Nach über 50 Jahren erinnert Gedenkstein an gefallenen Pilot
Von Gabi Müller
Burg/Reesen. Am 2. März 1945 fand der letzte große Luftkampf über Burg statt. Vier Flieger wurden (von insgesamt 13 Abschüsse) in der Nähe Burgs, zwei über Möckern und einer bei Madel von den Amerikanern abgeschossen. Einer der abgeschossenen Flieger war Alfred Appel. Er fand nach über 50 Jahren in Reesen seine letzte Ruhestätte. Zu verdanken hat der am 2. März 1945 gefallene Jagdpilot seinen Grabstein dem Burger Hobby-Luftkriegshistoriker Werner Dietrich. „Ich kenne die ungefähre Absturzstelle seit März 1945, weil ich damals mit meinem Vater dort zur Jagd ging“, erinnert sich Dietrich an das traurige Erlebnis in seiner Kindheit. „Ich wusste immer, dass der Pilot noch in der Maschine ist“, ergänzt er. Da ihn das Schicksal des damals jungen Piloten interessierte, forschte er nach und erfuhr den Namen des Piloten und dass er am 25. Dezember 1919 in Troppau in der Tschechei geboren wurde. Tatsache ist, dass ohne Dietrichs Initiative Unteroffizier Appel noch heute als vermisst gelten würde. Er veranlasste am 9. Oktober 1999 die Ausgrabung der Maschine und des Piloten auf dem Acker bei Reesen (Volksstimme berichtete 3.2.2001). Am 9. Oktober 1999 wurde Appel im Beisein zahlreicher Dorfbewohner auf dem Reesener Friedhof beigesetzt. Er wurde in ein bereits bestehendes Soldatengrab gelegt. „Alfred Appel sollte aber einen richtigen Grabstein haben, auf dem jeder sofort erkennen kann, dass es sich um einen gefallenen Soldaten handelt“, erklärte Werner Dietrich, der nun mit drei Männern eine Arbeitsgemeinschaft gegründet hat. Neben den Burger gehören der kleinen Gruppe die Reesener Frank Illies, Manfred Ebert und Frank Fischer an. Die vier Männer sorgten für einen neuen Grabstein und pflegen seitdem die Grabstelle. Doch wer oder was erinnert an die Absturzstelle?, überlegte das Männerteam. Ein Gedenkstein, hieß die Antwort. Ende des vergangenen Jahres wurde der Stein exakt auf der Absturzstelle, die sich auf dem Acker von Manfred Ebert befindet, aufgestellt. Frank Illies sorgte für die Beschriftung des Gedenksteins und die Gärtnerei Frank Dietrich für die passenden Pflanzen. Bild entfernt (keine Rechte)
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Ein dichter Schleier des Geheimnisses lag bislang über der 10. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 11 (10./NJG 11). Der einzige mit Strahlenflugzeugen des Typs Me262 ausgerüstete Nachtjagdverband der deutschen Luftwaffe, auch Nachterprobungsstaffel Me262 oder Kommando Welter genannt, findet sich in einschlägigen Veröffentlichungen nur andeutungsweise, waren doch die wenigen daran Beteiligten und heute noch Lebenden in der DDR zu Hause und für westliche Historiker somit unerreichbar. Einer jener Piloten dieser Staffel, die im Frühjahr 1945 im Raum Berlin gegen die überaus schnellen Mosquito-Bomber eingesetzt war, ist Kurt Lamm (später Flugkapitän der INTERFLUG). Er schrieb seine Erlebnisse im Kommando Welter exklusiv für die Leser der FLIEGERREVUE nieder.
Kurze Vorgeschichte Ende August 1943 fand ich mich auf der Blindflugschule Altenburg ein, um gemeinsam mit anderen im Instrumentenflug erfahrenen Fluglehrern im Schnellverfahren für die Scheinwerfer Nachtjagd „Wilde Sau“ ausgebildet zu werden. Hier traf ich Kurt Welter wieder, der später mit 36 Abschüssen in der Nacht und etwa 15 am Tage nicht nur zu den bekannten Nachtjägern der deutschen Luftwaffe zählte, sondern auch für meinen fliegerischen Einsatz eine gewisse Bedeutung erlangen sollte. Wir gehörten der Gruppe FW190 an, die im Herbst 1943 von Husum/Schleswig-Holstein aus Me110 Nachtjäger bei der hellen Nachtjagd unterstützte. Diese waren nur aus der Überhöhung in der Lage, die Mosquito-Schnellbomber anzugreifen. Unserer Gruppe standen für diese Aufgabe nur wenige Maschinen zur Verfügung das entsprach übrigens auch der prekären Situation in der Nachtjagd insgesamt-, weshalb wir anfangs von der ebenfalls in Husum stationierten Tagjagdstaffel einige Fw190 für unsere Einsätze übernehmen mussten. Diesen fehlte das sowohl für den Steig- und Sinkflug bei Nacht als auch für die nächtliche Landung so wichtig Variometer. Nach Husum sah ich Welter, der fast von jedem Einsatz einen Abschuss mit nach Hause brachte zunächst nicht wieder.
Abgeschossen von Liberator-Bomber Mich hatte man inzwischen der Nachtjagdgruppe 301 unter Ritterkreuzträger Oberleutnant Fulda zugeteilt, die auf Me109 die Stadt Wien vor alliierten Luftangriffen schützen musste, ein hoffnungsloses Unterfangen, das für mich fast ein tödliches Ende genommen hätte. Im März 1944, ich war gerade 25 Jahre alt geworden näherte sich aus Italien rund 350 B-24 Liberator begleitet von 300 mit Zusatztanks ausgestatteten P47 Thunderbolt der Stadt. Gegen diesen Riesen-Pulk startete unsere Gruppe mit kaum mehr als 60 Flugzeugen, darunter auch wir 15 Nachtjäger, die nur wenig Tagjagderfahrung besaßen. Aus dem Luftkampf-Karusseell mit den Thunderbolt’s löste ich mich aus der Rückenfluglage mit einem Abschwung, um überraschend aus der Sonne kommend, den linken Flügel eines aus etwa 25 Bombern bestehenden Liberator-Verbandes angreifen zu können. Den Linksaußen schoss ich noch heraus, zog dann steil hoch und flog, ganz um Siegesrausch nochmals an. Ein Fehler , denn ein Tagjäger niemals begangen hätte und der mir nun zum Verhängnis wurde. Denn gewarnt durch meinen ersten Anflug, richteten die Liberator-Besatzungen nun alle verfügbaren Rohre auf mich. Das Ergebnis: Mit der brennenden Me109 ging es abwärts, mit dem Fallschirm landete ich im nächsten Wipfel eines Fichtenwaldes. Erst Ende Februar 1945, nach langem Krankenhaus und Lazarettaufenthalt wurde ich wieder flugtauglich geschrieben, und man verordnete mir in Jüterbog, die Frontfliegersammelstelle Quedlinburg
Mit fünf Platzrunden auf die Me262 Kurz vor meiner Abreise dorthin traf ich Oberleutnant Welter wieder, an dessen Hals inzwischen das Ritterkreuz mit Eichenlaub baumelte. Er begann sofort von seiner neuen Aufgabe zu schwärmen, dem Aufbau einer mit Me262 ausgerüsteten Nachtfliegerstaffel. Erstaunt war er jedoch, als er im Gespräch merkte, dass auch ich über die Entwicklungsgeschichte dieses Flugzeuges gut Bescheid wusste, und plötzlich sagte er in seiner forschen Art: „Dich brauche ich, ein erfahrener Fluglehrer, mit vielen geflogenen Typen und „Wilde Sau“-Erfahrung. Du kommst mit der Me262 im Nachteinsatz klar. Ich habe alle Vollmachten direkt von Göring, und hole mir sofort vom OKL (Oberkommando der Luftwaffe, d. A.) die Genehmigung, dass Du mir zugeteilt wirst.“ Mein ursprünglicher Vorsatz, mich von Quedlinburg aus nicht mehr „verheizen“ zu lassen, war damit wie weggeblasen. Ich hatte Feuer „gefangen“ und wollte unbedingt die schnelle Maschine der Welt auch selbst fliegen. So ging es auf direktem Wege nach Burg. Zu jenem Zeitpunkt war ich jedoch schon nicht mehr derselbe, der seinerzeit für „Führer, Volk und Vaterland“ mit dem Lied „Deutschland, heiliges Wort, du voll Unendlichkeit“ auf den Lippen, in den Krieg gezogen war. Die jugendlichen Ideale und Hoffnungen, die sich für mich mit dem national „sozialistischen“ Deutschland verbanden, waren bereits erschüttert, wenn nicht sogar begraben. Absehbar bereits dessen Ende wollte ich aber doch noch die neue Technik kennenlernen. Zu meiner Rechtfertigung redete ich mir damals ein, dass ich mit diesem leistungsfähigen Flugzeug etwas gegen den alliierten Bombenterror und damit für den Schutz der Berliner Bevölkerung tun können. Die Sinnlosigkeit unserer Flüge wurde mir erst viel später bewusst, denn selbst ein massiver Einsatz von Strahlflugzeugen hätte zu jener Zeit am Ausgang des Krieges nichts mehr ändern können. Mit meinem Eintreffen in Burg zählten wir fünf Flugzeugführer. Später kam noch Leutnant Herbert Altner hinzu, der die mit Lichtenstein-Funkmeßgerät ausgerüsteten Doppelsitzer Me262 B-1a/U1 flog. Am Steuer dieser speziellen Nachtjäger saß gelegentlich auch als einziger von ins Einsitzer-Piloten Oberleutnant Welter, dessen Kommando bei meiner Ankunft schon drei erfahrene Nachtjäger durch ungeklärte Abstürze verloren hatte. Die technische Einweisung auf die Me262 übernahm der Technische Offizier Ruff, die flugtheoretische Welter selbst. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass laut Befehl des OKL vom 11. November 1944 zwei Düsen-Nachtjagd-Erprobungskommandos zu b bilden seien: ein Kommando unter Welter mit der Me262, ein zweites mit der eigentlich als Aufklärer- und Schnellbomber gedachten Arado Ar 234 unter Hauptmann Bisping. Aber während Welter bereits im Dezember 1944 auf der Me262 seine ersten Abschüsse erzielt hatte, kämpfte das in Oranienburg stationierte Arado-Kommando noch immer mit den Schwierigkeiten an der Antennenanlage des FuG218. Wie ich außerdem erfuhr, hatte Welter inzwischen in Rechlin die Ar234 fliegen, aber aus Sicherheitsgründen ihren Einsatz als Nachtjäger nicht empfehlen können. Deren verglaste Bugkanzel führte zu Lichtverspiegelungen, die insbesondere die Landung bei Dunkelheit erschwerten, zudem blieb der Pilot wegen der Verglasung vor den umher fliegenden Teilen abgeschossener Flugzeuge gänzlich ungeschützt. Zurück zur Messerschmitt. Bei der Einweisung machte mich Ruff darauf aufmerksam, dass die Triebwerke dieses Typs noch einige „Kinderkrankheiten“ aufwiesen. Diesen Fakt ergänzend, erklärte Welter, dass das Flugzeug auch für mich noch Überraschungen bereithalten würde. Nach dem Studium der Schemata und unter Beherzigung aller Ratschläge flog ich am Tage zwei Platzrunden denen drei in der Nacht folgten. Damit war ich Nachtjäger im Kommando Welter denn Doppelsitzer für die Einweisung, wie bei den Tagjägern üblich, gab es bei uns nicht, Auch war der Kraftstoff J-2- heute saht man Kerosin dazu- knapp und wurde dringender für die Einsätze benötigt.
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Auf Mosquito-Jagd Nachdem ich aus Zerbst eine Me262 abgeholt hatte, startete ich zu meinem ersten Einsatzflug. Aus Platzgründen schilderte ich nur diesen sowie meinen letzten von Lübeck aus, um dem Leser den notwendigen Einblick in die damaligen Besonderheiten der Nachtjagd mit Strahljäger zu ermöglichen. Wir starteten mit vier Maschinen, die gefürchteten Mosquito-Bomber befanden sich bereits im Anflug auf Berlin. Bei der Befehlsausgabe hatte Welter betont: „Sie starten als letzter. Dadurch sind wir beim Rückflug vor Ihnen. Die Pistenbefeuerung wird dann wieder eingeschaltet sein, und die Flakscheinwerfer bilden auf der OMS (Anfluggrundlinie; d.A.) die Durchflugtore!“ Schon nach dem Anheben erlebte ich eine der von Welter angekündigten Überraschungen. Das Fahrwerk fiel wieder heraus! Blitzschnell drückte ich nach, um keinen Geschwindigkeitsverlust zuzulassen, und betätigte erneut den Druckknopf für das Einfahren des Fahrwerks. Glücklicherweise blieb es jetzt in den Schächten, und ich setzte mit einer Steigrate von 20m/s den Flug in Richtung Berlin fort. Schon kurz vor Berlin, die Scheinwerfer-Batterien tasteten weithin sichtbar den Himmel nach den Bombern ab, hörte ich über Funk Welters „Horrido!“ – Abschuss. Manchmal rief er auch das eigentlich nur bei den Tagjägern übliche „Paucke!“ Nun griff auch ich in den Kampf ein und schickte eine Mosquito als brennende Fackel in die Trümmer Berlins. Noch einmal war dann Welters „Horrido!“ zu hören. Auf dem Rückflug nach Burg plötzlich die Warnung „Haifische am Platz!“ im Klartext bedeutet dies: Mosquito-Nachjäger lauern über den Platz auf Euch! Als wir nacheinander zurr Landung ansetzten, - ein Luftkampf war wegen der geringen Kraftstoffmenge in den Tanks nicht mehr möglich - kreuzten nach jedem Me262 Durchflug die auf der Anfluggrundlinie gestaffelten Scheinwerfer ihre Lichtbahnen und Leichte Flak eröffnete das Feuer. Sie traf eine Mosquito, die anderen drehten unverrichteterdinge ab. Als meine Maschine endlich im Hangar stand, wiesen die Techniker auf kleine Beulen, die sich an einer Tragflächennase nebst Triebwerkseinlauf befanden, und erklärten grinsend, dass ich hiermit meine Abschussbestätigung gleich mitgebracht hätte. Welter hingegen war gar nicht so erfreut über diese Beschädigung und kritisierte mich dafür, dass ich zu schnell an die Mosquito heran geflogen sei und zu spät geschossen habe. Weit weniger glimpflich endete diese Einsatznacht für Leutnant Altner, dessen Taktik sich grundlegend von der unsrigen unterschied. Während wir Einsitzer-Piloten mit Hilfe der Flak-Scheinwerfer gegen die Mosquitos flogen, ließ sich Altner von seinem Bordfunker mit Hilfe des Funkmessgerätes von hinten an den gegnerischen Verband heranführen. Erst dann sackte er in den Mosquito-Pulk hinein und eröffnete das Feuer. Wie ich hatte er sich dieses Mal jedoch viel zu schnell einer Mosquito genähert und nahm zu hastig das Gas zurück. Dabei verlöschten die Turbinen. Die Messerschmitt ging in steilen Gleitflug über. Altner rettete sich mit dem Fallschirm, der Bordfunker konnte nut noch tot geborgen werden. Vermutlich hatte er nach dem Ausstieg das Leitwerk gestreift, denn Schleudersitze gab es damals noch nicht.
Bis zum letzten Tropfen Am 12. April 1945 war das eingetreten, womit wir ständig rechnen mussten. Ein alliierter Luftangriff hatte den Flugplatz in Burg am 10.4.1945 unbenutzbar werden lassen. Die drei übriggebliebenen Me262 A-1 ließen wir durch eine Waldschneise auf die Autobahn ziehen und starteten von hier aus nach Lübeck. Dort waren zunächst nur ganze zwei Maschinen einsetzbar; zwei Doppelsitzer wurden von Leutnant Altner erst noch aus Staaken geholt. An einem der letzten Apriltage flog ein Mosquito-Verband über die Deutsche Bucht an und direkt über uns hinweg nach Berlin. Bei Neumond starteten Oberleutnant Peter Erhard und ich in die Dunkelheit hinein; die Platzbefeuerung durfte der gegnerischen Flugzuge wegen nicht eingeschaltet werden. Die Mosquito’s hatten sich inzwischen ihrer Bomben entledigt und drehten bei. Von Erhard hörte ich das bekannte „Horrido!“ dann schoss auch ich ein Flugzeug ab, das mit kometenhaftem Schweif in die Tiefe stürzte. Wieder suchten die Flakscheinwerfer mit ihren langen Fingern den Himmel ab, fanden aber nur noch uns beide und schalteten deshalb ab. Unsere Order lautete, in Staaken zu landen. Nach dem Abschuss hatte ich sofort die Triebwerke gedrosselt, um Kraftstoff zu sparen. In Abständen riefen Erhard und ich: „Habe großen Durst (wenig Kraftstoff, d. A.). Geben sie Autobahn (QDM mißweisende Peilung)!“ Meine 2600 Liter J-2 reichten normalerweise nur für etwas mehr als eine Stunde Flugzeit und diese Stunde war bereits überschritten! Auf die zuletzt erhaltene Peilung hin einkurvend, stellte ich fest, dass ich Staaken bereits überflogen hatte, ohne das zu bemerken. Jetzt fing ich an zu schwitzen. Immer häufiger schielte ich mit meinem Auge nach der Kraftstoffanzeige und der Borduhr. Wieder hörte ich Erhards Stimme, der irgendwo unter mir sein musste: „Habe großen Durst, machen sie Feuerwerk (Schießen Sie Leuchtsterne; d. A.)!“ Da sah ich sie endlich, die „Radieschen“, wie sie aus einem dichten Rauchschleier empor stiegen. Nun wusste ich ungefähr, wo sich der Platz befindet und „spulte“ hinunter. Noch einmal rief ich nach dem „Feuerwerk“ sah nun den Platz genau vor mir - allerdings aus dem Gegenanflug heraus. Ich prägte mir die Richtung der Landebefeuerung ein und legte das Flugzeug in die sog. Standardkurve: Nach weitem Rechtsschwenk und darauf folgender 180-Grad-Kurve betätigte ich das Fahrwerk, die Landeklappen und starrte in die Dunstschicht. Dann erleichtertes Aufatmen: Vor mir tauchte die Lichterkette der Landbahn auf! Schon beim Ausrollen verschluckte sich eine Turbine; auf halben Wege zum Flughafengebäude schwiegen dann beide. Mit einer Stunde und 23 Minuten Flugzeit hatte ich vermutlich einen neuen Rekord für Me262 im Nachteinsatz aufgestellt, doch als Heldentat empfand ich das nicht. Bis zur Ankunft der Zugmaschine saß ich erschöpft in meinem Cockpit und sinnierte darüber, ob ich meinen Verstand bereits in Burg oder erst in Lübeck zurückgelassen hatte. So deutlich wie jetzt, nach diesem Flug, war mir die Sinnlosigkeit dieser Einsätze noch nie klargeworden.
Ich fasse einen Entschluß Nach meiner Rückkehr zwang uns ein alliierter Bombenteppich auf Lübeck zur Verlegung nach Reinfeld auf der Autobahn in Richtung Hamburg. Für mich war das Ende des mörderischen Weltenbrandes greifbar nahe, den „Heldentod“ wollte ich keinesfalls mehr sterben. Als ich vor dem nächsten Einsatz zum Startpunkt rollte, war mein Entschluß gefasst. Ich rief dem Techniker zu, dass nach der Landung unbedingt die rechte Bremse nachgestellt werden müsse. Wohl fühlte ich mich nicht bei meinem Vorhaben, setzte ich mich doch der Gefahr aus, dem Kriegsgericht übergeben zu werden. Nach der Landung auf der rechten Fahrbahn ließ ich das linke Rad auf den grasbewachsenen Mittelstreifen rollen - das Flugzeug wurde aus der Richtung gezogen, überquerte die linke Fahrbahn und raste in den weichen Acker hinein - Aus. Hauptmann Welter empfing mich mit alkoholgetrübtem Blick. „Das ist Sabotage!“ schrie er mich an. Ich verwahrte mich dagegen, verlangte die Zeugenaussage des Technikers über die defekte Bremse und forderte, einen mündlichen und schriftlichen Bericht abgeben zu dürfen. Das wirkte. Welter, der offensichtlich selbst nicht mehr der alte war, schickte die anderen Offiziere aus dem Zimmer und sagte, nun schon fast kameradschaftlich: „Setz Dich. Warum hast Du mir das angetan?“ Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, entgegnete ich: „Der Krieg ist fast zu Ende. Was für Einsätze willst Du denn hier noch fliegen?“ Er darauf und schon sichtlich müde: „Diese Frage erlaube ich Dir nicht. Wir haben Befehle auszuführen und Disziplin zu üben.“ Nur allzu deutlich war ihm, der in Lübeck nur einen Flug mit Abschuss eines Fernaufklärers ausgeführt hatte, die Verzweiflung über das bevorstehende Ende anzusehen. Aber noch einmal gewann seine alte Forschheit die Oberhand: „Wir verlegen nach Schleswig; ich habe Befehl, aus Rechlin eine Me262 abholen zulassen. Du übernimmst das!“ Diesen Befehl zu verweigern wagte ich nicht. Zornig auf mich selbst, dass ich mich für diesen Schwachsinn hergab, fuhr ich zur Luftwaffen- Erprobungsstelle Rechlin, an deren Tür schon die Rote Armee klopfte. Nach der Überprüfung des Flugzeuges durch meine beiden Techniker suchte ich mir auf dem mit vielen Bombentrichtern übersäten Flugfeld die längste Startstrecke aus, rollte zum äußersten Platzrand, „stellte“ mich auf die Bremsen und fuhr die Turbinen auf Vollgas. Die Landeklappen wollte ich, um den Anrollwiderstand zu verringern, erst kurz vor dem Anheben betätigen. Dann ließ ich die Bremse los; das Flugzeug schoss nach vorn. Schmerzhaft registrierte ich die Bremswirkung jedes eingeebneten Bombentrichters, und immer naher kamen die am gegenüberliegenden Platzrand abgestellten Fieseler-Störche! Ein Knopfdruck - die Klappen fuhren aus. Ich riss die Maschine vom Boden weg, zwar noch mit Minimalfahrt, aber doch ständig an Höhe gewann. „Wieder einmal Glück gehabt“ konnte ich nur noch erleichtert seufzen. Nach der Landung in Schleswig hatte der Me262-Traum, der inzwischen zu einem Alptraum geworden war, endlich ein Ende. Die Engländer übernahmen die restlichen Flugzeuge und das Kommando Welter trat den Weg in die Kriegsgefangenschaft an. Allein Leutnant Altner hatte mit dem Fahrrad nachts rechtzeitig das Weite gesucht.
Für die Unterstützung bedanken sich Autor und Redakteur bei Herbert Altner (Naunhof) und Norber Ryczek (Berlin, damals Bordfunker auf Ju88).
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„Ich möchte ein Kleid aus dem Fallschirm“ Am 8. August 2005 veröffentlichte die Volksstimme den Artikel über den Abschuss eines „Mustang P51“-Jäger am 10.April 1945 über Burg (Jerichower Land). Rosamarie Faltin aus Calbe/Saale war damals sieben Jahre alt und hat in Burg gewohnt. Sie erinnert sich an einen – wie sie meint – zweiten Absturz am selben Tag.
Mit Interesse habe ich den Artikel von Bernd Kaufholz gelesen. Einige Angaben machten mich stutzig – Angeben zum Absturzort und zum Verbleib des Piloten. Nach nochmaligem Lesen kam ich zu dem Schluss, dass ich Zeitzeuge des Absturzes einer zweiten Maschine vom Typ „P51“ bin. Ich war sieben Jahre alt und Schülerin der 1. Klasse. In jenem Schuljahr hatte ich drei Schulgebäude kennen gelernt, zwei waren als Lazarett und Flüchtlingsunterkünfte gebraucht worden. Am 10. April war der Unterricht ganz ausgefallen. Es war um die Mittagszeit, und ich spielte auf dem Hof unseres Hauses. Schießerei und Motorengeräusche von Flugzeugen, die immer näher kamen, veranlassten mich, Deckung zu nehmen. Ich flüchtete auf eine Bank vor dem Küchenfenster und hielt mir die Ohren zu. Mit aufgerissenen Augen sah ich eine brennendeMaschine am Wohnhaus Richtung Feldscheune fliegen, den Hof und die Stallungen fast streifend. Dann hörte ich einen Knall, sah Feuerschein und Rauch. Dann liefen Arbeiter und Angestellte des Gutes Lüben sowie Feuerwehrleute zur Absturzstelle. Als sie nach geraumer Zeit zurückkamen, hatten sie in ihrer Mitte einen Piloten mit Fallschirm. Sie führten den Mann ab. Ich hörte die Tochter des Kochs betteln: „Papa, ich möchte ein Kleid aus dem Fallschirm.“ Tage später habe ich die Absturzstelle selbst gesehen.
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