Befragung: Herrn Dieter Steckel, Burg, Oberstr. 11, (heute 65 Jahre alt) , 1945 drei Jahre alt
Seine Erinnerungen basieren auf die Nachkriegszeit und vor allem aus den Erzählungen seines Vaters. Die Steckels sind alte Königsborner- Möckeraner
Frage: Wo gab es Flakstellungen D:S: Eine Flakstellung befand sich nördlich des Bahnhofs Zeddenick. Deckname war „Maratu“. ? Eine weitere auf dem Ackerstück am ehemaligen Pietzpuhler Weg vor der Autobahn bei Madel.. Bei Königsborn befand sich eine Scheinwerferstellung (Ortsausgang nach Nedlitz 500m rechts auf dem Acker – Wall 20mx20m) Russen: Stab hatte bei Hohenziat im Wald gelegen. In Loburg haben sie um den 4.5./5.5. nicht Halt gemacht, als sie anrückten, Sie sind gleich durch. In Möckern in der Hohenziater Straße haben sie da an- getroffen, HJler Abschnitt gegeben, weil die Nazis noch Panzersperren bauen ließen, die von HJ und Volkssturm besetzt worden war, wurde Möckern noch drei Tage lang geplündert, Frauen wurden ver- gewaltigt. In Möckern hatten sich 64 Menschen kurz vor und nach Besetzung durch die Rote Armee das Leben genommen. Sie standen noch unter dem Eindruck (hier gemeint Einfluß) der nationalsozia- listischen Propaganda und hatten panische Angst vor dem was jetzt kommen würde. Darunter war auch ein älteres Ärzteehepaar. Die Russen haben niemandem etwas zu Leide getan, niemanden tot geschlagen, aber die jetzt freigelassenen Fremdarbeiter haben die Familie Strohbach totgeschlagen, obwohl die mit mit den Nazis und dem Krieg nichts zu tun hatten. Mein Vater hat mir damals nichts erzählt was diese Familie nachteiliges getan haben sollte. Die Zrobaules? hatten eine kriegswichtige Konservernfabrik. Dort waren Holländer, Polen, Russen als Zwangsarbeiter tätig. (1949 hatten wir in Ziepel gegen den da- maligen ehemaligen Ortsbauernführer Gerlach einen Prozess, weil er als Ortsbauernführer Zwangs- arbeiter verprügelt hatte) Der Vater von Dieter Steckel war noch der letzte arbeitsfähige Mann bei Schröbachs auf dem Bauernhof, alles andere waren damals Fremdarbeiter. Er hatte die Ställe unter sich und war danach auch UK gestellt und nicht im Kriegseinsatz. Er hatte auch einige Schwierigkeiten, da er zum Volkssturm sollte und er da- zu auch keine rechte Lust hatte. Er stellte sich deshalb bei der Waffenkundereinweisung (Karabiner) aus- einandernehmen absichtlich dumm, zu dumm an. Der Bauer Schradebach hatte ihn dann aus dem Volks- sturmaufgebot rausgeholt, weil er ihn auf seinen Hof gebrauchte, aber nicht weil er ihn besonders ge- mocht hatte. Vor Möckern sind die Russen auf die Panzersperre gestoßen am Sportplatz, dort hatte man zuvor Bäume gefällt und die Panzersperre errichtet. Gauleiter R. Jordau soll mit seinem Stab bei Hohen- ziatz im Wald gelegen haben (4.5.45). Ortsgruppenleiter, Oberförster Ihlefeld wurde von den Russen ge- holt und ihn gesagt, wenn er sie auf die Spur von Jordau bringt, bleibt er straffrei und keiner wird ihm wegen seiner Funktion weiter behelligen. Der hat sie auch auf die Spur gebracht, aber das Lager war be- reits geräumt. Jordau wurde nicht aufgefunden oder angetroffen. Deutsche Kampftruppen hatte es hier nicht mehr gegeben. Die Russen haben die Verfolgung aufgenommen bis Rogätz, da ist der verfolgende russische Jeep gegen einen Baum gefahren und Jordau konnte über die Elbe entkommen. Der Oberförster blieb auch unbehelligt. Bis in die 50er Jahre hinein war er hier noch Förster. Er hatte zwar die Funktion des Ortsgruppenleiters, man konnte ihn aber nichts Nachteiliges nachweisen. Königsborn war zwar Panzerwerk und Heereszeugamt, aber hier wurden aber keinerlei Sicherungsanlagen errichtet zum Kriegsende (Panzerspeeren etc.). Allerdings befanden sich um Königsborn viele Bomben- löcher von den vorangegangenen Luftangiffen. Königsborn hatte aber eine Flakscheinwerferstellung am Ortsausgang Nedlitz 500m rechts auf dem Acker Dort war ein kleiner Wall angeschüttet ca. 20x20m. Als der Ami bereits an der Elbe stand, stand in Möckern ein deutscher Funkwagen an der Kirche. Der Ami schoß über die Elbe hinweg. Bei einer solchen Kanonade hatte eine amerikanische Granate beim Nachbarn das „Scheißhaus“ getroffen, ein anderes Mal 3m daneben, sie wollten den deutschen Funkwagen neben der Kirche treffen. Sie hatten ihn direkt ange- peilt. Nach diesem Beschuß wurde der Funkwagen oder Funkstation von den Deutschen weggeschleppt. Die HJ und Volkssturmleute, die Möckern verteidigen sollte (kein Militär) wurden von den heranrück- enden Rotarmisten vertrieben. Sie erhielten Arschtritte und mussten die Bäume der Panzersperren weg- räumen. Die Russen waren wegen der Panzersperren so verärgert, dass Möckern 3 Tage lang die Hölle erfuhr. Vergewaltigungen hatte es auch gegeben, viele haben es aber vor der Öffentlichkeit verschwiegen. Ein Drama hatte es in Grünthal gegeben, die Frau und Kinder des dortigen Försters wurden vergewaltigt und danach umgebracht. Auf der Koppel war später noch lange eine Grabplatte vorhanden. In Möckern waren Dr. Nagel, Dr. Nauberg und Dr. Rieman, ältere Ärzte. Dr.Rieman kam aber erst nach 1945. Sie ver- sorgten die Frauen und Mädchen, welche vergewaltigt wurden. In Loburg war gar nichts los. In Möckern kam nach dem 8.Mai 45 ein junger russischer Kommandant, der nun nach allen Seiten „mit eisernem Besen“ gekehrt (aufgeräumt) hatte , um die Plünderungen und Vergewaltigungen zu beenden, aber auch um die Nazis zu beseitigen. „Es war Spiridont von der Polo?, 19jähriger Oberleutnant, griech- schicher Abstammung“ Er hatte seine Verdienste in Sewesterpol erworben. Der Alte Herr Steckel, (Vater von Dieter Steckel) wurde in Möckern als kommissasrischer Bürgermeister eingesetzt. Die Russen hatten das nicht zerstörte Schloss zum Hilfskrankenhaus gemacht (Schlösschen am Teich) und er musste alles organisieren, zusammen mit dem Kommandanten Spiridont und mit Getrud Vogt . Wie die Russen darauf kamen, Dieter Steckels Vater zum Bürgermeister zu machen, weis Dieter nicht, sondern nur das er partei- los war, von Beruf Kantorist und somit der Verwaltung nicht fremd. Er konnte gut lesen und schreiben. Er hatte auch eine Buchhalterausbildung. Am Abend wurde Dieters Vater von zu Hause abgeholt, von den Russen, -ab zur Kommandantur- zwei Mann holten ihn ab. In Möckern -Höhe Internierungslager,- wo alle zusammengetrieben wurden (Männer, Jugendliche) willkürlich. Hier wurden alle überprüft, einige wieder weggeschickt, andere wurden in Straflager gebracht. Mein Vater hatte schon damit gerechnet, dass er nicht wieder nach Hause kommt. Man hatte ihn aber zur Kommandantur gebracht und gesagt: „Du bist Bürgermeister!“ Er, der Stadtkommandant hatte zwar auch keine Ahnung wie er alles organisieren sollte, so brauchte er einen Ortsansässigen an seiner Seite. Da die beiden russischen Soldaten ihm vorher die Uhr abgenommen hatten und diese beiden ihn nun wieder nach hause bringen sollten, sagte der eine von ihnen: „Burgermeister- Burgermeister –nix Kommandanten sagen –Uri zuruck nehmen!“ Er nahm sie zurück und versprach nichts zu melden, denn die beiden Soldaten wussten, dass der Kommandant ein „ruppiger Hund“ war. Als die Russen sich Loburg am. 4.5.45 näherten, sind Loburger denen mit einer weißen Fahne entgegenge- gangen. Deshalb wurde wohl in Loburg kein Stop gemacht. Nach der Besetzung musste die Versorgung aufrechterhalten werden. Es wurde gesagt, wenn die Frauen keine Sense mitbringen, dann müssen sie eben das Getreide mit der Schere schneiden. Bauer Domke hatte in seiner Scheune noch zwei Pferde vor den Russen versteckt, die musste dieser zur Verfügung stellen, durfte sie aber behalten. Der Bürgermeister Steckel hatte es veranlasst. Also im ehemaligen Schloß (dem am Teich) von Möckern wurde ein Kranken- haus eingerichtet, dort hatte der Bürgermeister Steckel dies mit Gertud Vogt (Frau vom Fleischer) orga- nisiert, die eigentlichen Krankenschwestern.. Das eigentliche Schloß selber war zerstört und diene zuerst als Hilfskrankenahaus, später wurde es als Pfelgeheim genutzt. Flüchtlingstrecks über die Behelfsbrücke von Magdeburg über Königsborn, Möckern nach Osten hin, sind hier nicht durchgekommen wohl aber über Burg. Von Osten sind aber einige gekommen. Viele sind in Möckern hängengeblieben (Umsiedler -Hitler hat sie nach Ostpolen >Moldavien< geholt und Stalin hat sie vertrieben). In Königsborn gab es z.B. 60% Umsiedler. Einheimische waren kaum noch da, die Männer gefallen im Krieg oder in Kriegsgefangenschaft.
Anmerkung: ob alle Namen richtig sind, ist nicht sicher. Menzel 42 Selbstmorde sind aber wohl nur belegt, auch noch genug.... 64 sind zu hoch in der Aussage.
E N D E Reinschrift Teddy
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Erinnerungen an die letzten Kriegstage und die ersten Wochen der Nachkriegszeit in Möckern
Claus Behrend aus Schönebeck, ehem. Möckeraner ZZ 26.4.2020
Aus der Sicht eines 1939 geborenen Jungen möchte ich meine Erinnerungen aufschreiben. Mein Elternhaus stand in der Zerbster Str. 12. In meinem Elternhaus ( das 2. Älteste von Möckern ) wohnten 6 Familien. Mein Vater war Handwerksmeister und betrieb eine Glaserei und Dachdeckerrei mit 17 Gesellen im Jahr 1939. Im ersten Weltkrieg wurde mein Vater verletzt und musste aus dieser Verletzung seinen Militärdienst im 2. Weltkrieg nach ca. 2 Jahren Dienstzeit wieder beenden. Diese Feststellung ist für den späteren Verlauf noch wichtig. Nach der Dienstzeit wurde er an der Heimatfront für Bombenschäden eingesetzt. Für diese Aufgabe wurden ihm 2 polnische Fremdarbeiter zugewiesen. Obwohl es nicht gestattet war, lebten diese Polen mit allen Vorteilen tagsüber direkt in unserer Familie, was sich zum Kriegsende meinem Vater wahrscheinlich das Leben gerettet hat.
Unser Alltagsleben wurde durch manchmal 3maligen Fliegerallarm geprägt. Zuerst in einem Splitterbunker im Garten, später im Luftschutzkeller unseres Hauses mit den 6 Familien, die in unserem Haus Mieter waren, zusammen auf engsten Raum. So haben wir auch den 16. Januar den Luftangriff auf Magdeburg am blutroten Himmel miterlebt. Da sich in Zeddenick eine Flak – Stellung befand, konnte ich miterleben wie Kampfflugzeuge der Briten abgeschossen wurden. Eine Maschine lag auf den Feldern bei Zeddenick, eine an der Chaussee nach Leitzkau und ein anderer US Bomber in den Fischteichen von Lochow. Bei diesem Abschuss stellte sich heraus, dass noch einen 6 m lange Luftmine an Bord war, die nicht explodiert ist. Da hatte Möckern Glück. Mein Vater musste die Absturzstellen auf Restgefahren bewerten und gleichzeitig die toten Besatzungen der Flugzeuge auf den PKW Anhänger laden und zum Friedhof nach Möckern fahren. Als neugieriger Junge hat er mich manchmal mitgenommen, was ich bis heute nur schlecht verarbeitet habe. In den letzten Kriegswochen häuften sich die Tieffliegerangriffe- teilweise ohne vorherigen Fliegeralarm. So haben meine Schwester und ich 2 Geschosse ca. 3 m von uns entfernt einschlagen gesehen. Glücklicherweise sind sie nicht explodiert. In dieser Zeit haben wir diese Erlebnisse nicht als sonderlich gefährlich angesehen. In der Bahnhofstrasse vor dem Kaufhaus Kühne wurde ein junges Mädel von einem Tiefflieger angegriffen. Ich kann mich an den Namen Rumpf erinnern. Das Mädel hat zu seiner Freundin noch sagen können „ ich glaube ich wurde getroffen“ danach ist sie tot Zusammengebrochen. Das Alles klingt so unglaublich und war leider fürchterlicher Alltag. Eines Abends, wir waren mal wieder im Luftschutzkeller alle zusammen, da gab es eine fürchterliche Explosion. Wir glaubten, dass unser Haus getroffen wurde. Als sich alles beruhigt hatte, mussten wir feststellen, dass im gegenüber liegenden Haus von Tierarzt Dr. Lehmann eine amerikanische Granate, die von Leitzkau aus abgefeuert wurde, in das Dach eingeschlagen, aus dem Giebel wieder ausgetreten und auf der Schulstraße explodiert ist. Die Amerikaner hatten zuvor die Elbe überquert.
Es näherte sich das Kriegsende. In der Zerbster Straße, kurz hinter der Tankstelle Nebel, hat der Volkssturm damit begonnen ca. 100 m von der Ehlebrücke entfernt in Richtung Stadtmitte quer zur Straße einen ca. 60 cm breiten und 80 cm tiefen Graben auszuheben. In diesen Graben wollten sie Baumstämme als Panzersperren einsetzen. Zum Glück kam ein Frontsoldat vorbei und ich höre die Worte noch ganz deutlich.“ Wenn ihr nicht wollt, dass die Russen Möckern zusammenschießen, dann lasst diesen Unsinn. Kurz danach hat man alles wieder zugeschüttet.
Mit der Annäherung der Roten Armee verbreiteten sich die wildesten Gerüchte. Die Russen kommen mit Messern und schlachten alle ab. Diese Gerüchte haben dazu geführt, dass einige Familien vor Angst ihr Leben freiwillig beendet haben. So der Inspektor des Grafen Herrn Burgwitz mit seiner Familie, der Zahnarzt Dr. Wünsche und Familie sowie eine Familie Strobach. Da mein Vater mit Familie Wünsche befreundet war, konnte meine Mutter und meine Schwester nur nach eindringlichem Betteln meinen Vater von einer ähnlichen Tat abbringen. Ich habe zum Glück von dieser schlimmen Situation nur wenig mitbekommen. Die Toten wurden eilig an der Stadtmauer zwischen der Kirche und dem Pfarramt bestattet.
Als sich die Panzerkolonnen einige Panjewagen und Hundeführer mit Handwagen als Panzerbegleitung Möckern genähert haben hat mein Vater ein weißes Bettlaken genommen und auf den Rathausturm gehisst.
1 Tag später waren wir im Wohnzimmer und sahen den ersten russischen Panzer durch die Schulstraße auf unser Haus zurollen. Der Panzer hat kurz vor der Einmündung auf die Zerbster Straße gestoppt und es sind eilig 4 bewaffnete Rotarmisten aus der Panzerluke gesprungen. Meine Mutter und die anderen Frauen unseres Hauses sowie wir Kinder haben sich schnell in einen leerstehenden Raum versammelt. Es dauerte nur wenige Minuten, da waren die Soldaten auch schon mit vorgehaltener MPI in diesem Zimmer. Die Frauen haben zitternd versucht deutlich zu machen, dass wir in Magdeburg ausgebomt wurden. Sie haben immer wieder die Worte gebrauch „ Magdeburg bum bum. Das sollte heißen das wir Flüchtlinge sind. Das hat natürlich keiner der Soldaten verstanden. Erstaunlicher Weise haben uns die Russen nichts getan. Einen Zwischenfall gab es noch. Die Familie Köring hatte einen Sohn und der war Fliegeroffizier. Diese Bild haben die Russen gesehen und haben den „Nazi“ gesucht. Das hat lange gedauert und alle waren beunruhigt. Die wenigen Männer aus Möckern hatten sich irgendwo versteckt. Sie wurden aber schnell gefunden und nach Lühe in einer Scheune gefangen gehalten. Da die Russen davon ausgegangen sind, dass alle noch anwesenden Männer Nazis sein müssen, wurde in den Nächten immer ein Mann erschossen. Ob dabei Verräter mitgewirkt haben, ist mir nicht bekannt.
Die beiden Polen, die meinem Vater zugeteilt waren, haben offensichtlich positiv über meinen Vater ausgesagt. Dadurch kam er in russische Gefangenschaft und wurde bis nach Fürstenwalde verlegt. Nach einigen Monaten kam er mit einer Ruhrerkrankung wieder aus der Gefangenschaft zurück. Dieses Glück hatten nicht viele. Wir wurden mit den ganzen Familien aus unserem Haus in der Schule untergebracht und in unserem Haus wurde ein Offizierscasino eingerichtet. Dafür hat man die 2 großen Waschkessel der Waschküche genutzt. Der Koch war besonders kinderlieb und hat uns oft mit einer dicken Fleischschnitte versorgt. In höhe der Bäckerei Fuchs in der Zerbster Straße wurde ein Triumphbogen aus Holz errichtet und über die gesamte Zerbster Straße gespannt. Als Kinder sind wir da oft durchgeklättert. Später wurden die Soldaten im Schloss untergebracht. An dem Ehlegraben Richtung Hohe Brücke, waren die Hundeführer mit den kleinen Handwagen stationiert. Das war das Nachschubkommando für die Panzer. Wir Kinder haben beobachtet wie die Russen von einem Angelkahn aus an langen Holzstangen Stromkabel in die Ehle gehalten haben und so der Fischfang betrieben wurde. Einmal haben wir erlebt wie sie einer Kuh den Kopf abgeschnitten haben und das Fleisch am offenen Feuer auf einer Wiese gebraten haben. Ein Soldat hat eine Hand voll Munition in das Feuer geworden. Ein Schuss hat sich durch das Feuer gelöst und meinem Freund an der Hand verletzt. Es war schon eine verrückte Zeit. Dennoch waren wir froh keine Luftangriffe mehr erleben zu müssen.
Ein Jahr später hat mein Vater als Glaser bei der Roten Armee in Altengrabow tageweise gearbeitet. Er hat nur wenig darüber geredet. Es müssen in der Phase der Ermittlungen von Kriegsverbrechen der deutschen schlimme Methoden in Altengrabow gegeben haben.
Meine Schilderungen haben sich bei mir so eingebrannt, dass meine 5 Jahre ältere Schwester sich heute noch wundert, wie ich mir diese Detail so merken konnte. Die Exaktheit meiner Erlebnisse sind in der zeitlichen Reihenfolge nicht 100 % zu garantieren. Was ich erlebt habe ist nach besten Wissen und Gewissen aufgeschrieben.
Schönebeck im April 2020
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Die Sowjets zogen am 4. Mai an Loburg vorbei, denn dort kamen ihnen Bürger mit einer großen weißen Fahne entgegen. Sie marschierten daraufhin direkt nach Möckern. Dort quartierten sie sich am 5. Mai 1945 im Schloss ein. Drei Tage war in der Stadt „die Hölle los“.
In Möckern, einer kleinen Ackerbürgerstadt mit 2.000 Einwohnern, nahmen sich innerhalb weniger Tage 42 Bewohner das Leben. Am Tag der Besetzung erschoss der Lehrer Ernst Treschau seine 24 Jahre alte Tochter, seine Frau Johanna und sich selbst. Der Tierarzt Dr. Sellnick vergiftete sich und seine Frau. Einen Tag später erschoss der Besitzer der Wassermühle, Paul Golze, seinen vierzehnjährigen Sohn, seine beiden 21 und 23 Jahre alten Töchter, seine Ehefrau und sich selbst. Die Hebamme erschoss ihre beiden acht und zehn Jahre alten Kinder und sich selbst. Ihr folgten der Automechaniker mit seiner Familie, der Kaufmann und der Rentmeister. Die Apothekerwitwe vergiftete sich und der Drogist sowie der Gärtner des Grafen Rüdiger vom Hagen erhängten sich. Der Zahnarzt Paul Wünsche erschoss seine Frau, Tochter und Enkelin. Bei sich selbst verfehlte der Kopfschuss seine Wirkung. Helfer brachten den Totgeweihten zum Arzt und mittels einer „richtigen“ Spritze, konnte er seinen Liebsten folgen, wobei erst die zweite Injektion ihre Wirkung erzielte. Der Bäckermeister Otto Strobach sah mit seiner Familie keine Zukunft. Der eine Sohn in Italien gefallen, der andere Sohn Kurt in Russland vermisst und der Schwiegersohn in Frankreich gefallen. So wurde der Backofen ein letztes Mal angeheizt und an der Schaufensterscheibe ein Zettel angebracht mit der Bitte an seine Kunden, sie können sich die Brotlaibe aus dem Laden holen. Dann zogen sie sich ihre Sonntagskleidung an, gingen gemeinsam auf den Dachboden und dort erschoss das Familienoberhaupt seine Frau Minna, die einunddreißigjährige Tochter Erika und die neunzehnjährige Tochter Lore sowie die ein- und zweijährigen Enkelkinder.
Die russische Besatzung befahl, die Leichen einzusammeln und zu beerdigen. Der beauftragte gräfliche Gutsinspektor suchte für diese Aufgabe Freiwillige. Es fanden sich schließlich laut TAZ-Bericht „ein Kurzsichtiger, ein Geistesschwacher, ein Stummer“. Mit Hilfe „eines sehr lahmen Pferdes vom Gutshof“ schafften sie die Toten zum Park und legten sie in die ausgehobene Gruft, so der Inspektor. Mit einem „Vaterunser“ wurden am 8. Mai 1945 laut Berichterstatter „nach der schwersten Arbeit seines Lebens“ 40 Einwohner in einem Massengrab im Schlosspark beerdigt. Dieses lag zwischen der St. Laurentius Kirche und dem Schloss, an der Feldsteinmauer, die das Pfarrgrundstück vom Park abgrenzt. Die zwei weiteren Toten fanden auf dem Friedhof ihre letzte Ruhe. Auch in den Folgetagen wurde es nicht ruhiger in der Stadt. Alle Männer und älteren Jugendlichen, die sich versteckt hatten, fanden die Rotarmisten schnell. Sie wurden in einer Scheune in Möckern-Lühe eingesperrt. Dort soll in den ersten Tagen in jeder Nacht ein Möckeraner erschossen worden sein, da die Rotarmisten dachten, alle noch verblieben Männer der Stadt müssen Nazis gewesen sein. Denunziationen spielten wohl auch eine Rolle. (TAZ/ …)
Nach dem Krieg geriet das Grab in Vergessenheit und später befand sich an der Stelle ein Bolzplatz und keines der spielenden Kinder ahnte, auf welchem Boden sie Fußball spielten. Erst 1983 gab es in der Kirche einen Abend mit der „Jungen Gemeinde“, wo der Pfarrer Martin Gregor den Tatsachenbericht des ehemaligen Gutsinspektors von 1945 vorlegte und erstmals an das Drama von Möckern erinnerte. Er war es auch, der nach 1989 zu einer Andacht in den Park einlud und die Namen der Toten verlass.
Rolf Strobach ist der Enkel des Bäckermeisters Otto Strobach. Er überlebte das Kriegsende mit seiner Mutter Gerda, weil er zu dieser Zeit bei Verwandten auf der westlichen Seite der Elbe war. Sein Vater Kurt war in Russland anfangs vermisst und hatte damals in Magdeburg auch eine Bäckerei. Er kehrte glücklicherweise nach dem Krieg aus der Sowjetunion zurück, war lange Jahre Bäcker in Möckern und setzte so die lange Familientradition fort. Rolf Strobach sorgte dafür, dass den vergessenen Toten ein Findling als Gedenkstein gesetzt wurde. 2008 ließ er mit Erlaubnis des Stadtrates eine Tafel mit der Inschrift: „Zerstörte Lebensläufe – Was wäre aus ihnen geworden? – Ruhestätte von 40 Möckeraner Einwohnern“ an der Feldsteinmauer anbringen. Der Satz stammte vom Möckeraner Schriftsteller Helmut Bürger.
Quelle:
TAZ, Unter der Blutbuche, Thomas Gerlach, Harald Krieg, 2. Mai 2015, Berlin von Markus Kurze zur Verfügung gestellt
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.