Bad Lauterberger Tagesblatt ??? vom 15.04., 16.04., 17.04 und 18.04.1985 Vom 10. bis 20. April 1945: Kreis Osterode. Im Siebertal bei Herzberg war der Panzeroffizier C. Dirks, der mit seinem Fahrer im Krad unterwegs war, in jenen turbulenten letzten Kriegstagen im April 1945 von einem überholenden Kübelwagen gestoppt und als Deserteur verdächtigt worden. Er antwortete mit einer energischen Retourkutsche. Hier seine Schilderung, wie es damals weiterging: „Der Hauptmann verschwindet zu seinem Wagen, und der setzt nun zu uns zurück. Ein leibhaftiger General erhebt sich und beteuert, er sei der hier zuständige Divisionskommandeur. Ich tausche meinen Stahlhelm gegen eine Offiziersmütze und kündige ihm seine Festnahme an: Hier ist der Abschnitt 326. VGD, und deren Kommandeur kenne ich so gut, wie ich Worgi kenne. General K. wird unsicher. Schließlich beichtet er, daß er „seine Division" verloren hat. Ob ich nicht vielleicht sagen könne, wo sie abgeblieben wäre ??? Er hatte recht, ich hätte es wissen müssen. Seine Division, d.h., die Reste seiner Division, waren in der Tat in unserem Abschnitt 15 km südwestlich Herzbergs mit der Verteidigung eines Höhenzuges betraut gewesen, und man hatte sie nicht rechtzeitig zurückgenommen. Nun war der General ohne Division und suchte nach neuen Opfern. Nicht bei uns, dachten wir, und unser Leben verkaufen wir so teuer wie möglich. Der General verlegte sich aufs Verhandeln: Der Rückzug sei ja so schnell gegangen, daß das Korps noch gar keine Trennungslinien festlegen konnte, meint er. Er würde meinen, daß der Höhenzug ,,Auf dem Acker" die nördliche Korpstrennungslinie und sein Befehlsbereich sein könnte, und ob ich das nicht klären könnte? Er bäte um Entschuldigung für die Worte seines Adjudanten: Der habe nicht wissen können, daß Panzeroffiziere keine Dienstgradabzeichen außer einem Armstreifen trügen. Wir fahren zum V-Waffenwerk nach Bad Lauterberg. Dort wird der Raketentreibstoff und auch Treibstoff für die Walter-U-Boote hergestellt. Das neue große Werk in Rhumspringe ging gestern verloren, nun ist Bad Lauterberg dran. Warum kämpfen wir eigentlich noch? Um statt einer „bedingungslosen" vielleicht doch noch eine Kapitulation „mit" Bedingungen herauszuschlagen? Der Spötter Worgi sagt, um Zeit zu gewinnen für die Wunderwaffe V 4, also die 12. Armee. Wenn die dann fertig ist und zum Einsatz kommen kann, wird mit dem Westen verhandelt. (Der kleine Stabshauptmann von 1939, der Wencki aus Eisenach ist jetzt General, der wird's schon richten.) Und dann gehts gemeinsam gegen den Iwan. Na, wer das glaubt .... Warum laufen wir nicht über? Warum laufe ich nicht über? Nur, weil es heißt, dann werden die Angehörigen zur Rechenschaft gezogen? Nein, das ist es nicht, obwohl es natürlich hineinspielt. Nein, wenn es je ein Recht für einen Krieg gibt, dann doch das Recht zur Verteidigung der Heimat. Und kaum verteidigen wir die Heimat, da soll'n wir erst in Gedanken und dann in der Wirklichkeit überlaufen? Dann wäre ja der ganze bisherige Einsatz kriminell, könnte man vielleicht sagen? Gottlob hält uns der Ami so in Atem, daß wir immer 12 Stunden am Tag auf den Beinen und nachts auf der Flucht sind. Da bleibt keine Zeit zum Nachdenken. Da ist auch der Eid. Wir haben geschworen, richtiger: schwören müssen, das Vaterland zu verteidigen. Wer entbindet uns von dem Eid? Niemand! Also weitermachen, auch wenn's Blödsinn ist. Eidbrecher werden von jedem Gericht postwendend ins Jenseits befördert! Nun, jeder muß für sich entscheiden, wann er abhaut. Ich haue nicht ab. Das liegt auch an den Vorgesetzten, die meine volle Achtung haben. Da ist Worgi, da ist Bremm, der Eichenlaubträger von der 277., da ist der Major L. Solange sie kämpfen, bleibe ich auch. Notfalls also bis zum bitteren Ende. Das kommt schon zehn Tage später. Heute ist der zweite Harztag für die 11. Armee, der 11. April 1945, wir verteidigen den Raum Herzberg bis Walkenried. Panzer haben wir auch noch. Trotz Struth, wo wir 15 verloren. Die sind nun alle als Pak eingesetzt, und ich flitze als Mädchen für Alles herum zwischen Herzberg und Walkenried, sie einzusetzen, umzudisponieren, zurückzuholen. Das geschieht vor allem nachts. Die Antennen sind meist runtergeklappt, damit sie nicht von Granatsplitteern zerschlagen werden. Ersatz gibt es ja nicht mehr. Außerdem ist Strom knapp, und auf Empfang sind sie nur, wenn sie selbst feuern und dazu den Motor anlassen müssen. Spritmangel gab es eigentlich noch nicht. Wir treiben immer irgendwie irgendwo welchen auf. Verpflegung ist auch kein Problem. Kein Übermaß, aber keiner hungert. Alkoholika erhalten wir überall, wo es noch Bestände gibt. Die Bevölkerung ist teils freundlich, teils feindlich: Wir sollen weiterziehen und ihre Häuser und Orte nicht gefährden. Das tun wir sowieso nicht. Wir verteidigen immer hinter dem Ort, wenn es irgend geht. Sture Kommißköpfe sehen das anders: Oft schießt der Ami deshalb die Häuser zusammen, wenn und sobald er auch nur auf Streufeuer trifft. Einmal haben wir doch gesündigt: Das war bei Königshütte, wo wir spät ankamen. Todmüde, nachts gegen 23 Uhr. Kein Haus wollte uns Quartiernahme erlauben. Zieht weiter, macht, daß ihr wegkommt. Zum Schluß haben wir eine Verandatür aufgebrochen und bis 4 Uhr dort geschlafen. Dann haben wir den Ort nach dem Ausgang verteidigt. Mit Resten der Fallschiriqjäger von der 5. Fj. Div. Die liefen dann aber auch fast alle über, und ich konnte mir endlich ein fortgeworfenes Sturmgewehr aneignen (und eins für Worgi). (wird fortgesetzt) ________________________________________ 16.04.1985 Kreis Osterode. Als Panzeroffizier hat der heute 64jährige Hamburger C. Dirks die letzten Kriegstage im Harz miterlebt und in bisher zwei Folgen das Geschehen aus der Sicht eines kämpfenden Soldaten geschildert. Hier sein weiterer Bericht: „Am 12. kommen wir nach Wieda. Gefechtsstand schräg gegenüber der Aral-Tankstelle, die wir gegen Quittung leermachen. Ich muß auf Bremms Wunsch um 10 Uhr noch durch Bad Sachsa fahren * und berichten, wo ich auf den ersten Ami getroffen bin. Die kamen aber erst gegen 12 Uhr. So gegen High Noon, würde man heute sagen. Es waren die Timberwolves, die 104. ID. Wieda und Umgebung hielt noch einige Tage. Wir von der Pz. Abt. zogen weiter Richtung Hohegeiß, zum Ebers-Berg. Dort erhalte ich am Samstag vormittag, den 14., den Befehl, nach Bernburg an der Saale zu fahren, um unsere immer noch fehlende Werkstattkompanie in den Harz zu schleusen. Das 48. Pz. Korps, das keine Panzer mehr hat, soll seine abgeben, hörte ich später. Mit dem ,,48". bin ich am 22. Juni 1941 bei So-kal über die Grenze, mit Kleist seinem Verein (1. Pz. Armee) und der 6. Armee. Vorher gehörten wir zur 12. Armee, die dann nach Griechenland abgezogen wurde und etwa 1942 in Oberbefehlshaber Südost umbenannt wurde. Vom Ebers-Berg fahre ich am späten Vormittag los. Über Braunlage und Blanckenburg will ich fahren. Der „Kettenhund" am Ortseingang will es nicht dulden. Lazarettstadt, Durchfahrt für alle Soldaten verboten, tönt er. Na, denk ich, das erzähl' man dem Ami, wenn er in drei Tagen kommt. Unsere BMW R 75 ist unverwüstlich und unentbehrlich. Sie schafft jeden Waldweg, jeden Bergpfad, und der Umweg unM Braunlage an der weißen Brücke und der Silberfuchs-Farm vorbei ist kein Problem. Hinter Quedlinburg hören wir Ari-Feuer im Norden; nach Bernburg schießt der Ami rein. Vor uns geht die letzte Brücke, die Eisenbahnbrücke hoch. Erst müssen aber noch drei Geschniegelte rüber, die ihren Schwimm-VW mit viel Reservebenzin, gutem Proviant und was Alkoholischem mit laufendem Motor an der Brückenauffahrt zurücklassen. In der Mitte stehen Waggons, wohl zur besseren Beschwerung, damit die Brücke auch wirklich einstürzt. Wumm, sie stürzt. Ich nehme den VW in Verwahrung, und wir fahren Richtung Süden, nach Alsleben-Könnern. Die Div. Scharnhorst (und weiter südlich noch vor Halle die Hutten) hält hier Wacht. Vor Schrecken haben sie die dortige Eisenbahnbrücke auch schon gesprengt. Werkstattkompanie ade, wir kommen nicht mehr rüber. Zurück nach Hohegeiß, auf etwas südlicherem Weg am besten. Da treffen wir auf die Panzerspitzen der 3. US-Panzerdivision, die von Eisleben kommt, also zurück nach Norden. Da feuert der Ami mit seiner 83. ID. wieder auf die Hauptstraße bei Aschersleben. Zwei BDM-Maiden helfen uns. Sie kennen die Schleichwege und bringen uns südlich um Aschersleben herum. Morgen ist der Harz dicht! Über Ballenstedt-Mägdesprung fahren wir Richtung Beneckenstein, die Div. Potsdam von der 12. Armee soll hier Halt gebieten. Die 9. US-Div. zwingt uns zu Umwegen. Kurz vor Mitternacht nähern wir uns dem Ebersberg. In Hohegeiß brennen einige Häuser, unser Stab ist weg, der Troß ist weg. Na, das gibt wieder 'ne lange Nacht, zur nächsten Försterei und herumtelefonieren. Der Major ist Forstmeisterssohn, er domiziliert gerne in Förstereien, und so findet man ihn immer wieder. Die Förster haben auch gute Tips, wie man zu seinem Verein zurückfindet, wenn man abgeschnitten ist. Auf dem Wege zur Försterei Wietfeld, das ist 6 km südöstlich. Braunlage, treffe ich den Major dort, wo die heutige Grenze zwi sehen Braunlage und Hohegeiß an der Straße nach Sorge-Tanne verläuft. Nein, er will nicht nach Wietfeld. Hier ist ein Jagdhaus, das brechen wir auf, da können wir ruhig schlafen. Er ja, ich nicht. Eine Meldung kommt, die Panzer am Nullpunkt und bei der Odertaler Försterei müssen noch heute Nacht zurück, der Ami ist vor St. Andreasberg und am Nachmittag dort eingedrungen. 13 Stunden war ich im Sattel, nun das. Der Ami hat sich mit schwerem Kaliber auf die nahe Kreuzung eingeschossen, etwa alle 30 bis 90 Sekunden krachts. Da kommen wir niemals durch. Der Major insistiert; unsere Panzer sind sonst verloren. Befehl ist Befehl. Wir müssen also. Na schön. Erstmal in Ruhe die Schußfolge stoppen. Ja, wenn ich jetzt die Stoppuhr nicht hätte, die mir ein verkaufstüchtiger Juwelier in Travemünde 1940 verkaufte. Er war der Hauslieferant der E-Stelle, der Lufterprobungsstelle, und für 150 Reichsmark hatte ich den Chronographen erworben. Wir stoppen die Zeit vom Einschlag bis zum letzten Splittersurren. Wenn die ihren Rhythmus nicht ändern, könnte es gerade gehen. Magnetzündung einschalten, sofort nach dem Einschlag die Maschine antreten und los. Wir fahren dann noch in die letzten Splitter rein, aber nicht mitten in den nächsten Einschlag. Es klappt, wir sind heil durch. Zuerst zum Nullpunkt. Das Feuer ist so schwer, daß die Maschine zurückbleiben muß. Das gute Stück brauchen wir noch. Laufen, robben, laufen. 1 Kilometer. Der erste unserer Panzer. Alle Luken dicht. Ich schlage mit einem Stein gegen die Luke. Der Kommandant macht auf. Freudengeschrei: Sie dürfen zurück. Ich krieche mit in den Wagen, sie lassen mich rein, was keinesfalls immer klappt. Motor an, Antenne hoch, versuchen, die anderen Panzer zu erreichen. Es klappt, und ich bote wieder aus, um auf die Maschine zu meinem treu wartenden Fahrer umzusteigen. Der Ami hat jetzt das Feuer auf die nächstrückwärtige Kreuzung verlegt. Wir kommen da nicht durch und wollen auch nichts mehr riskieren heute nacht. Zurück zum Nullpunkt, um den Ebersberg rum führt ein Waldweg. Panzersperren halten uns auf. Wir müssen vor Tagesanbruch verschwunden sein, sonst sind wir schon wieder abgeschnitten. Im Dunkeln fahren wir uns fest. Also Tageslicht abwarten." (wird fortgesetzt) ________________________________________ 17.04.1985
Kreis Osterode. Am Ebersberg bei Hohegeiß hatte sich der Panzeroffizier C. Dirks, ein heute in Hamburg lebender 64jähriger, in der Nacht zum 15. April 1945 nach einer Patrouillenfahrt im Dunkeln festgefahren und mit seinem Kradfahrer den nächsten Morgen abgewartet. Hier seine Erlebnisse bei der kämpfenden Truppe in den letzten Kriegstagen im Harz: „Rechts und links ziehen Ami-Kolonnen vorbei, sie meiden die Wälder und bevorzugen die Straßen. Das ist unser Vorteil. Mittags erreichen wir die Försterei Wietfeld. Der Major hat schon wieder einen neuen Auftrag: Unsere letzte geschlossene Einheit mit zehn oder zwölf Panzern steht zu einem Angriff Richtung Beneckenstein an einem Waldrand in der Nähe und wartet auf Einsatzbefehl. Und den soll ich hinbringen, danach darf ich dann in Wietfeld schlafen. Der Hauptmann nickt und nimmt den Befehl entgegen. Seine Panzer fahren los, Angriff gen Süden. Denke ich. Plötzlich gehen alle Antennen hoch, weiße Lappen dran. Er läuft nicht, er fährt über! Ich fluche. Na, wie der Major darauf wohl reagiert? Ob er mich trotzdem schlafen läßt? Er läßt. Ihn wundert gar nichts mehr. Zehn kleine Negerlein, 9-8-7-6, wann sind es nur noch 2? Am nächsten Tag, Montag, den 16. April, endlich einmal ausgeschlafen, werde ich geweckt. Bremm verlangt nach mir. Er ist bei Elend und hat noch zwei unserer Panzer am Straßenknick etwa 2 1/2 km vor Braunlage von Elend aus gesehen, da, wo die heutige Grenze verläuft. Erst schickt er mich zum Brocken, erkunden, was dort noch so an Heimatverteidigern rumläuft. Der Bürgermeister in Schierke empfiehlt mir auf dem Rückweg, Schierker Feuerstein mitzunehmen. Der Herr „Feuerstein" persönlich möchte gerne wissen, wann der Ami denn wohl zu erwarten sei. Für eine wahrheitsgemäße Antwort dürfen wir dann den Beiwagen volladen. Ob er seine Rezepte am besten vergraben soll? Ja, doch, vergraben ist immer gut, sage ich. Ein Beiwagen voll Schnaps, das ist gute Nachricht für Bremm und den Major. Wir beglücken jeden, der möchte. Am 16. bin ich dann morgens noch auf Krad-Erkundung bis Hasselfelde und zurück über Königshütte, am 17. fällt Braunlage der 1. US-Div. in die Hände, die seit Herzberg hinter uns her ist. Bei der Köthe kurz vor Braunlage (wenn man von Elend kommt) sperren unsere beiden Panzer, solange es geht. Lange geht es nicht: Der Ami setzt immer einen Ari-Beobachter obendrauf, und dann ballern die solange, bis die Ketten abfallen oder sie einen Zufallsvolltreffer erzielen. Bremm sieht das ein, als es zu bunt wird. Er hat dort einen Infanteriezug postiert, der soll jetzt zurückgeholt werden. Der junge Zugführer wird halb irre. Zurück? Jetzt? Er hat noch drei oder vier Mann, die nicht verwundet sind. Warum erst jetzt? Vorwurfsvoll zeigt er auf die Toten ringsum. Warum kommen sie nicht früher, schreit er mich an. Unsere beiden Panzer hauen ab, ohne mich mitzunehmen. Arschlöcher. Wenn ich 'ne Pak hätte, würde ich sie am liebsten abschießen. Der Zugführer ist nervlich so am Ende, daß er nicht mit zurück will. Er will bei seinen Toten bleiben. Ist das anständig oder ist es dumm von ihm? Wenn die Ari weiterschießt, ist er auch bald dran. Da die Ari-Beobachter unseren Panzern folgen, hört die Schießerei hier auf. Bremm wartet in Elend auf meine Rückkehr. Wir ziehen uns Richtung Königshütte zurück. Königshütte, wo wir nirgends Quartier bekommen können. Man kann die Leute ja verstehen, Soldaten im Haus, das bedeutet immer Ärger. In Elbingerode erfahren wir, daß die ganze westliche Armee jetzt auf einen engen Schlauch von 15 km Länge und vielleicht 10 km Breite zusammengedrängt sein soll. Die 326. löst sich in Nichts auf, die 26. existiert auch nicht mehr, und es kämpfen noch Reste unter Worgi, Bremm und Lamberts und bei Blanckenburg-Heimburg 1 1/2 Regimenter der Division Potsdam, die eigentlich zu Wencks 12. Armee gehören. Sie sollte mit der Division Scharnhorst den Verbindungsstreifen zur 11. Armee halten, was nicht gelang. Beim Absetzen auf Elbingerode am 18. kommt Worgi noch über die Chaussee davon, ich wähle eine nicht unter Beschuß liegende Route querfeldein zum Kalksandsteinwerk. Dort wimmelt es nur so von ebenso hochrangigen wie hippeligen hohen Chargen, man sieht viel Generalsrot, und ich werde abgefangen, um einen Frontbericht zu geben. Der O. B. der Armee mag nicht glauben, daß wir noch weiterkämpfen und noch von Elbingerode über Rübeland und Hüttenrode/Neuwerk nach Blanckenburg zurückgehen wollen. Er scheint innerlich ganz zusammengebrochen. Aus der Traum von der großen Karriere des Divisionskommandeurs bei Bjelgorod im 2. Sommer 1942 bis zum Oberbefehlshaber einer Armee. Aus der Traum für die Karrieren der Entourage — keine Hochnäsigkeit, keine Arroganz mehr, tiefe Niedergeschlagenheit. Und Sie wollen wirklich noch nach Elbingerode? fragt er zum zweiten Mal. Ja, dort sind Worgi und der Major, da gehöre auch ich noch hin. Man sieht es ihm an: Kann er dann heute und hier kapitulieren? Wohl doch nicht. Er und sein Stab müssen sich noch einige Tage gedulden. In Elbingerode befiehlt der Major einen genauen Bericht über diese Begegnung. Ich lehne ab. Da sagt der Major: Ich bin dort auch vorbeigekommen, die machen sich zur Übergabe fertig, gell? Na ja, so sah es wohl aus. (Schluß folgt) ________________________________________ 18.04.1985 Osterode/Harz. Tiefe Niedergeschlagenheit stellte der Panzeroffizier C. Dirks, der heute als 64jähriger in Hamburg lebt, am 18. April 1945 beim Oberbefehlshaber der 11. Armee fest, dem er bei Elbingerode im Harz Bericht erstatten mußte über die „Front" im Harz. Er kehrte zu seiner Resteinheit nach Elbingerode zurück. Hier der Schluß seines Erlebnisberichtes „Meine elf Tage mit der 11. Armee im Harz": „Hinter Elbingerode tauchen in der Gegend von Rübeland-Hüttenrode drei Königstiger-Panzer auf, die Kesselring zurückgelassen hat. In der Nacht zum 20. 4. soll ich sie über Blankenburg nach Cattenstedt, Timmrode und Wienrode und dort in Stellung bringen. Gegen zwei oder drei Uhr morgens kreuzen wir die Eisenbahnstrecke im Wald. Dort stehen — wir täuschen uns nicht — zwei oder drei Waggons und eine Lok eines Stabsquartiers. Die Dampfheizung zischt, und die Stabshengste protestieren, daß wir ihre Nachtruhe stören. Morgen holt euch der Ami, denke ich; am liebsten wäre mir, einer der Königstiger würde versehentlich gegen einen Waggon fahren und ihn umkippen. Unfromme Gedanken, muß ich zugeben, aber diese Heinis hier hätten es verdient; verbitten sich die Störung der Nachtruhe! Im Morgengrauen kommen wir am Schloß Blankenburg heraus. Auf dem Schloßhof liegt ein Berg italienischer Bergstiefel, hellgelb. Jeder vorbeikommende Landser darf sich bedienen. Meine Größe fehlt, aber ich nehme die größte Nummer: 45. Die lege ich später in Wasser und laufe sie auf meine Größe ein, hoffe ich. Ich schnalle sie erst mal auf mein kleines Fluchtgepäck, mein Avanti-Gepäck, wie wir es 1943 in Italien nannten. Drei Königstiger sind eine Sensation und eine Hoffnung für die Blankenburg-Verteidiger. Ob man die Armee-Archive, die hier liegen, schon heute vernichten soll oder erst morgen? Gar nicht, sage ich mit der Autorität des Augenblicks. Gar nicht! Wir haben nichts zu verbergen. Um ganz sicher zu sein, behaupte ich, wir halten uns hier noch Tage. Nichts wird vernichtet, bevor Worgi hier ist. Worgi glaubte immer noch, wir schaffen eine Verbindung zur 12. Armee, der wir am 20. auch tatsächlich unterstellt wurden. Von Cattenstedt aus fahre ich Richtung Hexentanzplatz — Roßtrappe, um die Lage zu peilen. Unten in Thale, wo FP 1 sein soll, biwakiert der Ami. Na, das ist ja 'ne schöne Tasse Tee, hätte mein Vater jetzt gesagt. Was ich mache, steht schon fest. Ich bleibe im Wald. Gegen die neu angesetzte 8. amerikanische Panzer-Division haben wir sowieso keine Chance mehr. Es ist inzwischen die 11. US-Division, die uns seit dem 4. April gegenübersteht. Die 11.! Und wir leben immer noch. Am 22. — nun ganz zu Fuß — mein Krad habe ich bei Neuwerk vergraben, treffe ich die ersten Versprengten von der Div. Potsdam. Ich soll ihr Werwolfführer werden, meinen sie. Nichts dergleichen, laßt den Quatsch, argumentiere ich; wir sind doch keine Heckenschützen! Beinahe wollen sie mich als Verräter an der Sache umlegen. Aber nur ich habe ein Sturmgewehr, und vielleicht bin ich schneller. In der Nacht werde ich sie los, als wir in einen Schußwechsel mit den Amis geraten. Eine Salve geht mitten durch meine neuen, ungetragenen gelben Stiefel, die ich auf den Rücken geschnallt habe. Wasserdicht sind die jetzt nicht mehr. Nach dem Kompaß wandern Rudi und ich gen Hohegeiß. Dort haben wir Proviant und drei Flaschen Schnaps vergraben, oberhalb der Wolfsbachsmühle. Da halten wir es, wenn wir nicht krank werden, den Sommer über aus. Dann, so hoffen wir, kommt eine Amnestie für Untergetauchte."
Wastauskunft zu Mario Bianchi negativ, dafür Bestätigung der Bezeichnung des Arbeitskommandos bei einem seiner Kameraden, gleichlautend wie Auskunft Bad Arolsen auf den Suchmeldungen aus den Fünfzigern, Angaben der Familienangehörigen der Erschossenen (evtl. Kriegsgefangenenpost) Arbeitskommando Stiege IV B Bedeutet, es war ein Kommando des Stalag IV B Mühlberg. Nachweis darüber ist eventuell im BA Freiburg vorhanden, leider nicht digitalisiert (obwohl so ausgewiesen) RH 49/240.
Vorermittlungen zur Erschießung der siebenundzwanzig Italiener in Stiege in der Zentralstelle Ludwigsburg (eventuell 1994) und Übergabe der Ermittlungen an Staatsanwaltschaft Magdeburg (eventuell 2012) unter Aktenzeichen 162 Js 5128/12. Akteneinsicht verweigert, auch Frage nach Zeitraum der Ermittlungen und ob überhaupt ein Ergebnis der Ermittlungen vorliegt, wurden nicht beantwortet.
Fazit-
die von Mario Bianchi gemachten drei Aussagen weichen voneinander ab. Alle Fakten die er angibt stehen im Gegensatz zu einem Arbeitskommando IV B. Beginnend mit Stalag IV D Torgau, über den Einsatz in Halle- Mötzlich, welches erstens erst zehn Monate später gegründet wurde als er angab dort untergebracht zu ein, zweitens ein Außenlager von Buchenwald war, also mit KZ- Häftlingen belegt. Die Bewachungsstärke die er in Stiege angibt ist utopisch, es gab weder bei KZ- Häftlingen, noch Kriegsgefangenen, noch Zwangsarbeitern oder im Erziehungslager so einen Prozentsatz Häftlinge- Wachmannschaft. Weiterhin bestanden die Wachmannschaften für Kriegsgefangene aus Landesschützen, die der Wehrmacht unterstellt waren und nicht wie er angibt SS- Leuten. Breitenstein war zu dem Zeitpunkt der Erschießung der Italiener bereits von den Amerikanern besetzt. Die Bombenkrater, an denen die Erschießung stattfand, liegen zwischen den Baracken und Breitenstein. Wieso sollte eine Wachmannschaft mit Gefangenen in Richtung Feind marschieren um die Erschießung dort vorzunehmen? Wieso fanden die Amerikaner gemeinsam mit Mario Bianchi die Leichen erst einen Monat später, als er sich in die Obhut der Amerikaner begeben hatte? Woher wußte er das die bei der Erschießung angeblich anwesenden Zivilisten aus Stiege kamen? Haben die sich mit Namen und Anschrift bei den Italienern vorgestellt? Kontakt nach Stiege ist so gut wie ausgeschlossen, sie waren erst zwei Monate im Wald und mußten ja angeblich von Früh bis Spät Holz einschlagen. Ist ja auch unwahrscheinlich das die Leute aus Stiege an den Wochenenden zum Kaffeklatsch zur Häftlingsbaracke gepilgert sind.
Hallo, erst einmal danke für die Rechercheergebnisse, Chris. Bedeutet wohl wieder zurück auf ,,Los". Herr Unglaube, ein Lokalhistoriker, hat sich trotz Aufforderung auch nicht mehr gemeldet. Schade, aber leider nicht zu ändern. Es bleibt vorerst weiter im Dunklen, was da direkt passierte. Wer diese Erschießungen vornahm und aus welchem Grund. Gleiches gilt für Bianchi. Weshalb hat er die Dinge wenig glaubhaft geschildert? Mich beschleicht langsam der Gedanke, dass er selbst irgendwie mit involviert war und mit seinen Angaben von seiner Beteiligung ablenken wollte oder mit seinem ,,Wissen" aufschneiden wollte. MfG Wirbelwind
Hallo Wirbelwind, für mich gibt es leider keine Ansatzpunkte mehr, um bei dieser Geschichte weiterzukommen. Die Ermittlungsakte würde Licht ins Dunkel bringen (vermute ich mal), aber die bleibt ja unter Verschluß. Ich mußte leider auch feststellen, dass einige Leute die Hilfe zugesagt hatten, dann doch lieber in der Versenkung verschwunden sind. Allein kann man so ein Projekt nicht bewältigen. Lassen wir es vorerst ruhen. Gruß vom Chris
Hier mal ein ZZ, Es sind 3 Teile, sorry mit Werbung. Genauso gut würde dieser Bericht auch in Helmuts Panzervernichtungstrupps passen : https://www.youtube.com/watch?v=As0-F8iHVEI