Die Lebensbedingungen der einzelnen Ausländergruppen wurden durch eine strikte, bis in Kleinigkeiten reglementierte nationale Hierarchie differenziert. Während die Arbeiter aus den besetzten Westgebieten und den sogenannten befreundeten Ländern zwar überwiegend in Lagern leben mussten, aber etwa dieselben Lebensmittelrationen wie die Deutschen in vergleichbaren Stellungen erhielten und auch denselben Arbeitsbedingungen unterlagen, waren die Arbeiter aus dem Osten, vor allem die «Russen», erheblich schlechter gestellt. Die Lage vor allem der ausländischen Zwangsarbeiter war allerdings von Betrieb zu Betrieb, von Lager zu Lager sehr unterschiedlich. In der Landwirtschaft ging es den ausländischen Arbeitern in der Regel meist deutlich besser als in der Industrie, und auch dort waren die Unterschiede zwischen den verschiedenen Unternehmen in der Behandlung und der Verpflegung der ausländischen Arbeiter eklatant, vor allem seit Ende 1942. Das verweist darauf, wie groß der Handlungs- und Ermessensspielraum des einzelnen Unternehmens war.
Nach mehr als 3 Jahren Krieg und Sklavenarbeit ausländischer Arbeitskräfte hatten selbst die Edel-Rassisten der deutschen Führung erkannt, dass die bisher geübte Praxis des Umgangs mit den Ausländern und die Erwartung hoher Leistungen bei deren Arbeitseinsatz nicht in Übereinstimmung zu bringen waren. Nach mehreren Anläufen entstand deshalb ein (nicht zur Veröffentlichung bestimmtes) Merkblatt. Das aus den Verhandlungen hervorgegangene Merkblatt selbst, das die „Allgemeinen Grundsätze für die Behandlung der im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte“ regelte, war in der Tat ein lupenreiner Kompromiss zwischen den politischen Positionen von RSHA und Propagandaministerium. Es wurde von der Parteikanzlei, dem RSHA, dem Propagandaministerium und einer Reihe weiterer Dienststellen in ihren Verteilern verbreitet und hatte dadurch, obwohl es zur Veröffentlichung in der Presse nicht freigegeben wurde, große Resonanz. Es kann daher mit einigem Recht für die Zeit bis Ende 1944 als Grundlage der Ausländerpolitik des Regimes angesehen werden. Argumentativer Ausgangspunkt des Merkblattes war die These, daß der antibolschewistische Kampf des Reiches zunehmend eine Angelegenheit der „europäischen Solidarität“ werde, deren „sichtbare, praktische Auswirkung ... die Beschäftigung von Millionen ausländischer Arbeiter fast aller europäischer Staaten“ sei. Damit war zwar die historische Entwicklung des Ausländereinsatzes seit 1939 auf den Kopf gestellt worden, gleichwohl war diese Präambel als politische Festlegung auf den neuen Kurs von einiger Bedeutung. Unmittelbar an diese einleitende Bestimmung anschließend hatte das RSHA zwei Abschnitte durchgesetzt, die beginnend mit der Feststellung „An erster Stelle steht die Sicherheit des Reiches“ vor allem auf den „erforderlichen Abstand“ zwischen Deutschen und Fremdvölkischen sowie auf die „Grundsätze nationalsozialistischer Blutsauffassung“ abhoben. Danach aber folgte eine Passage, die für den Eingeweihten das genaue Gegenteil zu dem Primat der „Sicherheit des Reiches“ aussagte: „Dem Ziel, den Krieg siegreich zu beenden, hat sich alles unterzuordnen.“ „Sicherheit“ gegen „Sieg“ - das waren die Kurzformeln der unterschiedlichen Positionen. Die Einzelbestimmungen des Merkblattes aber entsprachen dem Europa-Kurs des Propagandaministeriums, sie lesen sich wie eine Darstellung der tatsächlichen Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Arbeitskräfte aus dem Osten in Verbotsform: "Jeder, auch der primitive Mensch hat ein feines Empfinden für Gerechtigkeit. Daher muß sich jede ungerechte Behandlung verheerend auswirken. Ungerechtigkeiten, Kränkungen, Schikanen, Mißhandlungen usw. müssen also unterbleiben. Die Anwendung der Prügelstrafe ist verboten“, heißt es zu Beginn, und „von Menschen, die als Bestien, Barbaren und Untermenschen bezeichnet werden, kann man keine Höchstleistung verlangen“. Im einzelnen wurde angeordnet: berufsrichtiger Einsatz; Verbesserung der Unterbringung in Lagern („Gefängnismäßige Absperrung und Stacheldraht sind verboten“); Ausrüstung mit zweckmäßiger, warmer Kleidung; ausreichende Verpflegungssätze („Unterschlagungen, Wucherpreise usw. durch Aufsichtsstellen der Ausführungsorgane werden so geahndet, als wäre die Tat Deutschen gegenüber begangen“); wirksame gesundheitliche Betreuung, Freizeitangebote („im übrigen haben auch die Ostarbeiter grundätzlich mindestens am arbeitsfreien Tag die Möglichkeit auszugehen“), seelsorgerische Betreuung. Auffällig war auch die Androhung schwerer Strafen bei Verstößen gegen diese Anordnungen, die „nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unpolitischen Straftat (z. B. Körperverletzung, Unterschlagung, Wucher) zu ahnden, sondern unter Umständen sogar als Feindbegünstigung anzusehen sind“. Die Bestimmungen des Merkblattes unterschieden sich hinsichtlich ihres Inhalts nicht wesentlich von den bereits vom GBA erlassenen Vorschriften. Bedeutsam sind sie deshalb, weil sie von allen am Ausländereinsatz entscheidend beteiligten Reichsbehörden gemeinsam verabschiedet worden waren, weil sie zweitens von der argumentativen Anlage her (außer bei der seelsorgerischen Betreuung) keinen Unterschied machten zwischen Ost- und Westarbeitern und weil drittens die Bestimmungen so gehalten waren, daß die Vorschriften als allen Ausländern zustehende Ansprüche aufgeführt wurden, als Regelfall - nicht als deutscher Gnadenbeweis in Einzelfällen.
Hier noch der Originaltext des vorstehenden Merkblattes:
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Partei-Kanzlei Der Leiter der Partei-Kanzlei Führerhauptquartier, den 5. Mai 1943
Rundschreiben Nr. 70/43 Betrifft: Merkblatt über die allgemeinen Grundsätze für de Behandlung der im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte.
Das Reichspropagandaministerium und das Reichssicherheitshauptamt haben gemeinsam ein Merkblatt über die Behandlung der im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte herausgegeben. Ich bitte, an Hand des beiliegenden Abdrucks die Partei- und Volksgenossen in geeigneter Weise über die Notwendigkeit einer strengen, aber gerechten Behandlung der ausländischen Arbeitskräfte aufzuklären. Eine Veröffentlichung des Merkblattes darf nicht vorgenommen werden. gez. M. Bormann
Merkblatt Über die allgemeinen Grundsätze für die Behandlung der im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte. [15. April 1943]
Der Kampf des Reiches gegen die vernichtenden Kräfte des Bolschewismus wird mehr und mehr eine europäische Angelegenheit. Erstmalig in der Geschichte dieses Kontinents beginnen sich, wenn auch in manchen Ländern noch als kleine Ansätze, die Umrisse einer europäischen Solidarität abzuzeichnen. Eine sichtbare praktische Auswirkung ist die Beschäftigung von Millionen ausländischer Arbeiter fast aller europäischen Staaten des Festlandes im Reich, darunter eine große Zahl von Angehörigen der besiegten Feindmächte. Aus dieser Tatsache erwachsen dem deutschen Volke aber besondere Verpflichtungen, die sich vor allem aus den nachstehenden Grundsätzen ergeben:
1. An erster Stelle steht die Sicherheit des Reiches. Der Reichsführer SS und seine Dienststellen legen die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen zum Schutze des Reiches und des deutschen Volkes fest. 2. Die humane, aber arbeitssteigernde Behandlung der ausländischen Arbeiter und die ihnen gewährten Erleichterungen können selbstverständlich leicht dazu führen, die klare Trennungslinie zwischen den fremdvölkischen Arbeitern und den deutschen Volksgenossen zu verwischen. Die deutschen Volksgenossen sind anzuhalten, den erforderlichen Abstand zwischen sich und den Fremdvölkern als eine nationale Pflicht zu betrachten. Bei Außerachtlassen der Grundsätze nationalsozialistischer Blutsauffassung muß der deutsche Volksgenosse sich schwerster Strafen bewußt sein. Die Erkenntnis, daß es um Sieg oder bolschewistisches Chaos geht, muß jeden Deutschen veranlassen, die notwendigen Folgerungen im Verkehr mit fremdvölkischen Arbeitskräften zu ziehen.
Dem Ziel, den Krieg siegreich zu beenden, hat sich alles unterzuordnen. Die im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte sind daher so zu behandeln, daß ihre Zuverlässigkeit erhalten und gefördert wird, daß Auswirkungen zu Ungunsten des Reiches in ihren Heimatländern auf ein Mindestmaß beschränkt werden und daß ihre volle Arbeitskraft auf lange Sicht der deutschen Kriegswirtschaft erhalten bleibt, ja, daß sogar eine weitere Leistungssteigerung eintritt. Hierbei ist folgendes als entscheidend anzusehen:
1. Jeder, auch der primitive Mensch hat ein feines Empfinden für Gerechtigkeit. Daher muss sich jede ungerechte Behandlung verheerend auswirken. Ungerechtigkeiten, Kränkungen, Schikanen, Mißhandlungen, usw. müssen also unterbleiben. Die Anwendung der Prügelstrafe ist verboten. Über die scharfen Maßnahmen bei widersetzlichen und aufrührerischen Elementen sind die fremdvölkischen Arbeiter entsprechend aufzuklären. 2. Es ist unmöglich, jemand zur aktiven Mitarbeit für eine neue Idee zu gewinnen, wenn man ihn zugleich in seinem inneren Wertbewußtsein kränkt. Von Menschen, die als Bestien, Barbaren und Untermenschen bezeichnet werden, kann man keine Höchstleistung verlangen. Dagegen sind bei allen sich bietenden Gelegenheiten die positiven Eigenschaften, wie Kampfwille gegen den Bolschewismus, Sicherung der eigenen Existenz und ihrer Heimat, Einsatzbereitschaft und Arbeitswilligkeit anzuspornen und zu fördern. 3. Darüber hinaus muß alles getan werden, um die notwendige Mitarbeit der europäischen Völker im Kampf gegen den Bolschewismus zu fördern. Mit Worten allein ist der ausländische Arbeiter nicht zu überzeugen, daß ein deutscher Sieg auch ihm und seinem Volke zugute kommt. Voraussetzung ist eine entsprechende Behandlung.
Ausgehend von diesen Gesichtspunkten haben der für den Einsatz und die Arbeitsbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte verantwortliche Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz sowie die sonstigen beteiligten Dienststellen die für den Einsatz der ausländischen Arbeitskräfte im Deutschen Reich erforderlichen Weisungen erlassen. Aus diesen Vorschriften sind die nachstehenden besonders hervorzuheben:
a) Jeder ausländische Arbeiter wird nach Möglichkeit an dem Arbeitsplatz eingesetzt, an dem er gemäß seiner Vorbildung und bisherigen Tätigkeit die höchsten Leistungen vollbringen kann. b) Die Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte erfolgt in der Regel lagermäßig. Die Unterkünfte müssen hinsichtlich Ordnung, Sauberkeit und Hygiene vorbildlich mit allem Notwendigen ausgestattet sein. Gefängnismäßige Absperrung und Stacheldraht sind verboten. Entscheidender Wert wird darauf gelegt, daß in der Unterbringung den nationalen Gewohnheiten der ausländischen Arbeiter und Arbeiterinnen weitestgehend entsprechend den kriegsbedingten Möglichkeiten Rechnung getragen wird. Die Ausländer sind, soweit irgend möglich, nach Volksgruppen getrennt und in sich geschlossen untergebracht. Die Mitwirkung der ausländischen Arbeitskräfte bei der Verwaltung der Lager und der Aufrechterhaltung der Lagerordnung ist sichergestellt. Für alle Lager bestehen Lagerordnungen, in denen insbesondere auch die Pflichten und Rechte der Lager- und Betriebsführer umrissen sind. c) Die ausländischen Arbeitskräfte werden bei der Anwerbung angehalten, Kleidung und Schuhwerk mit nach Deutschland zu nehmen. Soweit dies nicht möglich ist und soweit Ersatz für unbrauchbar gewordene Kleidungsstücke notwendig geworden ist, werden sie unter Berücksichtigung der kriegsbedingten Einschränkungen mit Kleidung und Schuhwerk so ausgestattet, daß der zur Gesunderhaltung notwendige Schutz vor Witterungseinflüssen gewährleistet ist. d) Die ausländischen Arbeiter erhalten die vom Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in Anlehnung an die Verpflegung vergleichbarer deutscher Arbeiter festgelegten Verpflegungssätze. Auf landesübliche Kost wird hierbei nach Möglichkeit Rücksicht genommen. Es wird dafür Sorge getragen, daß den ausländischen Arbeitskräften die Verpflegung auch entsprechend den für sie zur Verfügung gestellten Mengen verabreicht wird. Unterschlagungen, Wucherpreise, usw. durch Aufsichtsstellen oder Ausführungsorgane werden so geahndet, als wäre die Tat Deutschen gegenüber begangen. e) Jeder ausländische Arbeiter hat Anrecht auf eine wirksame gesundheitliche Betreuung. Die Vorschriften zur Verhütung von Seuchen und übertragbaren Krankheiten finden uneingeschränkte Anwendung. Die ärztliche Versorgung ist je nach den örtlichen Gegebenheiten durch Lager-, Revier- oder Kassenärzte sichergestellt. Für die stationäre Revier- oder Krankenhausbehandlung ist die erforderliche Bettenzahl in geeigneter Weise bereitzuhalten. Für die Pflege und Versorgung sind nach Möglichkeit volkseigene Pflegekräfte, u.U. volkseigene Ärzte und Feldschere heranzuziehen. Für schwangere Arbeiterinnen sind die notwendigen Entbindungsmöglichkeiten vorzusehen, auch sind Stilleinrichtungen und Kleinkinderstätten im erforderlichen Umfang zu schaffen. Zur Betreuung ist auf weibliche Angehörige des betr. Volkstums zurückzugreifen. Rückbeförderungen von schwangeren Arbeiterinnen finden nur in besonderen Ausnahmefällen auf deren Wunsch statt. f) Die seelische Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte ist zur Erhaltung der Arbeitskraft und -freude von größter Bedeutung. Unterhaltende Veranstaltungen, Freizeitgestaltung, Sport, usw. sind in erster Linie im Lager selbst durch lagereigene Kräfte durchzuführen. Darüber hinaus werden besondere Künstler- und Volkstumsgruppen der verschiedenen Nationalitäten zur weiteren Ausgestaltung der seelischen Betreuung herangezogen. Ferner kommen, soweit möglich, Heimatfilme zur Vorführung. Außerdem sollen jedem Lager in die einzelnen Fremdsprachen übersetzte Bücher, Zeitschriften und Zeitungen zugänglich sein. Sprachkurse sollen die Verständigung am Arbeitsplatz fördern. Für die einzelnen Nationen werden Spezialwörterbücher bearbeitet und herausgebracht. Im übrigen haben auch die Ostarbeiter grundsätzlich mindestens am arbeitsfreien Tag die Möglichkeit auszugehen. g) Sämtlichen ausländischen Arbeitern ist eine seelsorgerische Betreuung ermöglicht, soweit diese gewünscht wird. Für Angehörige der besetzten Ostgebiete kommt zunächst nur eine Betreuung durch Laienpriester in Betracht. Die Betreuung durch russische und ukrainische Emigranten ist verboten. Im Todesfall werden Ausländer auf den öffentlichen Friedhöfen beigesetzt. h) Die politische Beeinflussung soll in erster Linie die Kräfte gegen den Bolschewismus wecken und ist entsprechend zu gestalten.
Die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze sind, da sie von den jeweils zuständigen Dienststellen als Weisungen herausgegeben sind, als Richtschnur für alle Organisationen, Dienststellen und Einzelpersonen bindend. Alle Stellen, die sich mit dem Einsatz und der Betreuung der ausländischen Arbeiter zu befassen haben, insbesondere auch die Betriebs- und Lagerführer, sind dafür verantwortlich, daß diese Grundsätze in die Praxis umgesetzt und eingehalten werden. Sie müssen sich darüber klar sein, daß Verstöße gegen die vorstehenden Grundsätze die deutsche Kriegswirtschaft und damit indirekt die Front schädigen und deshalb nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unpolitischen Straftat (z.B. Körperverletzung, Unterschlagung, Wucher) zu ahnden, sondern unter Umständen sogar als Feindbegünstigung anzusehen sind. Zur Verantwortung können nicht nur die Täter selbst gezogen werden, sondern auch die verantwortlichen Dienststellenleiter. Auch mangelhafte Unterrichtung oder Überwachung der nachgeordneten Stellen kann zu einer dienststrafrechtlichen Ahndung führen. Sämtliche bestehenden Anordnungen und Vorschriften für die Behandlung ausländischer Arbeitskräfte werden von den zuständigen Dienststellen darauf überprüft, ob sie mit den vorgenannten Grundsätzen vereinbar sind. Wo dies nicht der Fall ist, werden sie sofort entsprechend umgearbeitet.
Zur Verpflegung von Zwangsarbeiterinnen (und zu ihren Lebensbedingungen) bei der Fried. Krupp AG Essen gibt es eine beeidete Aussage, die in den Dokumenten zum Nürnberger Militärtribunal (Band 35, Seite 55 f.) enthalten ist. Da solche Zustände auch irgendwo sonst im damaligen Deutschland sicherlich keine Ausnahme bilden, will ich hier den Text einfügen.
DOCUMENT 258-D REPORT CONCERNING WRETCHED LIVING CONDITIONS AND ILLTREATMENT OF MAINLY FOREIGN JEWISH WOMEN, HOUSED IN THE YEAR 1944/45 IN ESSEN, CAMP HUMBOLDTSTRASSE, AND WORKING FOR THE FIRM OF KRUPP, 17 SEPTEMBER 1945 (EXHIBIT USA-896)
VOR MILITÄR GERICHT AUF EID ABGEGEBEN.
Essen, den 17.9. 1945
Bericht
Die angestellten Ermittlungen über das Arbeitslager in der Humboldtstrasse hatten folgendes Ergebnis: Die Lagerinsassen des Arbeitslagers waren meist jüdische Frauen und Mädchen aus Ungarn und Rumänien. Anfang des Jahres 1944 wurden die Lagerinsassen nach Essen gebracht und bei der Firma Krupp zum Arbeiten eingesetzt. Die Unterbringung und Verpflegung der Lagerhäftlinge war unter aller Würde. Die erste Zeit waren die Häftlinge in einfachen Holzbaracken untergebracht. Bei einem Fliegerangriff brannten die Baracken ab und von dieser Zeit an mußten die Häftlinge in einem feuchten Keller schlafen. Das Nachtlager befand sich auf der Erde und bestand aus einem Strohsack und 2 Decken. In den meisten Fällen war es den Häftlingen nicht möglich, sich täglich zu waschen, da das nötige Wasser fehlte. Eine Badegelegenheit gab es überhaupt nicht. Oft konnte ich von dem Kruppschen Werk aus zur Mittagspause die Beobachtung machen, wie die Häftlinge auf einem Holzfeuer in einem alten Eimer oder Kübel ihre Leibwäsche kochten und sich reinigten. Als Luftschutzraum diente ein Splittergraben, während die SS-Wachmannschaft den Humboldtbunker, welcher bombensicher war, aufsuchte. Mor- gens um 5 Uhr war Wecken, Kaffee oder irgendeine Verpflegung gab es morgens nicht. 5:15 Uhr war Abmarsch zur Fabrik. Notdürftig bekleidet mit schlechtem Fußwerk, teils ohne Schuhe und eine Schlafdecke übergehangen, ging der Marsch bei Regen und Schneewetter 3/4 Stunde zur Fabrik. Um 6 Uhr begann die Arbeitszeit. Von 12 — 12 1/2 Uhr war Mittagspause. Während der Mittagspause war es den Häftlingen erst möglich, sich von Kartoffelschalen oder sonstigen Abfällen etwas zu kochen. Die Arbeitszeit betrug täglich 10 bis 11 Stunden. Obschon die Häftlinge vollständig unterernährt waren, war die Arbeit körperlich sehr schwer. Die Häftlinge wurden öfter auf der Arbeitsstätte von Naziaufsehern sowie weibl. SS. mißhandelt. Um 5 bezw. 6 Uhr nachmittags war wieder Rückmarsch zum Lager. Die begleitete Wachmannschaft bestand aus weibl. SS, welche die Häftlinge oft unterwegs trotz Protest der Zivilbevölkerung mit Fußtritten, Schlägen und kaum wiederzugebenden Worten mißhandelte. Oefter kam es vor, daß einzelne Frauen und Mädchen von ihren Lagerkameradinnen vor Erschöpfung nach Hause getragen werden mußten. Um 6 bezw. 7 Uhr kamen die erschöpften Menschen im Lager an. Sodann wurde das eigentliche Mittagessen ausgegeben, welches aus Weißkohlsuppe bestand. Im Anschluß hieran gab es Abendessen, welches aus Wassersuppe mit einem Stück Brot bestand, das für den kommenden Tag sein sollte. Teilweise gab es Sonntags besseres Essen. Eine Besichtigung des Lagers seitens der Firma Krupp ist, solange dasselbe bestand, nicht vorgenommen worden. Am 13. März 1945 wurden die Lagerhäftlinge nach dem Konzentrationslager Buchenwald gebracht und kamen von dort zum Teil zum Arbeitseinsatz. Der Lagerkommandant war SS-Oberscharführer Rick. Sein jetziger Aufenthalt ist unbekannt, jedoch dürften die Ermittlungen ein Resultat zeigen. Oft ließ Rick Jüdinnen im Schnee und Regen nach Belieben auf dem Lagerplatz knien. Stellvertreter des Kommandanten war der SS-Unterscharführer Kerkmann, wohnhaft in Essen. Kerkmann hatte früher ein Papier- und Kunstgewerbegeschäft an der Münsterkirche in Essen, frühere Bergstrasse, jetzt Zwölfling.
Weitere Nachforschungen müssen noch angestellt werden.
Als die Fremdarbeiter nach dem Überfall auf die Sowjetunion plötzlich millionenfach nach Deutschland transportiert wurden, herrschte zunächst ein Chaos in Bezug auf deren Einsatz, Unterbringung, Pflichten, Rechte usw. Auch bedingt durch die lang laufende Propaganda waren große Probleme entstanden, da man Polen, Russen, Kalmücken ... das Recht sich als Mensch zu bezeichnen, abgesprochen hat. Da war bei der Bevölkerung Angst verbreitet, bei den Arbeitgebern war maximale Ausnutzung der Arbeitskraft das Ziel - und das möglichst ohne großen Kostenaufwand. Aber es fehlte an Lagern, an Wachpersonal, an einer einfachen aber wirksamen Verwaltung. Kurz - es war viel Improvisation und Willkür dabei, die wiederum Quelle von Unsicherheiten und Auseinandersetzungen waren.Da hat man dann schnell vor dem Feldzugbeginn 1942 noch eine gesetzliche Regelung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter erlassen. Die darin enthaltenen Regelungen dienten vor allem dazu, den Staat an deren Ausbeutung heftig mit verdienen zu lassen. Bei einem Monatslohn von z. B. 100,00 RM eines deutschen Arbeiters gleicher Qualifikation belief sich der vom Arbeitgeber zu zahlende Monatslohn eines Ostarbeiters auf 67,50 RM. Die Differenz zum Lohn eines deutschen Arbeiters wurde (als abgerundeter Betrag, in diesem Fall 30,00 RM) an den Staat überwiesen. 45,00 RM wurden für Unterkunft und Verpflegung abgesetzt und der Restbetrag in Höhe von 22,50 war der auszuzahlende Betrag für den Ostarbeiter. Landwirtschaftliche Betriebe zahlten nur die Hälfte der Ostarbeiterabgabe.
Für Kriegsgefangene, die unter Verwaltung der Wehrmacht standen, galten diese Bestimmungen nicht.
Da noch ein paar "nette" Kleinigkeiten in der Verordnung festgehalten sind, füge ich den entsprechenden Auszug aus dem Reichsgesetzblatt Teil I Nr. 71 vom 2. Juli 1942 (Seiten 419-424 an).
Ich weiß nicht, ob jemand schon den Bericht von Fritz Sauckel über den Arbeitseinsatz vom Dezember 1942 aufmerksam gelesen hat. Auf Seite 5 #72 (dort wiedergegebene Seiten 605 f.) sind schlimme Dinge ausgesprochen, die mit den vielen bis heute im Umlauf befindlichen Meinungen und Behauptungen keinesfalls übereinstimmen. Es geht um das Einkommen und damit um das Auskommen deutscher Arbeiterfamilien, Rentner, Kleingewerbetreibenden u.ä. Sauckel berichtet dort, dass 4 Millionen Haushalte über ein Einkommen verfügten, das nicht ausreichte, um die rationierten und zugeteilten Dinge des Lebensbedarfes kaufen zu können. Er trägt vor, dass dazu der Stundenlohn eines Arbeiters unter 60 Reichspfennigen (bei 12 Stunden täglicher Arbeitszeit; das sind 72 Wochenstunden) liegen müsse. Er behauptet, dass davon allerdings nur ein sehr kleiner Teil der Edelgermanen betroffen sei. Dem würde ich entgegen halten, dass bei 4 Millionen Haushalte mit einer angenommenen Personenzahl von 3,5 Köpfen immerhin 14 Millionen Menschen betroffen waren. Ein wahrhaft kleiner Teil! Dazu gibt er allerdings einen Trost, dass ja auf Grund der angespannten Arbeitskräftelage meistens noch ein weiteres Haushaltungsmitglied als Mitverdiener tätig sei und sich die Einkommenslage dadurch verbessere. Wenn das wirklich stimmen würde, wäre die Sache ja noch viel schlimmer, da dann ein Teil der 4 Millionen Haushalte auch mit zwei Verdienern nicht das zugestandene Limit für das tägliche Leben ausschöpfen konnten. Dass der Bericht als "Geheim" eingestuft war, ist unter diesem Blickwinkel sehr verständlich. Schade, dass es heute noch als wichtiger erscheint daran zu erinnern, dass sich Soldaten der Armee Wenck, verlassen von ihrer Führung, 1945 an das Westufer der Elbe durchschlugen, "wo sie vor der 9. US-Army in Ehren die Waffen niederlegten". (im von MAGADO heute eingestellter Beitrag im Thema "Militärdenkmäler in der Altmark")
Ich steh grade auf dem Schlauch. Weder kann ich hier den Bericht von Sauckel finden noch kenne ich die Zahlen. Jedoch gebe ich zu bedenken das es um das es sich um das 4. Kriegsjahr handelt und Thüringen landwirtschaftlich mehr zu bieten hat als industriell. Was Sauckel mit diesem Zahlen erreichen wollte bleibt offen.
Welchen Zusammenhang in der Wichtigkeit gibt es hier zu dem Stein in Schönhausen? Die Themen die wir hier behandeln sind doch alle schon ganz schön lange her. Also gibt es im Prinzip gar keine Wichtigkeit bzw. jeder Artikel ist wichtig!! Manche Themen hier im Forum sind für viele Mitglieder interessant und andere Themen eher nicht. Es geht mir oft so das ich ein Thema einstelle bzw. bediene wo ich denke das ist bestimmt für viele interessant und es passiert nüscht!! Andersrum passiert es genauso. Das ist einfach so. Genau so ein Thema war der Gedenkstein Schönhausen den ich (nicht Helmut) ins Spiel gebracht habe. Die Resonanz auf meine Anfrage war toll hätt ich nie mit gerechnet. Also nicht sauer sein wenn mal ein Artikel reaktionsfrei bleibt. Das sagt noch lange nix über die Qualität aus.
Eins hab ich noch vergessen: Hugo du schreibst:".....Soldaten der Armee Wenck, verlassen von ihrer Führung, 1945 an das Westufer der Elbe durchschlugen, "wo sie vor der 9. US-Army in Ehren die Waffen niederlegten" Das doch mal ein spannendes Thema. Wenck schreibt in seinen Lebenserinnerungen sinngemäß er sei als "letzter" Soldat seiner Armee über die Elbe gegangen. Andere Stimmen sagen " der hat mit den Amis auf Schloss Storkau schon Sekt gesoffen da haben wir uns noch mit dem Ivan gekloppt. Was mag richtig sein? Ich stelle dieses Thema noch mal an passenderer Stelle ein.