Jungmädelschaft, Bann und BDM Frau Lauenroth, geb. Rümland aus Lostau, er-innerte sich an ihre organisierte Kindheit
Aufzeichnung von Helmut Menzel
Frau Lauenroth, ist im heutigen Landgasthof Lostau, in der Möserstraße, damals „Zur Erholung“, 1928 geboren. Ihr Mädchenname war Rümland. Ihre Kindheit wurde durch das organisierte Leben in der Hitlerjugend geprägt. Beein-flusst durch das NS-Regime sorgten selbstverständlich ihre Elter dafür, dass sie in der so genannte „Kükengruppe“ Aufnahme fand. Die „Küken“ sind mit heutigen Kinder-gartengruppen zu vergleichen. Ab dem 10. Lebensjahr wurde sie in die Jungmädel-gruppe in Lostau aufgenommen. „Das waren dann vier Jahre, in denen wir überhaupt nichts Schlechtes machten, wenn man heute über die Zeit des Nationalsozialismus nachdenkt. Schon damals das Leben und die Freizeit durchorganisiert. Dienstags und freitags hatten wir von 14.00 bis 16.00 Uhr Jungmädeldienst. Da haben wir gesungen, getanzt, vorgelesen und gebastelt. Manchmal spielten wir auch eine Scharade. So gestaltete sich also unser so genannter Dienst bei den Jungmaiden. Die Basteleien machten wir in der Vorweihnachtszeit für die Kinder im Ort, oder wir gestalteten Feldpostbriefe für unsere Frontsoldaten in der Weihnachtszeit. Bei solchen Veranstaltungen wurde meines Wissens nie über Rassenprobleme im Sinne des NS-Regimes gesprochen. So wussten wir Kinder damals nichts über die Judenprogrome und auch nichts von den schrecklichen Konzentrationslagern. Das war allgemein in den ländlichen Gegenden kein Thema, auch nicht in den Familien.“
Organisatorisch waren, laut Aussage von Frau Lauenroth, die Lostauer „Jungmaiden“ in Möser angeschlossen. Dort wohnte auch die BDM-Führerin Magdalena Hinz. Frau Lauenroth weiter: „Sie lebt dort heute noch und wurde, am 21. April 2009, 86 Jah-re alt. Wir treffen uns heute noch. In Möser fanden auch Reichsjugend-Wettkämpfe und andere Sportwettkämpfe statt. Auch dort übten wir Volkstänze ein und führten sie auf. Ich empfinde heute noch, dass diese Zeit für uns eine schöne Zeit war, wie es spä-ter auch viele ehemalige FDJler für ihre Zeit empfanden. Wie gesagt, wir haben doch damals alle nichts Böses gewollt und auch nichts darüber gewusst. Ich kann mich auch noch an unsere Kräutersammelaktionen erinnern. Sie wurden dann getrocknet und dann abgeholt, denn sie wurden für die Arznei- Kriegsproduktion dringend benötigt. In Möser war die Sammelstelle.“ So wurde Frau Lauenroth als jun-ges Mädchen dann doch noch ungewollt und unbewusst in die NS-Maschinerie einbe-zogen. Zur Gliederung der Maiden-Organisation in der HJ und des BDM berichtete Frau Lau-enroth weiter: „In Lostau waren wir 12 Mädchen, also eine Maidschaft. Die nächst hö-here Gruppe war die Jungmädelschar. Die Jungmädelschaft- Führerin trug grün-weiße Schnüre auf ihrer Bluse. In Möser befand sich der Sitz der Jungmädel- Gruppe. Der Jungmädelring war die nächst höhere Gliederungsstufe, zu der die Scharen Möser, Gerwisch und Biederitz gehörten. Zur Schar Möser gehörten die Jungmädelschaften Schermen, Hohenwarthe, Körbelitz, Pietzpuhl und Lostau. Unsere 12 Lostauer Mädel versahen ihren Dienst normalerweise in Lostau, aber einmal im Monat in Möser. Der Jungmädel-Bann befand sich in Burg. Das Banntreffen fand einmal im Jahr, im Juni, mit großen Sportfesten im Burger Flick-schuhpark statt. Da sind wir Lostauer nicht so gerne gewesen, weil wir immer etwas schüchterner und stiller waren, als die Burger. Da Burg für uns schon weiter weg lag, so mussten wir dort übernachten. Die Übernachtungen erfolgten in Scheunen, aber auch in Privatquartieren. Einmal war ich mit meiner Freundin in Burg in einem Privat-quartier. Die Hausherrin hat uns dort so gut versorgt, dass ich mich noch gut daran erinnern kann.“
Was die BDM- Kriegsdiensteinsätze in der Region, in und um Lostau betrifft, berichte-te Frau Lauenroth folgendes: „Als der Krieg in unserer Gegend dem Ende zu ging, sind wir jungen BDM- Mitglieder nicht mehr in die Verteidigung der Heimat einbezogen worden. Wir waren noch zu jung. Ich war erst 17 Jahre alt. Im BDM (Bund Deutscher Mädchen) war ich bis 1945 noch zwei Jahre organisiert. Ältere hiesige BDM- Mitgleder waren meines Wissens, hier in und um Lostau, nicht als Luftwaffenhelferinnen, z.B. als Nachrichtenhelferin oder als Horchposten im Einsatz, auch nicht bei den Sperrbal-lons. Es kann sein, dass Luftwaffenhelferinnen aus anderen Gegenden, hier in der Flak- Batterie Weinberg, ihren Dienst verrichteten. Aus unserem Ort waren die älteren Mädchen als Rot- Kreuz- Schester oder als Schreib- kraft im Einsatz. Ich glaube, auch auf dem Burger Fliegerhorst.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Frau Lauenroth (Rümland), Möserstraße-Landgasthof, Lostau, 22.4.2009, aufgenommen von Helmut Menzel.
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„Ich war zum Kriegsende erst 12 ½ Jahre alt, also Jahrgang 1932 und wohnte schon damals in Lostau. Meine Eltern besaßen den Hof Ahornallee Nr. 8, auf dem ich heute noch lebe. 1944 / 1945 war ich in der HJ, bei den ,Pimpfen’ organisiert. Herr Tangermann, der Sohn des Försters, war der HJ-Führer und wohnte in Külzau. Dort wurde auch unser Beitrag entrichtet und Veranstaltungen der HJ organisiert, wie beispielsweise Geländespiele. Mit großem Stolz trugen wir Pimpfe unsere Fahrtenmesser, Dieses Messer musste aber immer in der Lederscheide stecken. Es war nicht erlaubt, mit offener Klinge damit herumzulaufen. Das war schließlich Ehrensache. Darauf wurde ganz besonders streng geachtet. Die etwas älteren HJ-Mitglieder Lostaus wurden noch vor Kriegsende an der Waffe in einem Wehrertüchtigungslager ausgebildet, oder besser unterwiesen. Ich war dafür aber noch zu jung und so beneidete ich die älteren Kameraden.
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Otto Meier, Ahornallee 8, Lostau, 16. 9.2009, afgenommen von Helmut Menzel.
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Horst Hallmanns Erinnerungen an den Dienst des Vaters beim Volkssturm in Magdeburg, an die Zeit, als sie nach Lostau übersiedelten und an den Beschuss durch die Amerikaner
augeschrieben von Helmut Menzel
Horst Hallmann ist in der Möserstraße 1 in Lostau aufgewachsen und war zum Kriegsende erst acht Jahre alt, aber die sich überstürzenden Ereignisse sind tief und deutlich bis heute klar in sein Gedächtnis eingebrannt. Sein Vater war Bäckermeister in Magdeburg und deshalb vom Kriegsdienst freigestellt. Horst Hallmann: „Während des Krieges wohnten wir noch in Magdeburg, in der Leipziger Straße. Erst zum Kriegsende wurde mein Vater zum Dienst mit der Waffe verpflichtet. Überwiegend in der Nacht musste er oben am Flugplatz Süd Dienst verrichten, da er ja am Tage in der Backstube seiner Arbeit nachzugehen hatte. Am Fluglatz war er zunächst als Flakhelfer eingesetzt. Als er auf den ,Führer’ vereidigt wurde und eine Waffe überreicht bekam, fand das auf dem Domplatz statt. Da war dann auch die Sammelstelle der Dienstverpflichteten. Nun gehörte er zum Volkssturm. Wenn mein Vater mit dem Gewehr über der Schulter zu sehen war, freute ich mich und war sehr stolz. Die einzelnen Volkssturmgruppen sammelten sich stets auf dem Domplatz und von dort marschierten sie zum Dienst oder zur Übung. Die Bekleidung war zivil, aber mit Armbinden die sie als Volkssturmmänner kennzeichneten, also keine Uniform. Nicht alle Volkssturmmänner hatten Gewehre bekommen. Die Bestände reichten wohl nicht aus. Mein Vater war aus meiner Sicht der ,Glückliche’ der ein Gewehr bekommen hatte. Wo mein Vater zur Verteidigung Magdeburgs eingesetzt wurde, ist mir nie gesagt worden. Ich weiß nur, dass er oben am Flugplatz Süd in einer Gartenkolonie, in ausgehobenen Schützenlöchern gegen die anrückenden Amerikaner eingesetzt war. Auch Bunker und Unterstände waren dort an einer der Hauptkampflinien, in der Zwischenzeit, errichtet worden. Die Familie ist bereits Ende 1944 nach Lostau gezogen, wo ich dann auch das Kriegsende erlebte, während mein Vater in Magdeburg weiter in der Backstube stand und nachts seinen Dienst beim Volkssturm versah. So waren wir Ende 1944 auf das Grundstück Möserstraße 1 gezogen. Es war damals das letzte Grundstück aus der südlichen Straßenseite. Neben uns stand noch eine große Garage, in der der Reichs- arbeitsdienst untergebracht war. Dann war die große Garage voll gestapelt mit Munition, und das in unmittelbarer Nachbarschaft. Das war bereits in der Zeit, als die Amerikaner Magdeburg besetzten (ab dem 17./18. Apr. 1945).
Ein amerikanischer Beobachter soll drüben, auf einem Schornstein der MIKRAMAG im Industriegelände, gesteckt haben. Von dort aus konnte er jede Bewegung hier auf der Ostseite der Elbe beobachten.“ Nach amerikanischen Berichten des 120. Infanterie- Regiments waren ständig drei Artilleriebeobachter in ihren leichten ,Gras-Hooper’- Flugzeugen in der Luft, um das östliche feindliche Gebiet zu beobachten. Ununter- brochen gingen deren Meldungen, über Bewegungen im Raum Hohenwarthe-Lostau, ein. Siehe hierzu die Berichte des 120. US Infanterie-Regimens in dieser Dokumentation. Horst Hallmann weiter: „Als die Wehrmacht zu dieser Zeit leichte Flak bei den Riesel- feldern aufstellte (auf dem Mühlberg), da war den Amerikanern auch das nicht entgangen. Kurz darauf setzte heftiger Artilleriebeschuss vom westlichen Elbufer ein. Die Granaten heulten durch unsere Straße. Auf der Straße hatten unsere Soldaten bereits die Zugpferde ausgespannt. Um das Geschütz auf den Mühlberg zu ziehen, wurde nun ein Ochsengespann benutzt. Da die Amerikaner mit ihrer Artillerie herüber zu schießen begannen, konnten unsere Flakartilleristen ihren Plan nicht mehr vollenden. Durch die Einschläge wurden auch die Ochsen getötet. So hatten wir nun auch noch das Glück, am Abend Ochsenfleisch zu bekommen. Ein Fleischer aus dem Dorf ist zum bergen der getöteten Tiere mit Pferd und Schlitten (Ackerschleife)auf den Mühlberg gefahren. Nach dem Schlachten wurde das Fleisch sofort im Dorf verteilt.“
Horst Hallmann berichtete weiter: „Der Arbeitsdienst in der Nachbarschaft hatte südlich und östlich um Lostau Deckungslöcher und Schützengräben ausgehoben. Da die Amerikaner an der Elbe, auf der Westseite, stehen geblieben waren und die Rote Armee von Osten her immer näher rückte, waren die neuen Verteidigungsgräben auch ostwärts gerichtet. Bei unserem Grundstück mussten auch wir die Einmann- Deckungslöcher ausheben. Auf der gesamten Strecke waren auch Erdunterstände eingebaut worden, auch kleine Betonbunker. Oben auf dem Mühlberg war nun doch noch eine Flakstellung eingerichtet worden, die für den Erdkampf nach Osten ausgerichtet war. Sie sollte auch das Dorf schützen. Der RAD hätte in diesem Falle dann zur Verteidigung eingesetzt werden sollen. Von unserem Hof aus konnten wir sehen, wie die amerikanischen Jagdflieger über die Elbe kamen und die Stellung auf dem Mühlberg und wohl auch die schwere Flakbatterie auf den Weinberg beschossen und vereinzelt auch Bomben warfen. Inzwi- schen war die Mühlbergstellung voll ausgebaut und mit regulärer Artillerie und Flak besetzt worden. Die Arbeitsdienstleute trugen braune Uniformen und die der Flak graue. Als sich die Russen Anfang Mai Lostau näherten, sind diese Geschütze von den eigenen Soldaten gesprengt worden. Sie sind nicht mehr zum Endkampf verwendet worden, zum Glück für unser Dorf. Wir Kinder haben das alles von weitem beobachtet. In Lostau wurden auch Panzersperren errichtet, so z.B. oben in der Heidestraße bei Günjes am Schweinegang. Da mussten die Dorfbewohner einen Graben aushoben. Anschließend wurde die Sperre aus dicken eingegrabenen Baumstämmen errichtet. So wollte man verhindern, dass die Russen hier mit ihren Panzern durchkämen. Die Sperren reichten von Hauswand zu Hauswand, quer über die Straßen. Auch in der heutigen Möserstraße, zwischen Nr. 5 und Nr.6, stand eine solche Panzersperre.“
Horst Hallmann weiter: „Als der amerikanische Beschuss auf Lostau einsetzte kamen Nachbarn und die Verwanden aus dem Dorf zu uns in den Keller, weil sie sich bei uns am sichersten fühlten. Unser Keller war groß genug, da er erweitert worden war. Sie brachten sogar ihre Matratzen zum schlafen mit. Tante Ida hatte eine Tochter. Sie war geistig verwirrt. Während eines Beschusses war sie plötzlich im Keller verschwunden. Eva saß draußen im Garten seelenruhig auf den Plumpsklo, während es ringsum knallte und Granaten heulten. Sie saß da und sang sich was. Direkt neben dem hölzernen Örtchen war eine Granate eingeschlagen. Ihr ist aber nichts passiert. Sie dachte es wäre Musik gewesen. Als alles wieder vorüber war, kam sie, als ob nichts geschehen sei, in den Keller zurück und erzählte von der wunderschönen Musik im Garten. Fritz Lauenroth saß bei seiner Mutter in der Stube, als eine Granate im Friedhof einschlug. Mutter Lauenroth war gerade auf dem Flur. Sie wurde von einem Splitter geroffen und starb. Beim löschen der getroffenen Häuser und Stallungen, nach dem Beschuss, war die Ortsfeuerwehr mit Handdruckspritzen und Pferdewagen im Dorf unterwegs. Die meisten Bauern halfen sich aber gegenseitig, denn sonst hätten die freiwilligen Feuerwehrleute aus Lostau es nicht geschafft die Brände weitgehend zu löschen. Feueralarm oder Fliegeralarm wurde nicht durch Sirenen ausgelöst. Man raste mit dem Fahrrad und Bimmel durch das Dorf. Auch das Hornsignal wurde geblasen. Bei Fliegeralarm in Magdeburg war auch in Lostau das Gejaule der Sirenen laut genug zu hören. Die Lostauer Feuerwehr war damals auch einmal in Gerwisch eingesetzt. Man fuhr die Feuerspritze mit dem Traktor dort hin. Die Löschmannschaft saß auf dem Anhänger.“ Und weiter berichtet Horst Hallmann: „Ende April 1945 konnten wir von Lostau aus Nacht für Nacht beobachten, wie auf beiden Seiten, westlich der Elbe von den Amerikanern und östlich in größerer Entfernung, verschiedenfarbige Leuchtkugeln in den Nachthimmel stiegen. Was das zu bedeuten hatte, wussten wir damals nicht.“ Die Amerikaner signalisierten, laut ihren Berichten, den allmählich näher kommenden Sowjettruppen, dass sie bereits erwartet würden. Da zu diesem Zeitpunkt die Rote Armee aber noch viel zu weit entfernt war, jagten wohl Wehrmachtssoldaten ihrerseits Leuchtsignale in die Luft, um die Amerikaner oder auch die Russen zu irritieren.
Horst Hallmann berichtet weiter: „Der erste Amerikaner kam nach Lostau mit einem Motorrad über die Elbe, aus Richtung Autobahn / Hohenwarthe. Wie er über die gesprengte Brücke kam, bleibt unklar. Danach lief der Dorfälteste mit einer Glocke in der Hand durch Lostau und verkündete, dass alle Radios, Waffen, Munition, Messer, alte Säbel, Helme und Luftgewehre abzugeben seien, beim Bauern Ordicke auf dem Hof. Da wurde alles auf einem Haufen geworfen. Das war der erste Hof in der Heidestraße, in der Kurve. Danach war der Amerikaner wieder verschwunden. Nachts holten sich viele Leute ihre Radios heimlich wieder zurück.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Horst Hallmann, Möserstraße 1 in Lostau, vom 15. 9. 2009, aufgeschrieben von Helmut Menzel.
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Konrad Mewes aus Magdeburg erinnerte sich an seine RAD- Zeit und letzten Kriegseinsätze in der Batterie auf dem Weinberg bei Lostau
aufgeschrieben von Helmut Menzel
„…inzwischen war ich 16, und wurde am 15. März 1945 (in Magdeburg) zum Reichsarbeitsdienst (RAD) einberufen. Hier begann ein neuer Abschnitt in meinem Leben. Der Arbeitsdienst war in jenen Tagen gleichbedeutend mit der Wehrmacht, und ich fand das alles ganz in Ordnung; denn irgendwer musste ja endlich den Krieg gewinnen. Warum nicht der Jahrgang 29 ? Günter Stückler, der sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hatte und Jahrgang 28 war, musste noch darauf warten und beneidete mich. So setzte ich mich am 15.3.1945 in den Zug nach Oebisfelde. Als ich ihn verließ war es noch nicht Mittag, und ich machte mich nicht allein auf den Fußmarsch nach Kunrau, wo wir uns bis zum Abend im Lager melden mussten. Es war an einem Frühlingstag im sonnigen Sorrent – so begann in jenen Tagen ein sehr schöner Schlager. Und auch der 15. März war ein herrlicher Frühlingstag, sonnig und warm, und alles war schon grün. Erst 9 Monate später, an einem dunklen hässlichen Winterabend sollte ich Magdeburg, meine Mutter und Verwandte wieder sehen. Das war dann ein anderer, ein innerlich und äußerlich veränderter Konni. Doch einstweilen genossen wir, die wir inzwischen beinahe das Lager erreicht hatten, im grünen Gras an einem Waldrand in der Sonne und unter einem blauen Himmel, an dem Bomberverbände nach Osten flogen, die letzten Stunden unserer Freiheit, bevor wir uns dann im Lager meldeten. Das RAD- Lager in Kunrau gehörte zu den ersten Lagern, in dem ab 1936 RAD- Angehörige- Arbeitsmänner- untergebracht waren, die die Aufgabe hatten, den Drömling trocken zu legen. Davon war aber jetzt keine Rede mehr. Wir bauten zwar noch Einmannlöcher zum Schutz vor Tieffliegern an der Chaussee nach Jahrstedt, aber sonst waren wir mit Schießübungen beschäftigt. Ostern feierten wir – echt deutsch – mit Goethes Osterspaziergang aus Faust und mit leckerem Essen und Kuchen. Weil ich so gut war, wurde ich der Wache zugeteilt. Das war stinklangweilig und nachts oft recht kühl. Wir waren 4 Mann und ein Wachhabender. Abgelöst wurde man alle 2 Stunden. Ich muss wohl alles sehr gut gemacht haben, denn ich wurde zum Wachhabenden ernannt. In dieser Funktion hatte ich bei besonderen Vorgesetzten die Wache antreten zu lassen und Meldung zu machen. Dabei machte ich vor lauter Aufregung Fehler, gab verkehrte Kommandos (links statt rechts und umgekehrt), und damit war mein Schicksal als Wachhabender besiegelt. Mit weiteren 9 Kameraden wurde ich aus Kunrau fort an die Front versetzt. Die war in Magdeburg, das die Amis fast eingeschlossen hatten. Nur am Ostufer der Elbe waren sie noch nicht. Wir kamen auf den Weinberg bei Lostau. Der war total untertunnelt und ausgebaut mit Laufgräben und Unterständen und dort kämpften diverse Einheiten der Wehrmacht und eben auch eine RAD- Flakbatterie. Sie bestand aus 3 Flakgeschützen mit Sturmgeschützen als Zugmaschinen und aus einem kleinen, leichten Flakgeschütz Aber davon sah ich zunächst fast gar nichts; denn gleich bei unserer Ankunft wurde ich in die Schreibstube versetzt, weil ich Maschine schreiben konnte. So hatte ich kaum anderen Dienst zu tun, außer mal unsere Verpflegung zu bewachen. Bei diesem Dienst kam ich mal um ein Haar ums Leben, als Phosphorgranaten in unmittelbarer Nähe einschlugen und mich beim Frühstück störten. Die Splitter durchlöcherten die Bretterbude in der ich saß und nahmen meinen Marmeladenbecher und mein Käppi mit. Ich hatte mich mit einem Sprung aus der Tür noch retten können. Da war er wieder – mein Schutzengel. Ich kannte ihn schon vom 16. Januar. Noch einmal war er für mich da, als ich per Rad als Melder unterwegs war nach Lostau und ein Tiefflieger mich als Zielscheibe ausgesucht hatte. Er traf mich nicht; denn ich lag ganz schnell im Chausseegraben. Als wir noch auf dem Weinberg waren, brauchten wir mal Verpflegung, und die gab es nur in Magdeburg. Die Stadt hatte nur noch einen Zugang, und zwar über die Nordbrücken. Außer mir kannte sich keiner in Magdeburg aus, und so musste ich mit. Mit Pferdewagen und drei Mann zogen wir los, erst zum Schlachthof und dann zur Aktienbrauerei in der Lübecker Straße. Als wir beim Schlachthof fertig waren und den Kölner Platz erreichten, fragte ich den Unterfeldmeister, ob ich mal schnell meine Oma besuchen könne. Er hatte nichts dagegen, und so lief ich schnell zur Immermannstraße. Meine Oma war nicht zu Hause; aber Frau Pebusch, eine Treppe tiefer, war da. Sie wollte mich bei sich behalten und mir Sachen von ihrem Sohn geben. Der Krieg ist in wenigen Tagen aus, sagte sie. Doch mit mir war nicht zu reden; Deserteure werden erschossen. Und so rannte ich den anderen wieder hinterher. Ihre Gedanken habe ich nicht lesen können – Gott sei Dank. Auf der Nordbrücke hätte mich beinahe noch ein Tiefflieger erwischt; aber wieder war der Schutzengel zur Stelle. Zu dieser Zeit wurden wir übrigens auch noch ganz offiziell vom RAD- Angehörigen zu Wehrmachtssoldaten umgewandelt. Für mich hatte das aber keinerlei Bedeutung mehr; es wurde nur de jure nachgeholt was de facto schon lange bestand. Oben vom Weinberg hatte man einen sehr schönen Rundblick auf die Elbe und in der Ferne auf Magdeburg. Dieser Blick bot die Gelegenheit, Luftangriffe auf Magdeburg von fern zu betrachten und zu sehen, wie nachts Weihnachtsbäume abgeworfen wurden, die den Bomberpiloten das Ziel erleuchteten, damit sie es besser fanden. Unsere Batterie schoss einmal auf die Amis in Magdeburg; aber das hätte sie lieber lassen sollen; denn der Beobachter, der auf dem BRABAG- Schornstein saß, entdeckte uns dadurch, und so wurden wir massiv beschossen und hatten einen Toten zu beklagen. (Anmerkung des Autors: die BRABAG hatte keine hohen Schornsteine, es war die MIKRAMAG). Daraufhin wurde Stellungswechsel befohlen.
Wir machten uns auf den Weg an die Ostfront. Die war zu dieser Zeit – Mitte April – rund um Potsdam-Berlin in den Märkischen Wäldern. Die Schreibstube war aufgelöst, ich wurde dem Infanteriezug zugeteilt. Das waren 3 oder 4 Mann, alles 2-3 Jahre Ältere. Die ganze Batterie war schon länger im Einsatz…, mich kannte kein Mensch und umgekehrt. Kein Mensch wusste etwas mit mir anzufangen, und ich wusste nicht, was ringsum geschah. Ich hatte nur immer aufzupassen, dass ich den Anschluss nicht verlor. Ich glaube, das hätte niemand bemerkt. Ein Kamerad, der nett zu mir war, hatte ein Buch dabei mit den Ein-Mensch-Gedichten von Eugen Roth, die ich bei dieser Gelegenheit kennen und lieben lernte…“
Quelle: Zeitzeugenbericht – Brief Konrad Mewes, dem Autor aus zweiter Hand überlassen, 2008
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Hallo, ich wohne in Lostau und gehe täglich mit Hund in der Heide spazieren. Dort gibt es einen alten Beobachtungsbunker, der auch von den Russen noch genutzt wurde und jetzt eine "wunderschön-gefährliche" Kinderspielanlage darstellt. Die alten Stahl-Luftschutztüren stehen offen und durch einen kleinen Splittergraben kommt man hinein. Meine Frage: Welche Aufgabe hatte der Bunker vor 1945? Zweite Frage: In Lostau, am Waldrand des ehemaligen "Luther-Hauses" (ehemalige kirchliche Begegnungsstätte) sieht man heute noch ausgedehnte Befestigungsanlagen (Splittergräben, Unterstände, MG-Nester), teils zugeschüttet und überwuchert, aber noch erkennbar wenn man einen Blick dafür hat. Welche Aufgabe hatten denn diese Befestigungsanlagen? Auch alte "Orginal-Lostauer" konnten mir noch nicht helfen. ____________________________________________________ Abgeschickt von Ulli01