Hunger, Entbehrungen und „kriegsfrei“ Die Magdeburger Schuljugend im Ersten Weltkrieg. Von Kerstin Dietzel Alle Schulen blieben geschlossen und wurden zu Kriegszwecken genutzt. Für Musterungen, zum Ankleiden und zur Unterkunft der Soldaten standen sie fortan verschiedenen Regimentern und Divisionen zur Verfügung, wie beispielsweise die Buckauer Volksknabenschule (Feldstraße 24), die eine Belegung der 7. und 8. Batterie des Fuß-Artillerie-Regiments 4 meldete. Die zweite Bürgermädchenschule war vom 4. bis 10. August 1914 vom II. Rekrutendepot des Infanterie-Regiments 26 belegt. Die Turnhalle wurde als Kantine genutzt. Die Turnhallen in der Grüne Armstraße, Listemannstraße, die Friesenturnhalle, die Jahnturnhalle sowie die Turnhallen in der Turmschanzenstraße und Spielgartenstraße wurden von Kriegsbeginn an dem Garnisonskommando für militärische Zwecke überlassen. Schulen wurden zu Sammelpunkten für Frauen und Kinder Die Sommerferien wurden Anfang August 1914 für die Schüler in Magdeburg um eine Woche verlängert. Lehrer wie Schüler leisteten von den ersten Kriegstagen an „pflichtbewusst“ ihren Beitrag „zum Sieg für Kaiser, Volk und Vaterland“. Während die Jungen auf den Äckern für die ins Feld gezogenen Männer Erntearbeiten leisteten, versorgten die Mädchen die Truppen in den Schulen und Bahnhöfen. Sie nähten u.a. in der Augustaschule Fahnen sowie Uniformen und halfen ihren Lehrerinnen beim Kochen für die Soldaten auf dem Schulhof. Sie säuberten die mit Stroh ausgefüllten ehemaligen Klassenräume, die nun als Unterkünfte den Truppen dienten. An einer Wandtafel der Schule stand: „Auf zum Schützenfest nach Paris!“ Schulen wurden von Orten des Lernens zu Orten des Sammelns. Als öffentliche Sammelpunkte in den Stadtteilen übernahmen sie Aufgaben. Der Krieg wurde „zum Lehrer der Lehrer und zum Erzieher der Erzieher“. Nach Magistratsbeschluss öffneten die Zeichensäle der Schulen im Winter, um Kohlen und Petroleum zu sparen. Schulen wurden zu Sammelpunkten für Frauen und Kinder, die hier Liebesgaben für die Soldaten anfertigten. Sie strickten zum Beispiel 1914/15 in der Neustädter Katholischen Volksschule Handschuhe, Pulswärmer und Strümpfe für die Frontsoldaten und nähten Hemden. Schulen waren auch Orte, in denen der Magistrat der Stadt beispielsweise Kohlen oder Kartoffeln zur Versorgung der Magdeburger Bevölkerung einlagerte. Von Schulen ging eine Vielzahl von Samm sieben Zentner Blechbüchsen und 25 Zentner Knochen. Eifrig sammelten die Schüler für die Kriegsanleihen. Bei der 7. Deutschen Kriegsanleihe vom 19. September 1917 bis zum 18. Oktober 1917 hatten an lungen aus. Von 1914/15 an bis nach Kriegsende 1918/19 wurden Rohstoffe und sogar Schmuck, Gold und Geld für den Magdeburger Bürger- und Volksschulen die Kinder e insgesamt 331• 559 Mark und die Lehrer 55•190 Mark gesammelt. Mit der Mobilmachung 1914 wurden viele Lehrer zum Kriegsdienst einberufen, besonders aus den Volks- und Bürgerschulen der Stadt. Permanenter Lehrermangel durch Einberufungen war während des gesamten Krieges ein großes Problem. Entsprechend eines Erlasses vom 7. August 1914 konnte nach Bedarf eine Kürzung der Unterrichtszeit und die Zusammenlegung von Klassen und später von Schulen erfolgen. Die Neustädter zweite Volksknabenschule in der Nachtweide 77 teilte in ihrem Jahresbericht von 1914/15 mit, dass in 15 Klassen 765 Schüler von sieben Lehrern unterrichtet Kriegsanleihen durch Schüler und Lehrer gesammelt. Aus Akten des Magistrats vom September 1917 geht hervor, dass in Schulen neben Küchenabfällen beispielsweise auch Obstkerne, Kastanien, Wildgemüse, Frauenhaar und Knochen gesammelt wurden. Die Sammelergebnisse lassen ahnen, mit welcher Hingabe und in welchem Umfang die Schulkinder sammelten. Für die Wilhelmstädter zweite Bürgerknabenschule meldete Rektor Pohlentz am 15. Oktober 1917 ein Sammelergebnis von 100 Zentner Papier, sechs Zentner Gummi, 20 Zentner Obstkerne, wurden, da acht einberufen waren. Lehrer übernahmen, zusätzlich zu ihrem Schuldienst, Aufgaben als Lazarettinspektoren oder Intendantur-Dienste. Lehrerinnen engagierten sich in der Kinder- und Jugendfürsorge, versahen Bahnhofsdienste oder Handarbeitsdienste mit Schülerinnen. Mit Hingabe wurden Papier, Obstkerne und selbst Knochen gesammelt Im Mai 1917 wurden Schulen dazu aufgefordert, Kräuterbeete in der Stadt anzulegen. Kräuter, wie beispielsweise die Kleine Brennnessel, Schafgarbe, Sauerampfer, Hirtentäschel oder Rapunzel, dienten als Nahrungsersatz. In Vorträgen wurden die Frauen der Stadt von Lehrerinnen aufgeklärt, welche Kräuter wie zu verwerten waren, um dem Hunger und der desolaten Versorgung der Magdeburger mit Grundnahrungsmitteln entgegenzutreten. Hunger, Entbehrung und „kriegsfrei“ wegen ständiger Sammlungen, Siegesfeiern oder Kohlemangel – so wird der Schulalltag in den Jahres berichten der Schulen von 1914 bis 1918 prägnant geschildert. Die Erziehung zum Krieg war kein Produkt des Ersten Weltkriegs selbst, sondern entsprach dem wilhelminischen Zeitgeist, der eine „natürliche Verwandtschaft“ zwischen Militarismus und Erziehung in der Charakterbildung und in Tugenden wie Pflichtbewusstsein, Disziplin und Gehorsam formulierte. Erziehung zum Krieg ist für die Kriegsjahre 1914 bis 1918 ein weitgehend unerforschtes Kapitel deutscher Schulgeschichte, welches die Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg aufgreift. Die Schau ist vom 11. April bis 21. September zu sehen. Eindringlich wird ein Erziehungsalltag dargestellt, der nicht nur die Erziehung zum Krieg in Schulen, sondern auch die Erziehung zum Krieg in Familien nachzeichnet. Der Krieg als bestimmendes Moment in der Gesellschaft, der die Heimatfront in verklärender Absicht zum Kriegsschauplatz erhebt, findet hierin seinen Ausdruck: „Wie leuchten die Augen der jugendlichen Schar, wenn sie von den Großtaten ihres Volkes und ihrer Lieben hören, wenn ihnen durch Verlesen eines Feldpostbriefes vielleicht ein ganz besonderer Vorgang, ein besonders kühner, gelungener Streich recht anschaulich berichtet wird! Oder wenn der Lehrer durch Mitkämpfer gesandte Stücke, wie ein Dum-Dum-Geschoß, einen Fliegerpfeil, Granatsplitter (…) zeigt.“ (Aus dem Jahresbericht des Königlichen Wilhelms-Gymnasium Magdeburg von 1914/15) (Die Autorin des Beitrags, Privatdozentin Dr. Kerstin Dietzel, ist Erziehungswissenschaftlerin und Bildungsforscherin am Lehrstuhl Allgemeine Pädagogik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)
Magdeburg Albert Bornemann war bestimmt von freundlichem, genügsamem Wesen. Die tief hängenden Augenlider, der Anflug eines Lächelns unter dem Schnurrbart, das Gewehr mit Bajonett lässig in der Rechten – nein, man kann sich kaum vorstellen, dass Soldat Albert dieses Bajonett auch wirklich benutzen würde. „Mein Großvater wurde zum Glück nicht direkt an der Front eingesetzt. Er versah seinen Dienst in einer Schreibstube“, erzählt Barbara Fleck aus Blankenburg. In Frankreich sei er stationiert gewesen, die Aufnahme von ihm entstand in Köln. Im privaten Leben führte Albert Bornemann einen Kolonialwarenladen in Quedlinburg. Er überlebte beide Weltkriege und starb mit 90 Jahren. Mit seiner Familie im Harz korrespondierte der Kaufmann während der gesamten Kriegszeit eifrig. „Er schickte viele Postkarten nach Hause, die sich zum Teil noch immer in unserem Familienbesitz befinden“, berichtet seine Enkelin Barbara. Unter den Karten gibt es auch drei lustige Zeichnungen, die Soldat Albert wohl seinen beiden Kindern zugedacht hat. Die Bildchen belegen zum einen, der Mann war tatsächlich den heiteren Dingen des Lebens zugewandt. Sie belegen aber auch, mit welcher Skrupellosigkeit in dieser Zeit schon Kinder mit Rassenhass und Nationalismus befeuert wurden. So hängen am Schützenstand als Ziele kleine Negerlein mit Röckchen und Zielscheibe auf dem Bauch. Gleich daneben hängen ein türkischer Soldat mit Krummsäbel und ein Araber. Die Spielkameradin lädt freundlich die Waffe nach, während der Junge das Gewehr schon im Anschlag hält. Auf einer anderen Karte pflegt das Mädchen die verwundeten deutschen Soldaten, während der Junge mit der Peitsche in der Hand die Englische Dogge züchtigt. Die Kriegspropaganda wurde in der Kaiser zeit kräftig genutzt, um neue Feindbilder zu schaffen. Ethnische und rassistische Vorurteile wurden gern bedient, um Stimmung gegen fremde Volksgruppen zu machen. Die moderne Entwicklung der Druck- und Fototechnik zum Beginn des 20. Jahrhunderts machten zum ersten Mal den breiten Einsatz von unterschiedlichen Medien möglich, die alle Schichten der Bevölkerung erreichten. War der Rundfunk das Medium des Dritten Reiches, war es das Frontfoto, der Zeitungsaufmacher und die handkolorierte Postkarte im Ersten Weltkrieg. Die Kriegsverherrlichung ging aus nicht nur von Regierungsstellen und Militärbehörden, sondern auch von Zeitungsredaktionen, die sich nur allzu gern vor den nationalistischen Karren spannen ließen. Erfolgsmeldungen wurden bewusst groß verkündet, während Niederlagen und Rückschläge der Armee verdeckt blieben. Der Krieg als Abenteuer, in dem gekämpft, aber auch gesungen und der Heimat gedacht wurde, entsprach genau dem Bild, welches in der Heimat bevorzugt vermittelt werden sollte. Unzählige Kitschkarten bedienten dieses Klischee. Doch am Ende konnte die Propaganda nicht verhindern, dass die Deutschen in der Heimat und an der Front immer kriegsmüder wurden. Die ganze Kriegsverherrlichung fand immer weniger Beachtung. Das Ende der Kaiserlegende war dann der Anfang der „Dolchstoßlegende“. Der Krieg sei nur deshalb verloren gegangen, weil die unbesiegte Armee von der Zivilbevölkerung „von hinten“ erdolcht wurde. „Erziehung zum Krieg“ Am Donnerstag, 11. April, eröffnet im Kulturhistorischen Museum Magdeburg die Ausstellung „Erziehung im Krieg“. Sie beschäftigt sich in Bildern und Texten mit der Kriegspropaganda und der Erziehung von Kindern im Sinne des Kaiserreiches. Das Museum öffnet von 10 bis 17 Uhr wochentags außer montags und am Wochenende bis 18 Uhr. Im Internet:
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Die häufigsten Geschlechtskrankheiten wie Syphilis und Gonorrhöe (Tripper). Beide Krankheiten waren zur Jahrhundertwende die Volksseuchen schlechthin. Jeder zehnte großstädtische Krankenhauspatient habe Ende des 19. Jahrhunderts im Deutschen Reich an einer Geschlechtskrankheit gelitten, beziffert der Medizinhistoriker Manfred Vasold. Erst 1909 entwickelte der Immunologe Paul Ehrlich das Medikament Salvarsan, mit welchem die Syphilis eingedämmt wurde. Im Zweiten wie im Ersten Weltkrieg sollte die Truppe mit kontrolliertem geschütztem Sex in Feldbordellen vor Infektionen geschützt werden. Das gelang kaum. Frontnahe Puffs wurden zwar vom Militär selbst betrieben und stabsärztlich überwacht. An die Truppe wurden auch Kondome oder Desinfektionsmittel ausgegeben. Allerdings war der Schutz vor Geschlechtskrankheiten im Ersten Weltkrieg noch schwieriger als zwanzig Jahre später. Bis zur Jahrhundertwende wurden Fischblasen als Kondome verwendet. Zur Kriegszeit bestanden Kondome aus dickwandigem Gummi, die ohne Gleitcreme mehr Schmerzen als Freude aufkommen ließen. Sie waren sehr teuer und wieder verwendbar. Durch Fabrikationsfehler und vielfachen Gebrauch bekamen die „Soldatengummis“ leicht Löcher.
So schön kann die Soldatenliebe sein – auf Postkarten.
Die Hand auf der Hüfte – kolorierte Idylle. Fotos (2): privat Syphilis Vier Wochen nach Infektion Schleimhautgeschwüre an Geschlechtsorganen und Lymphknotenschwellungen. Acht Wochen nach Infektion Fieber und Kopfschmerzen. Unter Umständen auch Haarausfall. Drei bis fünf Jahre nach Infektion syphilitische Knoten am ganzen Körper und Organbefall. Ohne Behandlung Siechtum und Tod.
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Habe heute von Hajo einen ca 8 cm hohen Stapel Originalzeichnungen vom Pionierstellungsbau an Frontabschnitten 1 WK vom Pi4 1. Res. Kompanie zum scannen leihweise erhalten. Die wichtigsten Sachen selle ich zu gegebener Zeit bei Pi4 rein. Etwas von ihm ist da schon drin. Magado
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Ritterschläge und Liebesgaben Anhalt und die preußische Provinz Sachsen vor 100 Jahren Von Manfred Zander Mitte September, etwa sechs Wochen nach Kriegsbeginn, eilten die deutschen Truppen im Osten und Westen von Sieg zu Sieg. Noch ahnten die Menschen in der Heimat nichts von der „grauenhaften Schlächterei“, wie der neue Papst Benedikt XV. das Geschehen in einigen Monaten nennen würde. „Grüße aus dem ,Feldgelände Frankreich‘“ überschrieb der Magdeburger General-Anzeiger am 23. September eine Meldung über eine in der Redaktion eingetroffene Feldpostkarte. Wie von einem harmlosen Betriebsausflug sandten neun Magdeburger Landwehrleute eines Ersatz-Bataillons „sämtlichen Magdeburgern freundliche Grüße aus dem Feldzuge“. Zu den Absendern gehörte auch Reinhold Finger. Das auf diesem Wege zu ihnen gedrungene Lebenszeichen dürfte die Familie Finger in der Steinstraße 6 allerdings nur mit stiller Freude entgegengenommen haben, hatte sie doch gerade in der Nachbarschaft erfahren, wie unbeständig solch ein Glück sein kann. Die im gleichen Hause wohnende Familie Kusian hatte gerade ihren 23-jährigen Sohn Gustav verloren. Die Todesanzeige für den gefallenen Musketier Gustav Kusian war am 20. September erschienen und gehörte zu den ersten Anzeigen mit dem symbolisch hinzugefügten Eisernen Kreuz, das den Tod auf dem Schlachtfeld zum Heldentod verklärte. In den folgenden Monaten und Jahren sollten solche Anzeigen den Familienteil des Magdeburger General-Anzeigers immer stärker bestimmen. Regelmäßig veröffentlichte das Blatt zudem die Verlustlisten, die nach Einheiten geordnet die Toten, Verwundeten und Vermissten aufführten. Am 27. September füllten die Reste der 33. und die 34. Verlustliste erstmals eine gesamte Zeitungsseite. Wie der Vater, so der Sohn Das Eiserne Kreuz wurde in Heer und Marine zur begehrten Auszeichnung. Nach 1813 und 1870 war die preußische Kriegsauszeichnung im Vormonat erneuert worden. In Rogätz ermöglichte diese Neustiftung des Ordens ein Kuriosum und sorgte dafür, dass Rittergutsbesitzer Schwechten an einem Septemberabend eine Flasche Wein entkorkte und mit der Familie auf das Wohl seines Sohnes anstieß. Sohn Hesso, der als Oberleutnant und Adjudant im Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 3 am Krieg teilnahm, war mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse ausgezeichnet worden. Damit hatte es der Sohnemann dem Vater nachgemacht, der bereits 1870 als Garde-Dragoner ebenfalls mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war. Orden für einen 15-Jährigen Über die Heeres- und Marineleitung gelangten die Nachrichten über eine solche Auszeichnung in die heimatlichen Bürgermeisterbüros und von dort schnell an die Presse. Regelmäßig fanden sich dort entsprechende Meldungen. Dem Reservisten Julius Kunert aus Borne wurde „für besondere Tapferkeit vor dem Feinde“ das Eiserne Kreuz verliehen. Gleich 16 „Magdeburger Ritter des Eisernen Kreuzes“ listete am 27. September der Magdeburger General-Anzeiger auf, darunter auch den Namen von Günter Paulus, eines erst 15-jährigen Kriegsfreiwilligen. Auch in Barby war man stolz. „Leutnant Matthes und Seminarlehrer Sporn, der als Reserveleutnant im Telegraphen-Bataillon den Feldzug mitmacht, haben das Eiserne Kreuz erhalten.“ Doch wie dicht lagen Kriegsglück und -unglück beieinander: Matthes war es nicht vergönnt, den Orden zu tragen. „Er ist seinen schweren Verwundungen im Lazarett zu Lüttich erlegen“, schrieb der Magdeburger General-Anzeiger. „Die Vaterlandsliebe tritt in sehr unterschiedlicher Form in Erscheinung“, kommentiert die Volksstimme am 1. September, „der eine zieht ins Feld und opfert freiwillig Gut und Blut, der andre benutzt den Krieg als gute Gelegenheit, fette Geschäfte zu machen.“ In Salzwedel wandte sich der Magistrat an die Öffentlichkeit. „Mehrere an uns gerichtete Anzeigen lassen darauf schließen, daß Versuche gemacht werden, die Preise für einzelne Nahrungsmittel wucherisch in die Höhe zu treiben“, erklärten die Stadtväter. Und sie warnten, dass „Überschreitungen der festgesetzten Höchstpreise“ mit Geldstrafen und mit Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten bestraft werden können. In Gommern und Wahlitz gab es der Volksstimme zufolge Anfang September etwa 70 Erkrankungen, die auf den Genuss verdorbenen, aber dennoch verkauften Fleisches zurückzuführen waren. Die Behörde übergab das Fleisch aus dem Geschäft an die Abdeckerei. Liebesgaben an die Front Andererseits gab es reichlich gegenseitige Hilfe. Der Magdeburger General-Anzeiger nannte am 20. September hunderte Namen von Spendern für das Rote Kreuz, für Angehörige von Kriegern und für das zeitwei lig russisch besetzte Ostpreußen, zählte die 5 Mark des Schülers Fritz Meyer ebenso auf wie die 15 000 des Krupp-Gruson-Werkes. Auch die Stadt spendete. „Recht herzlichen Dank für die ... so reiche Spende von 25 000 Mark für die Notleidenden Ostpreußens“, schrieb der Königsberger OB Siegfried Körte an seinen Magdeburger Amtskollegen Hermann Otto Reimarus. In Burg bewilligte der Kreistag des Jerichower Landes I 30 000 Mark, um bedürftige Familien der Kriegsteilnehmer „über die reichsgesetzlich gestellten Mindestsätze hinaus“ zu unterstützen, „in erster Linie durch Lieferung von Naturalien“. In Barby wurde eine Kriegsschreibstube eingerichtet, in der „Angehörige ... im Felde stehender Krieger ... Rat und Hilfe beim Briefund Adressenschreiben, bei Anfertigung von Eingaben“ erhielten. Der Magdeburger General-Anzeiger berichtete am 26. September vom frühmorgendlichen Start eines aus acht Kraftwagen bestehenden „Liebesgaben-Autozuges“ nach Maubeuge in Frankreich, „um sämtlichen Magdeburger Truppenteilen... zukommen zu lassen, was fleißige Hände hier für sie gearbeitet und vaterlandsfreudige Herzen gestiftet haben“. In der letzten Ausgabe des Monats meldete das Blatt die Ankunft von sieben Wagen der Kolonne in Charleroi. Ein Wagen sei zuvor abgezweigt worden, um die Fahrt in südlicher Richtung fortzusetzen. Auch die Kriegsanleihe wurde kräftig gezeichnet: 63 Millionen Mark in Magdeburg, 58 in Halle, 11 in Halberstadt, vier in Wittenberg, 2,4 in Wernigerode, 3,4 in Naumburg. Kein Echo fürs Deutschlandlied Der Magdeburger Hauptbahnhof wandelte sich zu einer Drehscheibe zwischen Front und Heimat. Nach Abschied der Truppen trafen nun Gefangene und Verwundete ein. Die Volksstimme beschrieb am 7. September die Ankunft der ersten verwundeten Franzosen und Belgier. Ein Teil kam ins Reservelazarett im Veranstaltungshaus „Luisenpark“, die meisten wurden nach Altengrabow weitergeleitet. Viele Schaulustige würden die Gefangenen „mit Spott und Schmähungen“ überhäufen, wenn sie vom Bahnhof zur Straßenbahn geführt wurden. Das setze das „Ansehen des deutschen Namens herab“, rügt das SPD-Blatt. Auch in Burg beobachtete die Volksstimme die Ankunft erster Gefangener: „Die Stimmung war ernst. Am Bahnhof fand in dieser Stimmung der Versuch eines Lehrers, das Lied „Deutschland über alles“ anzustimmen, keinen Anklang. ... Kein Zuruf wurde laut.“ Bild entfernt (keine Rechte) Der Magdeburger Hauptbahnhof als Drehscheibe zwischen Heimat und Front: Am 7. August wurde das Infanterieregiment 26 an die Front verabschiedet, im September trafen Züge mit Verwundeten und Gefangenen ein. Fotos: Archiv regio.press Bild entfernt (keine Rechte) Werbung im Magdeburger General-Anzeiger um Liebesgaben. Bild entfernt (keine Rechte) Erste Gefallenenanzeigen in der gleichen Zeitung. Bild entfernt (keine Rechte) 25. September: An der Somme fällt der expressionistische Dichter Alfred Lichtenstein. Bild entfernt (keine Rechte) 10. September: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht dokumentieren gegenüber ausländischen sozialistischen Zeitungen, ihre Ablehnung zur Unterstützung der deutschen Kriegspolitik durch die Parteimehrheit.
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„... dann hört es auf, das Blutvergießen“ Anhalt und die preußische Provinz Sachsen vor 100 Jahren. Von Manfred Zander So unglaublich es klingen mag, aber Ernst Jeserich dürfte die Aufregung um den bevorstehenden und dann zur Wirklichkeit gewordenen Krieg ziemlich schnuppe gewesen sein. Der Magdeburger hatte ganz andere Sorgen. Für den 3. August hatte ihm das Königliche Schöffengericht im Justizpalast an der Halberstädter Straße mal wieder einen Platz auf der Anklagebank freigehalten. Dieses Mal wurde dem Kaufmann Urkundenfälschung und Betrug zur Last gelegt. Etwa zwei Jahre zuvor hatte er „einen Wechsel über 225 Mark gefälscht und diskontiert“, wie es die Anklage nannte, den falschen Wechsel also gegen Bares weitergereicht. Jeserich machte keine Ausflüchte. Das mag ihm das Schöffengericht angerechnet haben, denn mit zwei Monaten Gefängnis wegen „schwerer Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug“ schien der 23-Jährige recht gut davongekommen zu sein. Aber vielleicht hatten die Richter auch im Sinn, ihm recht bald einen Wechsel vom gestreiften Rock in den bunten des Königs zu ermöglichen. Der vergessene Grundsatz des Fürsten Bismarck Die Chancen hierfür sollten sich noch am selben Abend vergrößern. Das Urteil gegen Jeserich war das letzte vor der um 18 Uhr erfolgten Kriegserklärung gegenüber Frankreich. Nach 43 Jahren Frieden stand Deutschland nun im Zweifrontenkrieg. Auch um diesen zu vermeiden, hatte Kanzler Bismarck, alle Befindlichkeiten in den Herrscherhäusern missachtend, stets an einem Bündnis zu Russland festgehalten. Ob die Magdeburger daran dachten, als sie am Abend zu Tausenden den Breiten Weg bevölkerten, um dann zum Bismarck-Denkmal am Scharnhorst-Platz aufzubrechen? „Unaufhörlich erklangen die ,Wacht am Rhein‘ und ,Deutschland, Deutschland, über alles ...“, berichtete der Magdeburger General-Anzeiger. Die sonst eher abwägende Magdeburgische Zeitung hatte bereits nach der drei Tage zuvor an Russland ergangenen Kriegserklärung den nächsten Schritt angemahnt. Unter der Überschrift „Der Krieg hat begonnen“ heißt es auf der ersten Seite: „Der Feind im Westen wird nicht weniger deutlich als der Feind im Osten erfahren, was es heißt, sich Deutschland, sich dem deutschen Volk in Waffen entgegenzustellen.“ Doch es gab auch nachdenklichere Töne. „Krieg ist immer nur ein anderer Ausdruck für Unglück“, hieß es am 1. August im Magdeburger General-Anzeiger. Der Autor machte sich – wenige Stunden vor Kriegsausbruch – Sorgen um die Familien, deren Ernährer im Falle der Mobilmachung eingezogen würden. Das Reich habe seine Verpflichtung erkannt, „das große Opfer mit einem geringen zu entgelten, die Familien, welche ihr Oberhaupt, ihre Söhne und Brüder zur Verteidigung von Haus und Herd, der staatlichen Gemeinschaft, hinausziehen ließen, auf jeden Fall vor den schlimmsten Entbehrungen zu schützen, oder richtiger wohl: zur Unterhaltung dieser Familien wenigstens einen kleinen Teil beizutragen“. Viele Privatleute helfen den Familien der Soldaten Der Verfasser verwies auf das Alter des entsprechenden Reichsgesetzes. Es stammte aus dem Jahre 1888. Seit der gesetzlichen Bemessung der Unterstützung habe sich der Lebens unterhalt erheblich verteuert. Als Ausweg nannte der Artikel die private Hilfstätigkeit. Sie „hat die Gelegenheit zu kräftigster Entfaltung; auf sie kann man sich ... und hat sich auch das Reich ... verlassen“. Und sie entfaltete sich. Ein ungenannt bleiben wollender Hausbesitzer in der Magdeburger Listemannstraße stundete einem eingezogenen verheirateten Mieter die Miete für die Dauer des Krieges. Die Grube „Johanne Henriette“ bei Unseburg gewährte den Ehefrauen und Kindern eingezogener Belegschaftsmitglieder eine monatliche Hilfe. Die Burger Schuh- und Schäftefabrikanten beschlossen, vorerst jeder Frau und jedem Kind eines eingezogenen Mitarbeiters vier Wochen lang einen Zuschuss zu zahlen. Das Magdeburger Krupp-Gruson-Werk schenkte einberufenen verheirateten Mitarbeitern einmalig 30 Mark und zahlte den zurückgebliebenen Familien zwei Monate den Lohn weiter. Die Firma Bestehorn in Aschersleben spendete 10 000 Mark „zur Linderung der durch den Kriegsausbruch zu erwartenden Not“. Die gleiche 5. August: Kaiser Wilhelm II. erneuert das preußische Eiserne Kreuz. Es war in den Befreiungskriegen gestiftet worden. Summe stellte Wilhelm Krojunker, Aufsichtsratsvorsitzender der Burger Schuhfabrik Konrad Tack & Co., für die Hinterbliebenen gefallener Soldaten zur Verfügung. Die Volksstimme griff ein Beispiel aus Magdeburg auf: „Die Geldschrankfabrik von J. C. Petzold unterstützt die Familien ihrer eingezogenen Arbeiter, indem sie für diese die volle Miete zahlt und den Winterbedarf an Kohlen und Kartoffeln deckt. Als Gegenleistung haben die Frauen aus gratis von der Firma gelieferter Wolle monatlich 2 Paar Strümpfe oder 4 Paar Pulswärmer zu stricken, die dem Militär zur Verfügung gestellt werden.“ Doch das sozialdemokratische Blatt fand auch Gegenbeispiele. „Kaum war der Kriegszustand erklärt, so gingen für die wichtigsten Lebensmittel die Preise gewaltig in die Höhe.“ In Magdeburg forderte der Magistrat die Großhändler auf, die Lebensmittelversorgung nicht künstlich durch Zurückhalten der Lagerbestände zu erschweren. Schließlich griff Regierungspräsident Karl Miesitschek von Wischkau ein. „Aus verschiedenen Orten des Regierungsbezirks Magdeburg laufen lebhafte Klagen über eine gewaltige Steigerung der Lebensmittelpreise ein. Ich warne ... die Geschäftsinhaber eindringlich vor derartigen Maßnahmen, die leicht zu empfindlichen Gegenmaßregeln führen können.“ Seit am 31. Juli für die Provinz der Kriegszustand – in Preußen der Begriff für den Belagerungszustand – erklärt wurde, war die Bevölkerung aufgerufen, auf alles Verdächtige zu achten. Ein Signal für den Mob. Nach der britischen Kriegserklärung gegen Deutschland am 4. August wurde das Büro des englischen Vizekonsuls Edgar F. Drake in einem Haus an der Ecke Bahnhofsplatz und Viktoriastraße von einer „ungeheuren Menschenmenge“, wie es im Magdeburger General-Anzeiger hieß, belagert. Die Fenster wurden mit Pflastersteinen eingeworfen, die Fahnenstange heruntergerissen, das Konsulatsschild abgerissen. In Aschersleben wurde die Frau von Pastor Hoppe – eine Russin – verleumdet. In Magdeburg jagten 20 Kürassiere, Feuerwehrleute, Infanteristen und Zivilisten drei Männer über die Dächer der Häuser an der Seydlitz-, Hohenzollern- und Moltkestraße, da sie angeblich Telefondrähte zerschnitten haben sollten. In der Altmark wurde in der Nähe von Schmarsau das Auto eines Oberamtmanns von mehreren Personen geichzeitig unter Feuer genommen. Beide Insassen – Fahrer und Oberamtmann – wurden schwer verletzt. Erste deutsche Verlustliste mit den Namen von 28 Gefallenen Am 10. August veröffentlichen die Zeitungen der Provinz die erste Verlustliste. Sie enthält die Namen von 28 Gefallenen und 20 Verwundeten, nicht aber den des ersten deutschen Kriegstoten, Albert Mayer aus Magdeburg. Noch reichte eine halbe Zeitungsspalte für die Liste. Die Ende August erschienene sechste Verlustliste füllte bereits eine halbe Seite im Magdeburger General-Anzeiger, obwohl sie nur noch die Gefallenen und Verwundeten der Regimenter aus der Provinz nannte. Noch hatte das große Schlachten gar nicht richtig begonnen, da schrieb der Magdeburger Paul Wittig aus der Festung Lüttich einen Kartengruß an einen Freund in der Heimat. Er muss ein fröhlicher Bursche gewesen sein, dieser frühere Weinküfer und nunmehrige Artillerist, fasste er seinen Feldpost-Gruß doch in das Versmaß eines Trinkliedes: „Geflossen ist genügend Blut, doch geht‘s bis jetzt mir immer gut.“ Der Magdeburger General-Anzeiger druckte den 16-zeiligen Vers des „Lüttichkämpfers“ am 21. August ab, auch die zwei Zeilen seines Wunsches: „Und würde man bald Frieden schließen, dann hört es auf, das Blutvergießen.“ Als der Brief erschien, sollte der Krieg noch vier Jahre, zwei Monate und 21 Tage dauern. Bild entfernt (keine Rechte) Eine Magdeburger Rüstungsschmniede. Das Bild von 1877 zeigt die Eisengusshalle des Grusonwerkes. 1914 ist das Werk unter dem Namen Krupp-Gruson ein Teil des Essener Kruppkonzerns. Fotos. Archiv regio.press Bild entfernt (keine Rechte) Bild entfernt (keine Rechte) 13. August: Die „Zeit im Bild“ stoppt den Vorabdruck des Romans „Der Untertan“ von Heinrich Mann. Er sei nicht mehr angebracht.
Bild entfernt (keine Rechte) 22. August: Im Osten wird die 2. russische Armee vernichtend geschlagen. Den deutschen Oberbefehl hat Paul von Hindenburg.
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Gefangenschaft ist, wie auch immer sie geartet war, ein schwerer Einschnitt im Leben eines Menschen. Die physischen und psychischen Erlebnisse bleiben wohl in Gedanken bzw. im Unterbewusstsein bis an das Lebensende des Betroffenen. Gefangene spielten schon zu Beginn der Zivilisationsgesellschaften eine mehr oder minder große Rolle. Schon in der Frühzeit der Antike, die von der Sklaverei geprägt war, kamen Kriegsgefangenen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei, denn Sklaven waren die Stützen der Staaten. Die gegnerischen Anführer wurden meistens getötet, die einfachen Krieger versklavt oder gar in die siegreichen Heere eingestellt. Man machte damals auch ganze Völkerschaften zu Gefangenen. Das beste Beispiel war die Umsiedlung der Juden nach Babylon – die sogenannte babylonische Gefangenschaft – ein ganzes Volk war den Babyloniern untertan.
In den frühen Kriegen, die an der Tagesordnung waren, herrschten Tod und Gewalt. Die Gefangenen wurden nach Gutdünken behandelt – gefoltert, verstümmelt oder auch getötet. Das war nach damaligem Verständnis ganz legitim. In den Söldnerheeren herrschten ebenfalls Zustände, die wir heute als barbarisch bezeichnen. Die Kriegsgefangenen waren noch immer rechtlos. Die Sieger pressten Gefangene wie Überläufer in die eigenen Heere. Wer nicht wollte oder konnte wurde getötet, verkauft oder verschenkt! Oftmals waren die Kriegsparteien nicht in der Lage, die Menge der Gefangenen zu ernähren – daher auch die vorgenannte Handlungsweise. In den stehenden Heeren des 18. Jahrhunderts ging es den Gefangenen schon etwas besser, was die Behandlung angeht. Eine weitere Verbesserung trat im 19. Jahrhundert ein. Offiziere wurden auf Ehrenwort entlassen und die Mannschaften in speziellen Lagern untergebracht. Den endgültigen Durchbruch brachte die Gründung des Roten Kreuzes 1863 sowie die Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 ergänzt durch die Genfer Konventionen vom 12. August 1949. Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 brachte zig Tausende von Gefangenen in deutsche Hände: Franzosen, Belgier, Briten, Russen usw. Die Offiziere wurden in eigens ausgesuchten Objekten untergebracht – die Mannschaften kamen in neu aufgebauten Barackenlagern unter. So hatte auch Magdeburg ein Offiziers-Kriegsgefangenen-Lager. Zuerst sollte die Zitadelle dafür genutzt werden, doch der Plan wurde als ungeeignet verworfen. Dafür wurde das Kavalier I Scharnhorst, gelegen an dem westlichen Elbufer, für annehmbar angesehen und genutzt. Für die Mannschaften gab es etliche Lager auf dem Boden des heutigen Sachsen-Anhalt im damaligen Bezirk des IV. Armeekorps: Gardelegen, Altengrabow, Quedlinburg, Merseburg, Zerbst, Stendal, Wittenberg, Werben und Salzwedel. Offizierslager dagegen waren in Magdeburg, Burg, Torgau und Halle. Doch wie war nun das Leben der Gefangenen in den Lagern? Wenden wir uns zuerst dem Offiziers-Kriegsgefangenen-Lager im Magdeburger Kavalier I Scharnhorst (ehemaliger Festungsteil) zu. Zu dieser Zeit waren die Offizierslager eine Neuerscheinung, denn noch im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurden die Offiziere auf Ehrenwort in Gasthäusern sowie in Bürgerhäusern eingemietet – die Mannschaften dagegen in Lagern untergebracht, in Magdeburg Zeltlager Cracauer Anger. Die Offiziere konnten sich im Allgemeinen recht frei und ungezwungen bewegen bis auf einige Bestimmungen. Doch im Ersten Weltkrieg war das nun etwas anders. Nun hatten auch die Offiziere ihr Lager. Ausgang nur bei außerordentlichen Anlässen – unter Bewachung und unter Offiziersehrenwort. Die Gründe dafür dürften auf der Hand liegen, so dass darauf nicht weiter eingegangen werden muss. Die Lager der Offiziere wurden ebenso wie die der Mannschaften von einem höheren Offizier als Lagerkommandant geführt, natürlich mit genügendem Aufsichtspersonal, das sich meist aus älteren Soldaten z. B. der Landwehr oder des Landsturmes rekrutierte. Andere Offizierslager waren z. B. in Schlössern, Fabriken und Kasernen untergebracht. Das IV. Armeekorps benutzte aber meist militärische Anlagen. In Burg bei Magdeburg waren die kriegsgefangenen Offiziere in Bauten des Artilleriedepots einquartiert. Das Magdeburger Lager war eigentlich recht idyllisch gelegen. Viel Grün und hohe Bäume, die Schatten spendeten, machten den Aufenthalt recht angenehm. Zum Sport treiben stand ein freier Platz zur Verfügung. Die Einrichtung der Stuben war relativ einfach, aber annehmbar. Die Offiziere machten sie sich nach ihrem Geschmack wohnlich.
1916 waren im Lager Magdeburg 409 Offiziere untergebracht. Natürlich variierte die Zahl bis 1918 von Zeit zu Zeit. Außer dem Kavalier I wurde ja noch das recht ansehnliche Wagenhaus nach einigen inneren Umbauten genutzt. Beschränkungen, was die freie Bewegung im Lager anbelangte, gab es wohl nicht. Das Lager war also gut gesichert. Und dennoch gab es Fluchtversuche, wovon einige gelangen. Appelle dienten der Information usw. Da die Offiziere und Mannschaften Post von zu Hause erhielten, waren in den Lagern extra Poststellen eingerichtet worden. Dort wurden die Postsendungen, die rein- und rausgingen, gründlich kontrolliert. Auch Geld von zu Hause bekamen die Gefangenen – ausgezahlt aber nur in deutschem Lagergeld!
Ein sehr wichtiges Thema war natürlich die Ernährung. Für Offiziere und Mannschaften galten unterschiedliche Regelungen, da die Offiziere eine Löhnung bzw. ein Gehalt von der deutschen Heeresleitung bekamen und sich deshalb selbst verpflegten. Die Küche führte ein deutscher Offizier in Gemeinschaft mit einem Küchenausschuss, der auch den Wochenspeisezettel erstellte. Der Lageroffizier kontrollierte tagtäglich das Essen.
Die Küchen der Lager waren sauber, modern und damit zweckmäßig eingerichtet. Das Personal war dementsprechend gekleidet.
Wie man sieht unterschied sich das Essen der Mannschaften grundlegend von dem der Offiziere. Das Gleiche galt auch für die Speisesäle. Den Offizieren waren täglich zwei Flaschen Bier und sonntags eine halbe Flasche Wein genehmigt. Ansonsten waren die Offiziere von ihren Ordonanzen bedient worden, ganz wie in der Heimat. In den Werkstätten waren Mannschaften für die Belange der Offiziere beschäftigt, soweit letztere ihren Bedarf nicht aus der Heimat oder in der Stadt beschaffen konnten. Diese Mannschaften waren getrennt von den Offizieren untergebracht – in Magdeburg 103. Für sechs bis acht Offiziere stand eine Ordonanz zur Verfügung.
Die Sorge um die Gesundheit stand ganz oben auf der Agenda. Die verwundeten Offiziere wurden auf das Beste gepflegt und gehegt. Die hygienischen Zustände waren den Umständen entsprechend bestens. Wasserleitungen, Abortanlagen sowie Heizungs- und Lüftungsanlagen waren trotz unüberwindlicher örtlicher Schwierigkeiten (Magdeburg) in gutem, gebrauchsfähigem Zustand. Auch eine Desinfektionsanlage war vorhanden, wie auch in den Mannschaftslagern. In den Offizierslagern standen extra Krankenzimmer zur Verfügung. Kranke Offiziere fanden in eigens eingerichteten Kurlagern (unter anderem in Klausthal im Harz) Ruhe und Erholung. Natürlich gab es in den Mannschaftslagern eine ausreichende medizinische Versorgung, so dass auch Epidemien bzw. Seuchen verhindert werden konnten. Zur religiösen Erbauung fanden sich entsprechende Möglichkeiten, d. h., dass Räume mit den unerlässlichen Utensilien der Religionsübungen ausgestattet waren. So konnten Christen, Juden, Moslems, Hindus usw. jederzeit ihren religiösen Riten nachgehen bzw. sie ausüben. Wenn ausländische Geistliche nicht vorhanden waren, übernahmen deutsche, die vertraglich gebunden wurden, das Amt. Wichtig war, dass sie die nötigen Fremdsprachen beherrschten. Für die Russen stand im Magdeburger Offiziers-Lager ein Pope, der mehrere Lager betreute, zur Verfügung. Im Halbmondlager Wünsdorf gab es 1915 schon eine Moschee. Ihre Beschäftigung konnten die Offiziere selbst wählen, so in der Küche, Wäsche und Kantine. Auch Lesezimmer waren vorhanden, so dass die Männer deutsche Zeitungen und Zeitschriften sowie Bücher studieren bzw. lesen konnten. Selbst die deutsche Heeresleitung gab fremdsprachige Zeitungen heraus. Das galt auch für die Mannschaftslager. Chöre sowie Musikkapellen waren in allen Lagern Normalität. Irgendwie wurden die nötigen Instrumente beschafft. So konnten auch Theatervorstellungen musikalisch begleitet werden. Was das Theater angeht, so mussten die weiblichen Rollen begreiflicherweise mit Männern besetzt werden, was sehr oft eine übergroße Heiterkeit hervorrief. Natürlich unterschieden sich die Stücke der Mannschaftslager von denen der Offiziere. Was die Beschäftigung betraf, so spielte der Sport eine große Rolle. Fußball, Kegeln, Tennis und Turnen waren überaus beliebte Sportvergnügen. In den Offizierslagern kamen auch Schach sowie Billard zu Ehren. In den Lagern für Offiziere sowie Mannschaften kam die Handwerkskunst zu nicht geahnter Blüte – Malerei, Bildhauerei, Strick- und Stickereien, Metallarbeiten usw. Es gab Erstaunliches von großer Qualität. Die meisten Dinge wurden verkauft, um das „Taschengeld“ aufzustocken. Regelmäßig wurden auch Ausstellungen mit den Arbeiten veranstaltet. Im Torgauer Offizierslager wurden sogar wissenschaftliche Vorträge bzw. Vorlesungen gehalten, also eine Art Weiterbildung. Eine kleine Kuriosität noch am Schluss. Im Werk „Brückenkopf“ (Torgau) waren die Offiziere gärtnerisch tätig und sie hielten Schweine und Schafe – im Werk „Zinna“ (Torgau) wurde Hühner- und Kaninchenzucht betrieben. Mit all diesen „Herrlichkeiten“ war dann 1918 das Ende gekommen!
Quelle: Risse, Die Kriegsgefangenenlager...1916, Siehe Quellenanhang Aufgeschrieben von G. Adlung
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Der Sommer 1914 war fast ein normaler Sommer. Wenn es die österreichisch-serbischen Probleme nicht gegeben hätte, und das Säbelrasseln in Russland, und die markigen Sprüche in Berlin … Für die aktiven Soldaten in ihren Kasernen schien das Leben rein äußerlich nicht anders, als in den Sommern zuvor. Bis am Nachmittag des 31. Juli 1914 in Berlin der „Zustand drohender Kriegsgefahr“ verkündet wurde. Da musste das I. Bataillon der 26er die „Pulverwache“ in der Gerwischer Munitionsanstalt besetzen und die Bahnschutzposten und Brückensicherungswachen der 66er zogen mit scharfer Munition auf ihre Posten. Die Stadt bekam schon am nächsten Tag ein neues Gesicht. Die gemächliche Ruhe der Handelsstadt, das emsige Treiben der Industriestadt und die gleichförmigen Dienstgeschäfte der Garnison wurden von einer nicht näher zu beschreibenden Anspannung überlagert. Diese wurde am frühen Abend, um 18.15 Uhr des 1. August gelöst, als der Kaiser den Mobilmachungsbefehl erteilte. Nun folgte geschäftiges Treiben. Aus dem Urlaub kehrten die zurückgerufenen Soldaten zurück, Reservisten strömten zu ihren Standorten, Freiwillige meldeten sich in den Kasernen. Die Landbevölkerung strömte in die Stadt und vor die Kasernen, um die Vorbereitung des zukünftigen endgültigen Sieges mit eigenen Augen zu sehen. Verstärkt wurde dieses Treiben nochmals, wenn die Feierabendzeit heranrückte, die Väter aus den Betrieben kamen und von der Familie begleitet sich ebenfalls das Gefühl des Dabeigewesenseins verschaffen wollten. Die heimischen Infanterie-Regimenter Nr. 26 und Nr. 66 hatten laut Drehbuch (Mobilmachungsplan) am 6. August voll ausgerüstet und aufmunitioniert verladebereit an der Bahnrampe zu stehen. Etwas weniger Zeit blieb der 7. (Mörser-)Batterie des Fußartillerie-Regiments „Encke“ Nr. 4, die bereits sechs Stunden nach Bekanntmachung des Mobilisierungsbefehls in der Nacht zum 2. August auf dem Sudenburger Bahnhof verladen hat. Dieser Abschied verlief noch unbemerkt, ohne dunkelrote Augustrosen und ohne Pauken und Trompeten. Der Zug rollte in Richtung Westen davon. Am Nachmittag des 2. August gab es die erste große Verabschiedung durch die Bevölkerung, als die II. (Haubitz-)Abteilung des Feldartillerie-Regiments „Prinzregent Luitpold“ und die 3. Kompanie des Pionier-Bataillons Nr. 4 zur Grenzsicherung gen Westen rollten. Die Einheiten waren feldgrau uniformiert und konnten aufgrund der beschleunigten Verlegung nicht voll ausgerüstet werden. Die vorgesehenen Ergänzungsmannschaften standen ebenfalls noch nicht bereit. Blumenübersät und unter der Melodie „Muss i denn …“ zogen die Einheiten von der Friedrichstadt über die Königstraße zum Hauptbahnhof. Höhepunkte der Vorbereitung auf den Marsch zur Front waren es, wenn noch auf friedensmäßige Weise die bereits kriegsstarken Verbände ihre Einheiten zur Abholung der Regiments- bzw. Bataillonsfahnen zum Generalkommando in der Augustastraße befahlen. Als eine der ersten vollzog dieses Ritual die 7. Kompanie der 26er. Als die Fahnenträger mit der bereits in den Befreiungskriegen 100 Jahre vorher verliehenen Regimentsfahne und den Fahnenzeichen aus dem Portal des Gebäudes hervortraten, empfing sie ein Orkan von Begeisterungsrufen von tausend Umstehenden und der Präsentiermarsch, gespielt unter der Leitung des bei Militär und Zivilisten beliebten Obermusikmeister Gruß, ließ die Herzen der Beteiligten wie der Zuschauer höher schlagen. Im Anschluss an diese Zeremonie kam es vor dem Dienstwohnsitz des Hindenburg-Nachfolgers (seit 1911), des Kommandierenden Generals des IV. Armee-Korps Sixt v. Armin zu weiteren vaterländischen Kundgebungen. Im „Schlosscafe“ am Breiten Weg wurde die Kapelle nicht müde „Die Wacht am Rhein“ und „Heil dir im Siegerkranz“ zu spielen. Von der „Harmonie“ in der Kaiserstraße wehte die Rot-Kreuz-Flagge und in der „Freundschaft“ in der Prälatenstraße entstand das erste Hilfslazarett. Im Dom und in den übrigen Kirchen begann die Zeit der gut besuchten Kriegsbetstunden. Auf dem Kleinen Anger, dem Schroteplatz und an anderen Orten fanden letzte Appelle der sich auf den Abtransport vorbereitenden Einheiten statt. Truppen, Bespannungen und Fahrzeuge wurden geprüft bis am 7. und 8. August die Abschiedsstunde der 26er und 66er schlug. Ihr Ausmarsch wurde von Tausenden der Bevölkerung begleitet und gefeiert. Die Marschroute verlief über Braunschweig – Paderborn in das Aufmarschgebiet der 1. Deutschen Armee unter General v. Kluck nördlich von Aachen. Am 13. August begann von hier aus der allgemeine Vormarsch nach Belgien. Ebenfalls am 8. August gab es in Magdeburg Freudentaumel, hatten doch Magdeburger, Luitpold- und Encke-Kanoniere sowie die 4. Pioniere den Sieg über die Festung Lüttich mit errungen.