Materialien, welche die Bürger zu ihren Bauten gebrauchten, angefüllt sei. Zugleich wird auch an die wiederholt versprochene Entschädigung wegen des abzutretenden Platzes erinnert. 1) Der Kurfürst ging auf die Bitte des Rathes so weit wie möglich ein und erließ unter dem 7. Juli an den Commandanten den Befehl, nur so viel abzubrechen, als zum Weiterbau unumgänglich nöthig wäre. Er veranlaßte auch Verhandlungen zwischen dem Commandanten und den Vertretern der Stadt wegen der „sarisfaction“.Der Rath stellte eine Forderung, deren Richtbewilligung ihm kaum zweifelhaft sein konnte, und er that dies wahrscheinlich nur in der Absicht, um wiederum zu „trainiren“. Er verlangte als Ersatz „Dorf und Holz Bideritz“. Diese Forderung wurde durch Cabinetsschreiben vom 28. Juli abgelehnt, „weil solches ein Stück von Unseren Domain en ist, wovon Wir nichts entlehnen können“. Die abzubrechende Ziegelscheune solle dann nach dem Taxwerte bezahlt und abgebrochen, oder auf die Seite gerückt werden, daß sie dem Baue nicht hinderlich werde. 2) Der Bau wird nun weiter geführt, zumal vom Kurfürsten 400 Thaler, „zu besserer Poussirung des Zitadellenbaues über die vorigen dazu destinirten Gelder gnädigst verordnet“ waren. „Bei jetzigem kleinen Wasser“, schreibt der Commandant du Plessis Gouret am 1. August an den Kurfürsten, „sollen sie so verwendet werden, daß ein Großes dadurch bei der Arbeit zuwachsen soll; der Anfang mit der Aufmauerung des Bärs ist gemacht und die Faco nach dem Morgen zu auch bald in dem Stande, daß daran gemauert werden kann“. Aber gleichzeitig beklagt der Commandant, daß der Rath zögere, die dem B au hinderlich fallende Ziegelscheune wegzuräumen. Der Commandant spricht die Vermuthung aus, daß sie noch in dem Wahne stehen, als würde dieser Bau seinen gänzlichen Fortgang nicht gewinnen, indem sie auch noch Erde und andere praeparatotia auf dem jetzigen Ziegelhofe ohne Unterlaß anschaffen“. Der Kurfürst möge einen verständigen Maurer zur Tarirung der Gebäude schicken, dann könnte die Ziegelscheune abgebrochen werden. 3) Der Kurfürst geht auf diesen Vorschlag ein und befiehlt in
----------------- 1) Städt. Archiv Magdeburg a. a. D. 2) Städt. Archiv Magdeburg a. a. D. 3) Geh. Staats- Archiv Berlin a. a. D.
einem Cabinetschreiben vom 4. August dem Commandanten, aus Halberstadt oder Zerbst sachverständige Handwerker kommen zu lassen. Der Stadt aber wird unter dem 8.August angezeigt, daß von der Ziegelscheune nunmehr doviel abgebrochen werden müsse, als der Commandant für den Weiterbau nöthig gebrauche. Es wurde nun wirklich eine Tarirung von drei Brennöfen, drei Ziegelscheunen und zwei Zollhäusern vorgenommen. 1) Das scheint auf die Gemüther einen großen Eindtuck gemacht zu haben. Die vorher erwähnte, in dem Berichte vom 1. August an den Kurfürsten ausgesprochene Vermuthung des Commandanten macht es wahrscheinlich, daß man sich immer noch der in Berlin selbst von einflussreichen Männern angeregte Hoffnung hingegeben habe, es würde wohl nicht zur vollen Ausführung des Zitadellenbaues kommen. Jetzt überzeugte man sich, es wird doch Ernst gemacht. Nunmehr erklärte der Rath, er habe einen Platz zur Entschädigung ausfindig gemacht, an der Elbe in der Neustadt. Der Commandant empfiehlt in seinem Berichte vom 18. August darauf einzugehen, es müsse dann das Thor der hohen Pforte geöffnet und dafür das Schrotdorfer Thor geschlossen werden, was militärisch keinem Bedenken unterliege. Die mittelste Ziegelscheune sei jetzt dem Weiterbau sehr hinderlich, da die Courtine und Flanke zusammenstoße. Der Kurfürst möge den Abbruch dieser Scheune anbefehlen. Zut größeren Veranschaulichung legte der Commandant einen sorgfältig ausgeführten Riß bei. 2) Je mehr nun die Weiterführung des Zutadellenbaues auf den Abbruch der Ziegelscheune etc. drängte, um so mehr drängte die Frage wegen der Verlegung dieser städtischen Baulichkeiten und der Wahl eines hierzu geeigneten Platzes auf Entscheidung.
---------------------------- 1) In dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin (a. a. D.) findet sich die Taxe datirt vom 16. respective 17. August 1680. Danach werden von einem aus Halberstadt berufenen Maurer die Kosten für Maurerarbeiten inclisive Lieferung von Kalk, Sand ect. auf 2138 Thaler, von einem Zimmermann die Kosten für die Dächer, Arbeitslohn und Materialien, auf 2313 Thaler 22 Groschen, die Kosten für etwigen Abbruch und Wiederaufbau auf 450 Thaler festgestellt.- Folgende Größenverhältnisse werden dabei angegeben: Die große Ziegelscheune mit Wohnhaus 155’ l. 39’ br., die andere Ziegelscheune, nach dem Zoll hin, 166’ l. 36’ br., die dritte Ziegelscheune 97’ l. 39’ br., die beiden Zollhäuser jedes 45’ l. 20’ br. 2) Geh. Staatsarchiv Berlin a. a. D.
Es werden hierzu vier verschiedene Plätze in Vorschlag gebracht: a., auf dem rechten Elbufer, nördlich von der Friedrichstadt, b., auf dem linken Elbufer, nördlich von Bastion Preußen, in der Nähe der Neustadt; c., auf dem kleinen Marsch, oberhalb der Zitadelle selbst, (sog. Commandanten Werder); d., in der Stadt, hart am Elbufer, in der Nähe der Zitadelle. Der Rath bittet in einer Eingabe vom 18. September an den Kurfürsten um den Platz auf dem kleinen Marsch, zumal der Commandant mit dieser Wahl einverstanden sei. Zugleich bittet er auch um „ein erklecklichenes Tausend Thaler bis ratine quanti hiernächst was Gewisses geschlossen“ zur Deckung der Kosten des Wiederaufbaues der Ziegelscheune. 1) Der Commandant spricht sich auch wirklich unter dem 22. September für den Vorschlag des Rathes aus, weil die Scheune dovh unter den Stücken gelegen sein würden, wird aber von dem Kurfürsten (26. September) mit der Vorhaltung abschlägig beschieden, daß „er als Soldat selbst hätte billig urtheilen sollen, daß es sich gar nicht schicke, einige Gebäude dahin zu setzen. 2) Außer der Zuweisung eines geeigneten Platzes für den Wiederaufbau der Ziegelscheune ect. handelte es sich aber auch um Entschädigung für die Kosten der Belegung. Das mehrfach gegebene Versprechen einer solchen Entschädigung wird in einem kurfürstlichen (zwar nicht vom Kurfürsten selbst, aber doch vom Kurprinzen Friedrich eigenhändig unterschriebenen) Cabinetsschreiben vom 2. (12) Dezember 1680 wiederholt. „Was die Anlegung einer neuen Ziegelscheune betrifft, da wollen Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht die gnädigste Verfügung thun, daß der Stadt zu solchem Bau ein Gewisses an Geldmitteln assignirt werden soll.“ 3) Das zweite hierher bezüglich Actenstück ist erst aus dem Jahre 1686 vom 6. Februar. Es ist eine Immediateingabe des Rathes an den Kurfürsten und ein Zollhaus abgebrochen, der Zitadellen bau aber soweit vorgerückt war, daß jetzt die übrigen noch vorhandenen städtischen Baulichkeiten abgebrochen werden mußten. Als Entschädigung
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1) Städtisches Archiv Magdeburg a. a. D. 2) Geh. Staatsarchiv Berlin a. a. D. 3) Städt. Archiv Magdeburg, Privil. ect.
sollten der Stadt 500 Thl. gezahlt werden. Der Rath machte nun darauf aufmerksam, daß der frühere und der noch bevorstehende Abbruch der Stadt in die 3000 Thaler zu stehen komme und der Wiederaufbau nicht unter zwei- bis dritthalbtausend Thaler möglich sein würde. Er bittet deshalb. Daß „uns zu fernerer Transportirung und Wiederaufführung einer anderen Ziegelscheune und der übrigen Gebäude nicht allein ein bequemer Platz, ehe wir weitere abbrechen und räumen müssen, möge angewiesen. Sondern auch eine was zulänglicher Post an Geld gezahlt werden“. Man wolle jedoch, „zu mehrerer Erweisung unser unterthänigsten Devotion mit 2000 Thalern gehorsamst zufrieden sein, und daß uns doch auch gleichwohl, zumal da wir hierzu ganz kleine Mittel haben, und die Stadt, indem sie noch fast zu Hälfte unangebauet lieget, der Ziegelscheune unmöglich entrathen kann, vor weiterer Abbrechung wirklich Zahlung werden möge“. 1) Wie zur Deckung der Kosten bei den bloßen Umwallungswerken schon in früheren Jahren die Beihülfe der Stände in Anspruch genommen worden war, so geschah es auch jetzt bei dem Zitadellenbau. Daß auch jetzt die verlangte Beihülfe als eine drückende Last empfunden wurde, zeigt sich in den Petionen der „sämmtlichen Herren und Ritterschaft der Altmark“ vom 16. März und 26. Aptil 2680., in denen man wenigstens um Ablösung der geforderten Holzfuhren durch „eine erleidliche Summe Geldes“ bittet, auch daß die Mitstände herangezogen würden, da die Zitadelle doch den „gesammten kurmärkischen Lande zuträglich zu sein erachtet wird.“ 2) In einem kurfürstlichen Befehl vom 17. September 1680 an die Magdeburger „Regierung“ heißt es aber dennoch, der Kurfürst habe drei meilen von Magdeburg 300 Ellernbäume ankaufen lassen. Es sollte dies Holz in Eil „da bei noch anhaltendem schönen Wetter mit dem Bau sehr avancirt werden kann“, durch die nahe liegenden Ortschaften nach Magdeburg geführt werden. Die regierung solle dwshalb „Unsere getreuen Magdeburger Stände durch diensame remonstrationes dahin disponiren, daß sie deshalb ohne Verzug und noch vor der Saatzeit gebührende Anstalten machen“. 3) ---------------------------
Die Magdeburger Stände richteten am 20. April 1681 eine Petition an den Kurfürsten ein, die vielen Baufuhren, die von den armen Unterthanen verlangt würden, seien bei den starken Contributionen und Einquaerierungen höchst schwerlich. Die Stände bitten deshalb den Kurfürsten, die Kriegscassa in Magdeburg anzuweisen, „daß die Fuhren außer der Unterthanen Beschwerungen angeschafft werden“. Der Kurfürst antwortete darauf am 8. Mai 1681. Da ihm, wie sie wüssten, an der Fortsetzung des Zitadellenbaues „auf’s höchste“ gelegen sei, derselbe aber ohne einige Fuhren nicht möglich wäre, si versehen Wir Uns zu Euch gnädigst, Ihr werdet dazu alle möglichen Anstalten zu verfügen Euch angelegen sein, jedoch sind Wir nicht gemeint, die Unterthanen damit ihr Vermögen zu beschweren-
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Die Vollendung des Baues hat der große Kurfürst nicht mehr erlebt. Seine erlauchten Nachfolger haben nach seinen Ideen und in seinem Sinne ausgeführt, was er begonnen. Wie sehr ihm aber die Verstärkung der befestigungswerke und besonders der Zitadellenbau am Herzen gelegen, das hat er wiederholt nach allen Seiten hin in der entschiedensten Weise zu erkennen gegeben. Und es war nicht eine Laune oder militärische Liebhaberei, die ihn trieb. Er handelte nach Gründen der Nothwendigkeit. Als ihm durch den Westfälischen Frieden die nrurn lande zugesprochen wurden, da hatte er ein aus den betrogensten Bestandtheilen zusammengesetztes Staatsgebilde, aber keinen in sich geschlossenen einheitlichen Staat vor sich. Die Ost- und Westgrenzen seiner Lande warenb so weit 1) von einander entfernt, als heute die Ost- und Westgrenzen des eine einige compactw Masse bildenden preußischen Staates. Zwischen diesen Grenzen lagen die einzelnen Bestandtheile in neun verschiedene Gruppen gesondert. Und wie die Gruppen geographisch keinen Zusammnehang hatten, so hatten die meisten asuch keine politische Gemeinschaft miteinander und kein Interesse für einander. Diese zusammenhanglosen, zerstreuten, durch und durch engherzig
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1) Zum Theil gingen sie noch über die heutige Grenze hinaus.
Egoistisch gesinnten Lande waren nur durch die kurfürstliche Personalunion mit einander in Beziehung gesetzt. Sie durch Zudammenfassen aller partikularen Kräfte zu einer lebendigen staatlichen Einheir zu machen, das stellte sich der große Kurfürst zu seiner Lebensaufgabe. Den Staatsgedanken, den er aus sich heraus geboren, zu verwirklichen, dazu gehörte die ganze Entschiedenheit und Consequenz seines Charakters, dier Entschlossenheit mit der er, wenn es nicht anders sein konnte, auch zu den schneidigsten und durchschlagendsten Mitteln griff. Der Kurfürst wusste, wie sehr ihm die neuen Landeserwerbungen missgönnte, wie gern man jede günstige Gelegenheit ergreifen würde, ihm Abbruch zu thun. Der brandenburgische Aar hob sich zu schnell empor für die Neider. Nach allen Seiten hin mußte sich der Kurfürst darum auch zu Schutz und Trutz bereit machen, immer kampffertig sein. Darum aber müßte er auch in allen seinen Landen frei über alle Streitmittel verfügen können, alle Angriffspunkte wahren, alle Pässe in seiner Hand haben. Am wenigsten durfte er daher einen strategischen so hervorragend wichtigen Ort wie Magdeburg vernachlässigen; er mußte ihn nach Maßgabe der damaligen Abgriffs- und Vertheidugungsmittel die möglichste Widerstandsfähigkeit geben. Darum die starke Zitadelle. Die Sorge für die Stärke der Festung und die Sicherheit der S t a d t war die Sorge für die Stärke und die Sicherheit des S t a a t e s. Nicht der Kriegsherr, nicht der Sieger von Warschau und Fehrbellin war es, es war der L a n d e s v a t e r, der die Zitadelle erbaute. Und als Landesvater hat der Kurfürst über Magdeburg gewaltet. Nachdem einmal die streitige Frage der Reichsfreiheit entschieden worden und die Magdeburger den <Kurfürsten die Huldigung geleistet hatten, bewies er ihnen Huld und blieb bis ans Ende ihnen ein milder und gnädiger Herr. Und als er die Worte zu ihnen sprach, das Herz der Unterthanen sei der beste Schatz des Fürsten, da hatte er sich schon das Herz seiner neuen Unterthanen in Magdeburg zugewendet und es blieb ihm zugewendet bis über das Grab hinaus.
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N a c h w o r t
Leider bieten die benutzten Archivalien nur ein sehr lückenhaftes und unvollständiges material, so daß masnche in der Darstellung berührte Punkte zu einem befriedigenden Abschluß nicht haben geführt werden können. Auch die Archive der hiesigen königlichen Militärbehörden würden, amtlichen Erklätungen nach, krine weitere Ausbeute gegeben haben. Man nimmt an, daß die Franzosen nach der Einnahme Magdeburgs im Jahre 1806 die meisten Papiere vernichtet haben.
Reinschrift von R. Schulze
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Dienstag, 8. November 2022 Zentralbibliothek, Breiter Weg 109, 19.30 Uhr Biographie: Józef Pilsudski - Revolutionär und Staatsgründer mit Wolfgang Templin Eintritt frei
Schwerpunkt des Abends ist Pilsudskis Zitadellen-Haft
Heute mal ein Beitrag zum Zweck des "Stubengefängnis"
Offensichtlich war es nicht immer mit der Disziplin der Offiziere zum Besten bestellt. Da es im Hintergrund immer um die "unverletzliche" Ehre ging, wurden Offiziersfreiheitsstrafen (Festungshaft) in besonderen Einrichtungen verbüßt. Diese waren nicht "ehrenrührig" und die Bestraften durften nach Verbüßung ihrer Haft wieder in voller Montur und mit Degen bzw. Säbel vor die Truppe treten. Damit konnten sie ihrer Vorbild(und Vorgesetzten-)rolle wieder genügen. Offensichtlich genügte die Androhung von Strafen für Disziplinarvergehen jedoch nicht in ausreichendem Maße, sodass immer wieder Erinnerungen fällig wurden. Nachfolgend der Text einer solchen Erinnerung, veröffentlicht in der Allgemeinen Militär-Zeitung (einem preußischen Offiziersblatt) Nr. 1 vom 1. Januar 1842, Seite 1:
Es sind kürzlich zwei wichtige Kabinetsordres erschienen, als ein neuer Beweis, wie angelegentlich sich der König mit der Armee beschäfftigt. Die eine betrifft das Schuldenwesen der Offiziere, dem in aller Weise entgegengearbeitet werden soll. Die höheren Offiziere sollen dabei die jüngeren, und diese unter einander sich gegenseitig überwachen und warnen. Dem Luxus soll möglichst gesteuert werden, wohin auch kostspielige Gastereien zu zählen sind, und es wird für angemessen erachtet, daß die Stabsoffiziere öfters mit den Subalternen gemeinschaftlich speisen, als ein geeignetes Mittel, jeder Ueberhebung der Tafelfreuden entgegenzuwirken. Wer seine Finanzen nicht zu regeln weiß und durch Schuldenmachen sich bemerkbar macht, riskirt seine Entlassung ins Haus geschickt zu erhalten. — Die zweite Kabinetsordre spricht sich über diejenigen Fälle aus, wo die Felddienstfähigkeit eines Offiziers körperlich oder geistig zweifelhaft ist. Ein jeder solcher Fall soll der Entscheidung dem König vorgelegt werden, worauf eine Dispositionsstellung erfolgen soll, jedoch mit Anweisung des Aufenthaltsortes. Auch diese Maßregel wird sehr gute Folgen haben. — Auf die Beobachtung des äußeren Zustandes der Offiziere wird mit größerer Strenge denn je gehalten, besonders in Bezug auf die Anstandsnormen gegen das zweite Geschlecht. Erst kürzlich erhielt ein Offizier einen ernsten Verweis, weil er im Theater v o r einer Dame sitzen geblieben ist, ohne ihr seinen Platz in der vorderen Reihe abzutreten. Dieß ist als ein neuer schöner Vorschritt zu betrachten, und er war nothwendig, da es leider an Vernachlässigungen unter jungen Herren gegen die guten Sitten nicht gefehlt hat.
Zunächst an ein Sprichwort erinnern, das meiner Großmutter noch geläufig war: "Arm wie ein Major!"
Das bezog sich darauf, dass Ofiiziere vom Seconde-Lieutenant bis zum Hauptmann (Capitain, Rittmeister) nur einen geringen Sold erhielten, der in der Regel zum Leben nicht ausreichte und deshalb familiäre Zuschüsse erforderlich machte. Für eine Familiengründung reichte es keinesfalls - deshalb die notwendige Heiratserlaubnis, welche einen Nachweis erforderte darüber, dass die Braut nicht nur standesgemäß sei, sondern auch über eine eine ausreichende Mitgift zur Finanzierung des Familienhaushalts verfügte (das Geld ging mit der Heirat in die Verfügungsgewalt des Ehemanns über).
Ursache des Geldmangels der Subaltern-Offiziere war unter anderem die Tatsache, dass sie ja "Selbstausrüster" waren und ihre Uniformen und Ausrüstungen (Waffen, Pferde usw.) sowie ihren übrigen Lebensunterhalt (Wohnung, Heizung, Lebensmittel) selbst finanzieren mussten. Bei den Uniformen musste neben der Dienstuniform auch eine Zweituniform und Drittuniform (Paradeuniform und Gesellschaftsanzug) angeschafft werden, da die Offiziere zur Teilnahme an gesellschaftlichen Verpflichtungen befohlen wurden (zur Parade sowieso) und der jeweilige Anzug dafür vorgeschrieben war. Insbesondere der Gesellschaftsanzug unterlag dabei der Mode, denn die Vorschriften zu seiner Gestaltung ließen Abweichungen zu, kosteten jedoch auch immer wieder extra. Da häuften sich bis zur Übernahme einer Kompanieführerstellung erhebliche Fehlbeträge an, die von den Lieferanten jedoch großzügig zwischenfinanziert wurden. Im Falle der Barzahlung boten sie allerdings auch Rabatte bis zu 12% an; bei Zahlung nach 3 Monaten waren es immer noch 5% und nach einem Jahr konnten noch 2% Nachlass erwartet werden. Aber wie das Sprichwort sagte, arm wie ein Major, denn erst dieser konnte mit dem Schuldenabbau wirksam beginnen.
Die oft vorhandene Schuldenlast und die daraus resultierende Not machte allerdings auch erfinderisch und da versuchte man auch "zum Erhalt der Ehre" (Spielschulden waren z.B. Ehrenschulden, aber auch der Repräsentationswert eines ordentlich ausgestatteten Ofiiziers, z. B. mit einem stattlichen Ross, war ein wichtiger Grund) den König zur Übernahme von Schulden zu bewegen. Mit dem folgenden Erlass, der für sich selbst spricht, wollte Friedrich Wilhelm IV. diesem Drang ein Ende setzen. Ob es ihm gelungen ist, vermag ich nicht zu sagen.
„Bei dem Ueberhandnehmen der an Mich gelangten Gesuche um Vorschüsse oder Unterstützungen zur Regulirung der ökonomischen Angelegenheiten von Offizieren sehe Ich Mich veranlaßt, das Kriegsmimsterium zu beauftragen, der Armee Meine Willensmeinung bekannt zu machen, daß dergleichen Gesuche künftig unberücksichtigt bleiben, und Ich Mich genöthigt sehe, solche Offiziere, welche sich vor einer, ihre dienstlichen Verhältnisse beeinträchtigenden Zerrüttung ihrer pekuniären Lage nicht zu bewahren wissen, außer Dienst zu setzen. Ich mache es daher allen Militärbefehlshabern zur Pflicht, die ökonomischen Verhältnisse ihrer Untergebenen zu überwachen und allen Unregelmäßigkeiten, welche sie hierin wahrnehmen, ermahnend und warnend entgegenzuwirken. Was insbesondere den Verlust an Pferden anbetrifft, welcher oft als Ursache entstandener Verlegenheiten angegeben wird, so muß Ich zwar wünschen, daß die Offiziere, welche ihren Dienst zu Pferde thun, mit guten und tüchtigen Pferden versehen sind, dagegen aber kann Ich deßfallsige, die Kräfte übersteigende, nur durch Rücksicht auf schöne Form veranlaßte Ausgaben keineswegs billigen. Hiernächst ist bei den gemeinschaftlichen Offizier-Speiseanstalten jeder, dem Zweck ihrer Einrichtung nicht entsprechende Aufwand abzuwenden, und haben die Generalcommando's streng darauf zu halten, daß die Ausgaben bei diesen Tischgesellschaften überall in solchen Gränzen bleiben, daß sie auch den Unbemittelten nicht schwer fallen. Dieserhalb und der übrigen Ordnung wegen erwarte Ich, daß auch die Stabsoffiziere und die verheiratheten Capitaine abwechselnd bei dem gemeinschaftlichen Offiziertisch anwesend sein werden. Charlottenburg, 2. Decbr. 1841 (gez.) Friedrich Wilhelm."
Auszug aus einer Uniformpreisliste mit Ausweis des Preises mit Barzahlungsrabatt
Bild entfernt (keine Rechte) 1840 erfolgte Festlegung zu einem "Ballanzug" (der Husarenoffiziere) Bild entfernt (keine Rechte)