Spannungsglocke, die Stille war zum Zerreißen. Tags zuvor hatten die Amerikaner noch aus allen Rohren auf die Stadt geballert. Die Menschen kamen gar nicht raus aus den Kellern. Von wegen Befreiung, haben wir alle gedacht, sieht nicht so aus. Nun schien es, als wollten die Amerikaner uns den Rest geben. Sie bepflasterten die Stadt mit Granaten, dass einem Hören und Sehen vergingen. Auch Luftangriffe gab es, die meisten Magdeburger, die diesen Tag hier erlebt hatten, werden das wohl nie vergessen. Am Irxleber Berg kam mir eine Kolonne mit zehn Jeeps entgegen und die Burschen riefen was über Lautsprecher: Today we will stay here oder so. Ich glaube jedenfalls so etwas war’s. Und am späten Nachmittag hinterm Kloster Unser Lieben Frauen, da kam auf einmal ein einzelner Infanterist in amerikanischer Uniform auf mich zu. Sagte irgendwas, dass ich nun der Letzte sei oder so. Jedenfalls war er ganz siegessicher und fröhlich und fuchtelte herum. Aber ich hab’ mich gewundert, dass er da so allein und keiner weiter zu sehen war. Jedenfalls war mir in dem Augenblick völlig klar, Magdeburg ist in amerikanischer Hand. Ich habe auch nicht mitbekommen, dass jemand herauskam und auf den Straßen die Sieger begrüßte. Auch schwere Militärtechnik habe ich an diesem Tag nicht gesehen. Wie gesagt, eigentlich nur diesen einen Infanteristen, zum Anfassen nahe. Das war für mich der 17. April 1945.“ Karl-Wilhelm Ostehr, Zeitungsartikel undatiert
Aus der Erinnerung von Gertrude Preetz über die Amerikaner in Olvenstedt: „Die Amis waren bei uns auf dem Hof in Olvenstedt, Dorfstraße 25. Vier Geschütze wurden um den Mistberg auf dem Hof aufgestellt und aus allen Rohren unentwegt geschossen. Am Vormittag des 17. April rüsteten die Amis zum Abzug. Ein LKW wurde vollgeladen, obenauf unsere Steppdecken, alles mit der Wäscheleine festgebunden. Großvater war erbost, sie sollten die Sachen wieder herausgeben. Er forderte die Soldaten auch auf, die Löcher von den Geschützen mit Pflastersteinen wieder zuzumachen. Natürlich vergebens. Alle Panzer und Besatzungen zogen bis Mittag wieder ab. Auch die Zivilpersonen wurden abtransportiert, nur Phillip, ein Kriegsgefangener blieb bei uns. Es war an diesem Tag sehr warm und es herrschte schöner Sonnenschein. Wir haben uns alle gefreut. Die Flüchtlinge hatten gewaschen, der Hof hing voller Wäsche. Leider dauerte es nur bis Nachmittag 16.00 Uhr. Es kamen neue Besatzer, keiner wusste wie viel. Wir mussten alle aus dem Haus und wurden bei Grete Haselhorst einquartiert. Die Zivilrussen kamen zurück und durften drinnen bleiben. Auch unser Großvater und drei alte Flüchtlinge durften bleiben. Sie bekamen oben das linke Zimmer an der Treppe. Eine halbe Stunde bekamen wir zum packen. Danach durften wir nicht wieder ins Haus. Das Vieh konnten wir auf dem Hof versorgen. Tante Gretes Haus war überbelegt. Wir fanden aber alle noch eine Schlafstelle.“ Gertrude Preetz, Dorfstraße 25, Interview 15.12.2008
Horst Blanke berichtete aus eigenem Erleben: „In Magdeburg wurden am 16./17. April 1945 in den verschiedenen Außenbezirken Widerstandsnester geschaffen. Da saßen 15- bis 16jährige Hitlerjungen und noch eine Handvoll älterer Volkssturmmänner in Schützenlöchern an der Magdeburger “Westfront“ zwischen dem Westfriedhof und der Enckekaserne mit Gewehren, einem MG42, Handgranaten und ein paar Panzerfäusten. Dagegen war die 9. US-Army mit modernem Kriegsgerät ausgestattet, zahlenmäßig um ein Vielfaches überlegen und wurde zudem durch Jagdbomber unterstützt, die vor allem Splitterbomben abwarfen. In regelmäßigen Abständen schlugen in unserer Nähe Granaten ein. Dann hatten wir den ersten Toten. Hans-Joachim Plümecke, der nur wenige hundert Meter entfernt zu Hause war. Aber der Kampf ging weiter, auch als der erste Sherman-Panzer auf dem Grünstreifen der heutigen Beimssiedlung auftauchte. Ein ganz Mutiger feuerte sogar auf ihn eine Panzerfaust ab. Dafür erhielten wir Feuer aus dem Panzerturm. Die Gefechte gingen noch weiter, bis in die Nacht hinein, bevor amerikanische Panzer und Jeeps bis zum Westring vorrücken konnten. Auf dieser Seite gab es weitere Verluste, und ein alter Bekannter, Günter Prätorius, verdankte sein Leben einer spontanen Reaktion und etwas Glück, während sein Vordermann von einer Salve niedergestreckt wurde. Ein Kamerad und ich standen weiter auf unserem Posten, bis uns ein altgedienter Feldwebel kurzerhand nach Hause jagte. Für uns alle war das eine gefährliche Entscheidung. Aber auch im Krieg gibt es ein Stück Menschlichkeit, was sich dann auch wiederholte, als zwei GIs später in unsere Wohnung kamen und nach Waffen und entflohenen Soldaten suchten. Beim Öffnen der Tür fiel mir vor Schreck nichts Besseres ein, als beide mit einem „How do you do?“ zu empfangen. Als sie meinen vier Monate alten Bruder in seinem Stubenwagen sahen, war nur noch das Baby von Interesse. Beide Soldaten verließen uns dann, kamen aber noch einmal zurück, die Hände voller Lebensmittel; darunter auch Trockenmilch. Da wurde uns bewusst, der Krieg ist für die leidgeprüften Magdeburger hier zu Ende. Wir waren noch einmal davongekommen.“ H. Blanke, Zeitzeugenbericht, Stadtjournal, 12.4.1995
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