Magdeburg und der Deutsche Faschismus : Beitrag von MilitariaMD hier her kopiert durch MAGADO-2
Hitler kam, sah und siegte, so könnte mensch kurz gefasst den Diskurs der bürgerlichen Klasse zusammenfassen. Der große Verführer hätte das Gute Deutsche Volk zu seinen Untaten animiert. Dieses Herangehen findet in Teilen der Antifaszene seine Umkehrung in der These, der Faschismus wäre die Offenbarung des Wesens eines an sich durch und durch bösen Volkes. Was diesen Diskurs vereint, ist die Negierung von individuellen Handlungen und Verantwortlichkeiten. Die Geschichte ist jedoch anders. Wir wollen an einigen ausgewählten Beispielen die Entwicklung des Faschismus andeuten. Die Stadt Magdeburg und der Deutsche Faschismus Hitler kam, sah und siegte, so könnte mensch kurz gefasst den Diskurs der bürgerlichen Klasse zusammenfassen. Der große Verführer hätte das Gute Deutsche Volk zu seinen Untaten animiert. Dieses Herangehen findet in Teilen der Antifaszene seine Umkehrung in der These, der Faschismus wäre die Offenbarung des Wesens eines an sich durch und durch bösen Volkes. Was diesen Diskurs vereint, ist die Negierung von individuellen Handlungen und Verantwortlichkeiten. Die Geschichte ist jedoch anders. Wir wollen an einigen ausgewählten Beispielen die Entwicklung des Faschismus andeuten.
In der Stadt Magdeburg gab es schon einen sehr frühen Bezug zum deutschen Faschismus. Der Magdeburger Fabrikant Franz Seldte gründete am 25. Dezember 1918 den „Stahlhelm“, Bund der Frontsoldaten, dessen Bundesführer er wurde. Der „Stahlhelm“ war eine gegenrevolutionäre, antidemokratische und antirepublikanische Organisation und eine der unmittelbaren Vorläufer der faschistischen Organisationen. 1931 gehörte Seldte, gemeinsam mit Alfred Hugenberg und Adolf Hitler, zu den Mitbegründern der "Harzburger Front". Seldte trat der DNVP bei und wurde Mitglied des Magdeburger Stadtrates. Im ersten Kabinett unter Hitler wurde er Reichsarbeitsminister. Er versuchte Anfang 1933 die maßgeblich vom „Stahlhelm“ gestützte Kampffront Schwarz-Weiß-Rot zu einer bestimmenden politischen Kraft auszubauen. Dieses misslang durch die Konkurrenz zwischen dem nationalkonservativen und dem nationalsozialistischen Lager im Faschismus. Trotzdem blieb Seldte bis zum Ende des Faschismus in der Reichsregierung tätig. Unter anderem war er SA-Obergruppenführer und später Reichskommissar für den „Freiwilligen“ Arbeitsdienst. Die Gründung der Weimarer Republik erfolgte durch ein Bündnis der damaligen SPD mit den gegenrevolutionären militaristischen Vereinigungen wie „Stahlhelm“ und den Freikorps. Da die reguläre Reichswehr sich nach dem 1.Weltkrieg in Auflösung befand, wurden aus den reaktionärsten Teilen der Wehrmacht Freiwilligenverbände gegründet. Diese waren dem damaligen sozialdemokratischen Reichswehrminister Noske direkt unterstellt.
Trotz der Wahl zur Nationalversammlung in Weimar am 19. Januar 1919 bestanden die Soldaten- und Arbeiterräte weiter. Neben der Selbstverwaltung war der Gedanke der Sozialisierung der Wirtschaft das verbindende Element dieser Bewegung. Während der „Januaraufstand“ in Berlin unter andern durch die Hinrichtung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg recht bekannt ist, ist die nachfolgende konterrevolutionäre Phase die sich bis ca. Juni 1919 hinzieht, weniger öffentlich. Um die Herrschaft der bürgerlichen Klasse als auch der Alten – Junker, Pfaffen und Adligen - zu sichern, ließ die SPD die Soldaten- und Arbeiterräte ermorden und beseitigen. Als Mittel dazu dienten ihr die Freikorps. Unmittelbar aus den Freikorps entstanden die ersten faschistischen Organisationen.
In Magdeburg wurden am 6. 4. 1919 der Vorsitzende und zwei weitere Angehörige des Magdeburger Soldatenrates verhaftet. KPD und SPD riefen daraufhin für den 7. 4. zu einer Kundgebung auf dem Domplatz und zum Generalstreik auf. Am Abend stürmten bewaffnete Arbeiter die Zitadelle und die Waffenmagazine. In der Nacht kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Die reaktionären Militärbehörden verhängten den Belagerungszustand. In der Nacht vom 8.19. 4. rückten 9000 Mann des berüchtigten Freiwilligen Landjägerkorps unter Maercker ein, die zuvor den Streik in Halle blutig niedergeschlagen hatten. Der Belagerungszustand verschärfte sich, die Hauptpost wurde zum Stützpunkt der Reaktion. Dennoch beteiligten sich Tausende Magdeburger am 9. 4. an der Arbeiterkundgebung auf dem Domplatz. Als nach Beendigung der Kundgebung die Arbeiter auseinandergingen, wurden sie aus dem Hof des Regierungsgebäudes beschossen. Die daraufhin in den Häusern Schutz suchenden Demonstranten wurden durch die Maercker-Truppen von der Hauptpost mit Maschinengewehren beschossen. Dabei wurden Otto Appenrout, Gustav Engelhardt, Walter Flemig, Walter Haase, Otto Jahns, Alwine Kieler, Wilhelm Knoche, Johann Ludwig, Friedrich Metten und Adalbert Walczak ermordet. In Folge dieser Ereignisse wurden auch in Magdeburg die Soldaten - und Arbeiterräte aufgelöst. (1)
Eine wichtige Vorraussetzung für das Agieren der Faschisten in der Weimarer Republik war die Finanzierung durch die Wirtschaft. Ein Beispiel dafür ist die Magdeburger Fabrikant Polte. Polte begann 1889 mit 25 Arbeitern Gewehrmunition zu produzieren. 1914 beschäftigte Polte schon 4000 Arbeiter. Im Verlaufe der Materialschlachten des ersten Weltkrieges wuchs der Bedarf an Artillerie- und Infanteriemunition ins Unermessliche, und die Beschäftigtenzahl stieg rapide. 1916 wurden im Poltewerk bereits 14 000 Werktätige, vor allem Frauen, ausgebeutet. 1918 wurden 13700 Arbeiter auf die Straße geworfen. Im Betrieb blieben 300. Freiherr von GiIlern und Dr. Martin Nathusius, späterer Ratsherr und NS-Wirtschaftsführer, berührte der Ausgang des Krieges wenig. Sie hatten Millionen Mark an den Toten des imperialistischen Krieges verdient. Als die Schwarze Reichswehr begann, für Hitler die Kader der zukünftigen Aggressionsarmee auszubilden, ging das "Geschäft" weiter. Der Poltekonzern wurde als einziger deutscher Betrieb für die Herstellung von Infanteriemunition zugelassen. Die Beschäftigtenzahl wuchs erneut an. 1927 gab es wieder 2700 Beschäftigte im Werk, 1932 waren es 2100 und 1938 3300 Beschäftigte. 1912 betrug das Stammkapital 6 Millionen Mark, 1937 wurden allein für Investierungen 18331349 Mark, davon 13 Millionen für die Modernisierung der Patronenfabrikation im Hauptwerk, ausgegeben. Der Poltekonzern besaß nunmehr 30000 Belegschaftsmitglieder. Zusätzlich mussten 5000 KZ-Häftlinge, die im Nebenlager des KZ Buchenwald in der ehemaligen Poltestraße in Magdeburg interniert waren, im Werk arbeiten. In einem Bericht an das Reichskriegsministerium vom 18. April 1937 wird zugegeben, daß 1936 bereits 5446976 Mark mehr Profit durch Wehrmachtsaufträge aus den Arbeitern herausgepreßt wurden, als die Aktionäre erwartet hatten. Allein das Hauptwerk Polte in Magdeburg konnte 1936 einen Gewinn aus Wehrmachtsaufträgen von 20 115118 Mark registrieren. (2) Alfred Nathusius war auch Aufsichtsratsvorsitzender der Aktiengesellschaft C. Louis Strube, Magdeburg-Buckau. Die bei weitem überwiegende Mehrheit des Aktienkapitals befand sich in den Händen der von Gillern und Nathusius. Im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft saß auch der Bankdirektor Klein von der Deutschen Bank. So besaßen die Rüstungsfabrikanten Hitlers eine ausgezeichnete Verbindung zur Hochfinanz. Hans Nathusius war auch SS-Sturmführer. Er schreckte vor keiner Gewalttat zurück, lieferte unliebsame Arbeiter an die Gestapo aus und ließ KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Juden, die im Poltewerk ( zu DDR Zeiten Karl-Marx-Werk) arbeiten mußten, erschießen. Nach 1945 setzte sich der Kriegsverbrecher Hans Nathusius in die damalige BRD ab. Er lebte in Göttingen weiter als Unternehmer. Magdeburg war einer der vier Standorte der BRABAG (Abkürzung für Braunkohle-Benzin Aktiengesellschaft). Sie war eine Pflichtgemeinschaft der Braunkohlenindustrie während des Dritten Reiches. Im Jahre 1933 wurde zwischen der I.G. Farbenindustrie AG und dem Deutschen Reich ein so genannter Benzinvertrag abgeschlossen. In Folge dessen schlossen sich im Jahre 1934 zehn Unternehmen zur BRABAG zusammen. Die BRABAG wurde bedeutendster Treibstoffhersteller im Deutschen Reich und beschäftigte dazu unter anderem 13.000 KZ-Häftlinge in sechs Außenlagern. In Magdeburg mussten Zwangsarbeiter für die BRABAG Schutzbunker errichten.
enschen leisteten Widerstand gegen den Faschismus. Die Tatsache das insgesamt nicht einmal 2 % der Bevölkerung am Widerstand teilnahmen – solche Zahlen sind natürlich Schätzungen, bringen aber eine Tendenz zum Ausdruck – sollten uns nicht daran hindern, sie zu benennen. Es geht dabei nicht darum, Belege für ein besseres Deutschland zu finden. Diese Menschen bewiesen, daß auch unter den extremsten Bedingungen mensch selbst für sein eigenes Handeln verantwortlich ist. Sowohl aus der Stadt Magdeburg als auch deren Umland wurden ca. 70 Menschen auf Grund ihrer politischen Aktivitäten hingerichtet, in einem Konzentrationslager interniert oder in das berüchtigte Strafbataillon 999 eingezogen. Stellvertretend seien zwei Bürger erwähnt: Fritz Rödel, geb. 18. 4. 1888, Porzellandreher, war nach 1910 Mitglied der SPD, schloß sich während des ersten Weltkrieges der Spartakusgruppe an. Nach der faschistischen Machtübernahme organisierte er zahlreiche illegale Komitees der Roten Hilfe Deutschland zur Unterstützung der Angehörigen verhafteter Antifaschisten. Im Juni 1933 wurde er verhaftet und zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er beteiligte sich nach der Haftentlassung erneut gemeinsam mit anderen Widerstandskämpfer/innen an der Organisierung des antifaschistischen Widerstandskampfes in den Großbetrieben. Am 24. 7. 1944 wurde er wieder verhaftet, am 5. 2. 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Martin Schwantes wurde am 20. 8. 1904 geboren. Er wurde am 5. 2. 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Er war Lehrer. Ihm gelang es, eine Widerstandsgruppe in Magdeburg aufzubauen. In ihr waren sowohl Sozialdemokraten/innen, Kommunisten/innen als auch parteilose organisiert. Durch sie wurden Zeitungen verbreitet und sie verfügten über einen Sender. Im Jahre 1944 wurden 23 Menschen aus dieser Gruppe verhaftet, unter ihnen sehr viele Lehrer/innen. In Magdeburg gab und gibt es einige Orte der Erinnerung. Am August-Bebel-Damm/Heinrichsberger Straße (Nordseite der Baracke) befand sich ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Die Häftlinge wurden unter unmenschlichen Lebensbedingungen gezwungen, mit primitivsten Arbeitsgeräten für den faschistischen Rüstungskonzern BRABAG Schutzbunker anzulegen. 1944/45 befanden sich hier etwa 1500, meist jüdische, Häftlinge. Etwa 90 % der Häftlinge wurden tot oder schwerkrank wieder in das Stammlager zurückgebracht, was für die Kranken ebenfalls ihren Tod bedeutete. An der Steubenallee befindet sich ein Ehrenmal. Der Bildhauer Eberhard Roßdeutscher schuf dieses Ehrenmal, gewidmet den von den Nazis ermordeten 62 Kämpfern gegen den Faschismus aus der Stadt Magdeburg. Im Nordpark gab es den sowjetischen Ehrenfriedhof. Hier wurden 1347 sowjetische Bürger und Bürgerinnen beerdigt. Sie waren überwiegend Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter/innen. Auf dem Westfriedhof wurden die Urnen von 29 ermordeten Häftlingen des Außenlagers «Polte-Werke» des KZ Buchenwald beerdigt. Am 13. 4. 1945 wurden 3000 Häftlinge, in dem faschistischen Rüstungskonzern Polte-Werke AG zur Arbeit gepreßt, auf Evakuierungstransporte getrieben. Im Stadion Neue Welt kamen sie in den Beschuß der sich nähernden Truppen der westlichen Alliierten. Als sie Schutz suchen wollten, wurden sie von der SS- Wachmannschaft niedergeschossen. Desweiteren befinden sich auf diesem Friedhof die Gräber von antifaschistischen Widerstandskämpfern, insbesondere aus dem kommunistischen Widerstand.
1. Bis 1989 befand sich an der ehemaligen Hauptpost ( Breiter Weg) eine Gedenktafel, die an diese Ereignis erinnerte. 2. Zum Poltekonzern gehörten neben dem alten und dem neuen Werk in Magdeburg folgende Betriebe: Grüneberger Metallgesellschaft m.b.H., Grüneberg/Nordbahn; Metallwerk Wolfenbüttel G.m.b.H., Wolfenbüttel; Metallwerk Odertal G.m.b.H., Odertal; Silva-Metallwerke G.m.b.H., Magdeburg-Neustadt, Genthin, Duderstadt und Arnstadt; Pollux - Werke, Ludwigshafen. 3. Bis 1989 gab es für ihn eine Gedenktafel -Klosterkamp 1- im damaligen VEB «7. Oktober». 4. In der DDR gab es in Magdeburg eine Martin – Schwantes - Schule in der Braunschweiger Straße. 5. unter anderem Reinbold Julius, der am 1. 5. 1935 auf dem Sportplatz in Fermersleben die rote Fahne hisste und am 31. 7. 1937 in Plötzensee hingerichtet wurde; Heinrich Reichel, geb. 1. 10. 1901, nach der faschistischen Machtübernahme viele Jahre als Beauftragter des ZK der KPD im antifaschistischen Widerstandskampf in Deutschland tätig, von den niederländischen Behörden interniert, der Gestapo übergeben, am 22. 7. 1943 in Plötzensee hingerichtet; Hubert Materlik, geb. 8. 7. 1895, im Juli 1944 wegen seiner aktiven antifaschistischen Tätigkeit zum zweiten Mal verhaftet, wählte er nach grausamen Mißhandlungen den Freitod; ferner die Mitglieder der KPD im Bezirk Magdeburg: Martin Schwantes, geb. 20. 8. 1904, Hermann Danz., geb. 18. 10. 1906, Fritz Rädel, geb. 18. 4. 1888, Johannes Schellheimer, geb. 18. 2. 1899. Sie wurden im Sommer 1944 verhaftet und gemeinsam am 5. 2. 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.
Martin Schwantes, geboren am 20. August 1904 in Drengfurt (Ostpreußen), Lehrer, wohnhaft in Magdeburg, Wittenberger Str. 19, im Widerstand, am 9. Juli 1944 verhaftet, zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg am 5. Februar 1945 hingerichtet.
... Was wissen wir von ihm? Martin Schwantes ist der älteste Sohn des Uhrmachers Hermann Schwantes und seiner Frau Anna. Nach der Geburt der Geschwister Siegfried (1905) und Annelotte (1907) zieht die Familie 1908 nach Gommern bei Magdeburg und verlebt bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges unbeschwerte Jahre. Nachdem sich der Vater freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hat, sorgt die Mutter allein für die Familie. Es ist eine entbehrungsreiche und Kräfte zehrende Zeit. Im Jahr 1918 kehrt der Vater zurück, schwer verwundet .... Im gleichen Jahr beendet Martin die Volksschule und hat den Wunsch, Lehrer zu werden. Die Eltern ermöglichen ihm - trotz großer finanzieller Sorgen - den Besuch der Präparandenanstalt und des Lehrerseminars in Quedlinburg. Schwantes ist sehr belesen, schreibt kleine Gedichte und schließt sich der Quedlinburger Poetengemeinschaft “Johannes” an. Diese gibt unter anderem eine Publikation mit Zeichnungen von ihm heraus. 1924 schließt der 20jährige das Lehrerseminar als einer der besten seines Jahrgangs ab. Dennoch bekommt er keine Anstellung. Um nicht als “untätiger Schmarotzer” seinen Eltern auf der Tasche zu liegen, beschließt er, sein Glück in Amerika zu versuchen. Er begibt sich als Kohlentrimmer auf ein Passagier-Schiff. Dort muss er körperlich schwer arbeiten, um die Kosten für die Überfahrt zu begleichen. Optimistisch und unbekümmert, wie er ist, denkt er, er könne sich in Amerika seinen Lebensunterhalt durch eigener Hände Arbeit verdienen. Aber um eine feste Anstellung bemüht er sich vergeblich. So nimmt er jede Gelegenheitsarbeit an, wechselt oft die Stelle und versucht sich in 14 verschiedenen Berufen. Mühsam verdient er so das Geld für seinen Lebensunterhalt. Er ist froh, wenn es auch für Bücher reicht, denn sein Wissensdurst ist nach wie vor groß. Dieser USA-Aufenthalt wird prägend für sein Leben. Er erlebt ein großes reiches Land, in dem doch so viele Menschen in Not und Armut leben. Und er erlebt selbst Elend und Hoffnungslosigkeit. Das wird seine politische Einstellung zukünftig bestimmen. Nach zwei Jahren Aufenthalt in der Fremde sehnt er sich nach Hause. So kehrt er nach Deutschland zurück. Dort findet er endlich auch eine Anstellung als Lehrer. Zunächst wird er in Gommern Hilfslehrer und unterrichtet unter anderem Englisch. Im April 1927 wechselt er nach Magdeburg. Er wird als Lehrer “an den hiesigen Volks- und Mittelschulen, bis auf weiteres jederzeit widerruflich” eingestellt. Das bedeutet, dass er immer wieder die Schule wechseln muss. So unterrichtet er beispielsweise an der Sudenburger Sammelschule (Braunschweiger Straße), an der Neustädter 2. Sammelschule (Stendaler Straße) und an der Altstädter Sammelschule (Röttgerstraße). Eine Schülerin erinnert sich, dass er schnell das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler gewann. Seine freundliche Art ermutigte sie, gut und gern zu lernen. Außerhalb der beruflichen Arbeit wendet sich Martin Schwantes immer mehr der Politik zu. 1928 wird er Mitglied der KPD. Zwei Jahre später wird er in die KPD-Bezirksleitung Magdeburg-Anhalt gewählt und wird 1932 Sekretär für Agitation und Propaganda. Er schreibt Artikel für die “Tribüne”, das Blatt der Bezirksorganisation, unter dem Kürzel “que”, und wird zu einem bekannten und geachteten Parteiredner für Magdeburg und Umgebung. Aktuell und verständlich redet er, heißt es. In den Schulferien ist er auf Reisen im In- und Ausland. Er kommt nach England, Schweden und Holland. Das erweitert sein Weltbild und schenkt ihm neue Erkenntnisse. 1930 fährt er mit einer Delegation der Freien Lehrergewerkschaft in der Sowjetunion. Davon ist er besonders beeindruckt. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 sieht Schwantes als den Weg Deutschlands in die Katastrophe an. Sie wird aber auch für ihn persönlich zu einem Weg in Illegalität, Verfolgung und schließlich in den Tod. Zuerst wird er als aktives Mitglied der KPD zum 30. April 1933 aus dem Schuldienst entlassen. Seine politische Arbeit führt er jedoch illegal weiter, was immer schwieriger und gefährlicher wird.Im Januar 1934 verhaftet ihn die Gestapo in Erfurt. Er wird in den Gefängnissen von Erfurt und Halle gefoltert und misshandelt. Vergeblich versucht man ihn zum Verrat an Genossen zu verleiten. Im August 1934 wird er wegen “Hochverrats” zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Er verbüßt die Haftzeit zunächst in Wehlheide bei Kassel, später in Herford und Berlin-Plötzensee, ohne Tätigkeit und ohne irgendeine Arbeit. Nach Ablauf der Haftzeit verschleppt ihn die Gestapo zur “Schutzhaft” in das KZ Sachsenhausen. Dort versucht er, gemeinsam mit anderen politischen Häftlingen, den Widerstand. Er wird zum Blockältesten gewählt und nimmt dadurch eine gewisse Vertrauensstellung ein. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, als 1940 die Bombenangriffe auf Berlin beginnen, setzt man Häftlinge zum Bombenentschärfen ein. Schwantes meldet sich freiwillig zu diesem “Himmelfahrtskommando”, weil sich ihm dadurch eine Möglichkeit bietet, aus dem KZ heraus zu kommen. Im Februar 1941 wird er entlassen, mit der Auflage allerdings, jegliche illegale Tätigkeit zu unterlassen. Täglich muss er sich bei der Polizei melden. Berufliche Möglichkeiten vermitteln ihm zwei Jugendfreunde in der Gommeraner Schuhfabrik. Zunächst ist er Lagerverwalter, dann Verkaufs- und Versandleiter. Dort kann er Geschäftsreisen mit erneuter illegaler Tätigkeit verbinden. Dazu hat er Kontakt zu Magdeburger Genossen aufgenommen, zur Widerstandsgruppe um Hermann Danz, zu der unter anderem auch Hubert Materlik, Fritz Rödel und Hans Schellheimer gehören. Schwantes hat die Aufgabe, die Verbindung zu Berliner Genossen herzustellen, wo sein ehemaliger Blockkamerad aus Sachsenhausen, Franz Jakob, gemeinsam mit Bernhard Bästlein, Anton Saefkow und anderen eine Widerstandsgruppe aufgebaut hat. Die Gruppen sollen miteinander vernetzt werden. Auf einer seiner “Geschäftsreisen” lernt Martin Schwantes seine zukünftige Frau kennen, die 21jährige Gisela. Sie treffen sich häufiger, auch zu Wanderungen im Harz, und bald beschließen sie zu heiraten. Zunächst stellen sich ihre Eltern quer, aber schließlich heiraten Martin und Gisela Schwantes im Januar 1944 in Wolfenbüttel. Es beginnt eine kurze, sehr glückliche Zeit, jedoch unter ständiger Bedrohung. Sie endet am 9. Juli 1944. Da wird Martin Schwantes auf dem Weg zu einem illegalen Treff in Berlin auf dem Potsdamer Bahnhof von der Gestapo verhaftet, wenig später die anderen Magdeburger Mitstreiter. Er wird wie Hermann Danz, Hans Schellheimer und Fritz Rödel am 1. November 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Seine junge Frau darf ihn noch einmal besuchen - er erlebt sie mutig und tapfer und dankt ihr dafür in einem der letzten Briefe. Ein Zellengenosse sagt später von ihm: “Ich werde diesen anständigen, hoch gebildeten Mann von wahrhaft vornehmem, ausgeglichenem Charakter mit seiner ruhigen, freundlichen Wesensart und seiner vorbildlich männlichen Haltung im Angesicht des Todes unter dem Fallbeil nicht vergessen”. Am 5. Februar 1945 wird an ihm das Todesurteil im Zuchthaus Brandenburg-Görden vollstreckt. Quellen: Magdeburger Biographisches Lexikon, “...damit die Freiheit lebt”, hg. Meissner/Bursian/Kahmann; Archiv der Familie Schwantes; Recherchen von Ingrid Theune Martin Schwantes Foto Rosa-Luxemburg-Stiftun
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Das Ende der Republik V26.1.13 Es ist der Anfang von Deutschlands dunkelstem Kapitel: Vor 80 Jahren kommt Hitler an die Macht. Zwölf Jahre später liegt Europa in Trümmern. Von Esteban Engel November 1918. Adolf Hitler wird in Pasewalk aus dem Kriegslazarett entlassen. Er ist noch keine 30 Jahre alt, ein enttäuschter Soldat, arbeitslos, ohne Ausbildung und Perspektiven. Etwas mehr als zwei Jahrzehnte später wird der Gefreite zur Eroberung der Welt ansetzen. Hitlers Aufstieg zur absoluten Macht beginnt vor 80 Jahren: Am 30. Januar 1933 wird der verkrachte Kunststudent aus dem österreichischen Braunau und Anführer der Nationalsozialisten Reichskanzler in Berlin. „Und nun meine Herren, vorwärts mit Gott!“, ruft Reichspräsident Paul von Hindenburg, nachdem er am Mittag des vorletzten Januartages 1933 Hitler zum Kanzler ernannt hat. Nach einem monatelangem Machtpoker hat der 85 Jahre alte Feldmarschall aus dem Ersten Weltkrieg den Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) mit der Regierungsbildung beauftragt. Dabei hat Hindenburg noch kurz zuvor versichert, er gedenke nicht, den „böhmischen Gefreiten“ Hitler in die Regierung zu holen. Hitlers NSDAP gilt lange als ein Haufen von Fanatikern. Ihre Hassparolen gegen Juden und Kommunisten, die Hetze gegen das „System“ finden zunächst kaum Gehör. Vergeblich hatte die NSDAP 1923 in München den Umsturz versucht und bei den Wahlen 1928 gerade mal 2,6 Prozent erhalten. Doch die Wirtschaftskrise und die fragile politische Verfassung der Weimarer Republik spielen den Braunen in die Hände. Die Arbeitslosigkeit steigt 1932 auf 30 Prozent. Ein Kabinett nach dem anderen scheitert. In den 14 Jahren der ersten deutschen Republik wechseln sich 20 Regierungen ab. Mit einer in Sozialdemokraten und Kommunisten gespaltenen Arbeiterklasse, einem verunsicherten Mittelstand und einem in autoritären Sehnsüchten schwelgenden Adel ist die spät vereinigte Nation eine Republik ohne Republikaner. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass erst Hitlers Ansturm die Weimarer Republik zu Fall gebracht habe, schrieb der Publizist und Zeitzeuge Sebastian Haffner. „Sie war schon im Fallen, als Hitler ernsthaft die Szene betrat“. Hitlers erste große Chance kommt 1930. Die NSDAP erhält bei der Reichstagswahl im September mit 18,3 Prozent etwa 6,4 Millionen Stimmen. Die Staatskrise verschärft sich. Bei Straßenschlachten zwischen Hitlers Schlägertrupp SA und kommunistischen Kampfverbänden kommen Dutzende Menschen ums Leben. Hindenburg ernennt Franz von Papen zum Kanzler. Der westfälische Gutsbesitzer strebt zusammen mit Industriebaronen und Großagrariern ein „antibolschewistisches“ Bündnis an. An den polternden Hitler als Regierungschef Das Jahr 1933 30. Januar: Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler. 1. Februar: Auf Wunsch Hitlers löst Hindenburg den Reichstag auf. 4. Februar: Versammlungs- und Pressefreiheit werden per Notverordnung erheblich eingeschränkt. 20. Februar: Reichstagspräsident Göring lädt Wirtschaftsführer zu einem Geheimtreffen mit Hitler ein, die der NSDAP daraufhin drei Millionen Reichsmark für den Reichstagswahlkampf spenden. 22. Februar: Göring bildet in Preußen eine Hilfspolizei aus SA und SS und ermuntert sie zum „fleißigen Gebrauch der Schusswaffe“. 27. Februar: Der Reichstag wird in Brand gesetzt. Die Nazis nehmen das zum Anlass für politisch motivierte Massenverhaftungen. 28. Februar: Mit dem Reichstags- denkt in Deutschlands Elite zunächst keiner. Das ändert sich bald. Mit 37,4 Prozent erringt die NSDAP im Juli 1932 mehr als doppelt so viele Stimmen wie 1930. Doch im November macht sich bei Hitler Katerstimmung breit. Bei erneuten Wahlen hat die NSDAP deutlich an Stimmen verloren. Die Nazi-Spitze befürchtet, ihre Chance zu verpassen. Es sei höchste Zeit, die Macht zu übernehmen, notiert Hitlers Agitationschef Joseph Goebbels in seinem Tagebuch. Mittlerweile hat General Kurt von Schleicher die Regierung übernommen. Hinter seinem Rücken versucht nun Papen, auf Hitler zuzugehen. „Wir rahmen Hitler ein“, lautet die Losung des reaktionären Medienmoguls Alfred Hugenberg. Die Nationalsozialisten sollen in einer Koalition mit den Deutschnationalen und der NS-Organisation Stahlhelm eingebunden werden. Von Hitler erhofft sich die „abgehalfterte Elite“ (Haffner) eine Wählerbasis, die sie selber nicht mehr auf die Beine stellen kann. Doch Hitler bleibt hart: Eine Unterstützung der Nationalsozialisten sei nur mit seiner Kanzlerschaft zu haben. Am 28. Januar tritt Schleicher ab – zwei Tage später ist Hitler an der Macht. Man habe Hitler in die Ecke stellen wollen „bis es quietscht“, begründet Papen später den Schachzug. Ein Fehlkalkül. Noch am Abend des 30. Januars ziehen 20 000 SALeute und Stahlhelm-Angehörige brand als Begründung werden weitere Notverordnungen erlassen. Die KPD wird verboten. 5. März: Bei der letzten Reichstagswahl wird die NSDAP mit 43,9 Prozent stärkste Partei. 21. März: In Oranienburg bei Berlin wird das erste Konzentrationslager, errichtet, das KZ Sachsenhausen. 23. März: Der Reichstag verabschiedet das Ermächtigungsgesetz. Hitlers Regierung kann nun Gesetze ohne das Parlament erlassen. 31. März: Mit dem „Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ werden bis auf den Landtag Preußens alle Länderparlamente aufgelöst. 1. April: Die Nazis organisieren einen teilweise gewaltsamen Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Anwälte. 7. April: Die deutschen Länder verlieren mit der Einsetzung von Reichsstatthaltern ihre Eigenständigkeit. Ein Berufsverbot für jüdische und regimekritische Beamte wird verhängt. 1. Mai: Der 1. Mai wird als „Feiertag der nationalen Arbeit“ begangen. Einen Tag später werden die Gewerkschaften zerschlagen. 10. Mai: Die Machthaber lassen öffentlich Bücher vor allem linker und jüdischer Autoren verbrennen. 17. Juni: Alle Jugendorganisationen werden Reichsjugendführer Baldur von Schirach unterstellt. 22. Juni: Die SPD wird verboten und damit auch die 1890 als SPD-Zeitung gegründete „Volksstimme“. 14. Juli: Das „Gesetz gegen die Neubildung der Parteien“ macht Deutschland zum Einparteienstaat. 13. September: Mit der Einrichtung des „Reichsnährstands“ wird die deutsche Landwirtschaft einer staatlichen Kontrolle unterstellt. 14. Oktober: Deutschland verkündet seinen Austritt aus dem Völkerbund und den Verzicht auf weitere Abrüstungsgespräche. 15. November: Mit Gründung der Reichskulturkammer werden alle Kulturschaffenden der Aufsicht des Reichspropagandaministeriums von Joseph Goebbels unterstellt. (Quelle: Deutsches Historisches Museum Berlin) durch das Brandenburger Tor und das Regierungsviertel. „Es ist fast ein Traum“, schreibt Goebbels, „die Wilhelmstraße gehört uns.“ Hitler handelt schnell, versucht aber noch den Schein der Legalität zu wahren (siehe Kasten). Mit Hindenburgs Tod im August 1934 reißt er auch das Amt des Reichspräsidenten an sich. Der Weg zur absoluten Macht ist frei. Am Ende seiner Schreckensherrschaft sind 60 Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg gestorben und Europas Juden in einem beispiellosen Genozid fast ausgelöscht. (dpa)
Hitlers dienstältester Minister Die steile Karriere des Magdeburgers Franz Seldte. Von Manfred Zander Adolf Hitler ist erst wenige Stunden Kanzler, als er seine Minister zu sich ins alte bismarcksche Kanzleramt bestellt. Zum Fototermin und zur abendlichen Siegesfeier. Die Kamera der Ufa-Tonwoche hält fest, wie Hitler etwas unbeholfen seine Ressortchefs versucht, für die Nachwelt zu platzieren. Gewandter wirkt Franz von Papen. Der Vizekanzler zog bei Hindenburg die Fäden für das neue Kabinett. Nun soll er links neben Hitler Platz nehmen. Aber bevor er sich niederlässt, winkt er Alfred Hugenberg zu sich, auf den Stehplatz hinter dem samtbezogenen Sessel. Langsam ordnet sich das Kabinett. Rechts neben Hitler sitzt Hermann Göring. Der Minister ohne Geschäftsbereich bildet mit Hitler und Innenminister Wilhelm Frick die nationalsozialistische Minderheit im Kabinett. Neben ihm steht Franz Seldte. Als das Foto schließlich in die Geschichte eingehen kann, prägt Seldte, groß und massig am Seitenrand stehend, das Geschehen. SA und Stahlhelm feiern gemeinsam Nichts entspricht der Wirklichkeit weniger. Zeitzeugen dürfte dies nicht so bewusst geworden sein. Seldte ist Erster Bundesführer des „Stahlhelms – Bund der Frontkämpfer“ und in nationalgesinnten konservativen Kreisen gern gesehen. Auch die Rundfunkreportage vom Geschehen in und vor der Reichskanzlei macht dies deutlich. Beide Reporter widmen dem Vorbeimarsch der braunen SA-Männer die gleiche Aufmerksamkeit wie dem der feldgrau uniformierten Stahlhelmer. Das ist bald vergessen. Am anderen Morgen gibt der Völkische Beobachter die künftige Lesart vor. Auf der zweiten Seite lässt eine Karikatur den greisen Reichspräsidenten auf ein Meer von Hakenkreuzfahnen und braunen Bataillonen schauen. Immerhin, unter der Überschrift „Der Werdegang der neuen Männer“ widmet das NSDAPBlatt auch Seldte in zwanzig Zeilen als „Gründer und ersten Bundesführers des ‚Stahlhelm‘“. Franz Seldtes Familie stammt aus der Altmark. Er selbst wurde 1882 in Magdeburg geboren, wo der Vater Wilhelm 1876 eine Fabrik für ätheri sche Öle gegründet hatte. Als Erstgeborener gilt er als Erbe der Fabrik. Er lernt früh, eigene Wünsche zurückstellen. Nichts wird es mit seinem Wunsch, Berufssoldat zu werden. Erst recht nicht, als der Vater früh stirbt. Franz Seldte ist zwölf Jahre alt. Er muss beschleunigt das Realgymnasium abschließen und eine ungeliebte kaufmännische Lehre aufnehmen. Ein anschließendes Studium muss er vorzeitig beenden, weil die Lage der Firma dramatisch ist. Als 26-Jähriger wird er Firmenchef und Familienoberhaupt. Da scheint der Krieg fast befreiend. 1914 meldet er sich beim 1. Magdeburgischen Infanterieregiment 66. Schon im Spätherbst sind die Reihen der Maschinengewehrkompanie gelichtet. Seldte wird Kompanieführer, der dritte seit Kriegsbeginn. In der Sommeschlacht 1916 verliert er seinen linken Arm. Er wechselt in eine Propagandaabteilung. Über sein Kriegserleben schreibt er drei dicke Bücher. „Der Krieg hat uns Frontsoldaten zu neuen Menschen, zu einem Volk im Volke gemacht“, schreibt er im Vorwort seinem Sohn. Als Fronturlauber erlebt er in Magdeburg das Ende des Kaiserreichs. Die „Schweinerei der Revolution“ macht er als Schuldige an der deutschen Niederlage aus. Am 25. Dezember 1918 gründet er mit fünf Gleichgesinnten in seiner Heimatstadt den „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“, am 10. September 1919 an gleicher Stelle den Reichsbund. Aus einem romantisierenden Haufen alter Krieger wächst ein straff organisierter Wehrverband. Hass auf die Weimarer Republik Eine Woche vor Beginn seiner Ministerkarriere in Hitlers Kabinett schreibt Seldte in seinem monatlichen Rundbrief an die Stahlhelm-Führer: „Wenn die anderen Menschen versagen und der Nation keine Führer stellen können, bleibt nichts anderes übrig, als die Führer aus dem Soldatentum zu holen. Ganz besonders aus dem Frontsoldatentum.“ Er warnt die anderen Stahlhelmer davor, nein zu sagen, weil sie meinen, das müssten andere machen: „Andere sind nicht da.“ Was wie eine seherische Gabe wirkt, dürfte eher die Kenntnis der Pläne Hindenburgs gewesen sein. Das lässt Seldte in einem Gespräch mit Heinrich Baron, dem Politischen Redakteur der Magdeburgischen Zeitung, durchblicken. „Es war für uns selbstverständlich, dass wir vom Stahlhelm uns zur Verfügung stellten, als der Ruf Hindenburgs an uns erging“, zitiert Baron am 2. März 1933. „Sie erinnern sich gewiß noch an Harzburg“, sagt der Minister zum Redakteur. „Damals haben wir den ersten Versuch gemacht, die nationale Front zu einigen, um sie einsatzfähig zu machen.“ In der Harzburger Front verbündeten sich 1931 die NSDAP Hitlers, die Deutsch-Nationale Volkspartei Hugenbergs und der Stahlhelm Seldtes, um die Weimarer Republik zu bekämpfen. Systematisch hat Seldte den Stahlhelm nach rechts gerückt. Schon im September 1928 erklärt die Führung des Frontkämpferbundes: „Wir hassen mit ganzer Seele den augenblicklichen Staatsaufbau, seine Form und seinen Inhalt.“ Es bleibt nicht bei Worten. Stahlhelm-Mitglieder bauen Waffenlager auf, treffen sich zu militärischen Übungen und sammeln für verbotene Reichswehr-Unternehmungen. Als Deutschland 1923 von Hitler-Putsch, Inflation, Ruhrgebietsbesetzung der Franzosen und von kommunistischen Aufständen erschüttert wird, versucht Seldte seinen DVPParteifreund Gustav Stresemann zum Staatsstreich zu überreden. „Im Namen von Millionen ehemaliger Soldaten“ forderte der Stahlhelm-Führer den Reichskanzler am 4. November dazu auf, „nunmehr umgehend eine Dikatur zu schaffen“. Auch Hindenburg bekommt Post. „Im Namen des Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, der sich eins weiß mit der Mehrheit der arbeitswilligen und aufbaubereiten Deutschen, bitten wir Euer Exzellenz inständigst, die von Parteien unabhängige autoritäre Form der Staatsführung zu erhalten“, schreiben Seldte und sein Stellvertreter Theodor Düsterberg am 18. November an den Reichspräsidenten. Düsterberg, zweiter Bundesvorsitzender und Chef des Stahlhelms in Halle, hatte sich noch kurz zuvor für die DNVP um das Amt des Reichspräsidenten bemüht – als Gegenkandidat Hindenburgs und Hitlers. Er bekommt nur 6,8 Prozent der Stimmen – auch, weil die halleschen Nationalsozialisten einen jüdischen Großvater entdecken. Pikant: Düsterberg hatte im Stahlhelm – gegen den Widerstand Seldtes – die Einführung eines Arierparagrafen durchgesetzt. Bereits im Frühjahr 1933 entledigt sich Seldte seines langjährigen Mitstreiters und Konkurrenten. Aber auch für den Stahlhelm selbst ist der 30. Januar 1933 der Anfang vom Ende. Am 26. April verkündet Seldte im Rundfunk seinen Beitritt zur NSDAP. 314 000 der mehr als 500 000 Stahlhelm-Mitglieder führt er als Reserve in die SA ein. Der Rest heißt nun Nationalsozialistischer Deutscher Frontkämpferbund (Stahlhelm). Der Minister überlebt seinen Kanzler Das Ende kommt schnell. Am 7. November 1935 schreibt Hitler einen Brief an Seldte. Er verweist auf den Neuaufbau der Wehrmacht: „Unter diesen Umständen halte ich die Voraussetzungen für eine Weiterführung des ‚Stahlhelm‘ als nicht mehr gegeben.“ Seldte antwortete am selben Tag: „Meine Kameraden und ich sind besonders dankbar dafür, daß Sie die Reinheit unseres Wollens anerkennen, indem Sie den Angehörigen des Stahlhelm den Eintritt in die Partei und ihre Gliederungen ermöglichen.“ Noch im gleichen Jahr bietet Seldte Hitler den Rücktritt von all seinen Ämtern an. Vergebens. Er bleibt Arbeitsminister, Reichskommissar für den freiwilligen Arbeitsdienst, preußischer Arbeitsminister, preußischer Staatsrat und Reichstagsmitglied. Seine Ministerkarriere überlebt die Kanzlerschaft Hitlers. Als am 2. Mai 1945 in Schleswig-Holstein ein neues Kabinett unter dem aus Rathmannsdorf bei Staßfurt stammenden Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk gebildet wird, ist auch Seldte dabei. Am 23. Mai 1945 werden die Kabinettsmitglieder von den Alliierten verhaftet. Franz Seldte soll in Nürnberg vor Gericht kommen. Er sitzt bereits in der Zelle, abgemagert, ein krankes Häuflein Unglück. Die Alliierten verlegen ihn ins Krankenhaus nach Fürth. Dort stirbt Hitlers dienstältester Minister am 1. April 1947.
Das Ermächtigungsgesetz – Todesstoß für die Demokratie Am 23. März 1933 beschließt der Reichstag ein Gesetz, das den Nazis den Weg zur Diktatur frei macht Um 19.52 Uhr ist die Demokratie endgültig tot. „Es haben gestimmt mit Nein 94 Abgeordnete, mit Ja 441 Abgeordnete“, ruft Reichstagspräsident Hermann Göring in den Saal der Krolloper in Berlin. „Somit ist das Ermächtigungsgesetz mit der verfassungsmäßigen Mehrheit von 441 Stimmen angenommen.“ Stürmischen Beifall und Heil-Rufe bei den Nationalsozialisten vermerkt das Sitzungsprotokoll an dieser Stelle. Beim nochmaligen Zählen sind es am Ende sogar 444 Ja-Stimmen, die vor 80 Jahren den Weg in die Diktatur frei machen. Da der Reichstag abgebrannt ist, findet die Sitzung in der nahe gelegenen Krolloper am Brandenburger Tor statt. Die Stimmung ist aufgeheizt. Besonders SA-Leute machen den Weg in das Gebäude für die SPD-Abgeordneten zum Spießrutenlauf. Der spätere Vorsitzende Kurt Schumacher überzeugt die Fraktion, der Sitzung nicht aus Angst vor Repressalien fernzubleiben. Sie will komplett mit Nein stimmen. Der bis heute ungeklärte Reichstagsbrand spielt der NSDAP in die Hände: Sie beschwört das kommunistische Gespenst und eine Gefahr für das Vaterland. Das zu behan delnde „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ umfasst nur fünf Punkte. Unter Punkt eins heißt es lapidar: „Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden.“ Es ist der Freifahrtschein für Adolf Hitler. Gegenwehr der SPD bleibt zwecklos Der 23. März 1933 wird für das bürgerliche Lager zur Kapitulation vor Hitler: Weil die katholische Zentrumspartei und die bayerische Volkspartei und die deutsche Staatspartei zustimmen, schafft die NSDAP die Mehrheit. Wenn heute die SPD-Abgeordneten im Reichstag zur Fraktionssitzung laufen, kommen sie an einer weißen Wand vorbei, auf der in schwarzer Schrift die Namen aller 94 Abgeordneten stehen, die damals mit Nein stimmten. Getagt wird im Otto-Wels-Saal. Unvergessen sind die entscheidenden Worte des damaligen Fraktionsvorsitzenden Wels in seiner Rede am 23. März 1933 zum Ermächtigungsgesetz: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Die Gewerkschaften wurden wenig später gleichgeschaltet, die SPD im Juni verboten. Recht wurde nun in Deutsch land, was Hitler für Recht hielt. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte nach der „Ermächtigung“ zufrieden in seinem Tagebuch: „Jetzt sind wir auch verfassungsmäßig die Herren des Reiches.“ (dpa)
Der befohlene Volkszorn 1933 ließ die NSDAP jüdische Geschäfte boykottieren Von Manfred Zander Der 1. April ist ein Sonnabend. „Da is Marcht uff‘m Marcht“, wie die Magdeburger es mundartlich beschreibenen, wenn auf dem Alten Markt vor dem Rathaus Bauern und Händler der Umgebung Wochenmarkt abhalten. Eier gibt es „von sieben Pfennig an“, wie die Magdeburgische Zeitung schreibt, „Butter das halbe Pfund zu 53 – 60 Pfennig“. Kochfleisch kostet 80 Pfennig, Schmorfleisch 90, Rotbarsch gibt es für 35, Kabeljau und Seelachs für 18 Pfennig. Hühner sind „reichlich vorhanden“ und kosten das Pfund 90 Pfennig oder eine Mark. Für die Hausfrauen der Provinzhauptstadt ist der Marcht uff‘m Marcht ein Preisparadies. Und so können die Händler über Kundschaft und Arbeit nicht klagen. Da bleibt kaum Zeit, den Kopf zu heben. Wer es dennoch schafft, einen Blick durch den engen Ausgang des Alten Marktes auf den Breiten Weg zu werfen, sieht an diesem Vormittag Erstaunliches. Vor dem Kaufhaus Barasch drängen sich die Menschen noch viel dichter als auf dem Alten Markt. Doch treibt nicht Kauflust die Magdeburger und Besucher von den umliegenden Dörfern und Kleinstädten auf die alte Magdeburger Prachtstraße, sondern die Neugier. Die Magdeburgische Zeitung schreibt in der sonnabendlichen Mittagsausgabe, es habe ein „ungeheurer Andrang von Menschen“ geherrscht. „Der von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei eingeleitete Abwehrkampf gegen die Greuelproganda im Auslande setzte auch in Magdeburg um 10 Uhr ein“, ist zu lesen. Plan von Hitler und Goebbels Mit den Begriffen „Abwehrkampf“ und „Greuelpropaganda“ greift die Magdeburgische Zeitung auf das Vokabular der NSDAP-Führung zurück. Nachdem im Ausland zunehmend Kritik an Gesinnungsterror und die Verfolgung Andersdenkender in Deutschland geübt wurde, dachten sich Adolf Hitler und Joseph Goebbels diese gesetzwidrige Aktion aus. „Wir werden gegen die Auslandshetze nur ankommen, wenn wir ihre Urheber oder doch wenigstens Nutznießer, nämlich die in Deutschland lebenden Juden, die bisher unbehelligt blieben, zu packen bekommen“, trug der zu der Zeit noch taufrische Propagandaminister Goebbels am 31. März 1933 in sein Tagebuch ein. „Wir müssen also zu einem groß angelegten Boykott aller jüdischen Geschäfte in Deutschland schreiten.“ Hitler höchstselbst adelte im Kabinett den üblen Gewaltakt als „Abwehraktion“. Sonst wäre „die Abwehr aus dem Volk heraus von selbst gekommen“ und hätte „leicht unerwünschte Formen angenommen“. Dennoch soll der Boykott als Volkszorn erscheinen. Und die Saale-Zeitung aus Halle titelt denn auch wunschgemäß bereits im Vorfeld am 28. März auf Seite 1: „Volksbewegung gegen Deutschlands Verleumder.“ Die Magdeburgische Zeitung dokumentiert den Ablauf des Boykotts in der Provinzhauptstadt: „SA.-Leute zogen mit großen Plakaten durch die Straßen, auf denen in kurzen Sätzen auf den Abwehrkampf gegen die Greuelpropaganda hingewiesen wurde. Die Hausschilder der jüdischen Ärzte und Rechtsanwälte wurden, soweit nicht vor den Häusern ebenfalls SA- und S.-Posten standen, mit kleinen roten Zetteln beklebt, auf denen stand: ,Achtung! Jude!‘“ Nicht immer verlief die Aktion wie seitens der Organisatoren gewünscht. So hielt der MZ-Reporter fest: „Ein kleiner Zwischenfall ereignete sich kurz vor 11 Uhr vor dem Schuhhaus Rheingold, wo einige Frauen, die das Geschäft betreten wollten, mit lauten Rufen wie: ,Pfui!‘ und „Verräter!‘ aus der Menge bedacht wurden. Diese Firma schloß daraufhin ebenfalls ihre Geschäftsräume.“ Das hatten zu diesem Zeitpunkt bereits andere jüdische Geschäftshäuser getan, die Firma Siegfried Cohn etwa und das Kaufhaus Barasch. Beide Häuser (außerdem die Kaufhäuser epa, Woolworth und das Konfektionshaus Wertheimer) waren bereits drei Wochen zuvor – am 10. März – von SA-Leuten gestürmt worden, um die Geschäfte zwangsweise zu schließen. Damals schritt die Polizei noch ein. Am 1. April beschränkten sich die blauuniformierten Beamten auf die Regelung des Verkehrs. „Jüdisch“ wird zu einem Makel Auch in der Universitätsstadt Halle verläuft dieser Tag nicht anders als in Magdeburg, dem politischen und wirtschaftlichen Zentrum der preußischen Provinz Sachsen. Der Reporter der Hallischen Nachrichten erlebt schon am Vorabend des Boykotts „eindrucksvolle Kundgebungen der NSDAP“ mit „Tausenden von Menschen“. Und am Sonnabend sieht er eine „disziplinierte Durchführung des Abwehrboykotts“ und „keinerlei Zwischenfälle“. Aber da irrt der Reporter. Am Sonntag nämlich berichtet das Blatt genau über solche Zwischenfälle und nennt sie „bedauerliche Fehlgriffe“. Von einem sind auch Verlag und die von Konrad Pohl geleitete Redaktion der Hallischen Nachrichten betroffen. Vor dem Unternehmen in der Großen Ulrichstraße und vor der Geschäftsstelle in der Leipziger Straße stehen SA-Wachen und rufen mit Plakaten dazu auf, das Blatt zu boykottieren. Am anderen Tag meldet sich die Zeitung „In eigener Sache“ zu Wort und beteuert: „Die Hallischen Nachrichten sind kein in jüdischem Besitz befindliches, sondern rein deutsches und christliches Unternehmen.“ Auch in der Inhaberfamilie (des süddeutschen Großverlegers Huck, d. Verf.) gebe es keine Juden. „Im ganzen Betrieb der Hallischen Nachrichten ist kein einziger Jude beschäftigt“, beteuert das Blatt abschließend. Heute Kunde, morgen Boykottopfer Auch im Faber-Hochhaus in der Magdeburger Bahnhofstraße, dem Sitz des Faber-Verlages, herrscht dicke Luft. Der staatlich gelenkte Wirtschaftskrieg gegen jüdische Geschäftsleute kommt für den Verlag zur Unzeit. Viele der boykottierten Geschäftshäuser sind bei Anzeigenchef Otto Wünschmann gern gesehene Kunden. Erst eine Woche vor dem Boykott hatte das Kaufhaus der Gebrüder Barasch dreiviertelseitige Anzeigen in den beiden Faber-Blättern Magdeburger General-Anzeiger und in der Magdeburgischen Zeitung geschaltet. Dringend benötigtes Geld für Aufsichtsratschef Henning Faber. Die Minderheitsaktionäre aus der Familie Hamm setzen ihn unter Druck, die Magdeburgische Zeitung einzustellen. Das ist 1930 bei der Vereinigung von Faber mit der hammschen Generalanzeiger GmbH für den Fall beschlossen worden, dass die MZ drei Jahre hintereinander gewinnlos bleibt. Die Frist ist abgelaufen und das publizistische Flaggschiff des Verlags schreibt weiter rote Zahlen. Und schließlich – der Boykott vom 1. April ist Geschichte – schwingt das in Magdeburg erscheinende nationalsozialistische Tageblatt die antijüdische Keule gegen die Faberblätter. Damit sieht Henning Faber sein Unternehmen in die Ecke politisch oder rassisch Missliebiger gestellt. Auf der ersten Seite des Magdeburger General-Anzeigers wenden sich am 7. Mai Verlag und Redaktion unter dem Titel „Die Lüge geht um!“ an die Leser: „Der General-Anzeiger ist ein rein christliches Unternehmen“, heißt es da. „Weder unter den Leitern des Verlages noch in seiner Redaktion befand oder befindet sich ein einziger Jude“. Die Fabers dürften das Schicksal der sozialdemokratischen Konkurrenz vor Augen gehabt haben. Am 3. April war das Gebäude der Volksstimme, die zu diesem Zeitpunkt längst verboten war, von der SS gestürmt worden. Ein erster Schritt zum Holocaust Der Boykott gegen die jüdischen Geschäftsleute wird von der NSDAPFührung früher als vorgesehen abgeblasen, weil die Bevölkerung trotz der Massenaufläufe passiv blieb und auch bei gutem Willen von Volkszorn nicht die Rede sein kann. Aber der erste Schritt zur Ausgrenzung und Vernichtung der Juden ist gesetzt. Die nächsten sind einen Tag vor dem Boykottauftakt im Sitzungssaal des Magdeburger Rathauses zu erleben. Dort steht ein Antrag der Fraktion der NSDAP zur Abstimmung. Er fordert, Juden aus städtischen Verwaltungen und Betrieben unverzüglich zu entlassen, städtische Lieferungen und Aufträge an jüdische Firmen nicht mehr zu erteilen, die Bereitstellung städtischer Räume an Juden und jüdische Vereine zu unterbinden, in städtischen Schulen einen numerus clausus für jüdische Kinder einzuführen, jüdische Lehrer an städtischen Schulen zu entlassen. Der Antrag ist eine Vorwegnahme staatlicher Regelungen. Er wird angenommen, einzig die Sozialdemokraten stimmen dagegen. Schon ein paar Monate später sind die ersten der eben noch boykottierten Geschäfte enteignet; arisiert, wie es nun NS-amtlich heißt. Zu diesem Zeitpunkt wohnen in Magdeburg etwa 2400 jüdische Bürger. Viele fliehen in den folgenden Jahren aus Deutschland. Bis 1945 werden 1521 jüdische Magdeburger Opfer der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Von den etwa 1000 jüdischen Hallensern überleben 49 den Holocaust.
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Hallo, da hat der Redakteur der Vosti nicht ordentlich recherchiert. Der ,,Gröfaz" war wohl auch am 18.Dezember 1932 nochmals in Magdeburg. Jedenfalls legt dies ein Artikel im Altmärkischen Hausfreund Kalender für 1938 nahe. MfG Wirbelwind
Ja so erzählt man sich seit Jahren, das der östereichische Gefreite die rote Stadt nur einmal besuchte. Aber offensichtlich gab es doch ein Zweites Mal.
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So berichten seine Getreuen in den schwarzen Jacken.
Ich habe nochmals recherchiert. Demzufolge war Adolf Hitler dreimal in Magdeburg. Alle drei Besuche fanden vor 1933 statt.
Am 2. Juni 1925 war Hitler das erste Mal in Magdeburg. Im Herrenkrugpark weihte er eine SA-Sturmfahne. Teilnehmer an dieser "Weihe" waren, neben SA-Angehörigen und Begleitern Hitlers, der spätere NSDAP-Kreisleiter Krause, der spätere Stadtrat Becker und die späteren Ratsherren Burkhardt und Lünecke. Ein größerer Auftritt Hitlers in Magdeburg war mit der Fahnenweihe nicht verbunden. Möglicherweise war der Respekt vor der "roten" Stadt zu dieser Zeit noch zu groß. Nach einem im Rossijskij Gosudarstvennij Wojennij Achiv (Fond 519, Opis 1, Delo 1a, Blatt 130) befindlichen Brief von Rudolf Heß vom 22. 5. 1925 war der Hitlerbesuch ursprünglich für den 6. Juni geplant und strenge Geheimhaltung gefordert.
Am 22. Oktober 1932 trat Hitler auf einer NSDAP-Wahlkampf-Versammlung in Magdeburg auf (Magdeburgische Zeitung vom 23. 1 0.1932, "Adolf Hitler in Magdeburg"). Er spricht in der Stadthalle von 1 7.45 bis 1 8.45 Uhr. An der Versammlung nahmen laut amtlicher Schätzung etwa 15.000 Menschen teil ( Völkischer Beobachter [VB]: 35.000 ). Vor Hitler sprachen der Ministerpräsident von Anhalt, Alfred Freyberg (NSDAP), und der Landesinspekteur Mitteldeutschland-Brandenburg der NSDAP, Wilhelm Friedrich Loeper. Auch das anliegende Schützenhaus und der Ehrenhof waren mit Zuhörern gefüllt. Laut Volksstimme wurden vor der Veranstaltung aus einem Wagen der Autokolonne Hitlers mehrere Passanten mit Peitschen geschlagen. Vgl. auch Volksstimme vom 24. 10. 1932, "Hitler mit der Raubtierpeitsche"; Magdeburgische Tageszeitung vom 25. 10. 1932, "Adolf Hitler spricht in Magdeburg"; VB vom 25. 10. 1 932, '"Wer auf unsere Fahne schwört, hat nichts mehr, was ihm selber gehört'" Anschließend trat Hitler mit einer Rede auf einer NSDAP-Versammlung in Stendal auf (Der Altmärker vom 24. 10.1932, "Adolf Hitler in Stendal")
Am 18. Dezember 1932 hielt Hitler eine Rede auf der Amtswalter-Versammlung des Gaues Magdeburg-Anhalt der NSDAP in Magdeburg (Magdeburger Tageszeitung vom 20. 12. 1932 (2. Beilage ), "Adolf Hitler in Magdeburg"). Die Veranstaltung fand in der Stadthalle ab 11.00 Uhr statt. An der Versammlung nahmen über 4.000 Amtswalter sowie Angehörige von SA und SS teil. Vor und nach Hitler, dessen Rede etwa eine Stunde dauerte, sprach Gauleiter Wilhelm Friedrich Loeper. Wie alle anderen Amtswalter-Versammlungen so endete auch diese mit einem "Treuegelöbnis für den Führer". Den meisten Zeitungsberichten zufolge verlief diese Versammlung ohne Störung. Früher war nicht alles besser. Heute auch nicht. HUGO
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