Otto Meiers Erinnerung an die Amerikaner in und bei Lostau
aufgezeichnet von Helmut Menzel
„Noch bevor die Russen nach Lostau kamen, denn die Fronten rückten von Osten her immer näher, waren zwei amerikanische Offiziere im Ort. Sie sollen mit einem Auto gekommen sein. Andere alte Lostauer sagten mir, dass sie mit einem Motorrad kamen.“ Anmerkung des Autors: Da die Autobahnbrücke bereits gesprengt war, setzten sie mit einem Sturmboot des 105. US Pionierbataillons über. Auf einem solchen Sturmboot hatte aber nur ein Motorrad Platz und kein Jeep. Otto Meier weiter: „Hier, wo sich heute der Landgasthof in der Möserstraße befindet, ordneten die beiden Amerikaner an, das alle Waffen, auch Jagdflinten, Messer und Ehrendolche, Munition, Radios usw., abzugeben seien. Mehrmals ging man in Lostau mit einer Bimmel durch die Straßen, um diese Anordnung bekannt zu geben. Dann verschwanden die beiden Amerikaner wieder, ohne dass die abgegebenen Waffen und Gegenstände mitgenommen oder abgeholt wurden. Die Wehrmachtsmunition, besonders die Flakgranaten, Panzerfäuste und viele Kisten mit Infanteriemunition standen unweit der Straße, die nach Gerwisch führt, und beim Weinberg aufgestapelt am Straßenrand. Nur mit Planen waren sie abgedeckt. Niemand im Dorf schenkte der Munition noch Beachtung.“
An die amerikanische Behelfsbrücke kann sich Otto Meier nur noch vage erinnern: „Nördlich der gesprengten Autobahnbrücke hatten amerikanische Pioniere eine große Holzbrücke errichtet. Das muss aber erst erfolgt sein, als die Russen schon hier waren. Vom Baugeschehen hatte ich damals allerdings nichts mitbekommen. Nachdem sie fertig war, war ich mit meinem Vater einmal dort. Sie war sehr lang und hoch, und außerdem auch sehr schmal. Später soll dort auch eine große Tafel aufgestellt worden sein, mit einem abstürzenden Fahrzeug zur Warnung aufgemalt. Hier sollen ja auch mehrere Fahrzeuge, die wohl zu schnell fuhren, abgestürzt sein. Dieses Warnschild stand noch bis zum Neubau der Autobahnbrücke.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Otto Meier, Ahornallee 8, Lostau, 16.9.2009, aufgenommen von Helmut Menzel.
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Was sich bis zum Eintreff der Roten Armee in Lostau zutrug, berichtet Frau Lauenroth
Aufzeichnung von Helmut Menzel
„Als die Amerikaner das Westufer der Elbe fest im Griff hatten und das Artilleriefeuer aufhörte, lief jemand aus dem Ort mit einer Glocke durch die Straßen und gab bekannt, dass sich alle Einwohner auf dem Dorfplatz zu versammeln hätten. Dort sprach dann ein Mann in Zivil in englischer Sprache zu den Lostauern. Alle Einwohner sollten unverzüglich die weißen Fahnen raushängen usw. In Lostau gab es einige Leute die Englisch verstanden. Wir hatten hier auch eine Familie, die aus England stammte, aber die konnte sich mit dem Amerikaner nicht verständigen. Möglicherweise war der Amerikaner von einer anderen Nationalität. Jedenfalls hatte er sich als Amerikaner ausgegeben. Die Engländer aus Lostau waren zwei Frauen deren Männer, während des Ersten Weltkrieges, in englischer Kriegsgefangenschaft waren und später hier her kamen. Wir hängten daraufhin alle weiße Bettlaken aus den Fenstern. Dann warteten wir auf die Besetzung Lostaus durch amerikanische Truppen. Insgeheim haben das auch alle erhofft. Doch es passierte nichts. Kein einziger amerikanischer Soldat betrat Lostau. Stattdessen befahlen die Wehrmachtskommandeure den Bau von Panzersperren Schützenlöchern und Panzergräben, die nach Osten ausgerichtet wurden. Wo sich diese Verteidigungswerke befanden, kann ich heute nicht mehr sagen. Der große Panzergraben am Weinberg war bereits Anfang des Jahres von RAD- Leuten und Zwangsarbeitern ausgehoben worden, dort wo sich die große Sandgrube befand.
Bevor die Russen kamen erlebten die Lostauer eine wüste Zeit. Da strömten viele Menschen und Flüchtlinge über Möser nach Lostau, um von hier noch irgendwie zu den Amerikanern über die Elbe zu gelangen. Sie waren vor den vorrückender Russen auf der Flucht und hatten beladene Hand- und Kinderwagen dabei. Unten an der Elbe drängten sich diese Leute auf den Elbwesen. Alles schwimmbare wurde genutzt, um nur irgendwie über den Fluss zu gelangen. Es kamen auch viele Gefangene, mit kahl geschorenen Köpfen, ausgemergelt, in gestreiften Anzügen, die nun frei waren und auch noch über die Elbe wollten. Wir wussten bis dahin nicht, das so die KZler aussahen und überhaupt, dass es Konzentrationslager gab. Nachbarn sagten entsetzt: Jetzt machen die auch noch die Gefängnisse auf, und lassen alle Verbrecher frei. Erst später erfuhren wir, dass es sich um befreite KZ-Häftlinge eines Todesmarsches handelte. Ob die auch noch über die Elbe kamen, kann ich nicht sagen. Die waren bald wieder am Elbufer verschwunden. Schlimm waren zu dieser Zeit die Plündereien besonders durch herumstreifende ehemalige polnische Zwangsarbeiter. Neben diesen Flüchtlingen und befreiten Gefangenen strömten auch hunderte deutsche Soldaten hier her, um der russischen Kriegsgefangenschaft zu entgehen. Nicht wenige hatten sich im Ort Zivilkleidung besorgt, auch bei uns, und entledigten sich ihrer Uniformen. Das war so um den 3. Mai herum.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Frau Lauenroth, Landgasthof Möserstraße, Lostau, 22.4.2009, aufgezeichnet von Helmut Menzel.
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Die Lungenheilstätte Lostau Ziel amerikanischer Artilleriegranaten und Belegung durch Sowjetsoldaten
von Helmut Menzel
Als am 15. April 1945 die Lungenheilklinik durch Granatwerfer der amerikanischen Feldartillerie des 120. US Infanterieregiments, der 30. US Infanteriedivision, im Zuge beidseitiger Artillerieduelle, beschossen wurde - denn in und um Lostau lagen Wehrmachtseinheiten und Artillerie – bekamen die Häuser I und III drei bis vier Volltreffer. Besonders der Operationssaal im Haus II wurde zerstört. Unmittelbar hinter der Klinik entstanden mehrere kleine Waldbrände.
Nach der Ankunft der Roten Armee in und um Lostau und Hohenwarthe, am 5. Mai 1945, wurde die Heilstätte von der Sowjetischen Militärverwaltung requiriert und mit 200 russischen Soldaten belegt. Das technische Personal musste vom Landkreis Jerichow vorgehalten bzw. gestellt werden. Am 1. April 1946 wurde Lostau von der Sowjetischen Militärverwaltung wieder freigegeben und von der Stadtverwaltung Magdeburg übernommen. Zu diesem Zeitpunkt kam es häufig zu Plünderungen durch die Bevölkerung. Unter der aufopferungsvollen Hilfe der Mitarbeiter begann 1946 der notdürftige Wiederaufbau der Klinik.
Quelle: 100 Jahre Lungenklinik Lostau, 2002, S. 11 und 12 und Militärunterlagen des 120. US Inf. Rgt. vom 14. bis 22. Apr. 1945
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5. Mai 1945 - Die Russen kommen nach Lostau! Otto Meiers Erinnerungen an diese Zeit
Aufzeichnung von Helmut Menzel
„Nachdem die beiden Amerikaner, die das Abliefern der Waffen und der Radios in Lostau anordneten, verschwunden waren und nichts weiter passierte, herrsche im Dorf eine gespannte und eigenartige Stimmung. Ferner Geschützdonner verriet das Näherkommen der Russen aus östlicher Richtung. Zurückweichende Wehrmachtsverbände, die noch bei Lostau und Hohenwarthe über die Elbe wollte, um in amerikanische Gefangenschaft zu gehen, kündeten das baldige Anrücken der Roten Armee an. Sie wollten auf keinem Fall in die Hände der Russen fallen. Angst ging um im Ort. Nach einer gespenstischen Ruhezeit kamen sie dann am 5. Mai mit ihren kleinen Panjewagen aus Richtung Pietzpuhl, Wörmlitz, Körbelitz, Möser und Gerwisch. Mein Vater sagte, als er die kleinen beladenen Wagen sah: Die haben ja gar keine Russenpferdchen vor ihren Karren! Das sind ja alles deutsche Pferde – konfiszierte Pferde. Die russische Einheit, die nach Lostau kam, brachte auch eine große Menge Kühe, Ochsen und Pferde mit, die dann auf den Elbwiesen weideten. Es stellte sich bald heraus, dass diese Einheit keine Kampfeinheit war, sondern nur der Tross. Es dauerte auch nicht lange, da gab es auch schon die ersten Übergriffe auf die Dorfbevölkerung. So wurde z.B. Rut Schulle vergewaltigt. Auch Ingrid Gräf, die hinterher erschossen wurde. Ilse Sandkuhl wurde auf dem Boden, wo sie sich versteckt hatte, mehrmals von betrunkenen russischen Soldaten vergewaltigt. Im Dorf wurde auch von den Russen geplündert. Aber am meisten plünderten Deutsche, die sich wie Russen verkleideten, denn sie sprachen deutsch. Meistens wurden die Kanin- chenställe und Hühnerverschläge ausgeraubt, weil der Hunger bereits zu groß war. Otto Kliemann wurde von einem Russen erschossen. Weshalb? Danach fragte man damals nicht. Als die ersten Soldaten der Roten Armee mit ihren Panjewagen ins Dorf kamen, habe ich mit Muttern durch die Fensterläden geschaut. Jetzt sind die Russen da, hatte sie geflüstert. Außerhalb Lostaus, in der alten Ziegelei, richteten sie ihr Quartier für längere Zeit ein. Dort besetzten sie die langen Baracken, die noch die Deutschen zu Kriegszeiten errichtet hatten. Dort richteten sie auch eine Rinder- und Pferdekoppel ein, und es wurde dort auch geschlachtet. Gleich nach ihrer Ankunft entdeckten sie die abgedeckten Waffen- und Munitionsstapel am Straßenrand beim Weinberg und an der Straße nach Gerwisch, die von den Amerikanern nicht abgeholt worden waren. Nun mussten die Lostauer die Munitionskisten, Flakgranaten und Panzerfäuste auf ihre Fuhrwerke laden und über Külzau und Schermen abtransportieren. Tagelang waren sie unterwegs. Auch in den Rieselfeldern, östlich von Lostau, lagen noch lange Zeit Granaten und andere Munition herum. In den Baracken bei der alten Ziegelei sollen noch bis kurz vor Kriegsende Fremdarbeiter untergebracht gewesen sein. Auch wir hatten auf unserem Hof zwei Fremdarbeiter, die durch uns gut behandelt wurden und sich auch recht wohl fühlten. Ein junger Mann stammte aus der Ukraine und der ältere war ein echter Russe. In der Nachbarschaft waren auch Franzosen in einem Keller untergebracht. Dort hatten sie ihr Nachtquartier. Unsere russischen Fremdarbeiter blieben auch noch bei uns, als die Rote Armee im Dorf war. So lange sie auf unserem Hof waren, kamen zu uns auch keine Rotarmisten zum requirieren oder plündern. Als sie eines Tages dann doch auf unserem Hof standen, um Vieh wegzuholen, haben unsere zwei ehemaligen Fremdarbeiter nur das Fenster aufgemacht und auf Russisch einige energische Worte mit ihnen gewechselt. Sofort verließen die Soldaten unverrichteter Dinge unseren Hof.
Eines Tages mussten sich alle Männer des Dorfes vor der Schule versammeln. Ich blieb im Keller versteckt. Unter Bewachung marschierte die Kolonne dann Richtung Belzig ab. Mein Vater musste auch mit und so begleitete ihn unser junger Ukrainer. Er kümmerte sich um meinen Vater. Unterwegs hatte dieser immer aus irgendeinem Keller Konserven, Wurstgläser, Kompottgläser und andere essbare Sachen wegorganisiert. Damit versorgte er auch meinen Vater. Das tat er aber nur, weil er es auf unserem Hof viel besser hatte als andere auf anderen Höfen. Erst im Herbst kamen einige Männer wieder zurück. Das waren diejenigen, die die NKWD-Lager überlebten. In den Lagern waren auch viele Männer aussortiert. Die wurden sogar bis tief nach Russland verschleppt. Mein Onkel Emil gehörte zu ihnen. Bürgermeister Örlicke (Landwirt) und der Ortsgruppenleiter Müller, die sich viel um die Gemeinde gekümmert hatten, wurden gesondert aus Lostau abtransportiert. Örlicke ist nicht wieder gekommen. Herr Jeschke war auch dabei. Der kam aber wieder nach Lostau zurück. In der Kolonne meines Vaters marschierte auch der Sattler aus unserer Nachbarschaft mit. Als dieser nicht mehr laufen konnte, hatte mein Vater ihm geholfen, in dem er ihn unterhakte, bis er selber kaum noch laufen konnte… In Lostau wurde nur einer von den Russen zur Erschießung aussortiert. Das war derjenige, der die Aufsicht über alle Fremdarbeiter hatte und diese Leute schikanierte.
Im Külzauer Forst befand sich ein Lager der Roten Armee. Dort nutzten sie das von der Wehrmacht angelegte Wallager. Die Unterkünfte waren halb unterirdisch, aus Baumstämmen, und mit Erde abgedeckt. Dort hin hatten die Russen auch konfiscierte Möbel aus unserem Dorf geschafft, als würden sie sich für lange Zeit einrichten.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Otto Meier, Ahornallee 8, Lostau, 16.9.2009, aufgenommen von Helmut Menzel.
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Der ganze Hof voller Russen! An was sich Frau Lauenroth zur ersten Zeit der sowjetischen Besetzung Lostaus erinnerte
Aufzeichnung von Helmut Menzel
„Einen Tag bevor die Russen hier her kamen, also am 4. Mai 1945, wurden wir alle am Abend an der alten abgebrannten Tankstelle, wo heute die Friedenseiche steht, zusammen gerufen. Da gab man uns bekannt, dass die Russen nicht weit von Lostau stünden und wohl am nächsten Tag den Ort erreichen würden. Alle Einwohner sollten sich unbedingt ruhig verhalten und abwarten wie sich alles entwickeln wird. Wir waren sehr verunsichert und fragten uns: Wo bleiben denn unsere Wunderwaffen von denen in den Radiomeldungen in letzter Zeit so viel zu hören war. Die meisten hatten wirklich noch an einen Endsieg geglaubt, zumal der Ami an der Elbe stehen geblieben war. Gerüchten nach sollen auch schon Verhandlungen mit den Amerikanern aufgenommen worden sein, um nun gemeinsam mit ihnen die Russen zurück zu schlagen. So hatten wir bis zuletzt noch an den Endsieg geglaubt.
Dann kam der 5. Mai 1945. Früh morgens sagte meine Mutter: Wenn die Russen kommen, wer weiß, wie lange wir dann noch etwas zum essen haben. Lass uns noch schnell auf den Acker gehen und Kartoffeln legen. Wenn es nichts mehr zum essen gibt, dann haben wir wenigsten noch Kartoffeln. Dann sind mein Onkel, meine Mutter, meine Schwester und ich zum Acker gefahren. Unser Nachbar, Herr Altenburg, hatte dort auch ein Ackerstück. Dieser hatte auf seinem Hof Ukrainerinnen als Fremdarbeiter. Die haben für ihn diese Arbeit auf dem Feld erledigt. Als wir beim Kartoffelstecken waren bemerkten wir plötzlich, wie Leuchtraketen aus Richtung Möser- Külzau aufstiegen. Unserer Meinung nach kamen sie aus dem Wald. Da sagte mein Onkel: Nun kommen die Russen, es ist so weit! Dann kamen auch bald die ersten russischen Panjawagen auf dem Weg von Külzau heran. Als die Spitze unsere Äcker erreichte begrüßten sich stürmisch die russischen Soldaten und Altenburgs Ukrainerinnen. Das hurä, hurä, der Krieg ist aus, schallte über den Acker. Wir beeilten uns, um unseren Acker noch fertig zu bestellen. Doch dann kam jemand aus dem Ort gelaufen und rief meiner Mutter zu: Frau Rümland, Sie müssen ganz schnell nach hause kommen, bei Ihnen ist das ganze Haus voller Russen! Schnell liefen meine Mutter und ich nach Lostau, und als wir ankamen sahen wir, dass unser tatsächlich voller Russen war… Noch bevor die Russen da waren, wurde Lazarett in unserem Gasthof aufgelöst und die Patienten entlassen. Der Saal war nun leer. Jetzt aber wurde ich vor den Russen im Saal versteckt. Meine Schwester kam erst später, die hatte noch mit meinem Onkel weiter Kartoffeln gesteckt. Als auch sie nach hause kam und mich nicht gleich fand, hatte sie im ganzen Haus herum geschrieen und dachte, dass ich schon nicht mehr am Leben sei, wie unser Hof voller Russen war. Schließlich hatten wir uns den ganzen Tag und eine Nacht lang versteckt gehalten. Erst am anderen Tag sind wir über die Straße nach Schulzes gegangen. Da war ein älterer Herr, der die Russen resolut mit den Worten empfangen hatte: Na Kamerad! Die sind darauf hin gleich wieder abgezogen, ohne herumzuwühlen oder zu plündern, obwohl es in Lostau, wie man später hörte, zu Plünderungen gekommen war. Bei Schulzes wurde am 6. Mai gegen Mittag eine Kommandantur eingerichtet. Durch die Einrichtung der Kommandantur herrschte in unserer Straße Ruhe. In der Gaststätte, unten an der Ecke und draußen bei Gommels (ehem. Gärtnerei) waren weitere Stützpunkte der Rotarmisten eingerichtet worden. Meine Mutter und eine ältere Flüchtlingsfrau mussten auf unserem Hof bleiben und für die Kommandantur und andere russische Soldaten kochen. Die Russen feierten auf unserem und auf anderen Höfen die ganze Nacht. Viele Soldaten waren völlig betrunken und grölten aus den offenen Fenstern. Unser Nachbar, Herr Altenburg, war damals einer der ersten Nazis im Ort, aber dennoch nicht sehr engagiert. Der stand ganz blass auf dem Tritt, als wir am Vortag vom Acker kamen und sagte zu meiner Mutter: So, nun ist alles aus! Der hatte seine Fremdarbeiter nicht gut behandelt. Einen Tag später hatten ihn seine Fremdarbeiter bei der Kommandantur angezeigt. Wir sahen noch wie er unsere Straße herunter lief und wie ihn ein berittener russischer Soldat verfolgte. Unten an der Elbe ist unser Nachbar dann von dem Soldaten erschossen worden. Herr Altenburg hatte auch meiner Mutter oft Schwierigkeiten bereitet, weil wir unsere einquartierten französischen Kriegsgefangenen besser behandelt hatten. Die hatten bei uns gearbeitet. Im Keller schliefen sie in zwei Doppelstockbetten. Sie bekamen damals Gefangenengeld ausgezahlt, wovon sie sich Rasierzeug, Schuhkreme und Lebensmittel kaufen konnten. Auch alkoholfreie Getränke waren möglich. Essen und trinken durften sie hinten, in der Waschküche. Im Winter 1944/45 war es sehr kalt und da durften sie abends eine Stunde auch vorn in der Gaststube sitzen um sich aufzuwärmen. Das passte unserem Nachbarn nicht. Aber er hat uns als strammer Nationalsozialist beim Kreisleiter deshalb nie angeschwärzt.
Kurz nach der Ankunft der Russen wurde das Lostauer Krankenhaus (Lungenheil- stätte) unter Quarantäne gestellt, da hier viele Ruhr- und Typhuskranke untergebracht wurden. Da wehte eine gelbe Fahne mit Totenkopf. Das sollte für die Lostauer auch noch ein gewisser Schutz vor den russischen Soldaten sein, denn auch unser Haus wurde so gekennzeichnet, weil auch wir Ruhrkranke nun zu versorgen hatten. Auf dem Hof war während des Krieges allerdings auch eine Sammelstelle eingerichtet worden. Alle Leute, die Autos besaßen, mussten die Reifen hier abgeben. Sie wurden hier aufgestapelt, auch Autobatterien. Sie sollten dem Fronteinsatz zugeführt werden. Selbst Motorräder wurden hier her gebracht. Doch das alles ist hier bis zum Kriegsende nicht mehr abgeholt worden. Als die Russen nun auf unserem Hof waren, versuchten sie mit den Motorrädern herum zufahren. Die konnten aber damit aber nicht umgehen. Sie haben hier sogar erst Radfahren gelernt. Einer schaffte es, mit dem Motorrad um den Mistberg herumzukurven. Die meisten Motorräder ließen sich nicht antreten. Einer der Russen versuchte ein Motorrad mit einem Streichholz zu zünden (zu starten). Da explodierte der Tank und der Soldat wurde verletz weggebracht. Eines Tages ließ der russische Kommandant auf unserem Hof auch alle Radios aus dem Ort einsammeln. Auch unsere Stube wurde voll gestapelt mit Radios und anderen Sachen. Alle hatten Angst und gaben alles ab. Doch der Berg auf dem Hof nahm bereits in der Nacht wieder ab. Es gab in Lostau auch Vergewaltigungen. Auch jungen Mädchen blieb das Schicksal nicht erspart. Eine Lostauerin, die damals erst 12 Jahre alt war, leidet heute noch darunter. Jeden Morgen mussten sich nun auch alle Mädels und Frauen stellen, um im Krankenhaus aufzuräumen und die Granattrichter zu verfüllen, Betten zu schleppen, von oben nach unten und umgekehrt. Das waren oft schwere und auch schikanöse Arbeiten, ohne Sinn und Verstand. Später mussten die Frauen und Mädchen auch Heu auf den Elbwiesen machen, für die Pferde und Kühe des russischen Tross, die auch in unseren Ställen untergebracht waren. Die diese Arbeiten verrichten mussten, nannte man Heukommandos. Es dauerte nicht lange, da erschienen auch die Lostauer, die auf der Westseite der Elbe Waren. Sie riefen zu uns herüber, wenn wir beim Heu machen waren: Lebt denn meine Familie noch? Ich bin…! Auch für die männlich Dorfbevölkerung gab es Arbeitskommandos Die mussten sich morgens um 4.00 Uhr stellen. Da nicht alle erschienen, wurden sie aus den Häusern heraus geholt. Sammelplatz war vor der Kommandantur. Dann marschierten sie unter Bewachung bis Fürstenwalde. Dort waren sie in einem Lager, wurden aber nach längerer Zeit wieder entlassen. Es kamen aber nicht alle zurück. Einige sind dort umgekommen. Zwei Lostauerinnen haben später ihre verstorbenen Männer exhumieren lassen und nach Lostau auf den Friedhof geholt.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Frau Lauenroth, Landgasthof Möserstraße, Lostau, 22.4.2009, aufgenommen von Helmut Menzel.
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Horst Hallmanns Erinnerungen an die Ankunft der Roten Armee in Lostau und danach
aufgeschrieben von Helmut Menzel
Horst Hallmann berichtet: „Bevor die ersten Truppen der Roten Armee hier in Lostau ankamen, waren noch Wehrmachtssoldaten im Dorf und in den Stellungen. Als die russischen Truppen eintrafen, konnten wir Kinder von unserem Hof in der Möserstraße 1 sehen, wie unsere Soldaten in russische Gefangenschaft gingen, ohne auch nur einen Schuss abgefeuert zu haben. Das geschah oben auf dem Mühlberg bei der Artilleriestellung. Kurz zuvor zerrissen Detonationen die Luft. Die Wehrmachts- artilleristen hatten ihre Geschütze selbst gesprengt. Unsere Soldaten gingen etwa in Kompaniestärke in die Gefangenschaft und marschierten unbewaffnet unter Bewachung Richtung Osten ab. Hinten im Wald bei uns lagen bis zu diesem Zeitpunkt auch noch mehrere kleine Wehrmachtseinheiten. Geschossen wurde auch dort nicht. Noch bevor die Spitze der Roten Armee- Einheit vor Lostau eintraf, sind von denen noch viele bei Hohenwarthe über die Elbe gesetzt, um lieber in amerikanische Gefangenschaft zu gehen. Obwohl die Autobahnbrücke gesprengt war, kamen sie mit allen möglichen schwimmbaren Gegenständen und mit Booten über den Strom. Es hatten dies auch viele Zivilisten und Flüchtlinge versucht, denn auch sie wollten keineswegs in die Hände der Russen fallen. Von einem Treffen zwischen amerikanischen und russischen Offizieren, auf dem Ostufer der Elbe bei Lostau oder Hohenwarthe, habe ich zwar später gehört, aber damals nichts davon mitbekommen. Die russischen Soldaten kamen mit den so genannten Panjewagen, über den Mühlberg durch die Möserstraße in das Dorf hinein. Sie kamen wohl aus Richtung Möser und zogen zunächst durch unser Dorf hindurch, bis zur Elbe. Wenn sich jemand auf der Straße sehen ließ, dann war zu hören: Tawarisch ! Du Waffen? Erst etwas später haben die russischen Soldaten im Külzauer Forst ein kleines Dorf errichtet.“ Dazu werden sie die ehemaligen deutschen Wehrmachtsunterstände des Waldlagers genutzt haben. Horst Hallmann weiter: „Das waren Hütten aus Baumstämmen, ausgeschachtet, im Waldboden eingetieft und mit Erde bedeckt. Erst danach zogen sie durch das Dorf, um Möbel, Teppiche und alles was sie sonst noch benötigten, zu holen- zu requirieren- um es sich im Külzauer Waldlager behaglich zu machen. Später, als diese Einheit wieder abgezogen war, sind wir mit dem Handwagen dort hin gefahren. Meine Oma und ich wollten von dort die brauchbaren Sachen wieder zurück holen. Wir waren ja nicht die kräftigsten und so haben wir nur kleinere Dinge fortgeschafft. Andere Leute schleppten große schwere Möbel und andere Dinge wieder aus dem Wald, unabhängig davon, ob sie einst ihnen gehörten. Das spielte damals keine Rolle mehr.“ Dann berichtet Horst Hallmann weiter: „Bei Zickerts nebenan, hatte es auch mal geknallt, als sich russische Soldaten in Lostau bereits heimisch fühlten. Eine Frau wurde vergewaltigt und hinterher einfach erschossen.“ Offiziere sollten solche Übergriffe eigentlich verhindern, aber konnten oder wollten sie es? Würde ein solcher Fall bei der Kommandantur angezeigt werden, dann hätte die betroffene Frau den Soldaten hinterher, unter all den Rotarmisten, identifizieren müssen. Schon deshalb wurden geschändete Mädchen und Frauen kurzerhand danach umgebracht. Horst Hallmann weiter: „Auch bei meiner Oma waren die Russen in der Stube, haben aber nur die Schränke nach Schnaps durchwühlt. Vergewaltigungen hatte es in unserer Straße mehrere gegeben, wie z.B. bei R. Sch. Hier, an der Ecke bei Zwiegerts war es die Enkelin oder Nichte. Meist geschah es in der Nacht. Wir Kinder hörten die Schreie in der Nachbarschaft und auch einen Schuss danach. Dann war es wieder totenstill. Wenn sich so etwas abspielte, dann flüchteten die Frauen unserer Straße in der Nacht in das nahe Roggenfeld hinter den Grundstücken, um sich dort zu verstecken. Den männlichen Hausbewohnern schlug dann aggressiv die Frage entgegen: Wo ist Frau? Das war aber nur in der ersten Zeit so schlimm.“
Auch an andere Begebenheiten mit den Rotarmisten erinnert sich Horst Hallmann: „Hinter der Alten Lostauer Elbe, auf den Schwiesauwiesen, hatten die Russen eine Viehkoppel eingerichtet und der alte Elbarm diente als Tränke. Eines Tages kam wieder ein russischer Soldat auf unseren Hof, rein in den Stall, und entdeckte hinter dem Stroh unser Fahrrad. Sofort holte er es raus. Fahren konnte er, wie viele andere, mit dem Rad aber nicht. Er versuchte es immer wieder, kippte aber laufend damit um. Dennoch nahm er es mit. Auch bei den Russen mussten wieder einmal alle Radios abgegeben werden. Sie wurden auf Rümlands Hof gesammelt. Da lagen sie nun. Abends sind wir Kinder mit der Kiepe losgezogen und hinten bei Hesses durch den Garten geschlichen. Von dort aus haben wir einige Radios wider zurück geholt. Danach haben auch andere Dorfbewohner ihre Radioapparate wieder heimlich abgeholt, da sie nach zwei Tagen immer noch auf dem Hof, unter freiem Himmel, herumstanden. Das geschah aber immer bei Dunkelheit. Im Dorf herrschte Hunger, obwohl jeder Bauer Viehzeug hatte. Brot war knapp. Jeder, der ein Stück Getreideacker hatte, brachte sein Korn nach Jeskes zur Mühle (nicht die Mühle auf dem Weinberg, die war zerstört). Vom Mehl wurde Btot gebacken.“
Selbst an die NKWD-Verschleppungen kann sich Horst Hallmann erinnern: „Nach diesen Verschleppungen sind nicht alle wieder zurückgekehrt. Nachts, gegen 22.00 oder 23.00 Uhr, kamen die Russen und schlugen gegen Haustüren und Hoftore. Draußen riefen sie die Namen derjenigen aus, die sie abholen wollten. Das waren meist keine ehemaligen NSDAP-Funktionäre. Auch mein Cousin war dabei. Er ist nicht wieder heimgekehrt. Fast aus jedem Haus mussten die Männer heraustreten. Selbst der Vater von Eckehard Thron wurde mitgenommen. Er wurde auf dem Marsch in ein Lager unterwegs erschossen, weil er Durst hatte und den Posten um Wasser anbettelte. Hubert Rocher hatte das Glück, wieder heimzukehren. Der Vater von Kerstin Voigt (Ahornallee 8 gegenüber) ist ebenfalls verschleppt worden. Sein Sohn wollte ihm noch eine Wegzehrung mitgeben. Den haben sie kurzerhand auch gleich in die Kolonne gestoßen und mitgenommen. Die Kolonne marschierte dann aus Lostau in Richtung Möser und von dort mit weiteren Männern anderer Dörfer nach Osten, in Richtung Brandenburg. Aus diesen Aktionen ließ sich nur reine Willkür herleiten.“
Die russische Ortskommandantur lokalisierte Horst Hallmann unten an der Ecke in der Möserstraße „Jeden Samstag Vormittag ritt der Kommandant hoch zu Ross durch Lostaus Straßen und überprüfte die Ordnung und Sauberkeit. Vor den Häusern und Höfen musste alles sauber gefegt oder geharkt sein. Das war ein regelrechtes Ritual. Heinz Keller wurde hier als erster Bürgermeister von der Kommandantur eingesetzt. Der war kein Kommunist und hatte keinerlei Erfahrung! Er entwickelte sich aber zu einem guten Bürgermeister. Die Bürgermeisterei befand sich nun am Dorfplatz, wo es nach Alt Lostau geht, im Hause, wo heute Frau Bauer wohnt, also an der heutigen Bushaltestelle.“
Auch an die Fremdarbeiter in Lostau, während des Krieges und zum Kriegsende, kann sich Horst Hallmann erinnern: „Im Dorf waren während des Krieges auf vielen Höfen eingesetzt, zumal die Söhne an der Front waren. In Lostau waren Franzosen und Polen. Altenburgs hatten polnische Fremdarbeiter. Das war der Hof, wo die Feuerwehr heute ihr Domizil hat. Dieser Bauer hatte seine die Fremdarbeiter dermaßen schikaniert, dass sie ihn, als sie nun frei waren, mit dessen eigener Schrotflinte erschossen. Altenburg war sich seiner schlechten Handlungsweise bewusst und wollte sich durch Flucht der Verantwortung entziehen. Weit ist er nicht gekommen.“ Der Umgang mit Munition war Horst Hallmann auch noch deutlich im Gedächtnis, denn er war damals noch Kind. Er war sich anfangs der Gefahren nicht bewusst. Nachdem die Soldaten der Roten Armee Lostau und die Lager rings um besetzt hatten, stand oben auf dem Heideberg noch lange ein leichtes Vierling- Flakgeschütz auf einem Fahrgestell. „Wir Dorfkinder waren immer neugierig und so trieben wir uns öfters dort oben herum. Zündstangen, so genanntes Spagettipulver aus den Flakgranaten, wollten wir holen. Wir vier in meiner Altersgruppe brachen die Metallhülsen von den Geschossen ab, um die stangenförmige Treibladung herauszuholen. Dabei explodierte eine Granate. Klaus wurde eine Hand abgerissen, der andere Kumpan verlor ein Auge und der dritte hatte jede Menge Splitter im Hinterteil. Ich war zum Glück noch weit genug entfernt und musste nun Hilfe holen. Zu hause brach dann ein Donnerwetter über mich herein. Aus der alten ,MUNA’ bei Gerwisch haben wir auch Pulverstangen und Tränengaspatronen geholt. Das große alte Munitions- und Versuchsdepot ,MUNA’ war noch lange nach dem Krieg voll mit Munition und Tränengasvorräten. Uns waren damals die Gefahren nicht bewusst, bis es zu diesem schlimmen Unfall kam.“
Die hölzerne Behelfsbrücke, neben der gesprengten Autobahnbrücke, war Horst Hallmann noch ebenfalls in Erinnerung: „Als die Amerikaner Magdeburg eroberten, hatten Wehrmachtsangehörige, die sich noch auf das Ostufer der Elbe zurückzogen, die Autobahnbrücke Hohenwarthe gesprengt. Erst als die Russen in Lostau und Hohenwarthe waren, errichteten amerikanische Pioniere nördlich daneben eine hölzerne Behelfsbrücke. Der Betrieb auf der Brücke musste geregelt werden, da sie viel zu schmal war. Jeden zweiten Tag wurden Arbeiter auf diese Brücke geschickt, um den Bohlenbelag wieder festzunageln. Zuerst ist ein voll besetzter Ami-Jeep von der Brücke in die Elbe gestürzt. Der war zu schnell und ist durch das Geländer gebrochen. Die Besatzung soll mit dem Leben davon gekommen sein. Danach soll ein französischer Jeep abgestürzt sein. Auch dieser Fahrer hatte Glück. Später sollen noch zwei russische Fahrzeuge abgestürzt sein. Die Insassen eines der Fahrzeuge kamen dabei um, weil sie auf das Ufer schlugen. Nach diesen Unfällen wurden neben der Brücke große Warnschilder aufgestellt, auf denen ein abstürzender Jeep und durch die Luft fliegende Figuren die Gefahren verdeutlichten. Das war noch vor dem 1. Juli 1945 geschehen.“
„Es dauerte nicht lange“, so Horst Hallmann weiter: „dann kamen über Lostau die Vertriebenen- und Umsiedlerströme, die über die Elbe nach Westen wollten. Diese Leute klopften an alle Haustüren und bettelten nach Lebensmitteln. Etliche Vertriebene aus dem Osten blieben auch hier in Lostau. Ursprünglich hatte unser Dorf ca. 800 Einwohner. Mi den nun hier gebliebenen waren es bald über 1000. Überall, wo noch ein Zimmer frei war, wurden ihnen diese als Unterkunft zugewiesen. Auch ehemalige Zwangsarbeiterbaracken dienten vorübergehend als Unterkunft. Manche Höfe hatten 2 - 3 Familien zur Einquartierung. Die Lostauer Schule reichte in der ersten Zeit, für die vielen Kinder, nicht mehr aus. So wurde auch die alte Schule im Alten Dorf wieder genutzt. Schulbücher hatte man anfangs noch keine. Die alten Bücher des NS-Regimes durften nicht mehr benutzt werden, zumindest wurden bestimmte Seiten zuvor entfernt. Auch in der Gaststätte bei Rümlands wurde vorübergehend Unterricht erteilt.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Horst Hallmann, Möserstraße 1, Lostau, 15. 9. 2009, geführt und aufgenommen durch Helmut Menzel.
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Aufzeichnung des Zeitzeugenberichtes von M. Fehse (geb. Otte), von Helmut Menzel, am 5.11.2010
„In und um Hohenwarthe wurden an der Elbe und auch in den Wäldern um den Ort Schützengräben, Deckungslöcher und Panzergräben ausgehoben. Ein solcher Panzergraben wurde rund um die Flakbatterie Weinberg geschachtet. Die dortige große Kiesgrube Wartenbergs war mit einbezogen. Diese Panzergräben wurden erst zum Schluss des Krieges hergestellt. Die Schanzarbeiten verrichteten Arbeitsdienstler und Kriegsgefangene, keine Fremdarbeiter. Ein weiterer Panzergraben befand sich oberhalb der Elbe, nördlich der Autobahn Richtung Hohenwarthe. Nach dem Kriege mussten die Dorfbewohner die tiefen Gräben wieder zuschaufeln. In den Graben um den Weinberg hatte ein Junge eine Flakgranate hinein geworfen, wo man dabei war, diesen zu verfüllen. Die Granate explodierte und es wurden mehrere Mädchen, die dort schaufelten, verletzt. Ein Mädel erlag ihren schweren Verletzungen im nahen Krankenhaus (Lungenheilstätte Lostau). Wehrmachtsangehörige waren in den letzten Kriegstagen auch in Hohenwarthe. Wo sie allerdings einquartiert waren, ist mir heute nicht mehr in Erinnerung. Möglicherweise gehörten sie zu den Truppen des Waldlagers bei Lostau.“
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Wehrmacht in Hohenwarthe verschanzt -Aus der Erinnerung von Ruth Storch-
Aufzeichnung des Zeitzeugengesprächs von Helmut Menzel, 9.11.2010
„Als die Amerikaner bereits Glindenberg erreichten, hatten sich Wehrmachtsoldaten in und um Hohenwarthe zur Verteidigung der Elblinie verschanzt. In unserem Dorf hatten die Soldaten noch gefeiert und viele waren betrunken. Ein betrunkener Soldat fuchtelte mit der geladenen Pistole herum, als er durch die Dorfstraßen torkelte. Die Bewohner waren verunsichert und riefen den Dorfpolizist Golz. Er sollte für Ruhe und Ordnung sorgen. Auf der Hauptstraße stand der betrunkene Soldat bei Funkes und auf der anderen Straßenseite Golz. Auch der Dorfpolizist Golz wurde von ihm mit der Waffe bedroht. Da sich die Situation immer mehr zuspitzte schoss ihm Golz durch die Schulter und machte ihn dadurch Handlungsunfähig. Anschließend brachte man den Verwudeten ins Krankenhaus Lostau. Was wird aus dem betrunkenen Soldaten geworden sein? Als der Beschuss auf Hohenwarthe einsetzte, rückten auch unsere Wehrmachtsoldaten vorerst ab. In der Bäckerei hatten auch deutsche Soldaten gearbeitet. Die rückten nach Stegelitz ab. Meine Mutter fuhr auch nach Stegelitz, um für uns dort Brot zu organisieren. Sie kannte ja die deutschen Soldaten der Militärbäckerei. Auf dem Weg dort hin heulten die amerikanischen Granaten dicht über sie hinweg. Sie sprang vom Fahrrad in den Graben. Ich war mit den anderen bereits nach Pietzpuhl evakuiert. Als es ruhig war, lag ich dort im Schlosspark im Liegestuhl. Doch dann kam Ruf: Ab, rein ins Haus! Die Amis fangen wieder an zu schießen. Jetzt schlugen Granaten auch vor und in Pietzpuhl ein. Als wir von Hohenwarthe nach Pietzpuhl flüchteten, sind wir über die Mösersche Brücke, die über die Autobahn führt, gefahren. Wir saßen auf einem Anhänger, der von einem Traktor gezogen wurde. Der weg führte durch Schermen hindurch.“
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Sturmartillerist Werner Bartelt berichtet über den Stellungsbau an der Elbe, im Februar und März 1945
Aufzeichnung von Helmut Menzel
„Bevor ich mit meiner Sturmgeschützgruppe aus der Sturmgeschützschule Burg, per Bahn nach Mühlhausen am 18. März 1945 verlegt wurde, nahm ich noch an den Vorbereitungen der bevorstehenden Kämpfe, an der Elbe teil. Zum ausheben der Stellungen, also für die Schanzarbeiten, wurden auch zahlreiche zivile Kräfte herangezogen, u. a. natürlich auch der Volkssturm der Umgebung. Auch wir Sturmartilleristen aus Burg waren dabei. Dazu marschierten wir von Burg nach Niegripp. Unsere Stellungen erstreckten sich non Niegripp bis Hohenwarthe. Alle Stellungen, Schützenlöcher, Deckungsgräben und Stellungen für MG-Nester und Artillerie wurden entlang des Elbdeiches ausgebaut. Während dieser Schanzarbeiten wurden auch Laufgräben zwischen Hohenwarthe und dem Weinberg ausgehoben. Alle Stellungsbauarbeiten wurden von der 8,8 cm Flak und der leichten Zwilling- Flak bei Hohenwarthe und Lostau gesichert. Auch aus dem Raum Rothensee- BRABAG- Autobahn- Schiffshebewerk wurden unsere Schanzarbeiten gegen amerikanische Tiefflieger gesichert. Vereinzelte Sperrballons mit Netzen verspannt, sollten Tieffliegerattacken verhindern. Die schwere Flakbatterie Weinberg war mit den wenigen noch verbliebenen Geschützen mit einbezogen.“
Quelle: Zeitzeugengespräch mit Werner Bartelt, Pflegeheim Möser, Aufnahme Helmut Menzel am 12. 1. 2008.
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Ruth Storchs Erinnerung an den Beschuss Hohenwarthes durch die Amerikaner und flüchtende Wehrmacht
Erinnerungsbericht von Ruth Storch, geb. Schulle, Jg.1933, aufgeschrieben am 9.11.2010 von H. Menzel
„Als die Amerikaner in Glindenberg waren und von dort Hohenwarthe beschossen wurde, hatten viele Hohenwarther Schutz im östlichen Kanalbrückenwiderlager gesucht. Als der Artilleriebeschuss wieder aufhörte, und man diesen Schutzraum wieder verlassen wollte, saß man in einer Falle. Amerikanische Scharfschützen hatten auf dem westlichen Widerlager Stellung bezogen und schossen auf alles, was sich hier bewegte. Dabei wurde auch Herr Krietsch erschossen. Der wollte unbedingt raus. Mit einer weißen Fahne in der Hand verließ er den Schutzraum. Die Amis dachten wohl, dass es ein Wehrmachtsoldat sei und schossen auf ihn. Tödlich getroffen brach er draußen zusammen. Unmittelbar vor dem Beschuss wurden alle Einwohner aufgefordert Hohenwarthe zu verlassen, da jetzt mit scheren Kämpfen zu rechnen sei. Viele Einwohner verließen das Dorf zu Fuß. Andere fuhren auf Fahrzeugen (Traktorengespanne) bis nach Pietzpuhl. Auf dem Schloss war der Sammelpunkt für mehrere Tage vorgesehen. Dort wurden wir von der Schlossherrin v. Wulffen versorgt. Mehrere Familien teilten sich jeweils ein Zimmer im Schlosse. Die Schlossherrin, in ihren Reithosen, kümmerte sich um alles persönlich. Doch die Entfernung bis Hohenwarthe gönnte uns nicht lange Ruhe. Die Amerikaner schossen nun mit schwerer Artillerie bis nach Pietzpuhl. Luftbeobachter hatten den Füchtlingszug bis hier her verfolgt und die Koordinaten an die Artillerie durchgegeben. Als die Russen immer näher rückten, sind unzählige deutsche Soldaten vor ihnen zur Elbe geflohen, um hier in amerikanische Gefangenschaft zu gehen. Ich vergesse das Bild der vielen Verwundeten Soldaten nicht, die aus dem Burger Krankenhaus hier her gebracht wurden, auf Krücken, mit amputierten Beinen, Kopfverbänden, Armschienen usw. Sie kamen in Scharen gegen Abend des 4. Mai. Es kamen aber nicht mehr alle rüber. Einige Hohenwarther hatten noch einen Kahn, der an einem Seil auf der Elbe hin und her pendelte, um Flüchtlinge und Verwundete auf das andere Ufer zu bringen. Doch bereits am nächsten Tag war auch das nicht mehr möglich. Der Russe war da. Unser Ortspolizist Golz und der Ortsbauernführer Warthenberg hatten es noch geschafft, den Russen nicht in die Hände zu fallen. Sie wurden am anderen Ufer gleich von den Amis in Empfang genommen und abgeführt.“
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Gerhard Lenz erinnert sich an seine Kinder- und Jugendzeit -HJ in Hohenwarthe schwach besetzt, Fremdarbeiter auf den Höfen-
Zeitzeugenbericht Gerhard Lenz, Kanalstr.3 in Hohenwarthe, Jg 1936, aufgeschrieben von Helmut Menzel, 5.11.2010
„Für die HJ in Hohenwarthe war ich noch zu jung. Auch mein Bruder war dort nicht organisiert. Lediglich Skier holte er auf Bezugschein von der HJ und Bekleidung. Hosen erhielt er auf Freigabeschein. In Hohenwarthe waren etwa 12 Jungs in der HJ organisiert. Die mussten auch öfters oben bei der Kirche, auf dem Platz, antreten. Dann kam ein alter HJ-Führer mit einem roten Sportwagen vorgefahren und vergatterte die HJ-Gruppe sehr barsch. Dieser Führer hatte ein steifes Bein und hinkte auf dem weg vom Auto bis vor die Front. Keiner der HJler durfte lodderig im Glied stehen. Eigentlich reichte für uns der Sportunterricht völlig aus. Das war bereits kurz vor Kriegsende. Eine vormilitärische Ausbildung, wie sie in den Städten Burg oder Magdeburg für die HJ angeordnet war, gab es hier auf dem Lande oder in den Dörfern nicht. Selbst der Hohenwarther Schießstand wurde dafür nicht genutzt. Der Ortsbauernführer der NSDAP in Hohenwarthe war Rudolf Warthenberg. Auch ein Herr Wilhelm Neumann war hier NS-Funktionär. Herr Golz oder Golze war damals der Dorfpolizist. Auf einem Hof, in der Nähe der Kanalstraße, wurde ein polnischer Fremdarbeiter fürchterlich verprügelt. Dazu hatte man den Polen oben in der Dachkammer an das Fensterkreuz gebunden. Der schrie wie am Spieß, viele Hohenwarther müssen das damals mitbekommen haben. Besonderes Mitleid zeigten sie aber nicht… Allgemein ging es den Fremdarbeitern in Hohenwarthe aber vergleichsweise recht gut. Nur Bauer Warthenberg, der Ortsbauernführer, behandelte seine Fremdarbeiter nicht besonders gut.“
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Günther Brandts Kinder- und Jugendzeit in Hohenwarthe, und was er noch von der Flak wusste
Aus den Erinnerungen Günther Brandts, heute Mörteleg 2, Jg.1930, aufgeschrieben von H. Menzel, 13. 11. 2010
„Als Kind war ich in der HJ, in der s. g. Kükengruppe organisiert. Das waren die jüngsten. Die Betreuung und Organisation führte Frau Sens in Hohenwarthe. In dieser Kükengruppe wurde uns Kindern allerhand geboten, Veranstaltungen vielfältiger Art, Basteltage, Singen usw. Frau Sens gehörte der NS-Frauenschaft an. Hohenwarthe war schon immer ein Dorf des Sports. Hier gab es viele Sportler. Mein Vater beispielsweise war Mitglied des Rudervereins. Im Verein war einer den Thüms und auch von den Böttchers Mitglied. Von den Böttchers sind zwei Brüder und Sportsfreunde bei Stalingrad gefallen. Ich muss heute kritisieren, dass Hohenwarthe kein Gedenkstein für die Gefallenen und Opfer des Zweiten Weltkrieges hat. Viele Orte östlich der Elbe haben solche Gedenksteine und pflegen sie, wir aber leider nicht. Das könnte sich auch heute noch nachholen lassen, zumal die Namen der Kriegstoten im Kirchenregister und die der deutschen Kriegsgräberfürsorge recherchierbar sind. Auch Walter Zesnocha ist dieser Meinung. Der kannte fast alle Opfer. Franz König, der Großvater meiner späteren Frau, betrieb seinerzeit die Badeanstalt und die Waldschänke oberhalb. Die Badeanstalt ist in den 30er Jahren geschlossen worden, weil in Magdeburg die Fäkalien und Industrieabwässer in die Elbe geleitet wurden. Dafür ist Franz König, nach einem gewonnenen Prozess, auch mit 7000 Reichsmark entschädigt worden. Franz König betrieb auch eine Schiffswerft unterhab der Waldschänke an der Elbe. Die ist aber bereits während der Inflation pleite gegangen. Er hatte sie 1908 gegründet. Bereits 1941 zogen wir von Hohenwarthe nach Burg, in die Schusstrasse 14. Was ich von da ab alles erlebte, findet bei den Burger Ereignissen Berücksichtigung. Ich kehrte erst nach der Wende 1989 nach Hohenwarthe zurück. 1944 bin ich von Burg aus noch zur Wehrertüchtigung geschickt worden, nach Rosenkrug bei Altengrabow. Zwei alte Ritterkreuzträger unterrichteten uns noch während der Ausbildung. Dort waren wir etwa 120 HJler, auch aus Hohenwarte und Umgebung. Unsere Ausbildung fand damals noch mit dem KK-Gewehr statt. Es wurde aber dann doch noch mit Sprengkörpern geübt. Oben auf dem Weinberg befand sich die große Flak-Batterie. Auf dem Heideberg befand sich eine größere Scheinwerferstellung, Der Heideberg wurde zu DDR-Zeiten abgetragen, da der minderwertige Kies zum Auffüllen des Industriegebietes ( zB. Betonwerk) benötigt wurde.“
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Marianne Fehse, geb. Otte, aus der Kanalstraße16 in Hohenwarthe, erinnerte sich an die Jugendzeit in der HJ und BDM und an die Fremdarbeiter auf den Höfen
Aufzeichnung des Zeitzeugengesprächs von Helmut Menzel am 5.11.2010
Marianne Fehse, geb. Otte, ist in der heutigen Kanalstraße 16 1927 geboren und verlebte ihre Kindheit und Schulzeit in Hohenwarthe. „Während meiner Schulzeit war ich, wie es damals üblich war bei den Jungmädels- „Kükengruppe“ in der HJ organisiert. Später, bis zum Kriegsende, war ich Mitglied des BDM. Die Jungs meines Alters waren ebenfalls in der HJ beim Jungvolk. Dort wurde vor allem viel Sport betrieben. Hohenwarthe gehörte zum Bann Burg (Sitz Bethanienstr. In Burg). Die Jungmädels gehörten als Untergruppe zu Möser. Auch wir Mädels haben Sport betrieben, am 1. Mai beteiligten wir uns jährlich an den Umzügen und halfen bei der Aufstellung des Maibaums. Üblich war das Üben und das Aufführen von Volkstänzen und vor Weihnachten wurde viel gebastelt. Solche Geschenke schickten wir in kleinen Päckchen an unbekannte Frontsoldaten. Die Bastelnachmittage fanden im Elbschlösschen statt. Fon den Frontsoldaten haben wir dann auch gelegentlich Post bekommen. Das machte uns großen Spaß und alle waren begeistert. Die Jungs aus Hohenwarthe in der HJ erhielte nicht, wie wo anders üblich, vormilitärische Ausbilbung. Darauf verzichtete man damals auf dem Lande. In den Städten sah das ganz anders aus. Der Ortsbauernführer in Hohenwarthe war Rudolf Wartenberg. Der wurde später auch enteignet. Meist polnische Fremdarbeiter waren bei den Bauern auf den Höfen und mussten dort zum Teil schwer arbeiten. Serbische männliche Fremdarbeiter hatten sich abends, nach getaner Arbeit, in den Baracken einzufinden. Die Baracken standen an der Friedhofstraße, der Bäckerei gegenüber. Auch Ukrainerinnen waren auf den Bauernhöfen beschäftigt. Diese blieben aber zur Nacht auf den Höfen. Die meisten Bauern behandelten diese Fremdarbeiter aber gut. Ausnahmen gab es natürlich! Am Kriegerdenkmal fanden alle Jahre Gedenkveranstaltungen, am Tag der Wehrmacht, am Helden- Gedenktag usw. , statt. Dann marschierte der Bürgermeister und der Ortsbauernführer an der Spitze auf, gefolgt vom RAD, Soldaten der Flakbatterie, BDM und HJ. Alles nahm auf der Friedhofstraße Aufstellung und es wurde eine kernige Rede gehalten.“
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Ruth Storch, geb. Schulle, erinnert sich an die Kinder- und Jugendzeit in Hohenwarthe -HJ, Jungmädels, Fremdarbeiter-
Aufzeichnung des Zeitzeugengesprächs zwischen Ruth Storch, Jahrg.1933 und Helmut Menzel, 9.11.2010
„Mein Vater war im Krieg und meine Mutter arbeitete auf dem Bauernhof des alten (Opa)Schulle als Melkerin. Die Milch wurde nach Körbelitz gebracht. Nach dem Melken hat sie dann früh uns Kinder fertig gemacht. Wir mussten ja zur Schule. Anschließend ging sie auf den Acker, um dort den ganzen Tag weiter zu arbeiten. Das Mittagessen wurde auf dem Acker eingenommen. Der Bauer ließ es dort hin bringen. Der alte Bauer Schulle hatte 12 Kühe im Stall, Schweine und anderes Vieh im Bestand und eine Bäckerei im Familienbetrieb. Die Bäckerei lieferte Brot, Brötchen und Kuchen nach Magdeburg. Dafür hatte man einen großen Lieferwagen angeschafft. Mein Onkel brachte die Backwaren nach Magdeburg, zum Alten Markt. Die Bäckerei befand sich an der Hauptstraße Hohenwarthes. Die Organisation der Jungmädel in Hohenwarthe oblag einer Tochter des Gastwirtes des Deutschen Hauses. Dort hatten wir auch unsere Zusammenkünfte, wo man uns über Hitler berichtete oder Geschichten vorlas. Auch Liedernachmittage wurden dort für uns Jungmädel durchgeführt. An solchen Nachmittagen waren meine Freundin und ich oft ziemlich albern. Weil wir bei Vorlesungen von Heldengeschichten oftmals kicherten, wurden wir rausgeschmissen und durften erst wieder reinkommen, wenn wir uns ausgegackert hatten. Unsere Lehrer waren oft sehr streng. Einer der Lehrer kam aus Burg. Das war ein ganz verrückter Nazi. Bei ihm mussten wir uns öfters zackig in einer Reihe aufstellen und den Hitlergruß üben. Der kannte keinen Gutenmorgengruß, sondern nur das Heil Hitler. Es gab immer jemanden in der Klasse, der das nicht nach seiner Vorstellung beherrschte. Dann mussten sich alle aufstellen und den Hitlergruß üben. Wir nannten ihn nur ,Bolle’. Ob der wirklich so hieß ? Diesen Nazi-Lehrer hatten wir als Ersatzlehrer erhalten, weil unser alter Lehrer verstorben war. Später erhielten wir aber wieder einen anderen Lehrer, der aus Stegelitz oder Wörmlitz stammte. Er hieß Bake. Großbauer Warthenberg war der Ortsbauernführer Hohenwarthes, Herr Golze der Ortspolizist und Bauer Neumann war auch ein NS-Funktionär. Auf dem Schullehof wurden auch Fremdarbeiter beschäftigt, wie überall in Hohenwarthe. Da arbeitete auch eine Polin und eine Ukrainerin. Die Polin war oft sehr aufmüpfig und voller Hass auf die Deutschen. Meine Mutter konnte sie aber nur zu gut verstehen. Sie sagte, aber nur zu uns Kindern, dass das doch auch Menschen seien…. Die männlichen Fremdarbeiter arbeiteten im Stall und auf dem Acker und in der Bäckerei. Einer von ihnen hieß Felix. Einer der Fremdarbeiter, der in unserer Bäckerei arbeitete, wohnte auf dem Klewitzhof. Wenn die Polin morgens nicht aufstehen wollte, dann gab es mächtigen Krach auf unserem Hof. Meine Mutter sagte immer, dass man trotzdem menschlich denken muss. Sie war ja täglich mit den beiden Fremdarbeiterinnen auf dem Acker bei der Feldarbeit. Sie verstanden sich sonst recht gut. Als die Polin wieder einmal verrückt spielte und morgens nicht aufstehen wollte, musste sogar der Dorfpolizist Golze geholt werden. Der hat sie dann auch in der Waschküche fürchterlich verprügelt. Das Geschrei war jämmerlich. Meine Mutter musste das mit anhören, als sie gerade die Kühe molk. Das Herz hätte sich ihr umdrehen können. Das sind doch Menschen, das könne man doch nicht machen… Meine Oma hatte für meine Mutter oft keine Schnitte zur Feldarbeit mitgegeben. Die beiden Fremdarbeiterinnen haben dann sogar ihre Essenration mit ihr geteilt. So gab es sogar so etwas wie Solidarität untereinander. Die Ukrainerin hatte ein Verhältnis mit dem Fremdarbeiter in der Bäckerei und wurde Schwanger. Eine ältere Frau in der Hauptstraße kümmerte sich um das Kind, wenn sie auf dem Feld arbeitete. Meine Mutter besorgte ihr auch einen Kinderwagen und Kinderwäsche. Bei Naues wurde eine Fremdarbeiterin sogar wie eine eigene Tochter behandelt. Aber bei Warthenbergs ging es überhaupt nicht so gut zu. Männliche Kriegsgefangene (Russen und Polen) waren bei Rothensee in Barackenlagern untergebracht. Sie wurden gelegentlich zu militärischen Arbeiten nach Lostau und Hohenwarthe über die Autobahn gebracht. Als die Amerikaner sich im April 1945 Magdeburg näherten, wurden sie auf einen Evakuierungsmarsch (Todesmarsch)nach Osten geschickt.“
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Marianne Fehse erinnerte sich an die Amis und die Flüchtlinge in und um Hohenwarthe
Aus dem Zeitzeugenbericht von Marianne Fehse, aufgeschrieben von H. Menzel, 5.11.2010
„Am 11. April 1945, 16.40 Uhr, Feindalarm in Hohenwarthe. Meldung: Amerikanische Panzerspitzen auf Höhe Groß Ottersleben, im Anmarsch auf Magdeburg . Wir geben Feindalarm ! Nun löste man auch in Hohenwarthe die Sirene aus. Als später die Amerikaner Hohenwarthe beschossen, haben wir in den Kellern Schutz gesucht. Mein Onkel hatte im Garten einen kleinen Bunker (Unterstand) errichtet. Der bestand aus Holz und Erdbedeckung und bot eigentlich keinen Schutz, höchstens gegen Granatsplitter. Da uns auch unser Keller nicht sicher genug erschien, zogen wir zu einer anderen Familie (in der Friedhofstraße bei Hoffmanns), die dort einen großen festen Keller hatten. Da waren auch noch weitere Familien eingezogen. Dort hasten wir im wahrsten Sinne, bis die Russen kamen.
Am 4. Mai sind die Amerikaner mit Sturmbooten über die Elbe nach Hohenwarthe herüber gekommen. Es wurden noch viele Flüchtlinge über die Elbe geholt und nach Glindenberg und Barleben gebracht. Dann hieß es plötzlich, jetzt ist Schluss. Morgen früh geht es weiter ! Aber am anderen Tag (5. Mai) waren schon die Russen da. Das haben die Amis aber gewusst. Da wurde niemand mehr über die Elbe geholt. Doch bis da hin hatten sie sehr viele Flüchtlinge von der Fährstelle Dampferanlegestelle) aus herüber geholt, da die Autobahnbrücke zerstört (gesprengt) war. Überall in Hohenwarthe waren zu dieser Zeit Flüchtlinge und deutsche Soldaten, die lieber zu den Amerikanern wollten, als den Russen in die Hände zu fallen. Unser Dorfpolizist Golze war bei denen, die sich noch rechtzeitig in Zivilkleidung zu den Amerikanern absetzen konnten. Als die Russen schon in Hohenwarthe waren, versuchten noch viele im Schutze der Dunkelheit, durch die Elbe zu schwimmen. Nicht jedem gelang es…“
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