Hallo Magado-2, bekam am heutigen Tage post aus Ummendorf von Herrn Wilfried Duwald. Setze seine Erlebnisse hier ins Forum. Desweiteren setzte er mich darüber in Kenntnis, das einige polnische Familien, welche nach Ummendorf kamen, wenn ich dies richtig verstanden haben sollte, mit den Nazis sympathisiert hätten. Mehr jedoch darüber in einem der nächstfolgenden Briefen. Hier nun der Inhalt des heute erhaltenen Briefes.
Zeitzeugenbericht von Herrn Wilfried Duwald über Einsatz von Kriegsgefangene und Ost- bzw. Fremdarbeiter in Ummendorf
Wilfried Duwald Ummendorf, den 15.06.2015 Meyendorffstraße 2 39365 Ummendorf
Werter Herr Schulze
Es ist schon wieder drei Jahre her, dass ich unserem Pfarrer über mein Wissen um den Tod des Josef Smuda berichten konnte. Vieles, was Schreiber der Nachkriegszeit, z.B.die des Herren K.S., und selbst der Chronist Reinhold Vogel schrieben, ist etwas nach Lust und Laune gefärbt.
Meine Erinnerungen sind, ich war ja damals erst 6 bis 10 ½ Jahre alt, bestimmt auch nicht 100%. So sind auch meine Angaben über Gefangene der Zeit 1939-1945 nur bedingt ganz richtig. So ist mir nichts mehr im Gedächtnis von russischen und anderen Gefangenen In meinen Erinnerungen sind geblieben fast genau: Polen, Franzosen, Engländer und Amerikaner. Sie kamen nach und nach.
Ich bringe hier ein Beispiel vom Bauernhof meiner Tante, Emma Dolle, geb. Duwald. Der Hof hatte ca. 320 Morgen Ackerland. Bis zum Ende 1945 waren dort acht Frauen und sechs Männer polnischer Herkunft beschäftigt. Auch bei fünf Jahren Rübenverziehen auf vielen Höfen, lernt man die polnischen Gefangenen kennen. Wenn ich diese Zahl der Gefangenen bei meiner Tante hoch rechne, dann hatten wir hier in Ummendorf bei 6.000 Morgen Ackerland so ca. 250/280 Gefangene. Die Unterbringung war unterschiedlich, welche wohnten auf den Höfen der Bauern, ein anderer Teil in den Räumen der wegen Holzwurmbefall nicht genutzten, 1924 erbauten Schule, wo auch in den unteren Räumen eine Schulmeister-Wohnung war und der Kindergarten. Bis auf den einen Fall von Josef Smuda gab es keine anderen Vorfälle. Bei uns waren im Jahre 1942/43 vier polnische Frauen, die sonst bei meiner Tante (siehe oben) beschäftigt waren, zur Gartenarbeit ausgeborgt. Wir hatten eine Bäckerei, 1942 war mein Onkel, Bruder meiner Mutter, der als Bäcker das Geschäft führte, gestorben. Mein Vater war zu dieser Zeit in der Ukraine als Soldat. Selbst-verständlich saßen sie bei uns mit am Tisch beim Kaffeetrinken, was man auch sehen konnte vom Laden aus in die Küche, also ganz öffentlich.
Auf dem Schachtberg in Ummendorf, 1914 sollte es ein Salzschacht werden, die Hallen waren schon errichtet, lagen einige Jahre französische Gefangene. Meines Wissens ca 100-150 Mann, die, so ist mir in Erinnerung, hauptsächlich in den Schachtanlagen des Morslebener Gebietes in der Kriegsindustrie tätig waren. Wie schon oben erwähnt, war mein Vater Soldat, mein Onkel 1942 verstorben. So stand der Bäckerbetrieb schon 1942 vor der Schließung. Ein französischer Gefangener war die Lösung. 1942/43 holte ihn meine Mutter täglich vom Schachtberg ab und brachte ihn wieder nach Arbeitsschluss zurück in das Lager. Zu den anfallenden Mahlzeiten während der Arbeitszeit hatte er den Platz bei uns am Tisch. An der in unserer Backstube angebrachten Brettablage zur Gärung der Brötchen lud uns Cemil?, wie Franzose mit Vornamen hieß, immer ein Klimmzüge machen. Wenn wir davon 10 Stück schafften, bekamen war am nächsten Tag ein Stück Schokolade. Dies war nur möglich, weil alle Gefangene Pakete von zu hause bekamen. Mein Bruder hatte auch die Adresse unseres Cemil!?
1942, September/Oktober war mein Vater das letzte Mal auf Urlaub zu Hause. Wir rodeten die letzten Kartoffeln. (Mein Vater war ursprünglich Landwirt). Bei ganz schlechtem Wetter, nur unser Vater, mein Bruder und ich, 56/10/8 Jahre. Da erzählte uns unser Vater, mit der Abnahme eines Versprechens, darüber zu schweigen, von dem nicht mehr zu erwartenden Sieg. Am Mittag, wir saßen gemeinsam am Tisch, mein Bruder wie immer rechts und ich links neben unserem Vater, der Franzose ihm gegenüber wo sonst mein Onkel saß. Wie es dazu gekommen ist, ist mir entfallen, aber sie kamen in einen heftigen Streit über den Ausgang des Krieges. Der Franzose behauptete meinem Vater gegenüber, der Krieg wäre für Deutschland verloren. Und das alles auf Französisch. Mein Vater, sprach, was ich bis dahin auch nicht wusste diese Sprache, die er auf dem Gymnasium in Halberstadt von 1896-1902 gelernt hatte. Die Streiterei die ja sehr heftig war, ebbte aber schnell wieder ab. Ich habe noch vor Augen, dass mein Vater sehr dolle weinte als er sich wieder an die Front begab.
1944 sind in Ummendorf zwei USA Bomber abgeschossen. Im März gab es 9 Tote, einen Gefangenen, der in Eilsleben sehr schlecht behandelt wurde. Einen noch lebenden der später neun Toten war auf einen Gummiwagen gelegt, sehr verbrannt, den ich Wasser reichen wollte, aber se nicht durfte. Ein später reuiger NSDAP-Mann hatte es mir untersagt. (Mein Lehrer). Am 14.09. des Jahres ist eine Maschine gleichen Typs notgelandet. Alle 10 Amerikaner konnten sich mit dem Fallschirm retten, wurden aber alle gefangen genommen. Ihr Verbleib ist mir nicht bekannt.
Am 11.04.1945, einen tag bevor die Amerikaner unser Dorf erreichten, kamen 600 englische Kriegsgefangene mit nur vier deutschen Landsern als Begleitung aus Richtung Wefensleben in unser Dorf, die ich selber aus dieser Straße kommen sah. Weil die Amerikaner schon sehr nahe waren, haben die Soldaten die Gefangenen in eine Scheune des Bauern Bäthge eingeschlossen und sind dann spurlos verschwunden. Sie wurden am 12.04.1945 mittags um 12:00 Uhr von den Amerikanern befreit. Sie haben ca. 22 Stunden in der Scheune gelegen, ohne sich zu muxen.
Das waren, das sind meine noch bewahrten Erinnerungen dieser zeit. Sollten sie noch weitere spezielle Fragen zu diesem Thema haben, stehe ich Ihnen gerne weiter zur Verfügung.
Für Ihre tolle Arbeit diesbezüglich, noch recht viel Erfolg wünscht Ihnen gerne zur Verfügung stehender