Na da sind doch wieder ein paar Hinweise zusammen gekommen. Ich habe ohnehin in den nächsten Wochen noch ein paar Besuche im Stadt- und Landesarchiv vor mir und einige Dokumente von Zeitzeugen angekündigt bekommen, vielleicht schlummer darin ja noch weitere Hinweise. Wenn das alles im Sande verläuft, dann ist die kostenpflichtige Luftbildrecherche wohl tatsächlich der letzte Ausweg. Dank des Bilds von Helmut lässt sich der Zeitraum immerhin schon um weitere zwei Wochen enger eingrenzen, vielen Dank dafür!
Klassischer Fall von ein Schritt vor, zwei zurück: Ein Bewohner der Siedlung hat in seinen Unterlagen noch einen Antrag auf Entschädigung für kriegsbedingte Gebäudeschäden gefunden, in dem eine schwere Beschädigung seines Wohnhauses durch den Luftangriff am 21.01.1944 gemeldet wird. Soweit so gut, nur kann das den vorhandenen Luftbildern zufolge nur ein Einzeltreffer gewesen sein, die Vielzahl an Bombentrichtern auf dem benachbarten Feld ist ja erst nach August 1944 auf den Bildern zu erkennen.
Da wirst du wohl recht haben Bocian. Wenn man sich hier im Forum unter dem 21.1.44 mal die Flugroute ansieht, besonders die des Rückfluges, dann ist deine Ecke voll drin. Da die Windrichtung in dieser Nacht mit West bzw. Nordwest angegeben ist kann man nicht wie in den östlichen Gebieten Magdeburgs von abgetriebenen Bomben ausgehen. Ich tippe eher auf Notabwürfe um sich vor dem Rückflug zu leichtern.
Nachdem ich mich jetzt ein bisschen in den Angriff vom 21.01.44 eingelesen habe, wird das ganze plausibel: Die britischen Bomber waren mit jeweils einer Luftmine + Brandbomben beladen und haben offenbar nicht im Pulk abgeworfen sondern jede Besatzung für sich anhand der (durch den starken Wind abgetriebenen) Zielmarkierungen. Das deckt sich mit den Berichten des Anwohners, dass der Schaden durch eine einzelne Luftmine entstand (es dürften dabei mehrere Häuser in der Siedlung beschädigt worden sein) und auch mit anderen Zeitzeugenberichten, dass die umliegenden Felder mit Stabbrandbomben übersät waren. Und beides - Druckwellenschäden und Brandbomben - sind natürlich auf den vorhandenen Luftbildern aufgrund des hohen Maßstabs nicht auszumachen.
Die Siedlung wurde also bei mindestens zwei Luftangriffen getroffen. Bleibt die Frage nach dem zweiten, bei dem offenbar eine größere Zahl Sprengbomben fiel (und der wohl auch die von Zeitzeugen mehrfach erwähnten zwei Todesopfer forderte).
Ein gezielter Blick ins Sterberegister brachte des Rätsels Lösung:
Beim Tagesangriff am 16. Januar 1945 kam unter anderem eine Frau in ihrem Wohnhaus im Venusweg zu Tode:
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Dies bestätigt die Erinnerungen des ZZ Dieter Becker, der seinerzeit mit der Freiwilligen Feuerwehr Großottersleben bei der anschließenden Bergung auf dem Planetenhügel und am Lindenhof eingesetzt war:
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Somit ist die Planetensiedlung während des Krieges also offenbar am 21.01.44 (Einzeltreffer) und am 16.01.45 (Reihenwürfe) getroffen worden.
Mal schauen, wieviel Licht man in diesen Teilaspekt des 16.Januars noch bringen kann:
Im Thread "Angriffe auf Krupp-Werk usw Buckau" hat Helmut einen Bericht der USAAF gepostet, der die Beschädigungen des Tagesangriffs auf das Krupp-Gruson Werk am 16.01. bewertet. Darin findet sich die Angabe, dass insgesamt 120 Flugzeuge eingesetzt waren, die bei dem Angriff 928 Sprengbomben (500 lb) abwarfen. Ca. 40 davon seien "auf offenem Feld etwa 2.400 Yards südwestlich" des Krupp Werkes detoniert. Hierbei handelt es sich meines Erachtens um die Treffer in der Planetensiedlung, die Lage und Anzahl der Bombentrichter passt dazu.
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Ebenfalls geht aus dem Bericht hervor, dass der Angriff auf das Werk aus Westnordwestlicher Richtung geflogen wurde. Wie konnte es dann zu dem Abwurf über der Planetensiedlung, abseits vom eigentlichen Ziel kommen? Zumal 40 500 lb-Bomben ja nicht nur der Notabwurf eines einzelnen Bombers gewesen sein können. Kann das hier jemand mit mehr Recherche-Erfahrung auf dem Gebiet des Bombenkriegs vielleicht in einen plausiblen Ablauf bringen?
Die Bombardierung fand nicht auf dem Paper statt. Bedenke bitte, das die Verbände durch deutsche Jäger angegriffen wurden und durch Flak. Die Bomberpulks rissen auseinander bevor sie den Rückflug antraten. Die rechts außen fliegenden Maschinen flogen ja nicht exakt über dem Ziel und luden ihre Last aus-- wohl über dem Acker und der Siedlung. Eine andere Erklärung kann es nicht geben. Bocian, verrenn dich nicht im Detail, was sich unmöglich noch präzieser lösen lässt. Es sei denn, Du findest in Fliegerberichten im National Archiv dazu konkrete Angaben. Aber da kann ich schon jetzt den Zahn ziehen. Fehlabwürfe findet man dort nicht.
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Demnach sind die Bomben auf die Planetensiedlung erst beim Rückflug abgeworfen worden. Mein Freund vom Marsweg 2 mit östlichem Frontschaden am Haus sagte mir, dass er auf dem Schoß seiner Oma saß als am Mittag des 16.1.45 die Bombe ihr Haus traf. Die Familie saß im Keller der nicht beschädigt wurde. Dieses Haus wurde erst 1938 gebaut und da war Vorschrift den Keller mit Betonwänden zu bauen.