Obwohl wir ein Thema Militärstrafen haben, will ich meinen nächsten Beitrag doch in die Zitadelle einordnen, da sie Militärgefängnis im umfassenden Sinn war. Die Militärstrafanstalt lasse ich in diesem Fall bewusst außen vor.
Nach dem Zusammenbruch Preußens im Jahr 1806 mussten zwingend Reformen stattfinden, die den Neuaufbau eines moderneren Staates möglich machen. Dazu zählte beispielsweise die Abschaffung der Prügelstrafe in ihren vielen Variationen. Nicht etwa für die Kinder in den preußischen Elementarschulen, aber immerhin für die Soldaten des schmählich untergegangenen Heeres. Am 3. August 1808 ließ seine königliche Majestät von Preußen aus seiner Fluchtburg in Königsberg eine "Verordnung wegen der Militair-Strafen" verkünden. Für seine Zukunft war sich Friedrich Wilhelm III. noch nicht im Klaren. Das zeigt sich darin, dass er sich nicht König von Preußen nannte, sondern königliche Majestät von Preußen.
Nachfolgend will ich die genannte Verordnung, die etwas umfangreich ist, kapitelweise einstellen. Das verbessert vielleicht die Übersicht. Die Kapitel sind: - Über die Behandlung der Soldaten im Allgemeinen - Über die anzuwendenden Straf-Arten - Erster Grad des Arrestes - Zweiter Grad des Arrestes - Dritter Grad des Arrestes - Körperliche Strafen - Vestungs-Arbeit, Vestungs-Bau-Gefangenschaft - Über die Festsetzung der Strafen für Unterofficiere und Gemeine - Über die Führung der Straf-Register.
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Verordnung wegen der Militärstrafen. Seine Königliche Majestät von Preußen etc. haben Sich bewogen gefunden, in den bisher in der Armee üblich gewesenen Strafen Veränderungen zu treffen, und neue, den besondern Verhältnissen der allgemeinen Konscription angemessene, Strafgesetze einzuführen. Allerhöchstdieselben befehlen hiedurch allen Höhern und niedern Militair-Befehlshabern und Behörden, diese nicht nur auf das genaueste zu befolgen, sondern auch im Geiste derselben, bei den Militair-Bestrafungen zu verfahren, und die neuen Kriegs-Artikel, vom 1sten September d. J. an, ohne alle Rücksicht der bisherigen Verhältnisse, in Anwendung zu bringen.
Ueber die Behandlung der Soldaten im Allgemeinen. Da die allgemeine Militair-Konscription in der Folge junge Leute von guter Erziehung und feinem Ehrgefühl als gemeine Soldaten unter die Fahnen stellen wird; so ist mit Zuversicht zu erwarten, daß diese nicht nur selbst ihren Vorgesetzten willig folgen und durch gute Applikation den Militair-Dienst leicht erlernen, sondern auch eben hiedurch ihren Kameraden aus den weniger gebildeten Ständen ein Beispiel vernünftigen Gehorsams und wirksamer Anwendung ihrer Kräfte und Fähigkeiten geben und zu ihrer Ausbildung mitwirken werden, und daß daher mit einer gelinden Behandlung; Ordnung und Disciplin in der Armee werden erhalten werden können. Seine Königliche Majestät versehen Sich zu den Officieren, daß sie sich ihre, ehrenvolle Bestimmung, die Erzieher und Anführer eines achtbaren Theils der Nation zu seyn, immer vergegenwärtigen, und, wenn auch durch den Weg der Konscription ein rohes Individuum unter ihre Befehle kommen sollte, lieber suchen werden, solches im Anfange durch zutrauliches Zureden und Verdeutlichung der ihm obliegenden Pflichten, und erst dann, wenn dieses sanftere Verfahren nichts fruchtet, durch verständige Anwendung der erlaubten Bestrafung-Arten in ihren verschiedenen Abstufungen zu bessern. Die Erfahrung lehrt, daß Rekruten ohne Schläge im Exerciren unterrichtet werden können. Einem Officier, dem dieß unausführbar scheinen möchte, mangelt entweder die nöthige Darstellungsgabe oder der klare Begriff vom Exercir-Unterricht in seinem Fortschreiten vom Leichteren zum Schwereren, folglich die für seinen Posten unentbehrliche Ausbildung. Einem solchen Officier ist der Unterricht im Exerciren so lange abzunehmen, bis er sich die durchaus nöthige Fertigkeit, den Soldaten in seinen Dienstpflichten auf eine faßliche Art auszubilden, erworben hat. Er muss dahingegen bis zu diesem Zeitpunkte jedem Rekruten-Exerciren beiwohnen, und die ihm fehlende Dienst-Eigenschaft wird in der Konduiten-Liste bemerkt. Die höhern Befehlshaber, und die der Kompagnien und Eskadrons sind dafür verantwortlich, daß ihre Untergebenen weder den Soldaten auf eine rohe Art behandeln, noch sich fernerhin das hie und da übliche Schimpfen desselben erlauben. Dahingegen stehen dem Officier in Friedenszeiten bei thätlichen Widersetzungen eines Einzelnen oder Mehrerer, und in Krieges-Zeiten bei Versammlung der Truppen, bei Allarmirungen, beim Anrücken ins Gefecht, im Gefecht, beim Rückzuge, und endlich bei Verwehrung der Plünderungen etc. alle Mittel zu Gebote, seinen Befehlen Gehorsam zu verschaffen, und er ist in solchen Fällen sogar berechtigt, den widerspenstigen Soldaten auf der Stelle niederzustoßen, wenn andere Mittel, den durchaus nöthigen Gehorsam zu erhalten, nicht kräftig oder nicht schnell genug sich darbieten. Die hier angegebenen Mittel müssen von dem Officier mit vernünftiger Umsicht, Ueberlegung und ohne persönliche Leidenschaftlichkeit angewendet werden, wenn er sich nicht strenger Bestrafung, als Kassation, Vestungs-Arrest bis auf mehrere Jahre und nach Befinden noch härterer Strafe aussetzen will. Ein jeder Officier, der sich in der Lage befindet, eine solche außerordentliche Maasregel auszuüben, muß den Vorfall nachher seinem Vorgesetzten sogleich anzeigen, der dann die Rechtmäßigkeit dieser Maasregel untersuchen soll. Wenn der Officier seine Würde nur in Ausbildung seiner Fähigkeiten, Vermehrung seiner Kenntnisse und wirklichem innern Werth setzt, wenn er überall auf seine Handlungen strenge Aufmerksamkeit richtet und unpartheiisch und gerecht gegen seine Untergebenen ist; so kann es ihm nicht fehlen, daß er sich nicht die Liebe, das Vertrauen und den achtungsvollen Gehorsam derselben in hohem Grade erwerben, und sein Ansehen fest und bleibend gründen wird.
Kleine Exercir- oder Dienstfehler, Unregelmäßigkeiten im Anzuge und andere geringe Vergehungen der Soldaten könnm durch Nachexerciren, Reinigung der auf den Montirungs-Kammern befindlichen Armatur-Stücke etc. und durch Straf-Wachen geahndet werden. Ebenso können bei der Kavallerie und reitenden Artillerie, wo die Arreststrafen wegen der Wartung der Pferde unbequemer als bei der Infanterie sind, kleinere Vergehungen durch Putzen der Pferde und des Reitzeuges der auf der Wache befindlichen Leute, öffentliches Putzen der Pferde und durch.Stellung unter die Aufsicht eines zuverlässigen Kavalleristen, ohne dessen Erlaubniß der Bestrafte den Stall nicht verlassen darf, und dessen Anordnungen er Folge leisten muß, bestraft werden. Es bleibt den Befehlshabern überlassen, noch mehrere ähnliche geringe Strafen zu verhängen, die, sobald sie nur nicht körperlich oder das Ehrgefühl verletzend sind, als gesetzmäßig betrachtet werden können.
Erster Grad des Arrestes.
Bei den Arreststrafen findet eine dreifache Abstufung statt. Der erste Grad, gelinder Arrest, theilt sich wieder in Hausarrest und einsames Gefängnis ab. Ersterer wird bei kleineren Vergehungen, besonders bei gebildeteren Soldaten, seine Wirkung nicht verfehlen', während öffentliche Bestrafung das Ehrgefühl verschlechtert und oft das Gemüth verstockt. Verläßt ein mit dieser gelinden Strafe belegtes Subjekt seinen ihm auf Treue und Glauben gegebenen Arrest, oder mißbraucht es ihn zu Spiel und Trinkgelagen; so erklärt es hierdurch sich selbst dieser feinern Behandlung für unwürdig, verwirkt demnach die ihm durch Bildung gewordenen Vorzüge einer milderen Behandlung, und es tritt Arrest mit Einsamkeit ein. Die zeitherige Verwahrung der Arrestanten in den Wachtstuben ist durchaus unzweckmäßig, und Einsamkeit ist zu Erreichung der bei jeder Bestrafung vernünftigerweise vorwaltenden Absicht, nämlich der Besserung des zu bestrafenden Individui durchaus nothwendige Bedingung. Bei dem künftighin verminderten Wachtdienst ist in jeder Garnisons-Stadt eins der überflüssigen Wacht-Häuser zu diesem Zweck einzurichten, und mit kleinen Abtheilungen zu versehen. Seine Majestät werden Allerhöchst Ihren Civil-Behörden befehlen, die hierzu nöthigen Kosten aus dem Service-Fonds bestreiten zu lassen. Der bisher üblich gewesene Arrest in den Wachtstuben soll dagegen durchaus nicht mehr Statt finden.
Wo der vorbenannte Grad des Arrestes erfolglos befunden worden, oder bei bedeutenderen Vergehungen, tritt der mittlere Arrest oder Arrest des zweiten Grades ein, nämlichr Arrest mit Einsamkeit bei Wasser und Brod, mit Entziehung der gewohnten Bedürfnisse des Arrestanten, z.B. Genuß des Tabaks etc. und mit Verlust des Soldes während der Arrestzeit. Der Sold fällt in eine Kompagnie-Straf-Kasse, die zu gemeinnützigen Zwecken für dir Kompagnie verwendet wird. Diese Kasse wird unter der Aufsicht eines Officiers, zweier Unterofficiere und zweier Gemeinen der Kompagnie verwaltet, und Ausgaben daraus nur zum Besten sämmtlicher Unter-Officiere und Gemeinen der Kompagnie nach Entscheidung der Stimmen-Mehrheit, derselben gestattet. Sobald der Arrest bei Wasser und Brod länger als drei Tage dauert; so erhält der Arrestant am 4ten Tage warmes Essen, und wird abwechselnd die ganze Zeit seines Arrestes fortgefahren. stmrs Arnst« foniefe-ktn.
Schwere Vergehungen werden mit strengem Arrest oder Arrest des dritten Grades bestraft, nämlich durch Arrest unter den nächstvorhergehenden Bestimmungen, aber noch überdieß mit Entziehung des Tageslichts in einem festverschlossenen Zimmer ohne Lagerstätte, und wo der Fußboden des Arrestorts dergestalt mit Latten benagelt ist, daß sich der Bestrafte nicht dazwischen ohne Unbequemlichkeit niederlegen kann. Sobald dieser Arrest über drei Tage dauert; so erhält der Arrestant am 4ten Tage den Genuß wamen Essens; des Tageslichts und einer Lagerstätte, und so wird bei längerem Arrest immer fortgefahren. Seine Königliche Majestät versehen Sich zu den Militair-Vorgesetzten Allerhöchst Dero Armee, daß sie mit Eifer und Einsicht dafür Sorge tragen werden, daß jede Gefängniß-Strafe nach ihrem jedesmaligen Grade in ihrer ganzen Strenge ausgeführt und jede unzeitige Nachsicht, womit unverständiges Mitleiden die Härte der Bestrafung mildern möchte, durch eine zweckmäßig geordnete Ober-Aufsicht unmöglich gemacht werde. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß nicht die beiden letzten Grade der Arreststrafen von eben der Wirksamkeit, als körperliche Züchtigungen, seyn sollten, und wollte man künftighin dennoch behaupten, daß solche in ihren Wirkungen erfolglos gewesen seyen; so ist mit Gewißheit anzunehmen, daß sie ohne gehörige Aufsicht der Vorgesetzten in Ausübung gebracht worden sind; und solche es überhaupt an der nöthigen Disciplin haben fehlen lassen. Im Felde sind die Arreststrafen bei oft schnellen Bewegungen nicht immer anwendbar. Bei geringeren Vergehungen werden solche durch Verurtheilung zu den schlechtern Arbeiten, durch Entziehung der Feld-Portionen an Fleisch, Gemüse und Brandewein; bei den größern hingegen durch Anschließen an einen Baum oder an eine Wand mit zugekehrtem Gesicht und auf eine Art, daß der Bestrafte sich nicht niederlegen kann, in den Fällen ersetzt, wo die Truppen nicht in Kantonirungen stehen, in Kantonirungs-Quartieren hingegen wird jede Truppen-Abtheilung leicht ein schickliches Lokale ausfindig machen, das zu einem Arrest-Orte dienen kann. Sollte ein Regiment wider Verhoffen so sehr in der Disciplin zurückgekommen seyn, daß es durch die Anwendung der vorbenannten Arreststrafen nicht in den Schranken der Ordnung gehalten werden könnte; so haben der Kommandeur und sämmtliche Staabs-Officiere des Regiments einen solchen Zustand desselben in einem gemeinschaftlichen Berichte Seiner Majestät anzuzeigen, und Allerhöchst Dieselben behalten sich alsdann vor, die Sache auf das genaueste untersuchen zu lassen, und die zur Herstellung der Disciplin erforderlichen Verfügungen für einen solchen außerordentlichen Fall zu treffen.
Ist ein Soldat von einem so bösartigen Gemüth, daß die vorbezeichneten Bestrafungs-Arten ohne Wirkung auf seine Besserung geblieben sind, oder begeht er ein entehrendes Verbrechen z. B. Diebstahl mit seinen verschiedenen Abarten; so wird ein solches Subjekt durch Standrecht zur Klasse dejenigen verurtheilt, die nur durch empfindliche körperliche Züchtigungen in Ordnung gehalten werden können, und bei Vergehungen mit Stockschlägen, und zwar mit kleinen Röhrchen, zu bestrafen sind. Aber auch diese Strafe darf niemals öffentlich und vor den Augen des Publikums vollzogen werden. Dir Wachtstube oder das Exercirhaus oder sonst eix abgesonderter Raum könnm in Beiseyn der Kameraden, nur allein schickliche Oerter abgeben, um diese Bestrafungsart in Anwendung zu bringen, jedoch wollen Seine Majestät die sonst wohl üblichen sogenannten Stuben-Exekutionenauf das ernstlichste untersagen. Die Verurtheilung eines Soldaten zu dieser Straf-Klasse wird bei der Parole bekannt gemacht. Aber selbst diese in der Straf-Klasse befindlichen Soldaten können weder willkührlich noch für kleine Exercir- oder Dienst-Fehler von den Officieren bestraft werden; jedoch hat der Kompagnie- oder Eskadrons-Befehlshaber das Recht, über ein solches Individuum die Stockstrafe, bis auf höchstens vierzig Streiche, mit kleinen Stöcken zu verhängen, welche dann immer von einem Unterofficier vollzogen wird. Ueberdieß setzen Seine Majestät fest, daß der in der Klasse der Stockschläge sich befindende Gemeine von dem, welcher von den Stockschlägen befreit ist, in dem Verhältniß des Gefreiten kommandirt wird. Giebt indessen ein in diese Klasse gestellter Soldat einen Zeitraum hindurch hinlängliche Beweise seiner Gemüthsbesserung; sowird nach Anzeige des Kompagnie- oder Eskadrons-Befehlshabers, der Kommandeur des Regiments oder Bataillons ihn wieder in diejenige Klasse versetzen, die in Vergehungsfällen nur allein Arreststrafe unterworfen ist. Dieß kann vorzüglich geschehen; wenn die Leute einer Kompagnie oder Eskadron durch eine Deputation sich für die Besserung von einem oder mehreren ihrer Kameraden bei der Eskadron oder Kompagnie verbürgen. Besonders wird hierauf am Geburtstage Seiner Majestät des Königs Rücksicht genommen werden, und diese Begnadigung wird dann gleichfalls dem Parole-Befehl beigefügt. Derjenige Soldat, der eines Diebstahls überwiesen wird, so wie ein wieder eingebrachter Deserteur, ist außer der nach den Gesetzen verwirkten Strafe noch überdieß des Rechts, das von Seiner Majestät Allerhöchst Dero Armee bestimmte National-Militair-Abzeichen zu tragen, so lange verlustig, bis er vollgültige Beweise seiner Besserung und Treue gegeben hat, und Seine Majestät behalten höchst Sich allein es vor, ein solches Subjekt nach dießfälliger Anzeige des Kommandeurs, mit dem Rechte, erwähntes Militair-National-Abzeichen wieder tragen zu dürfen, zu begnadigen. In Absicht der jetzt vorhandenen Leute wird festgesetzt, daß von körperlichen Strafen frey seyn sollen: 1) Alle Unterofficiere und die mit ihnen im gleichen Range sind. 2) Alle Gemeinen, welche seit einem Jahre mit keiner Regiments-Strafe belegt sind, und 3) Alle künftig einzustellende Rekruten.
Vestungs-Arbeit, Vestungs-Bau-Gefangenschaft. Wenn mit diesen Strafen in den meisten Fällen ausgereicht werden wird; so bleiben für die schwerern Vergehungen und gröbern Verbrechen noch die Strafen der Vestungs-Arbeit und der Vestungs-Bau-Gefangenschaft übrig. Bei ersterer kommen die dazu Verurtheilten unter Aufsicht der Regiments-Garnison-Kompagnien, bilden jedoch eine eigene Sektion, die durch ein Abzeichen von dieser Kompagnie unterschieden und in den Vestungen nach Anleitung des Ingenieurs de la Place zu Fortifikations-Arbeiten gebraucht, und dabei abgesondert unter strenger Aufsicht gehalten werden. Nach geendigter Strafzeit treten sie wieder in das Regiment ein. Denjenigen groben Verbrechern aber, welche das Gesetz unter die Vestungs-Bau-Gefangenen stellt, bleibt der Ruecktritt in das Regiment auf immer verschlossen. Nur allein, die vorher erwähnten Straf-Arten werden, außer der Todesstrafe, bei dem Militair in Anwendung gebracht, und Seine Majestät heben daher die Strafe des Gassenlaufens, so wie die der Stockschläge in der Art, als sie bisher Statt fand, gänzlich auf.
Ueber die Festsetzung der Strafen gegen Unterofficiere und Gemeine.
Die Strafen gegen Unterofficiere und Gemeine werden entweder durch militairische Vorgesetzte oder durch Stand- und Kriegs-Gerichte festgesetzt. Der Kompagnie- oder Eskadrons-Befehlshaber oder jeder Officier, der ein besonderes Kommando hat, kann die zu Anfange des vorigen Abschnitts erwähnten kleinern Disciplinar-Strafen, desgleichen die beiden Arten des gelinden Arrestes, ohne höheren Orts anzufragen, für die Dauer von drey Tagen anordnen. Ein gleiches Recht steht ihm in Ansehung der Verhängung des mittlern Arrestes zu, jedoch muß er hiervon sogleich dem Kommandeur des Bataillons sowol, als dem des Regiments, wenn dieser anwesend ist, Anzeige machen. Strenger Arrest kann nur vom Kommandeur des Bataillons oder Regiments, jedoch, ebenfalls nur für eine Dauer von drey Tagen, verhängt werden. Der gelinde Arrest kann von demselben auf vierzehn Tage, der mittlere auf acht Tage, und die Stockschläge bei den zur Straf-Klasse herabgesetzten Soldaten bis zu vierzig angeordnet werden. Ein Stand-Gericht kann auf alle drey Gattungen des Arrestes, auf Degradation der Unterofficiere zu Gemeinen, auf Versetzung in die der körperlichen Züchtigung unterworfene Klasse des Soldatenstandes, und bei letzterer auf körperliche Züchtigung erkennen, und die Bestätigung oder Milderung der standrechtlichen Erkenntnisse bleibt den Kommandeuren der Regimenter und Bataillons, Kraft der ihnen verliehenen Gerichtsbarkeit, überlassen. Alle höhere Strafen, mithin Degradation der Feldwebel, Wachtmeister und Ober-Feuerwerker, und Verlust des Porte-Epee, desgleichen alle und jede Vestungs- und Todes-Strafen finden nur durch den Ausspruch eines Kriegs-Gerichts Statt. Die von diesem abgefaßten Erkenntnisse, wohin auch alle Erkenntnisse in Untevsuchungssachen gegen Officiere gehören, bedürfen Seiner Majestät Allerhöchster Bestätigung, und werden, bis hierüber ein Anderes verordnet wird, in zwey Exemplaren mit einem vom Auditeur angefertigem richtigen Auszuge aus den Akten und mit den Akten selbst an das General-Auditoriat zur weitern Beförderung eingesandt. An letzteres gelangen auch nach wie vor die Anfragen, welche bei zweifelhaften Fällen die rechtliche Instruktion der Untersuchungs-Prozesse oder die Entscheidung solcher Vorfälle, die in den Krieges-Artikeln nicht genau ausgedrückt sind, oder nicht nach anologischen Gründen entschieden werden können, betreffen, und das General-Auditoriat muß darüber nach Befinden an Seine Majestät zur authentischen Erklärung berichten.
Bei jeder Kompagnie oder Eskadron soll künftig ein genaues Straf-Register geführt, und darin die von militairischen Vorgesetzten, sowohl Kompagnie- und Eskadrons-Befehlshabern, als auch Bataillons- und Regiments-Kommandeuren und die vom Stand- und Kriegs-Gericht angeordneten Strafen, unter Beifügung des Namens, Alters, der Dienstzeit und Gemüthsart des Bestraften, des Standes seines Vaters, der Ursache der Bestrafung, des Datums und Grades der letzteren, und der Art und Weise, wie die Strafe verordnet, ob solche bestätigt, oder ob und aus welchen Gründm sie vom Befehlshaber gemildert worden, sorgfältig angeführt, auch eine Rubrik zu Bemerkungen offen gelassen werden. Aus diesen Kompagnie-Straf-Listen wird eine allgemeine Regiments-Straf-Liste angefertiget und bei der oberen Militair-Behörde alljährlich eingereicht. Seine Majestät werden darnach die Einsicht der Vorgesetzten, den jedesmaligen Straf-Fall mit der Größe des Vergehens und den Gesetz-Vorschriften in Einstimmung zu bringen, beurtheilen. Die General-Majore der Brigaden und die General-Lieutenants der Divisionen werden strenge darüber wachen, daß sowohl die Kommandeurs der Regimenter und Bataillons, als auch die Kompagnie- und Eskadrons-Befehlshaber, weder eine geschehene Bestrafung in den Straf-Listen verschweigen, noch Vergehungen ungeahndet lassen, und Seine Majestät erklären hiermit, daß ein solcher schwacher, oder bei Eingaben, die er durch seine Unterschrift beglaubigt, unredlich verfahrender Vorgesetzter unfähig seyn solle, seine Stelle länger zu bekleiden. Wenn endlich Seine Majestät die Schwierigkeiten, die sich beim Uebertritt von einem lang gewohnten Verfahren zu einer neuen Behandlungtart ergeben, Sich nicht verhehlen wollen; so vertrauen Allerhöchst Dieselben hinwiederum dem Eifer und der Einsicht der Officiere Höchst Dero Armee, daß sie die besonders im Anfange und bei den hie und da noch vorhandenen rohen Subjekten sich in den Weg stellenden Schwierigkeiten mit gutem Willen und mit Menschen-Kenntniß beseitigen und so die Armee dem von Seiner Majestät vorgesteckten Ziele näher führen werden. Königsberg, den 3ten August 1808. Friedrich Wilhelm.
Deutsche Frontkämpfer in Warschau kameradschaftlich begrüßt
Warschau, 3. Juli. (DRB) Für die in Warschau weilende deutsche Frontkämpfervereinigung fand Samstagabend im Warschauer Rathaus ein Empfang statt, dem der Leiter der Vereinigung der polnischen Frontkämpferverbände General Gorecki, und der deutsche Botschafter von M o l t k e beiwohnte. Stadtpräsident S t a r z y n s k i begrüßte die deutschen Frontkämpfer und gab seiner besonderen Freude Ausdruck. Reichskriegsopferführer Oberlindober und Bürgermeister Markmann Magdeburg in Warschau zu sehen. Zugleich dankte er für die Überlassung des ehemaligen Pilsudski-Hauses in Magdeburg. Reichskriegopferführer O b e r l i n d o b e r betonte nach Dankesworten, daß die deutschen Frontkämpfer mit Polen e c h t e K a m r t a d s c h a f t verbinde. Er gedachte besonders des Marschalls P i l s u d s k i und unterstrich, daß Deutschland und Polen einen g e m e i n s a m e n W a l l gegen den a s i a t i s c h e n B o l s c h e w i s m u s bildeten. Der festliche und kameradschaftliche Empfang durch die Stadt Warschau festigte die Beziehungen zwischen den beiden Nationen. Die beiden Reden wurden mit großem Beifall aufgenommen. Anschließend brachte Oberbürgermeister M a r k m a n n zum Ausdruck, der Stadt Magdeburg sei es eine besondere Freude, der Stadt Warschau und der polnischen Nation das Haus zu schenken, in dem Marschall Pilsudski einmal gewohnt hat. Am Sonntagvormittag legte Reichskriegsopferführer Oberlindober am Grabe des unbekannten Soldaten im Belvedere.Schloß und vor dem Haus, das Pilsudski 1918 in Magdeburg bewohnte Kränze nieder. Das Haus wurde bekanntlich in Magdeburg abgetragen und neben dem Belvedere-Schloß wieder aufgebaut. Teddy
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Auf Baugefangenschaft war nur gegen Personen zu erkennen, welche aus dem Soldatenstande ausgestoßen wurden.
Die Baugefangenschaft wurde nach den darüber bestehenden Vorschriften in einer Festung vollstreckt. — Die Gefangenen wurden gefesselt gehalten und mit schweren Arbeiten beschäftigt.
Wenn zur Vollstreckung der Baugefangenschaft keine Gelegenheit vorhanden war, oder diese Strafart wegen körperlicher Unfähigkeit des Angeschuldigten zu den Arbeiten der Baugefangenen nicht anwendbar war, wurde eine Zuchthausstrafe ausgesprochen. Hinweis: Diese Freiheitsstrafe bestand nur für Soldaten und Unteroffiziere; bei letzteren musste gleichzeitig eine Degradierung erfolgen.
Sie war entweder lebenslänglich oder befristet, im letzteren Fall 1—20jährig. Mit der Verhängung der Strafe war stets auch die Ausstoßung aus dem Soldatenstande verbunden.
Die Baugefangenen erhielten eine sie besonders kenntlich machende Kleidung und waren während der Dauer ihrer Strafzeit gefesselt. Beschäftigt wurden sie zum Nutzen der Festungsverwaltung. Nach der Einführung des Allgemeinen Strafgesetzbuchs durften nur noch wegen militärischer Verbrechen auf Baugefangenschaft erkannt werden.
Baugefangen-Anstalten befanden sich nur in Pillau, Danzig, Graudenz, Glatz, Neisse, Cosel und Magdeburg.
Im Auftrage des Magdeburger Geschichtsvereins nach den Quellen des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin, des Provinzial- Staatsarchivs zu Magdeburg und des Stadtarchivs zu Magdeburg
bearbeitet von Dr. R. Holzapfel
Sonderabdruck aus den Geschichtsblättern für Stadt und Land Magdeburg. Heft 3, 15. Jahrgang 1880
M a g d e b u r g 1880
V o r b e m e r k u n g
Der Magdeburger Geschichtsverein hat mir den ehrenvollen Auftrag gegeben, zur Feier der zweihundertjährigen Wiederkehr des Tages, an welchem das Etzstift Magdeburg mit Kurbrandenburg vereint worden ist, eine Festschrift über den Zitadellenbau un Magdeburg abzufassen. Dieser Zitadellenbau bildet den Schlussstein zu den von dem Großen Kurfürsten unternommenen Festungsbauten, daher, der etwas umfassende Titel für die bisher nur in wenigen Prachtexemplaren gedruckt und erst hier weitere Veröffentlichung übergebene Festschrift gewählt ist. Seine Majestät der Kaiser und König hat die Gnade gehabt, an dem Festtage bei dem feierlichen Empfange das Hauptexemplar huldvoll entgegen zu nehmen. – Auch Große kaiserliche und königliche Hoheit dem Kronprinzen durfte ein zweites Prachtexemplar an demselben Tage persönlich überreicht werden.
R. Holzapfel
In dem E r z s t i f t e M a g d e b u r g b i l d e t e die S t a d t M a g d e b u r g eine Art politischer Insel. In sämtlichen zum E r z s t i f t e gehörenden Landen wurde der Erzbischof von Magdeburg von den ältesten Zeiten an nicht blos als Kirchenfürst, sondern auch als w e l t l i c h e r L a n d e s f ü r s t Unbestritten anerkannt. Die S t a d t Magdeburg aber, durch Otto den Großen in hervorragender Weise begünstigt, zugleich durch Handel und Verkehr bald zu bedeutendem Wohlstande erhoben, hatte schon früh gestrebt, sich von der weltlichen Obergewalt des Erzbischofs frei zu machen. Unter Berufung auf ein ihr vermeintlich vom Kaiser Otto verliehenes Privilegium beanspruchte sie später vollständige Unabhängigkeit vom Erzbischofe. Schon war sie dem Ziele ihrer Bestrebungen , als freie Reichsstadt anerkannt zu werden, als eine in ihren Mauern gegangene Unthat dazu dienen sollte, ihre Hoffnungen wieder tief herab zu drücken. Erzbischof Burchardt III. hatte durch Willkür und Eigenmächtigkeit allgemeine Erbitterung erregt. Es bildete sich ein Bund von Städten, benachbarten Fürsten und Herren gegen ihn, er wurde gefangen gesetzt, in dem Rathause zu Magdeburg nach einiger Zeit, 1325 meuchlings erschlagen. Verantwortlich für die Ermordung wurde die Stadt gemacht, der Papst sprach Interdict und Bann, der Kaiser die Reichacht über sie aus. Schwer lasteten auf der Stadt diese Strafen. Um sich endlich davon frei zu machen, mußte sie sich in harte Bedingungen fügen; die härteste von ihnen war, von nun an j e d e m n e u e n E r z b i s c h o f e d e n H u l d i g u n g s e i d zu leisten. Am 26. April 1333 wurde die erste formelle Huldigung auch wirklich auf dem alten Markt vollzogen. Durch diesen Huldigungseid war aber das Maß der Abhängigkeit, in welcher die Stadt auch in weltlichen Dingen dem Erzbischof gegenüberstehen sollte, nicht festgestellt. Die Vertreter der Stadt schworen „dem Herrn Erzbischof treu und hold zu sein, als wir von Rechtswegen sollen“. Bei dieser gänzlichen Unbestimmtheit über die Grenzen der Machtbefugnisse waren Grenzstreitigkeiten unausbleiblich. Das Abhängigkeitsverhältniß war mehr oder weniger locker, je nach der allgemeinen politischen Lage, der größeren oder geringeren Klugheit und Energie der Erzbischöfe einerseits, der Stadtverwaltung andererseits. Das Streben, die Abhängigkeit zu erlangen, gewann allmälig wieder neue Kraft und wurde erhöht durch die Erweiterung alter und die Gewinnung neuer Privilegien bei kluger Ausbeutung günstiger Gelegenheiten. Aber es blieb doch immer bei dem Streben von Seiten der Stadt und dem Widerstreben von Seiten des Erzbischofes und zu einer vollen, unzweifelhaften Klarstellung kam es nicht. Im Jahre 1483 wurde in einem Streite zwischen der Stadt und dem Erzbischofe die Stadt von dem Kaiser Friedrich III. wie eine f r e i e R e i c h s s t a d t b e h a n d e l t. Aber derselbe Friedrich III. ließ drei Jahre später die Bitte der in immer größere Bedrängniß gerathenen Stadt, sie auf dem Reichstage von Frankfurt formell als freie Reichsstadt a n z u e r k e n n e n u n e r f ü l l t, so daß sie sich in ihrer Noth zu einem Vergleiche gezwungen sah, bei welchem zwar einerseits der Erzbischof versprach, die Rechte und Privilegien der Stadt zu respektieren, andererseits aber Rath und Bürgerschaft sich als getreue und g e h o r s a m e U n e r t h a n e n d e s E r z b i s c h o f e s als ihres r e c h t e n H e r n bezeichneten. Inzwischen gelang es jedoch wiederum der Stadt, ihre Gerechtsame und Privilegien immer mehr zu erweitern, so daß in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht bloß volle niedere und obere Gerichtsbarkeit besaß, sondern auch das B e f e s t i g zu n g s r e c h t und das damit zusammenhängende Recht, e i n e e i g e n e G a r n i s o n zu halten. Die Garnison belief sich zeitweise auf 3000 Mann Infanterie und 300 Mann Cavallerie. Auch die Artillerie war für damalige Zeit von ansehnlicher Stärke. Verlangte doch Karl V. die Auslieferung von 24 Kanonen. Im Jahre 1536 war die Macht der Stadt so hoch gestiegen, daß sie sich mit dem Erzbischof auf gleichen Fuß stellen und mit ihm ein Schutz- und Trutzbündniß abschließen konnte, nach welchem kein Theil ohne Zustimmung des anderen sich in Sonderverhandlungen mit dem Gegner einlassen durfte. Zehn Jahre später ließ sich die Stadt sogar von der Sudenburg und der Neustadt formell huldigen. Während der schweren Kriege wurden ihre Rechte allerdings vielfach gebeugt, aber selbst in dem für sie so verhängnißvollen dreißigjährigen Kriege wurde ihr im Jahre 1628, also kurz vor der Unglückskatastrophe, von dem Kaiser Ferdinand II. das Recht zugesprochen, die Festungswerke zu erweitern, sogar auf Kosten der Neustadt und Sudenburg. Um so höher war die Hoffnung der Stadt gespannt, bei dem Westfälischen Frieden die Anerkennung der Reichsfreiheit zu erhalten. Aber auch jetzt wurde die Sache noch nicht zum Austrag gebracht. Der elfte Artikel des Friedensinstrumentes bestimmte, daß das ganze E r z s t i f t M a g d b u r g mit allen zugehörigen T e r r i t o r i e n, Regalien und Rechten erblich und auf ewige Zeiten unter dem Titel eines H e r z o g t h u m s auf den Kurfürsten von Brandenburg übergehen sollte, sobald der damalige Inhaber der Regierungsgewalt, der Administrator, Herzog August von Sachsen, durch Tod oder Abdication aufhören würde zu regieren. In Betreff der S t a d t M a g d e b u r g jedoch bestimmte derselbe elfte Artikel, daß ihre alte Freiheit und das P r i v i l e g i u m O t t o I. vom 7. Juni 940, obwohl es durch die Ungunst der Zeiten (temporum injuria deperditum) verloren gegangen, ihr wieder erneuert werden sollte, ebenso das ihr vom Kaiser Ferdinand II. bewilligte, mit jeglicher Jurisdiction und mit Eigenthumsrecht noch auf eine deutsche Viertelmeile zu erweiternde Festungsrecht; alle ihre sonstigen geistlichen und weltlichen Privilegien und Rechte dollten ihr unbeeinträchtigt bleiben; selbst die Vorstädte sollten zum Nachtheile der Stadt nicht wieder aufgebaut werden. Auf Grund dieser Bestimmungen machte man sich so feste Hoffnungen, daß, als am 4. April 1650 dem Kurfürsten von Brandenburg von den Ständen des Erzstiftes die Eventualhuldigung geleistet wurde, die Stadt Magdeburg sich entschieden weigerte, an dieser Huldigung sich zu beteiligen. Um so nachdrücklicher und erfolgreicher betheiligte sich der Kurfürst an den Bemühungen des Administrators, den Kaiser und die Reichsstädte gegen das Verlangen Magdeburgs zustimmen. Der Reichstag zu Regensburg erklärte im Jahre 1654, daß die Stadt Magdeburg k e i n e f r e i e R e i c h s s t a d t, sondern nur eine e i n f a c h e L a n d s t a d t d e s E r z s t i f t e s sei. Am 13. Januar 1663 ertheilte Kaiser Leopold dieser gutachtlichen Erklärung des Reichstages seine Bestätigung. Kaiser und Reich hatten jetzt gesprochen. Dennoch glaubte man Magdeburg sich noch nicht fügen zu sollen. Es verweigerte nach wie vor die Huldigung und versuchte, besonders durch schwedische, französische und braunschweigische Einflüsse, eine Umstimmung in Regensburg bei den reichsständen herbeizuführen. Vergeblich. Der Administrator hatte zwar als Person nicht die Energie des Charakters und als Fürst nicht die Macht, die dazu gehörten, um jetzt den Widerstand Magdeburgs zu brechen. Anders aber der Kurfürst. Der Kurfürst war ja allerdings noch nicht der wirkliche Landesherr im Erzstifte Magdeburg, somit stand ihm noch nicht das Recht zu, darin selbständig Regierungsgewalt zu üben. Aus dem jetzt von Kaiser und Reich anerkannten Anrechte des Administrators auf die Huldigung Magdeburgs folgte aber für ihn das Anrecht auf die Eventualhuldigung. Und er war doch der zukünftige Landesherr von Magdeburg und konnte in jedem Augenblick durch den Tod des Administrators der wirkliche Landesherr werden. Er durfte und mußte sich daher auch schon jetzt um die wichtigsten Verhältnisse des ihm früher oder später zufallenden Landes kümmern; er durfte und konnte nicht ein müßiger Zuschauer bleiben bei Ereignissen, die seine Regierungsgewalt in einem der allerwichtigsten Punkte beschränken und auch seine ind Große gehende Politik beeinträchtigen mußten. Bei den Westfälischen Friedensverhandlungen hatte er schließlich eingewilligt, mit Vorpommern auch S t e t t i n den Schweden zu überlassen. Aber als Ersatz hatte er vor allen Dingen M a g d e b u r g verlangt. Und hierbei konnte er sich nicht bloß mit dem L a n d e d e s E r z s t i f t e s M a g d e b u r g begnügen wollen, es mußte ihm ganz besonders um die S t a d t, d. h. hier um die F e s t u n g M a g d e b u r g zu thun sei. Die Oberfestung war ja nicht unwichtig, für ihn immer doch minder wichtig als die Elbfestung. Der in der Mitte gelegene Hauptstock seiner so nach Osten und Westen hin vereinzelten Lande sollte nicht bloß an Umfang, sondern auch an Festigkeit gewinnen. Der Elbübergang durfte nicht in der hand eines von wechselnden Parteigetrieben beeinflussten Stadtregiments bleiben, er mußte unbestritten in seine Hand zu seiner vollständig freien Verfügung kommen und mußte unbezwinglich gemacht werden. Nun hatte der Kurfürst während der Westfälischen Friedenunterhandlungen sowohl wie in den schwedisch- polnischen Kriegen eine so weitschauende richtig berechnende Politik, eine so hervorragende Feldherrngabe und so mannhafte Energie gezeigt, daß für jeden aufmerksamen Beobachter das Schicksal der Stadt Magdeburg entschieden war an dem Tage, an welchem der dereinstige Übergang des Erzstiftes Magdeburg an Kurbrandenburg beschlossen worden. Temporisiren konnte der Kurfürst wohl, wenn es die Verhältnisse geboten; abschließen mit Halbheiten lag nicht in seiner Art. Zur gegebenen Zeit wählte er durchgreifende Maßregeln. Er hatte der Welt schon gezeigt. Daß er, wo politische Institutionen und Sonderrechte ihm in der Förderung des Gemeinwohles hinderlich waren, a l t e F o r m e n m i t G e w a l t z u z e r b r e c h e n keinen Anstand nahm. In C l e v e hatte er im Jahre 1660 die Rechte der Stände, die eine, alle Klassen der Bevölkerung mit gleichem väterlichen Wohlwollen umfassende, monarchische Regierung des Landherrn unmöglich machten, aus eigener Machtvollkommenheit beschränkt und auf ein bescheideneres Maß zurückgeführt. In P r e u ß e n hatte er den Widerstand der Stände mit Gewalt gebrochen um so im Jahre 1663 den Huldigungseid erzwungen. Der S t a d t M a g d e b u r g gegenüber aber stand ja, nachdem in demselben Jahre 1663 der Kaiser Leopold seinen Spruch gethan, nun auch das formelle Recht auf seiner Seite. Es zur Geltung zu bringen, wurde nur der richtige Augenblick abgewartet. Händel zwischen den niederländischen General- Staaten und dem Bischof von Münster drohten in einen Krieg auszulaufen, der für ganz Deutschland wieder gefährlich werden konnte. Der Kurfürst zog in seinen rheinischen Landen ein starkes Heer zusammen. Geachtet und gefürchtet vermittelte er einen Ausgleich.
Sofort rückten jetzt seine disponibel gewordenen Truppen in die Nähe von Magdeburg, vor Wanzleben. Der Administrator wurde von dem Kurfürsten verständigt und gab nach einigem Zögern deine Zustimmung, nachdem ihm zugesichert worden, daß die in die Festung zu lagernde brandenburgische Garnison auch in seinem Dienste stehen und ihn verteidigt werden sollte. Die Stadt wurde aufgefordert, mit den Abgesandten des Kurfürsten und Administrator wegen der Huldigung und Aufnahme einer kurfürstlichen Garnison in Verhandlung zu treten. Darauf hin rüstete sie sich zum Widerstande. Der Kurfürst drohte mit Gewalt. Alle Welt wußte, daß er seine Drohungen ernst meinte. Seine zahlreichen Truppen standen in der Nähe. In der Ueberzeugung durch Nachgiebigkeit noch einige günstige Unvermeidliche und schloß den K l o s t e r- B e r g e s c h e n V e r g l e i c h vom 28. Mai 1666. Hiernach verpflichtete sich die Stadt dem Administrator die Huldigung, dem Kurfürsten die Erbhuldigung zu leisten, eine brandenburgische Garnison sofort folgenden Tages einzunehmen, die eigene Garnison zu entlassen, und einen bestimmten Beitrag zur Unterhaltung der Garnison zu zahlen. Durch diesen Kloster- Bergeschen Vergleich wurden die schwankenden und unklaren Verhältnisse Magdeburgs mit einem Schlage für alle Zeiten geregelt. Die Huldigung für sich allein hätte vielleicht ferneren reichsstädtischen Bestrebungen der Stadt Magdeburg noch nicht ein definitives Ende gemacht. Huldigungen waren ja schon früher von ihr geleistet, und bei den Kloster- Bergeschen Verhandlungen verstanden sich die Vertreter der Stadt auch leichter zu einer abermaligen Huldigung. Aber das Aufgeben eigener Garnison und die Ersetzung durch brandenburgisches Militär war das Durchschlagende und darum erst zugewilligt, als der ferneren Weigerung die Gewalt gegenüber gestellt wurde. Eine kurfürstliche Besatzung rückte schon am 29. ein und übernahm die Wachen. Die bisherigen Stadtsoldaten wurden entwaffnet und des Dienstes entlassen.
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Die Bürgerschaft verblieb zwar die Zivilverwaltung im Wesentlichen unverkümmert. Aber in allen militärischen Angelegenheiten hatte Rath und Bürgerschaft durchaus nichts mehr zu sagen; der brandenburgische Befehlshaber gebot allein, und er hielt die Zügel straff in seiner Hand. Die Stadt bekam ein anderes militärisches Gepräge. Nicht mehr u n t e r dem Magistrat stand jetzt das Militär, sondern vollständig unabhängig n e b e n ihm, oder richtiger ü b e r ihm. Um dieses Verhältniß noch mehr zum unzweideutigen Ausdruck zu bringen, setzte der Kurfürst einen schon durch seine hohe Geburt über alle Bürger hoch erhabenen Gouverneur in der Person des Herzogs August von Holstein ein. In die Leitung aller Militärangelegenheiten kam sogleich ein anderer Zug. Als nächste Aufgabe erkannte man, die vernachlässigten F e s t u n g s w e r k e in besseren Stand zu setzen. Feldmarschall Sparr entwarf schon am 10. Juni den Plan dazu. Dem Gouverneur aber wurde in seinem vom 1. Juli 1666 datirten Patent „die Fortsetzung der Fortificationsarbeit und Reparation der verfallenen älteren Wälle, Gräben, Mauern ect. Anbefohlen“. Eine speciellere Anweisung an ihn ergeht am 18. (28.) Juli. „Wir halten anfänglich nöthig, daß das Werk bei den Brücken am ersten verfertigt werden möge. Sollte ein oder der andere Ort dennoch vothanden sein, welcher in seiner Defensive wäre, solche hätten Ehrwürdige Durchlaucht interimsweise mit Pallisaden versehen zu lassen“. 1) Aber der Festungsbau ist kostspielig. Der Kurfürst sucht deshalb Beihülfe sowohl bei dem Administrator als bei den Ständen und der Stadt. Indeß´findet er ein sehr geringes Entgegenkommen. Der Gouverneur wendete sich am 29. December 1666 mit der Frage an den Administrator, ob mit Neujahr 1667 die Verbesserung des hiesigen Festungsbaues vorgenommen werden könne, und ob der Administrator dazu Holzfuhren aus seinen Haiden bewillige, auch die Klöster des Erzstiftes zu ähnlichen Leistungen veranlassen wolle. 2) Der Administrator, doch immer noch der berechtigte alleinige Inhaber der Regierungsgewalt, scheint durch das rasche Vorgehen des Kurfürsten verletzt und lehnt, in der Befürchtung, bei
-------------------------- 1) Bei der aus den archivalischen Quellen genommenen und mit Anführungszeichen versehenen Zitaten sind die Worte unverändert wiedergegeben, die das Verständniß oft erschwerende Schreibung derselben ist nur in besonderen Fällen beibehalten 1a) Geheim Staatsarchiv zu Berlin. R.52, 53d. 2) Prov. Staatsarchiv zu Magdeburg; Erzstift Magdeburg II. Zit. 14, Nr.4.
Nachgiebigkeit leicht ganz bei Seite geschoben zu werden, am 7. Januar 1667 das Gesuch ab, „da der Kurfürst gar nicht mit ihm darüber zu verhandeln zur Zeit noch nicht beliebte, die Klöster aber bisher zu dergleichen niemals angehalten worden“ 1) Die Ritterschaft der Altmark aber bittet den Kurfürsten unter dem 17. Januar 1667, daß die zum Festungsbau anbefohlenen Bauholzfuhren möchten erlassen werden, wegen des kläglichen Zustandes des Spannviehes, „indem an vielen Orten dasselbe häufig umgefallen und noch wegsterben thut, an den Pferden aber, die ein jeder täglich zu gebrauchen noch übrig und nöthig hat, eine solche ungemeine Mattigkeit zu verspüren, daß die Leute kaum mit ledigen Wagen zu der nächsten Stette gelangen“. Die verlangten Holzfuhren seien unmöglich. Die Ritter selbst würden dadurch auch der „unenträthlichen Dienste zu ihrem Ruin müssig gehen müssen“. Sie erbieten sich aber, dem Kurfürsten dafür ein „erleidliches Geldsubsidium“ zu geben. 2) Der Kurfürst forderte nun am 15. April 1667 „die Stände von Prälaten, Ritterschaft und Städte des Erzstiftes Magdeburg“ zur Beihülfe auf. „Nachdem die höchste Noth erforderte, daß bei den gefährlichen Läuften Unsere Alte Stadt Magdeburg gebührend fortificirt, und alles dergestalt gebaut und gebessert werde, damit der Ort wider alle Angriffe Entreisen in Sicherheit gesetzt werde“, so habe er guten Anfang damit gemacht und dazu bereits ansehnliche Summen Geldes hergeschossen. Es falle ihm aber zu schwer, den b au ganz allein audzuführen. „Und dann gleichwohl Euer wie der Eurigen, ja des ganzen Landes Wohlfahrt davon devendert, daß die Arbeit nicht stecken bleibe“. Er habe nun zu ihnen das Vertrauen, „Ihr werdet Uns mit einer erklecklichen Summe zu diesem unter die Arme greifen. 3) Die Stände erklären durch ihren Ständeausschuß am 11. mai 1667, daß 1. alle Praestanda seit undenklichen Zeiten auf ausgeschriebenen Landtagen vorgetragen, daselbst consultirt und bewilligt worden; - 2. die Landschaft vor dem Festungsbau der Stadt Magdeburg erempt und darüber in den alten Land- und Susschußtagsabschieden fundirt sei, um so mehr sei es nöthig, daß sie bei dem
-------------- 1) Staatsarchiv Magdeburg a. a. D. 2) Geh. Staatsarchiv Berlin a. a. D. 3) Prov. Archiv Magdeburg a. a. D.
jetzigen Verlangen auf ausgeschriebenen Landtagen gehört werde; - 3. außer Landtagen könne derartige Prästation nicht verwilligt werden, deshalb solle die ganze Landschaft mit ihrer Eremption gehört werden. 1) Die Stände scheinen später sich nicht nur bestimmt ablehnend verhalten, sondern auch die Absicht ausgesprochen zu haben, sich mit einer Beschwerde an das Reichskammergericht zu wenden. Denn es findet sich noch ein kurfürstlicher Befehl an Dr. Stieber in Speier vom 4. November 1667, bei dem Kammergericht dahin zu wirken, daß die Landschaft des Erzstiftes Magdeburg mit ihren Klagen wegen einiger Contribution zur Erhaltung der Magdeburger Garnison und anderer Nothwendigkeiten abgewiesen werde, „weil dasjenige, do hierunter von Uns und des Herrn Administrators Durchlaucht geschehe, den Reichsconstitutionibus gemäß wäre, auch dessen keine Landschaft im Reiche sich entbreche“. Die Stände waren ja freilich schon zu bedeutenden Leistungen zum Unterhalte der G a r n i s o n in Magdeburg herangezogen. Nach einer Kurfürstlichen Verpflegungs- Ordinanz“ mußten für die Magdeburger Garnison jährlich 55,788 Thaler aufgebracht werden, wovon die Stadt zufolge des Kloster- Bergschen Vertrages 14,400 Thaler, die übrigen 41,388 Thaler aber „die Erzstift Magdeburgische Landschaftskasse“ beizubringen hatte. 2) ----------------------- 1) Prov. Archiv Magdeburg a. a. D. 2) Geheim. Staatsarchiv zu Berlin. R. 52, 93d. Militarias der Stadt Magdeburg. 1666-1667. Die Gehälter waren bemessen wie folgt: der Gouverneur Herzog von Holstein erhielt jährlich 3000 Thl. „Commandeur Oberst Schmidt 1080 Thl. und 129 Thl. Servis „Oberst Sparr 450 Thl. und 120 Thl. Servis „Oberstlieutenant 456 Thl. und 78 Thl. Servis „Oberwachtneister 324 Thl. und 54 Thl. Servis „Wachtmeister Lieutnant 216 Thl. und 36 Thl. Servis „Anditeur 144 Thl. und 24 Thl. Servis ein Hauptmann und Campagniechef 480 Thl. und 36 Thl. Servis der Kriegs- Commissrarius (wohl dem heutigen Intendanten entsprechend 600 Thl. In der Instruktion und Bestallung des Kriegs- Commissrarius Hoffmeister vom 1. Juli 1666 heißt es: „Weil der Unterhalt der Garnison theils von der Stadt Magdeburg selbst, theils von Seiner Fürstlichen Durchlaucht dem Herrn Administrator o d e r v i e l m e h r d e n M a g d e b u r g i s c h e n L a b d s t ä n d e n hergeben werden muß, zum Theil aber in Seiner Kurfürstlichen Landen wird angewiesen werden so soll“ ect. (Geh. Staatsarchiv zu Berlin a .a. D.)
Daraus erklärt es sich wohl, daß die Stände wenig W i l l f ä h i g k e i t zeigten, auch noch zum F e s t u n g a b a u dem Kurfürsten eine Unterstützung zu gewähren. Ob und wie weit er z w a n g s w e i s e Unterstützung von ihnen erhalten hat, liegt nicht klar vor. Nur die S t a d t Magdeburg gewährte zunächst Beihülfe. Sie hatte ja auch früher die Kosten für die Errichtung und Unterhaltung der Befestigungswerke allein zu tragen gehabt. In einem Kabinetsschreiben vom 18. Juli 1666 hebt der Kurfürst hervor, daß „er zur Zeit an dem Lande nicht das Geringste zu genießen habe“, daß ihm dagegen für die Stadt und besonders für die Verbesserung ihrer Fortification allerhand große Ausgaben und Spesen obliegen. Die Stadt solle ihm deshalb eine Abgabe entrichten – Sie erbietet sich denn auch, von jedem Wipfel ausgeführten Getreides vier gute Groschen für den Festungsbau zu liefern. 1) Die Mittel müssen es dem Kurfürsten nicht ermöglicht haben, den Bau so schnell auszuführen, als er gewünscht hatte. Es zieht sich derselbe sehr lange hin. Erst nach einem Zeitraume von 11 Jahren traf die nachweisbar erste Unterstützung von Seiten des Administrators ein. In einem Schreiben vom 7. (17). August 1678 bittet der Kurfürst den Administrator, dreißig Schock Pallisaden, die er zur Contre Cocarpe gebrauche, im Magdeburgischen schlagen und verabfolgen zu lassen. Auf diese Bitte geht der Administrator ein und gewährt so zum ersten Male eine, im Verhältniß zu dem ganzen Werke doch immer recht unbedeutende Unterstützung. 2) Die Ausführung des Unternehmens geschah unter der speciellen Leitung des Commandanten von Schmiedeck, der im Jahre 1675 durch den Oberst du Plessis Gouret ersetzt wurde. Auf der E l b s e i t e schien dir Stadt am meisten gefährdet; es wurde deshalb zuerst hier die Arbeit in Angriff genommen. Oberhalb der Stadt, hinter dem Dome, wurde die Bastion C l e v e, unterhalb der Stadt die Bastion P r e u ß e n angelegt, beides Verbesserungen und Verstärkungen schon vorhandener Befestigungswerke. Zwischen beiden basrionen wurde längs der Elbe die sogenannte Kehle der
----------------------- 1) Städtisches Archiv zu Magdeburg. C 41 1679. (Privilegien ect. Des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. 1666-84.) 2.) Staatsarchiv Magdeburg
Stadt durch eine Brustwehr geschlossen – Zur Deckung der Elbbrücke aber wurde auf dem rechten Elbufer ein starker Thurm erbaut, von welchem der Brückenkopf später den Namen die T h u r m s c h a n z e erhalten hat. Nachher wurden die beiden schmalen Fronten am oberen und unteren Elbanschluß durch Verlegung von Werken vor dem Hauptwalle, Bastionen und Ravelins, verstärkt. Inzwischen hatte aber der Kurfürst die Ueberzeugung gewonnen, daß derartige bloße Umwallungswerke Enceinte (Umwallung-Außenwerk=französisch) nicht ausreichen würden, um den Magdeburger Elbpaß ganz sicher zu stellen, daß vielmehr im Innern des ganzen Bereiches noch ein nahezu uneinnehmbarer fester Kern geschaffen werden müsse. Er faßte demnach den schon von Sparr im Jahre 1666 angeregten Plan auf der zwischen beiden Elbarmen gelegenen Insel eine g r o ß e Z i t a d el l e zu erbauen, die von einem umsichtigen und entschlossenen Commandanten noch lange gehalten werden könnte, auch wenn die Außenwerke und selbst die Stadt schon genommen wären. Daß der Kurfürst die V e r s t ä r k u n g u n d E r w e i t e r u n g d e r Werke in kriegskunstmäßiger Weise von erfahrenen und sachkundigen Männern ausführen ließ, hatte der Bürgerschaft nur w i l l k o m m e n sein können. Es geschah ja alles für die Stadt und für ihre Bewohner. Ganz anders aber verhielt es sich mit dem Bau einer Z i t a d e l l e, als deren Zweck man n i c h t s o w o h l d i e B e s c h ü t z u n g d e r B ü r g e r s c h a f t, als vielmehr die g e w a l t s a m e N i e d e r h a l t u n g d e r s e l b e n um so mehr glaubte an zunehmen zu müssen, da man ja sah, daß der Kurfürst in allen seinen Landen ein absolutes Regime einzuführen, Ständefreiheiten, Sonderrechte und dergleichen zu beschränken oder ganz zu unterdrücken beflissen war. Der Kurfürst sah auch voraus, daß die >Bürgerschaft von Magdeburg, sobald sie von dem Plan des Zitadellenbaues hörte, ihm Schwierigkeiten bereiten, ihn mit Klagen und Beschwerden bedrängen würde. Es wurden deshalb in aller Stille die Vorbereitungen getroffen und im Jahre 1679 fing man an, der Ausführung der Idee näher zu treten. Das älteste Schriftstück, in welchem darauf bestimmter eingegangen wird, ist ein von Berlin, 18. (28.) Juli 1679, datierter Bericht des General-Lieutenants de Mestre 1) an den Kurfürsten, worin er sagt, er habe auf Kurfürstlichen Befehl. „ein Riß verfertigte, auf die Elb- Insel, und zweifle ich nicht, oder es würde die Zitadelle auf solche Manier sehr stark werden, und die Regularität, so viel möglich ist, absolviert sein“. 2) Die Sache wird geheim gehalten, der erwähnte kurfürstliche Befehl scheint nur mündlich gegeben zu sein. De Mestre berichtet unter dem 31. Juli 1679 noch von Berlin: „Ich habe die Calculation folgendes Ehrwürdigen Durchlaucht gnädigsten Befehl verfertigt, was mit Ehrwürdiger kurfürstlichen Durchlaucht gnädiger Permission ich vor dieses Mal, nicht auch in meinen eigenen Sachen etwas Richtigkeit zu machen, nöthig erachtet hätte, um hierfür die Berlinische Reisen zu können einstellen. Inzwischen nehme die Freiheit, beigehende Secreta unterthänigst zu senden; dieweilen neulich Ehrwürdige kurfürstliche Durchlaucht mit mir gnädigst davon sprachen“. Die Secreta, von denen hier die Rede ist, finden sich in den Akten des Staatsarchivs. Und das bestätigt die Vermutung, daß der Kurfürst die Angelegenheit, zunächst wenigstens, möglichst geheim halten wollte. Der Gouverneur, Herzog August von Holstein, nimmt sich der Sache eifrig an. In einem eigenhändigen Bericht an den Kurfürsten vom 2. August 1679 nennt er die „remarquen des Genaral- Lieutenants :. De Maestre sehr inditieus (?) gafasset und daß alles wohl darin beobachtet“, fügt aber hinzu, daß im laufenden Jahre nicht mehr viel zu machen sei, nur die angefangenen zwei halben Bollwerke würden nach dem vorgeschriebenen Riß noch weiter gefördert werden können. Im Winter müsse man große Quantitäten von allem benöthigten Material anschaffen, dann könne der Sommer Großes geschehen. 3) Es konnte der Bürgerschaft von magdeburg nicht lange verborgen bleiben, daß die Fortificationsbauten einen anderen Charakter
--------------------------- 1.) Man findet seinen Namen verschieden, gewöhnlich Mastre geschrieben. Seine eigenhändige Unterschrift hat aber die oben angegebene Schreibung. 2.) Geheim. Staats. Archiv Berlin. 3.) Geheim. Staats. Archiv Berlin.
annahmen. Die Vorarbeiten wurden nicht mehr an der Enceinte oder in ihrer Nähe vorgenommen, sondern inmitten des Stadtgebietes auf einer der Stadt gehörenden Elbinsel, auf welcher die Stadt einen Ziegelhof, Ziegelscheune, Bauhof ect. besaß. Die Bürgerschaft fing an, besorgt zu werden. In einer Rathssitzung vom 1. Dezember 1679 „ward deliberiret, wie bei Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht zu Brandenburg wegen Bauung der Zitadelle weiter zu sollicitiren, und ist vermeinet, des Herrn Feldmarschallen von Dörfflingers Exzellenz hierunter schriftlich und mündliche Vorstellung zu thun, wie hochschädlich gemeiner Stadt und Bürgerschaft dieser vorhabende Bau fallen würde“. 1) Es scheint aber beim „Deliberiren“ geblieben zu sein, jedenfalls waren alle etwaigen Hinderungsversuche vergeblich gewesen, denn man ging in den Vorarbeiten unbekümmert weiter. Unter dem 4. Februar 1680 wurde dem Rathe vom „Ziegelamt gemeldet, daß der Herr Obriste und Commandant Pfähle ausstecken lassen, auch wären Fächer in der einen Ziegelscheune aus- und die Treppe weggeschlagen, und hätten sich die Arbeiter wahrnehmen lassen, diesen Nachmittag damit weiter zu verfahren“. Es wurde darauf beschlossen, mit dem Gouverneur „ausführlich zu reden“, ihm Folgendes vorzustellen. „Dem Rathe wird auf bisheriges fleißiges Sondiren und Nachfragen gleichsam beständig versichert, daß man mit vorhabendem Bau keineswegs auf ein Zitadell, sondern nur auf einige Werke zur nothwendigen Defendirung der Brücken abziele, und daß bei solcher Intention der Rath und die Stadt bei völliger Besditz- und Gebrauchung des bedeutenden Marsches, in specie aber der Ziegelscheune, des Zolles, Bauhofes und Plarzes, worauf das Brennholz stehet, wohl verbleiben könne“. Das es aber auf eine wirkliche Zitadelle abgesehen hat, hat der Gouverneur in der den Abgesandten des Rathes, Consiliarius Dr. Eggeling und Rathausmann Steinacker, gewährten Audienz „nunmehr nicht undeutlich zu verstehen gegeben, und derlei begehret, daß man mit Transferirung der Ziegelscheune an einen anderen Ort, wozu Seiner Kurfürstliche Durchlaucht die benöthigten Kosten herschießen wollten, allerfordersamt den Anfang machen möchten“. Deshalb wird jetzt eine „A b s c h i c k u n g“ an den Kurfürsten
------------- 1.) Städtisches Archiv Magdeburg.
Beschlossen, zugleich aber eine I m m e d i a t e i n g a b e an den K u t f ü r s t e n unter dem 7. Februar gerichtet. Man habe „über alles Vermuthen“ erfahren, daß auf dem „zwischen den Elbbrücken gelegene Ziegelhofe und durch die daselbst befindlichen Gebäude einige Abmessung zur Fortification vorgenommen“ sei. Auch habe der Gouverneur erklärt, es hätte der Kurfürst „resolvirt, an diesem Orte eine solche Forteresse zu erbauen“, welche dern städtischen Verkehr daselbst unmöglich machen würde. Der Kurfürst wolle den Ziegelhof auf seine Kosten verlegen. Man habe bisher immer angrenommen, und man sei auch dessen „mehrmals gleichsam versichert“, daß bei dem dort vorbereiteten Bau nur die zum Schutze der Brücke nöthigen Werke aufgeführt werden sollten, wobei dann Ziegelhof, Bauhof und Holzplatz bleiben könnten. Jetzt müsse man „dast mit Bestützung das contrarium empfinden“. Man wolle den Kurfürsten nicht mit allen gegen die Anlage der Zitadelle sprechenden Gründen behelligen, auch nicht erörtern, ob der Platz, „indem er gar klein und e i n 18 b i s 20 E l l e n N i e d r i g e r l i e g e t a l s d i e S t a d r, zu einer solchen Fortresse oder Zitadelle situirt sei oder nicht“. Aber es habe „fast kränkende Gedanken erregt“, warum denn in „diese vor sich beseitigte und weiter bestens zu fortisicirende Stadt“, die sich so willig dem Kurfürsten ergeben, gegen den Kurfürsten und sein Haus immer Devotion und Treue erwiesen habe und erweisen werde, eine Zitadelle gelegt werden solle, da die „Maintenirung der Elbbrücken“ ohne einen solchen zur höchsten Beschwerde gereichenden Bau bewerkstelligt werden könne. Zudem sei der Platz „das noch übrige fast einzige und beste Pertinenzstück der Stadt“, dessen sie nicht entrathen könne. Denn da sei 1. der Z i e g e l h o f der bei dieser „n o c h g r ö ß t e r t h e i l s in d e r Asche l i e g e n d e n und billig zum Anbau wieder zu befördernden Stadt nicht zu entrathen, auch nirgendshin füglich zu transferiren“ sei: 2. ein Z o l l a m t mit den dazu gehörigen Häusern; 3. ein S c h i f f b a u p l a t z; 4. ein vortrefflicher H o l z p l a t z; 5. der B a u h o f, der wegen der vielen großen bei der Elbbrücke nöthigen Bäume und Hölzer nicht verlegt werden könne. Zudem sei zu befürchten, daß, „weil sonst andere Zitadellen vor sich eine offene Seite der Stadt und freies Gesicht zu haben pflegen“, dergleichen auch hier beabsichtigt sei, was den nächstgelegenen Häusern und Kirchen zum unwiederdringlichen Schaden gereichen könne. In den Städten mit Zitadellen würde der Festungsbau gewöhnlich versäumt, und nur die >Zitadelle beobachtet; in Kriegsgefahren würden nur die Zitadellen mit Bachdruck vertheidigt, nicht die Städte selbst. Die Zitadelle könne der Stadt sogar zur Gefahr werden, besonders bei einem unzuverlässigen Commandanten. Auch beri einer nöthigen Retirade sei eine befestigte Stadt besser zu gebrauchen; als eine Zitadelle. Der Kurfürst möge daher die zum Zitadellenbau bestimmten Summen lieber zur Befestigung der Stadt, auch Anlegen von einigen Brückenwerken verwenden. Gleich an demselben 7. Februar 12680 wurde der nach Berlin bestimmten „ A b s c h i c k u n g“ Eine ausführliche I n s t r u c t i o n und V o l l m a c h t ausgestellt. Die Deputation sdollte zunächst die kurfürstlichen Geheimen Räthe (besonders von J e n a und M e i n d e r s) für das Interesse der Stadt zu erwärmen suchen. Neben den in der erwähnten Immediateingabe hervorgehobenen Gesichtspunkten wurden den Deputirten noch einige andere Momente ans Herz gelegt. Besonders sollten sie auf die zu befürchtende Schädigung, die Handel und Verkehr erleiden würden, aufmerksam zu machen. Die Erfahrung hätte gelehrt, daß wo Zitadellen nicht gleich mit der Gründung der Stadt angelegt, sondern neu erbaut werden, sie den „Kaufhandel, der vornehmlich in seiner Freiheit besteht, merklich verhinderten, die Kaufleute sich auch scheuten, daselbst zu handeln, weil sie oftmals mit Anhaltung und anderen exactionibus beschwert würden; daß sie lieber in anderen freie Oerter zögen, wodurch denn aller Handel und Wandel von der Stadt sbgewendet, sie nicht wieder völlig bebaut und in Flor gebracht, sondern noch fast halb in der Aches würden liegen bleiben“. Es wäre auch vorzustellen, daß eine solche Hauptstadt im Lande, wie Magdeburg im Erzstifte, in Kriegszeiten ein reccptaculum sein müßte, wohin die Unterthanen mit Hab’ und Gut fliehen könnten. Aber bei einer Zitadelle würde die Stadt unvertheidigt vom Feinde ausgeplündert, von der Garnison der Zitadelle selbst zu ihrer besseren Vertheidigung in Brand gesteckt, da Stadt und Zitadelle gleichzeitig zu vertheidigen unmöglich sein würde. Die Zitadelle wäre auch eine Gefahr für die Bürgerschaft, deren
Heil und Wohlfahrt allein in des Commandanten Händen läge, der nach Belieben der Stadt übergeben oder conserviren könnte. Der Zitadellenbau würde Magdeburg gänzlichen Ruin bringen, kein Fremder würde auch nur ein einziges Haus wieder aufbauen, vieler Einwohner würden dagegen wegziehen. Daraus würde für den Kurfürsten selber unwiederbringlicher Schaden entstehen, da er dann nicht mehr von der Stadt soviel als jetzt beziehen könnte. Sollte der Kurfürst entgegnen, daß er die Zitadelle mit wenigerem Volke als die besetzen könnte und daß er durch den Zitadellenbau die wiederholten Klagen der Bürger über die Ainqwuaerierungslast beseitigen wolle, so wäre zu erwidern, daß, wenn er die versprochene „Baraquen“ baute, die Klagen auch aufhören würden. Wenn die kurfürstlichen Geheimen Räthe durch derartige Erwägungen zwar nicht unberührt, aber doch nicht ganz umgestimmt und für die Wünsche der Stadt gewonnen wären und „sie bei gutem Humor blieben“, so könnte von den Abgeordneten, jedoch behutsam, angeführt werden, „daß die Stadt von so vielen Jahren her, sich dabei beständig behalten, davon im Bergischen Vertrage nichts vergeben, sondern vielmehr zur Erhaltung dessen sich Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht ganz willig und gern ergeben, welche auch der Stadt oft und vielmals gnädigst versichert, sie bei ihrer Frei- und Gerechtigkeit zu lassen, wie sie denn auch selber in specic das Festungsrecht im Instrumento pacis nebst anderen Reichsständen der Stadt mit versichert, daß sie dabei unverletzt sollte gelassen werden, welches aber nicht zusammenstehen könnte, eine Festung zu bleiben und eine Zitadelle dabei zu bauen, so dier Festung commandiren könnte“. Die Abgeordneten werden dann aufgefordert, auch dem kurbrandenburgischen Statthalter Fürsten Johann Georg von Anhalt und dem Feldmarschall Derfflinger die Sache der Stadt ans Herz zu legen, dann eine Audienz beim Kurfürsten, eventuell beim Kurprinzen zu erbitten. Die Abgeordneten sollten auch dahin wirken, daß der Kurfürst einige von seinen Ministern, „doch daß dieselben nicht blos von Militärpersonen“, committiren möchte, „welche an hero ohne der Stadt Kosten in rem pracsentem sich erheben, Alles genau in Augenschein nehmen, uns darüber wegen gemeiner Stadt bothdürftig hören“ und dann dem Kurfürsten berichten sollten.
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Sehr bald, am 14. Februar, berichteten die Abgeordneten von Berlin aus, daß ihnen überall schlechter Trost gegeben würde. Der Geheime Rath v o n J e n a hätte erklärt, m i t d e r S a c h e w ä r e e s z u s p ä t. Der Generasl- Quartiermeister Mehler (?) hielte die S a c h e f ü r g a n z v e r l o r e n. In einem zweiten Briefe, vom 17. Februar, wurde die Hoffnungslosigkeit bestätigt; vor einigen Monaten hätte man sich an den Feldmarschall wenden sollen. Zur Tröstung wäre ihnen gesagt worden, „daß des Kurfürsten Intention nicht wäre, der Stadt Schaden zu thun, sondern dieselben zu subleviren. Und hätte der K ö n i g i n F r a n k r e i c h b e i a l l e n S t ä d t e n Z i t a d e l l e n, die sich wohl dabei befänden“. Man müßte Alles dem Kurfürsten anheim stellen, welcher seinen Ingenieuren trauen müßte „und Alles selber besser wüßte wie wir es sagen könnten“. Tags darauf berichten die Abgeordneten, daß das von dem Rathe gestellten Gesuch einer nach Magdeburg zu sendenden Commission von den Geheimen Räthen von Jena und Meinders übel aufgenommen sei. Am 19. Februar heißt es : Herr von grumlow, der die Sache jetzt bearbeitet, habe den Abgeordneten offen bekannt, „daß von Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht h o h e n M i n i s t e r i s d e r e n k e i n e r G e f a l l e n h ä t t e u n d i m p r o b i r t e s e l b i g e s d e r H e r r F e l d m a r s c h a l l, der Herr v o n J e n a und H e r r M e i n d e r s, wie auch e r s e l b e r. Es wäre aber andem, daß Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht solches Werk bloß vor sich tractirten und davon in den Geheimen Rath nichts kommen ließe“. Die Dinge rührten von dem Gouverneur, Commandanten und den Ingenieuren her und „es wäre nur ein Betrieb unseres Commandanten und der Schweiser, die suchten Geld zu scmieden; wenn denselben etwas offerirt wäre, würden sie wohl geschwiegen haben“. Uebrigens verstände der Kurfürst die Sachen besser als einer von ihnen und er würde, wenn er das Werk in Augenschein nehmen könnte, wohl anderer Meinung werden. Grumlow rieth aber, den Kurfürsten nicht durch Uebereifer zu reizen; je mehr dieses gesheher, je mehr der Kurfürst darauf bestehen, das Werk fortzusetzen.
Die Abgeordneten sollte sich mit einer Audienz zufrieden geben, es würde wohl in zehn zwölf Jahren nichts daraus werden. Der Geheime Rath M e i n d e r s eröffnete der Deputation, der Kurfürst habe sich ihre Eingabe vortragen lassen, „die darin enthaltenen rationes wohl erwogen“. Er habe aber solche Einwendungen von Seiten der Stadt nicht erwartet, sondern vielmehr, daß sie seine Intention mit Dank anerkennen würde, da die Zitadelle zur Erhaltung und Sicherheit der Stadt intendirt sei und von der Stadt nicht dazu begehren würde. Auch Meinders rieth, die Sache nicht sehr zu „treiben“, „je mehr man dieses Werk zu hindern suchte, je mehr würde es befördert werden. Der Kurfürst würde seine Intention, was er pro salute publica intendirte, unserhalben nicht ändern, und müßte unter Interesse so in comparatione pro privato zu halten, billig weichen. Und unsere Ziegelscheune würde er hierbei nicht consideriren. Die Deputation möchte ihren Vortrag auf das Gelindeste fassen und nur bitten, daß die Stadt so viel als möglich bei dem Ihrigen erhalten bliebe. Von einer zweiten Audienz beim Geh. Rath von Jena vom 20. Februar wird berichtet, daß derselbe abermals gerathen, „die Sache nicht zu sehr zu treiben“. Man möchte den Kürfürsten bitten, den Ort selbst in Augenschein zu nehmen und bis dahin der Sache Anstand zu geben. Auch der Feldmarschall v. Derfflinger, an den sich die Depurarion wenden zu wollen vorhatte, könne bei der Sache nichts thun. Der Kurfürst wüsste das besser als der Feldmarschall und einer von den besten Ingenieuren, „weil Sie die vollkommene Wissenschaft von der Fortification und solche instrumente dazu hätten, daß man sich darüber verwundern sollte. Sie hätten bei letzter Campangne selbst angegeben, wie Alles abgestochen werden sollte und Ihrer Ingenieure bald so, bald so corrigirt“. Von dem Rath Fuchs, der der Angelegenheit ein großes Interesse zugewendet und mit derselben eingehend sich beschäftigz zu haben scheint, wird den Abgeordneten erklärt: „das Werk wäre von Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht ganz festgestellt und wäre nicht zu hintertreiben, man möchte sich abmühen, wie man wolle. Die Gründe seien vorzugsweise folgende: Der Kurfürst wolle die Stadt der E i n q u a r t i e r u n g s l a s t, über die so viel geklagt sei, einigermaßen überheben. Es sei dann nicht eine so große Mannschaft in Magdeburg
Zu halten nöthig. Jetzt b e l a u f e s i c h d i e G a r n i s o n a u f 1200 bis 1500 Mann, dann aber würde es genügen, daß 600 Mann in der Stadt und 400 in der Zitadelle lägen. Ohne Zitadelle würde bei Kriegszeiten die Vertheidigung der Stadt 6000 Mann erfordern, was sehr kostspielig werden würde. Mit der Zitadelle aber könnten „immer mehr und mehr diesseite aus dem Lande in die Zitadelle gebracht und hernach in die Stadt zum Saccurs geworfen werden, auch die Stadt bei Belagerungen allemale freie und offene Seite behielte“. Die Stadt sei an dieser Seite am wenigsten befestigt. Ma habe doch das Unglück anno 1631 noch vor Augen. „Wäre damals auf dieser Seite dergleichen Zitadelle gewesen, daß uns hätte von dem König in Schweden Sneeurs gebracht werden können, würden wir darin nicht gerathen sein“. E s w ä r e I h r e r k u r f ü r s t l i c h e n D u r c h l a u c h t m e h r a n d e r S t a d t M a g d e b u r g g e l e g e n, a l s a n e i n i g e n O r t e n a l l e r I h r e r L a n d e, u n d g l e i c h s a m d a s H e r z, d a d u r c h d i e M a r k B r a n d e n b u r g, d a s F ü r s t e n t h u m M a g d e b u r g u n d H a l b e r s t a d t m ü ß t e b e s c h ü t z t w e r d e n u n d d a r a u ß a u f a l l e B e n a c h b a r t e g l e i c h s a m e i n w a c h e n d e s A u g e k ö n n t e g e h a l t e n, j a i n C o u n t r i b u t i o n g e s e t z t w e r d e n. Es müßten Seiner kurfürstlichen Durchlaucht besser als wir, was S i e s i c h z u e i n u n d a n d e r e m I h r e r N a c h b a r n z u v e r s e h e n, u n d w ü ß t e n g a r w o h l, d a ß m a n I h r d e n O r t n i c h t g ö n n e, 1) daher denn Dieselben desro besser Aussicht zu haben nöthig, und diesen Ort zu befestigen. Sie wollen auch die Stadt dabei unbefestigt nicht lassen.
-------------------- 1.) Man vergleiche damit, was Droysen (Gesch. der Preuß. Politik III, 157), anführt, um die damalig Stimmung der Mächte zu charakterisieren. K u r s a c h s e n habe vor Abschluß des Kloster- Bergschen Vertrages der Stadt Kanonen zur Vertheidigung gegen den großen Kurfürsten angeboten. –Der ö s t e r e i c h i s c h e G e s a n d t e in Cleve habe eine Courier nach Wien gesandt mit der Aufforderung, „Alles zu thun, um des Kurfürsten Dessein zu hindern“. Nach Abschluß des Vertrages habe man sich in W i e n mit dem Geschehen einverstanden erklärt, es sei auch für Böhmen wichtig, daß dieser Elbpaß in sichern Händen sei, da andere ihr Auge darauf richteten, deren Absicht darauf gehe, alle deutschen Seehäfen und die vornchu?sten Flüsse unter sich zu bringen.- Wenige Tage nach Abschluß des Kloster- Bergschen Vertrages habe ein s c h w e d i s c h e r Reichsrath in Magdeburg geäußert, man hätte sich zu schnell ergeben; hätte man sich nur etwas gehalten, so würden sich Leute gefunden haben, die sich ihrer angenommen hätten.
Weil man dieses Alles mit zu unserem Besten angesehen, würden wir Ihrer kurfürstlichen Durchlaucht hierin nicht zuwider sein und dasjenige, was wir auch auf solche Weise nicht ändern könnten, geschehen lassen, damit wir auch dabei vergnügliche Satisfaction und kurfürstliche g r a t i a m erhielten, als daß wir uns widersetzten und doch nicht hindern könnten, sondern eam disgratia primcipis dasselbe müssten geschehene lassen, so uns denn noch mehr schaden und viel incommoda nach sich ziehen würde. Und ob zwar von uns dagegen opponiret wäre, daß der Ort nicht zum Zitadellenbau gelegen, weil er niedriger denn die Stadt, so müssten wir doch dieses zu Seiner kurfürstlichen Durchlaucht Befinden stellen. Es wäre auch der Zitadellebau also angestellt, daß darauf Cavalierwerk sollte gesetzt werden und also 14 Schuh höher als die Stadt werden. Er wüsste auch wohl, daß wir sagen wollten: Die Zitadelle wäre ein Zwang der Städte, dieselben dadurch im Zaume zu halten. Allein er könnte uns auch bei seiner Seele und Gewissen versichern, daß solches Seiner kurfürstlichen Durchlaucht Intention nicht wäre, und hätten sie nicht das geringste Mißtrauen zu uns, auch dessen keine Ursache. Und könnten wir doch, wenn es nöthig, gezwungen werden. D a s b e s t e Z i t a d e l l e i n e s F ü r s t e b s e t, w e b b e r w i s s e, d a s s e i n e r U n t e r t h a n e n H e r z i h m z u L i e b e u n d T r e u e b e s t ä n d i g z u g e t h a n. Es wäre ihm auch nicht verhalten, daß es als eine ademptio privilegiorum ausgelegt würde. Es wäre aber die Intention des Kurfürsten nicht, der sogar Alles aif seikne Kosten transfiriren lassen wolle, „was der Stadt abginge“. Den Abgeordneten wird endlich boch von einem bei der Sache selbst ganz unbetheiligten Manne, der aber als geborener Magdeburger die Interessen seiner Vaterstadt im Auge hatte, dem hannoverschen Leibarzt Kotzebue, am 21. Februar mitgetheilt, „wie gestern Abend im kurfrürstlichen Gemach von der Stadt Sache geredet wäre, auch die forma von Holz geschnitten, wie das Zitadell sein sollte, allda gelegen, und was die Stadt dagegen eingewandt. Es wäre aber Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht dennoch bei Ihrer Meinung geblieben, daß es nicht anders sein könnte. Denn ob man schon die Zitadelle nach der Neustadt legen wollte, könne doch die Stadt
dadurch so nicht defendirt werden und hätte es gar die Meinung nicht wie die Stadt in dem Gedanken stände, daß man sie verlassen wollte“ Auch jetzt gaben die Magdeburger die Hoffnung noch nicht auf, ihr Ziel zu erreichen. Sie wandten sich wiederholt an die einflussreichsten Personen aus der Umgebung des Kurfürsten. Aber überall wird ihnen erklärt, es sei unmöglich, den Kurfürsten jetzt von seinem Beschlusse abzubringen, wenn auch „tausend rationes“ angeführt würden, der Kurfürst habe sich die Sache zu sehr „imprimirt“, könne auch in seinem Krankenzustandes keine „contradiction“ leiden; es sei das Werk auch den freiden Gesandten (französischen, dänischen, holländischen) als sehr „imporant“ vorgestellt und nun werde der Kurfürst seine Meinung um so weniger ändern; vom Lande erhalte man auch keine „assistenz“; der Administrator habe consetirt; andere Potentaten haben es zu hintertreiben nicht vermocht; kein Minister wolle es dem Kurfürsten mehr vortragen, er halte alle Einwendungen für lächerlich. Man könne höchstens versuchen, die Sache hinzuhalten und dadurch vielleicht später ganz zu hintertreiben. Dies letzte war auch die Idee des Feldmarschalls Derfflinger. Er erklärte den an ihn abgesandten Deputirten, daß er e i n e n t s c h i e d e n e r G e g n e r d e s Z i t a d e l l e n b a u e s s e i, er habe auch „treulich widerrathen“, es wäre besser, daß „die Stadt forificiret würde“. Aber „es wäre dies Werk Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht von eigennützigen Leuten, die ihren Beutel spicken wollen, in den Sinn gebracht und allerhand Abrisse und in Holz geschnitzte Formen des Zitadellenbaues vorgestellt. Jetzt wäre der Kutfürst gar zu seht von der Sache eingenommen, und hätte ihn selber, als er abgerathen „mit Worten hart angefahren, daß auch die Kurfürstin wäre darüber zugekommen und ichn gebeten, davon still zu schweigen“. Auch die Geheimen Räthe, die gegen den Zitadellenbau wären, würden von dem Kurfürsten streng abgewiesen. Man möchte den Versuch machen, die Kurfürstin für die Sache zu interessiren, damit sie dem Kurfürsten „bei günstiger Gelegenheit zuredete und gleichsam intercedirte“, dann wollte er „fecundiren“. 1) Ein solcher Versuch scheint nicht gemacht zu sein. Den Abgeordneten in Berlin wurde zwar schließlich eine Audienz
---------------------------- 1). Städt. Archiv Magdeburg a. a. D.
bei dem Kurfürsten gewährt; allein es gelang ihnen durchaus nicht, den Kurfürsten umzustimmen. Er erklärte ihnen, e s s e i i h m a n d e r S t a d t M a g d e b u r g s o v i e l g e l e g e n, w i e a n s e i n e m g a n z e m „E s t a t“. 1) Aber gerade dies war auch ein Grund für ihn, die Stadt möglichst fest zu machen und deshalb hielt er fest an dem Zitadellenbau. Es erfolgte nun auch eine schriftliche „Resolution“ des Kurfürsten am 23. Februar, worin er die Stadtverwaltung beruhigt, daß des Zitadellenbaues wegen die sonstigen Befestigungen der Stadt nicht vernachlässigt werden sollte. Zugleich wird nochmals seine Bereitwilligkeit ausgesprochen, „die Ziegelscheune und Häuser, welche die Stadt auf dem Grunde, allwo gebaut werden soll, stehen hat, an einem anderen bequemen Orte auf ihre (Seiner Durchlaucht) Kosten wieder aufrichten, auch zu dem Holz und Schiffbau andere wohlgelegenere Plätze anweisen zu lassen und die Stadt darunter allerdings schadlos zu halten. 2) Inzwischen waren die Vorarbeiten zum Bau unterbrochen weiter gegangen. Schon am 14. Februar war an die Abgeordneten von Magdeburg nach Berlin berichtet worden, daß der Gouverneur aus dem ihm „auf eine Zeitlang gutwillig eingethanen Ziegelgarten“ ohne Wissen und Willen der Stadtverwaltung die jungen Bäume „diesem und jenem auszuroden verstattet und solchergestalt zur zur Fortsetzung des vorhabenden Baus einen wirklichen Betrieb sehen lassen“. Am 21. Februar wird den Abgeordneten nach Berlin berichtet, daß der Gouverneur „gar hart darauf bestehe“, daß durch Wegräumung des Holzes Raum für den Bau geschafft werde. Er sei auf Bitte um Stundung nicht eingegangen, habe vielmehr befohlen, daß aus dem mit Holz ankommenden Schiffen nichts mehr an der Baustelle ausgeladen werden solle und habe deshalb daselbst Posten aufgestellt. Am 23. Februar aber zeigt der Gouverneur auch an, daß 900 Mann von den umliegenden Regimentern commandirt seien, um an den Vorarbeiten zur Zitadelle vom 1. März an verwendet zu werden; der Rath solle deshalb das Holz auf seine eigene Gefahr von dort fortschaffen lassen.
------------------ 1.) Städt. Archiv Magdeburg a. a. D. 2.) Städt. Archiv Magdeburg a. a. D.
Die Abgeordneten wenden sicham 24. Febtuar mit einer Petition an den Kurfürsten, der Gouverneur habe bereits Gewalt angewandt zur Wegräumung des Brennholzes und befohlen, daß aus den mit Brennholz ankommenden Schiffen auf dem Marsche nichts mehr ausgesetzt werden solle, auch habe er zur Durchführung dieses Befehles einige Posten aufgestellt. Der Kurfürst wird um einen Befehl an den Gouverneur zur Einstellung der Gewaltmaßregeln gebeten. Noch an demselben Tage erklärt der Kurfürst der offenbar die Magdeburger Bürgerschaft nicht erbittern wollte, an den Gouverneur auch wirklich den Befehl, der Stadt Magdeburg, bevor sie zur Räumung des Holzplatzes angehalten werde, einen andere „bequemer und wohl gelegenen Ort“ anzuweisen. Der Gouverneur solle sich darüber mit dem Rathe wo möglich in Güte vergleichen. Einen solchen wohlgelegeneren Ort glaubte man „überhalb der Elbbrücke alldorten auf dem marsch, wo die Kaufleute ihr Bauholz zu liegen haben“, zu finden; es ergeht deshalb am 21. April an den Rath der Kurfürstliche Befehl, „fothanen Platz der Bürgerschaft zu ihrem Brennholze zu assigniren“. Der Rath läßt durch Abgesandte entgegen, der Platz sei ungeeignet, weil die Schiffe durch die erste Brücke beim Fähramte nicht durchkommen und allda anlanden können, solcher Platz auch ohnedem der Stadt zugehört, nee amplius quam semel res nostra esse posssit, und dadurch die gnädigst versprochene satisfaction (Entschädigung) gänzlich würde dahin fallen, auch solcher Platz den Holzhändlern, so deswegen ihre Gebühr abstatten, nicht entzogen werden kann“. – Den Abgeordneten wird außerdem aufgetragen die Sache so viel als möglich hinzuhalten. 1) Hinhalten, „trainiren“, schien jetzt noch das einzige Rettungsmittel. Auch Derfflinger, Grumkow u. a. hatten dazu gerathen. Deshalb wandte sich der Rath am 30. Juni nochmals an den Kurfürsten, um dem schnellen Fortschreiten der Arbeiten entgegen zu wirken, Der Commandant du Plessis Gouret habe unter dem Vorgeben, daß der Kurfürst jetzt den Zitadellenbau „eifriger fortsetzen wissen wollte“, befohlen, die Ziegelscheune abzubrechen . Der Rath bittet, nicht so schnell damit vorzugehen weil die Ziegelscheune mit
-------------------- 1) Städt. Archiv Magdeburg a. a. D.
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