Hallo, noch ein paar Worte zu Oberst Petri. Hatte zwar am 31.10.14 schon etwas dazu geschrieben und abgeschickt, scheint aber verloren gegangen zu sein. Bei allem persönlichem Mut, den Oberst Petri mit seiner Ablehnung bewies, als Kampfkommandant von Wernigerode zu fungieren, kann ich schwerlich erkennen, wieso gerade das erheblich zur Rettung von Wernigerode beigetragen hat. Bestenfalls hat Petri der Stadt Zeit verschafft. Schließlich wurde ein neuer Kampfkommandant ernannt und letztendlich, wenn auch nicht umfangreich, in der Stadt gekämpft. Deswegen zolle ich Oberst Petri trotzdem meinen Respekt, weil ihm bekannt war, dass Befehlsverweigerung mit dem Tod geahndet wurde. So kam es ja dann auch. Nur die näheren Umstände bleiben mir ein Rätsel. Beispielsweise, dass kein Kommandierender General von der bevorstehenden Erschießung von Petri gewußt haben soll und es nur eine ,,Einzeltat" zweier fanatischer Offiziere gewesen sein soll. Überspitzt geschrieben, im April 1945 wimmelte es geradezu von Generälen in der Festung Harz. Bei Saft,,Krieg in der Heimat...bis zum bitteren Ende im Harz" liest es sich S.226-227 in etwa so.Oberst Lindemann befahl, nach Rücksprache mit dem Stabschef der 11. Armee, Oberst i. G., Estor, die Festnahme von Petri, nachdem dieser erneut abgelehnt hatte, als Kampfkommandant das Kommando zu übernehmen. Er wurde in den frühen Morgenstunden von 2 Offizieren verhaftet und von ihnen nach Riefensbeek gebracht. Am nächsten Tag wurde Oberst Petri vom Wachzug der 11. Armee füsiliert. In Anbetracht dessen kann Oberst Lindemann den Befehl zur Erschießung von Oberst Petri nicht gegeben haben, da bei der Erschießung durch den Wachzug ein entsprechendes Urteil des Armeerichters mit Bestätigung durch den OB der 11. Armee vorliegen musste, so Saft in seinen Ausführungen. Ich kenne die Quellen nicht, aus denen Saft sein Wissen geschöpft hat. Herr Lehmann, der ja die Biografie von Petri schrieb, könnte da Licht ins Dunkle bringen, weil Saft nicht mehr lebt. Saft war auch der Meinung, dass seit 1965 mehrfach über die Ereignisse um Petri in der Lokalpresse berichtet worden ist. wie kommt er dazu, wenn anderseits behauptet wird, zu DDR-Zeiten sei diese Thematik totgeschwiegen worden? MfG Rüdiger
Da ich in U. Safts ersten Werk mir mal die Darstellung der Ereignisse Magdeburg reinzog, stellte ich nur auf MD bezogen , schwere Fehler in der Darstellung fest. So würde miche es auch nicht wundern, wenn die Darstellung zu Petri fehlerhaft ist. Saft gilt als sehr umstritten in der neueren Literatur. Magado
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Und wie sieht es mit der Darstellung von Bornemann aus. Im Netz ( Wikipedia ) wird er mehrmals zur Thematik Festung Harz erwähnt. Persönlich jabe ich noch keine Literatur von Bornemann gelesen. Gruß Teddy
Bornemann ist quasi der Pionier, was Harz betrifft. Inzwischen ist die Quellenlage absolut besser erschlossen ude Fehler dort ausgemerzt. Emfehlenswert ist Jürgen Möller mit Der Kampf um den Harz, 2011.
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Hallo, natürlich ist mir aus einem anderem Forum bekannt, dass die Quellenlage, auf die sich Saft stützt, in einigen Fällen sehr dünn ist und ihm mancher Fehler, wie es scheint, unterlaufen zu sein. Gerade deshalb ist es ja wichtig, die als gesichert geltenden Fakten zusammenzutragen. Auch wenn sich Saft im Falle Oberst Petri geirrt haben sollte, bleibe ich dabei, dass ein Oberst nicht so einfach unter Ausschaltung sämtlicher Instanzen erschossen wurde. Klar, im April 1945 wurden etliche Wehrmachtsangehörige, darunter auch Offiziere, von der SS erschossen oder aufgehängt, auch ohne Standgerichtsurteil. Nur tauchte bisher nirgendwo im Falle Petri der Hinweis auf, dass SS-Anghörige ihn erschossen hätten. Außerdem sollen sich ja bereits zu DDR-Zeiten Lokalhistoriker mit ihm beschäftigt haben und Artikel in der Presse ab 1965 erschienen sein. Kann sich ja wohl nur um die Volksstimme gehandelt haben. Vielleicht hat ja im Forum jemand einen direkten Draht zu seinem Biografie-Autor. Dem müssten doch die bisher eruierten Fakten dazu bekannt sein. MfG Rüdiger
Chapeau, US330Reg, wußte garnicht, dass sich am 23.04.1945 der verbliebene Stab der 1. US Division ergeben hat. Muss ich wohl überlesen haben. Auch die harten Kämpfe um Stecklenberg sind mir in der Form neu. Nun gut, Du hast das ausgegraben und jetzt ist es mir bekannt. Glaubte bisher, dass die Kämpfe in der Festung Harz zu diesem Zeitpunkt bereits am Abflauen waren und die verbliebenen dt. Truppen das Heil in der Flucht suchten. Weder in ,,Der Harz im April 1945" noch im Buch von Saft,,...bis zum bitteren Ende im Harz" konnte ich dies heraus lesen. MfG Rüdiger
Na,ja Magado, auch wenn die Orte der Erschießung von Oberst Petri unterschiedlich sind (Drei-Annen-Hohne, Elend, soweit stimmen Saft und Möller überein, dass der Oberst von Soldaten der 11.Armee nach einem Urteil erschossen wurde und die Initiative seiner Verhaftung vom Stabsquartier in Riefensbeek ausging. Mal sehen, was andere noch ausgraben. Mfg Rüdiger
Wirbelwind, der Report wurde von Sturm selbst erstellt und ist das Resultat einer gezielten Befragung durch alliierte Offiziere. Was heißt, er hat das so wahrgenommen. Die Kampfhandlungen der letzten von ihm genannten Tage dürften Säuberungsaktionen der US Armee gewesen sein, die die Reste seines Verbandes dann letztendlich aufgerieben haben. Da ohne Funkverbindung wird er wohl die Heftigkeit anhand von Kampfgeräuschen angenommen haben. Wobei es da ja durchaus sein kann dass einige Schüsse der deutschen Seite mit massiven Beschuss der amerikanischen Seite beantwortet wurden - was zu verzerrten Eindrücken führen kann. Das ganze ist ein Stein des Puzzles, müsste durch Nachforschungen vor Ort untermauert - oder aber auch wiederlegt - werden.
Da stimme ich Dir voll zu, US330Reg. Mit Sicherheit trieben sich versprengte dt. Einheiten zu diesem Zeitpunkt noch im Harz herum, versuchten auszubrechen und es kam an einigen stellen noch zu kurzen, heftigen Kämpfen. Vielleicht läßt sich über Ortschronik in Stecklenberg noch einiges in Erfahrung bringen oder ZZ auftreiben. Mal sehen. MfG Rüdiger
Hier eine Karte mit Angaben zu dt. Einheiten aus einem anderen US Report. BG bedeutet Battle Group, also Kampfgruppe, Rem bedeutet remain, also Reste. Bild entfernt (keine Rechte)
Volksstimme, 13.10.2011 Der II. Weltkrieg ist seit 65 Jahren zu Ende – und schmerzt immer noch. In Treseburg wurden am 19. April 1945 neun Jugendliche per Genickschuss von US-amerikanischen Soldaten getötet. Die Kripo ermittelte wegen Mordes, erfolglos, Zeitzeugen mühen sich um Aufklärung und um ein würdiges Gedenken. Das anonyme Kreuz für Kriegstote auf dem Friedhof des Bodetalortes soll durch Namen ersetzt werden. Darum bemühen sich Zeitzeugen von 1945. Am Dienstag besuchten sie Treseburg und öffneten ein Fenster weit in die Vergangenheit. Heftige Kämpfe tobten vor gut 65 Jahren im Harz, den das Oberkommando der Wehrmacht am 8. April 1945 zur Festung erklärt hatte. Den Vormarsch der US-amerikanischen Truppen hielt das nicht auf. Am 17./18. April stießen sie im Raum Hasselfelde und Allrode vor, ein Batallion des 18. US-Infanterie-Regiments nahm Treseburg ein. Quellen besagen, dass die Amerikaner in jenen Tagen im Batallionsgefechtsstand in Treseburg von unbekannten deutschen Kämpfern beschossen wurden. Ein MG-Trupp soll sich angeschlichen haben. Auch vom Beschuss eines mit Offizieren besetzten Jeeps ist die Rede, wie Recherchen von Diplommuseologe Peter Nüchterlein aus Wernigerode ergaben. Wieviele tote Befreier es in Treseburg gab, ist unklar. Um die 60 Amerikaner wurden kurz zuvor bei Hasselfelde als gefallen registriert. In Treseburg gab es nach dem Feuerüberfall einen Toten und etliche Verwundete, darunter den Batallionschef, so die Quellen. Als Vergeltung sollten elf Männer aus Treseburg erschossen werden, berichteten später Zeugen. Das sei gerade noch verhindert worden. ust zu dem Zeitpunkt näherten sich aber zehn Hitlerjungen Treseburg. Sie waren alle um die 16 Jahre jung und vom "Wehrertüchtigungslager" in Vöhl am Edersee in den Harz geschickt worden. Ob als Hitlerjungen, als "Volkssturm" oder gar als "Werwölfe", ist leider unklar, heißt es in den Akten. In Thale hatte man Willi, Georg, Valentin und ihre Kameraden angeblich kurz zuvor fortgeschickt mit Worten wie: "Was wollt ihr noch kämpfen, schert euch nach Hause!"
Nach Hause wollte der Jugendtrupp dann offenbar wirklich und kam von Thale durchs Bodetal nach Treseburg. Dort wurden sie von Amerikanern mit Warnschüssen begrüßt.
Ein Junge, Georg Brand, rannte weg und versteckte sich in einem Stollen, was ihn rettete. Die übrigen neun wurden gefangengenommen, einige sagen auch, misshandelt, dann auf einen Bergweg hinter dem heutigen Café Mendorf geführt und erschossen. "Todesursache Genickschuss", wie ein Protokoll von der Umbettung der Leichen auf Treseburgs Friedhof im Jahre 1951 belegt. "Das war glatter Mord", sagt Alfred Hoffmann. Er hat die Toten damals liegen sehen, weil sein Vater ihn, den damals 14-Jährigen, rausgeschickt hatte, mal nachzusehen, "was die Knallerei zu bedeuten hatte". Die Toten seien unbewaffnet gewesen, hätten kurze Hosen gehabt und kindliche Gesichter. "Soweit diese noch zu erkennen waren", erinnert sich Hoffmann, der heute in Bayern lebt. Das deckt sich mit Angaben weiterer Zeitzeugen wie Walter Rosenbohm und Manfred Röhse, beide leben heute in Niedersachsen, sowie des Heimatkenners Wolfgang Zerjadtke aus Uftrungen. Und es deckt sich auch mit Ermittlungen der Polizei. Denn Georg Brand, der einzige Überlebende, hatte 2005, kurz vor seinem Tod, Strafanzeige gestellt. Zu spät, sagen Experten. Wichtige Details seien nicht mehr vorhanden, Zeugen oder gar Täter kaum zu finden oder nicht bereit, über derartige Dinge zu sprechen.
Die Ermittlungen stehen zwar kurz vor dem Abschluss, wie Kriminalhauptkommissar Hans-Joachim Weddeler vom Polizeirevier Harz in Halberstadt informierte. Allerdings bleibt offen, ob es Mord war, auch wenn nach den Angaben der Zeitzeugen vieles dafür spreche. Unklar bleibt auch, wer die Erschießung befohlen und ausgeführt hat.
"Es geht uns aber sowieso nicht um Rache, wir wollen mahnen", sagt Röhse mit Zustimmung der Gruppe: "Es geht um die Wahrheit. Wir wollen zeigen, dass Krieg schmutzig ist, auf beiden Seiten, und was er selbst in so einem kleinen Ort wie Treseburg anrichtet." Nun soll erneut versucht werden, mit Vertretern der USA Kontakt aufzunehmen, um sie fair einzubeziehen, wie Röhse betont. Denkbar ist ein Gedenkstein auf dem Treseburger Friedhof. Statt der jetzigen Inschrift "14 unbekannte deutsche Soldaten" sind dann fünf Soldaten zu nennen und die Namen der neun erschossenen Jugendlichen. Die Chancen dafür stünden gut, sagt Thomas Balcerowski, Bürgermeister von Thale, dessen Ortsteil Treseburg ist. Man müsse aber achtgeben, dass kein Anlaufpunkt für Ewiggestrige entsteht. "Dann verzichten wir eher auf einen Gedenkstein", so Röhse.
Gut nachrecherchiert US330Reg. Zwar beschreiben Schirmer und Zeitfuchs in ,,Zeitzeugen-Der Harz im April 1945" auch den im VS-Artikel vom 13.10.11 geschilderten Vorfall aber nicht in der Breite, wie es im betreffenden Zeitungsartikel der Fall ist. Neu für mich war, dass es insgesamt 10 hHtlerjungen waren, wobei 9 von den Amis nach Mißhandlungen erschossen wurden (bekannt), der Zehnte, G. Brand sich versteckte und dadurch überlebte. Als Hintergrund ist vielleicht nicht verkehrt zu wissen, dass im Gefecht bei Hasselfelde verwundete bzw. wehrlose amerikan. Soldaten durch Angehörige der dt. Wehrmacht erschossen wurden. Das schürte natürlich den Hass und dann noch der plötzliche Überfall, der wieder einem Amerikaner das Leben kostete. So nahmen sich die beteiligten Amerikaner das Recht heraus, die HJ-Jungen als Vergeltung zu mißhandeln und zu ermorden, so sehe ich es jedenfalls. im Buch ,,Zeitzeugen" gibt es dazu im anhang 2 Protokolle dazu. Es wäre sicherlich für die Hinterbliebenen/Zeitzeugen eine Genugtuung, wenn es jetzt amerikanische Dienststellen genauso sehen würden, um auch da nach sovielen Jahren endlich zu einem Ausgleich zu kommen. Übrigens blieb das nicht der einzige Vorfall dieser Art. In Harkerode wurden ebenfalls hitlerjungen von den Amerikanern einfach erschossen, nachdem sie sich ergeben hatten. Vorher hatten diese Jungs den Amerikanern im Gefecht einige Verluste beigebracht. Kann dem nur beipflichten, dass es im Krieg immer zu Verbrechen auf beiden Seiten kommt, selbst diejenige Seite, welche eigentlich die moralisch bessere darstellt, weil sie Unrecht beseitigen will, besudelt sich auch. Das liegt in der Natur der Sache, weil die daran beteiligten durch das erlebte Grauen einfach verrohen. Bei Erinnerungstafeln/Gedenksteinen stellt sich immer das Problem, dass dies von den falschen Leuten a la Heldengedenken oder die,, allierten Greueltaten" für ihre Zwecke instrumentalisiert wird. Dagegen hilft nur lückenlose Aufklärung und Benennung der ,,Schweinereien", wo von seiten der Allierten Unrecht begangen wurde. MfG Rüdiger
Ein Zeitzeugenbericht: Dr. Erich Kalckbrenner, (Kampfgruppe Graf v. Brühl, Nürnberg)
Nach einjähriger Luftwaffenhelferzeit und einer dreimonatigen Ausbildung beim RAD hatte ich mich freiwillig zur Panzertruppe gemeldet. Im Juni 1944 wurde ich nach Bielefeld zur Panzer-Ersatz- und Ausbildungs-Abteilung 11 eingezogen. Diese stellte den Ersatz für die 6. Panzer-Division (PzRgt. 11, Bäke) und für die 116. PzDiv. sowie für zwei weitere PzRgt. Wir absolvierten unsere Ausbildung in der 4. Kompanie. Dort erfolgte auch eine Schulung für die Panzertypen III und IV sowie für den Panzer V (Panther) Etwa im November kam ich bei der gleichen Abteilung in den ROB-Lehrgang. Dieser Lehrgang wurde nach vorheriger Unterbringung in der „Lauter“-Kaserne und später in der „Von-Wangenheim“-Kaserne dann in der gegenüberliegenden früheren Schule „Sieker“ untergebracht, später — es war wohl im Januar oder Februar 1945 — in im Wald bei Brackwede angelegten Baumstamm-Bunkern bei sich häufenden Luftangriffen auf Bielefeld und im Rahmen einer sogenannten „frontnahen“ Ausbildung. Dort erreichte uns am 25. März 1945 die Nachricht von der sich rapide verschlechterten Frontlage. An diesem Tage wurde unter dem Stichwort „Gneisenau“ eine Panzereinheit aufgestellt. Je zwei von den damals 17—18-jährigen RQB‘s wurden einem Panzer zugeteilt; die übrigen Besatzungsmitglieder sind heute nach mehr als 50 Jahren nicht mehr erinnerlich. Alle waren freiwillig und wir waren sehr stolz, dabei sein zu dürfen. Am 27.128. März 1945 wurden die Panzer aufgerüstet und munitioniert. Wir erhielten neue Bekleidung und Handfeuerwaffen. Am folgenden Tag erfolgte die Verladung aller Panzer auf sog. Panzertiefladewagen der Bahn. Wir allewaren derart unerfahren, daß unser Fahrer beim Rangieren auf den Waggon den Panzer rückwärts an einen Eisenmast fuhr und die hintere Staukiste eindrückte. Ich war eingeteilt als Ladeschütze in einem Panther. Außer uns befanden sich in der Kolonne noch zwei weitere Panther, 2—3 Panzer III und IV.Alle Panzer waren die uns bereits aus den Bielefelder Kasernen bekanntenÜbungspanzer mit entsprechenden Verschleißerscheinungen. An unserem Zug wurden noch drei „Hetzer“ der Panzerjäger 228 aus Herford angehängt. Am 30. März hatten US-Jagdbomber (Lightnings) unseren Zug auf der Fahrt nach Hamm bei Morgendämmerung ausgemacht und mit sechs Maschinen angegriffen. Zunächst blieben wir in unseren Panzern. Einer von unseren ROB‘s schoß mit seinem MG auf die von hinten anfliegenden Maschinen. Die Lokomotive wurde getroffen; es gab die ersten Verwundeten und Toten. Erst als der Zug stand, suchten wir in den die Strecke umgebenden Wäldchen Deckung und schlugen Bäume zur Tarnung der Panzer. Eine Ersatzlokomotive schleppte unseren Zug nach Ahlen zurück; dort aßen wir und schliefen etwas in einem Luftschutzkeller. Unsere Einheit verließ Ahlen aber schon bald und rollte in Richtung Neubeckum. Dort (oder in Beckum?) erfolgte dann ein Auftanken. Ich erinnere mich, daß ich unseren einzigen Offizier in einem PKW sah, mit dem er — wie er sagte — „erkunden wollte“. Wir haben ihn dann nie wieder gesehen. Mit unserem Panther nahmen wir in Neubeckum (oder Beckum) Aufstellung an einem erhöht liegenden Turm (Wasserturm?), von dem aus die daran vorbeiführende Autobahn voll zu überblicken war. Was wir sahen, ließ uns nichts Gutes ahnen: Hunderte von langsam auf der Autobahn vorrückenden Panzern und Lkw, sichernd überflogen von langsamen Aufklärungsflugzeugen. Wir in unserem jugendlichen Durchhaltewahn konnten es nicht lassen, mehrere Granaten auf diese Kolonne zu feuern und erhielten dafür Artilleriefeuer. In meinem Tagebuch finde ich an dieser Stelle den Eintrag: „Sicherung an Schnapsfabrik.“ Einer unserer Panzer III mußte hier gesprengt werden (defekt oder Spritmangel?). Nach einer Sicherung an einer Ecke hatten wir eine Nachtfahrt und erreichten die Vororte von Lippstadt im Morgengrauen. Ich erinnere mich noch genau, daß in den Orten massenhaft weiße Fahnen (Betttücher> aus den Fenstern hingen, die wir — wenn erreichbar — wütend abrissen. Wir sicherten am Ortseingang von Lippstadt, als die ersten Shermans gesehen wurden. Da unser Betriebsstoff fast gänzlich aufgebraucht war, hofften wir, in der sog. FIak-Kaserne Diesel zu bekommen. In dieser Kaserne kam es für mich zu drei bis heute unvergessenen Situationen: 1.) In dieser Kaserne gab es ein üppiges, randvolles Luftwaffen-Depot. Viele Soldaten und auch Zivilisten versuchten, Lebensmittel und Bekleidung zu ergattern. Mit einem angetrunkenen Intendanten, der zeternd und sich weigernd mit einer Pistole fuchtelte, machten wir alle nicht langen Prozeß. Er wurde abgedrängt und jeder nahm sich das, was ihm gerade nötig erschien. Die meisten stürzten sich auf die riesigen Vorräte wie Spirituosen und Zigaretten; ich blieb bei Flieger-Schoka-CoIa und bei einer Luftwaffentarnjacke und bei wunderbaren, pelzgefütterten Fliegerhandschuhen. 2.) Der Kommandant meines Panzers schickte mich in das weitläufige Kasernengelände mit dem Auftrag, Ausschau nach Dieselkraftstoff zu halten. Im hintersten Winkel bei den Fahrzeughallen fand ich hoch aufgeschichtete gefüllte Fässer und sah nur eine Möglichkeit, uns weiter fahrbereit zu halten: Ich mußte ein oder mehrere Fässer allein zu unserem am Kaserneneingang stehenden Panzer rollen. Hinter mir stand aber eine Horde von gefangenen und sich jetzt befreit fühlenden Russen (oder anderen Nationalitäten> mit wild entschlossenen Gesichtern, geballten Fäusten und auch vereinzelt mit Knüppeln ausgestattet, dieses einsame „ Nazi-Bürschchen“ umzubringen (die Befreier standen schon vor der Stadtl>. Mir blieb in meiner Not nichts ande¬res übrig, als meine Pistole 38 zu ziehen und 2 — 3 dieser Typen laut schreiend anzutreiben, mein Faß zu rollen. Es war erfolgreich! Mit Hilfe einer Handpumpe konnten wir so noch einmal auftanken. 3.) Während des Auftankens hörte ich aus dem dem Kaserneneingang nächstgelegenen Kasernenblock ein vielhundertfaches Mädchengeschrei, Weinen und Hilferufe. Ich lief zu dem betreffenden Gebäude und fand im 1. Stock eine verschlossene Eisentür. Hinter derselben vernahm ich von vielen Mädchen Weinen und Flehen um Befreiung. Da sich die Tür nicht öffnen ließ, zerschoß ich das Schloß mit mehreren Pistolenschüssen. Aus der Tür quollen Hunderte völlig verzweifelter, ganz junger Flak-Helferinnen zum Teil in Zivil, zum Teil jedoch noch in männlichen Flakuniformteilen. „Die haben uns hier eingeschlossen, damit wir den Amerikanern in die Hände fallen; die Neger werden uns alle vergewaltigenl“ Sie flehten uns an: „Nehmt uns bitte mit (nach Thüringen oder Sachsen)!“ Ich legte bei unserem Panzerkommandanten ein gutes Wort ein, und wir ließen ca. sechs der armen Mädchen mit ihren kleinen Taschen und Köfferchen auf dem Heck des Panzers aufsitzen. Unsere Kolonne fuhr nun weiter durch Lippstadt in Richtung Lipperode. Zwei unserer Panther ließen wir als Sicherung am Ortseingang von Lipperode zurück. Ein Kamerad aus einem der beiden Panzer schildert die damalige Situation heute so: „Auf einer Straße am Ortseingang von Lippstadt erhielt der zweite Panzer mit H. F. als Funker und mit A. P. als Ladeschütze durch eine feindliche Granate einen Kettenschaden. Aus diesem Grunde und wegen Spritmangels wurde dieser Panzer an einer Wegegabelung bei Lipperode eingegraben. Der zweite Panther mit A. Sch. und W. v. 5. befand sich in einem Wäldchen in Deckung, als der erste Panther (offenbar nach einem gegnerischen Volltreffer) explodierte und dabei vier unserer Kameraden getötet wurden. Der neben dem Panther stehende Fahrer erlitt schwerste Verbrennungen. Dieser berichtete, diese vier Getöteten seien gerade beim Essen gewesen. Der zweite Panzer habe sich daraufhin zurückgezogen und habe noch lange unschlüssig an einer Wegegabelung im nächsten Dorf gestanden, bis er schließlich in Richtung Westenholz gefahren sei und dort wieder Anschluß an die übrige Kolonne gefunden habe. Meine persönliche Meinung: Ursache für den Tod der vier Kameraden war vermutlich ein Treffer der Reservemunition, mit der jeder einzelne Panzer beladen war. Unsere beiden gefallenen Kameraden liegen im Sammelgrab, 1. Reihe 26 auf dem Friedhof Lipperode. Meines Erachtens müßte auch „der einsame deutsche Panzer zwischen Cappel und Lippstadt, der aber bereits von der Besatzung aufgegeben war“, zu unserer Einheit gehört haben. Es wurde ferner berichtet, daß in den Vormittagsstunden zwei deutsche Panzer vor der Flakkaserne gesehen wurden, die sich aber bald in ostwärtige Richtung davonmachten (nach Aussagen eines Augenzeugen sollen diese Panzer nur bis Lipperode bzw. Mettinghausen gekommen sein>. In einem dieser Panzer müßte ich damals gesessen haben.“ —Unsere Restkolonne mit meinem Panther als Führungsfahrzeug durchquerte in schneller Fahrt Lipperode und fuhr in Richtung Mettinghausen. Der Kommandant meines Panzers war ein Feldwebel Sch., der vermutlich derjenige war, der einem Mann bei einem Gehöft V. befohlen haben kann, die weiße Fahne einzuziehen. Verständlich wird dieses Verhalten aus der Erfahrung, daß die Bevölkerung damals offen zeigte, daß sie nichts mehr mit uns deutschen Soldaten zu tun haben wollte; sicher aber nicht, daß wir alle noch unbelehrbare Nazis waren! Ich erinnere mich noch genau, daß unsere Kolonne von Lipperode aus in ostwärtige Richtung Mettinghausen fuhr. Es muß eine enge Straße auf einem Damm gewesen sein (Überflutungsgebietl). Wir erkannten über uns ein sehr tief und langsam fliegendes US-Aufklärungsflugzeug, welches innerhalb von Minuten ein präzise plaziertes Artilleriefeuer auf unsere Kolonne lenkte. Bei geschlossenen Luken konnten wir nur unseren armen Luftwaffen-Helferinnen zurufen: „In den Straßengraben und ganz flach hinlegen!“ Dann sahen wir aus Richtung Mettinghausen-Delbrück die ersten Sherman-Panzer, und wir eröffneten das Feuer. Mit einem der ersten Schüsse hatten die Amerikaner unsere rechte Kette getroffen. Sie fiel bei gebrochenem Bolzen der Länge nach auf die Straße. Ohne jede Deckung und bei starkem Artilleriefeuer war an ein Aufziehen der Kette nicht zu denken. Es kam aber noch viel schlimmer: Unser Motor setzte aus und ließ sich durch nichts mehr anwerfen. Vom Kommandanten aus dem Panzer geschickt, um nachzusehen, erkannte ich die ganze Bescherung: Die von den Mädchen zurückgelassenen Taschen und Köfferchen waren bei dem starken Artilleriefeuer aufgeplatzt, und die beiden großen rotierenden Motorlüfter am Heck hatten durch ihre Gitter Höschen, Büstenhalter und sonstige Wäschestücke angesaugt und hatten alles verstopft. Bedingt durch den Ausfall unseres Panzers auf der Dammstraße waren die aus der Umklammerung von Lippstadt ausbrechenden Panzer auf dieser Strecke vollkommen blockiert. Als Melder zu den anderen Panzern zurückbeordert, fand ich zunächst auf der Straße unseren schwerstverwundeten Kameraden W. v. S. leichenblaß und mit völlig durchbluteter Uniform. Ich zog ihn in den Straßengraben zu unseren Luftwaffenhelferinnen, die sich weiter um ihn kümmerten. W. v. S. muß sich in der Scheune des Bauern Haselhorst aufgehalten haben, als der Panther dortselbst getroffen wurde und die Scheune in Brand geriet und völlig zerstört wurde. Das Chaos an dieser Stelle war perfekt. Unsere Kolonne war genau im Schnittpunkt der sich schließenden Zangenarme der Amerikaner. So ist auch zu erklären, daß unsere Panzer an dieser Stelle ein Gefecht nach vorne und nach hinten zu führen hatten. — Da auch plötzlich unser schneidiger Feldwebel (EK 1> hier verschwunden war, kam ich mit unserem Funker zu dem Schluß, daß der Krieg an dieser Stelle nicht mehr zu gewinnen war. Da die sehr schnell aus Nordwesten anrückenden Amerikaner diese Stelle auf dem Dammweg bereits mit MG-Feuer bestrichen, flüchteten wir beide wie die Hasen über die mit Stacheldraht eingezäunten Weiden bis in ein nahes Wäldchen. Der schwerstverwundete Kamerad wurde sehr bald von den Amerikanern gefunden, nachdem ihm zwischenzeitlich beim Bauerngehöft lagernde Fremdarbeiter und Gefangene geholfen hatten. Ein farbiger US-Soldat soll ihn wegen der schwarzen (Panzer-) Uniform mit der Pistole bedroht haben: „You SS!“ Später eintreffende US-Soldaten sollen ihn aufopfernd gepflegt haben. Ich hatte jahrzehntelang ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen, ihn in Stich gelassen zu haben. Er ist wie ein Wunder am Leben geblieben und hat mein Verhalten im Bestreben, der Gefangenschaft zu entgehen, voll akzeptiert. So waren wir ziemlich die letzten Soldaten, die hier dem großen Kessel noch entkamen. Fluchtartig machten wir uns davon und blieben schwer atmend in einem Wäldchen nahe der Straße nach Mettinghausen am Boden liegen. Die Amerikaner hatten jetzt die Stelle der stehengelassenen Panzer erreicht und schossen wild mit MG hinten uns her. Wir beide hatten unsere Maschinenpistolen und die Pistolen 38 aus dem Panzer geholt, mit einem Vorrat an Munition, an Schmalzfleisch und Schoka-Cola. So wollten wir uns durchschlagen, um wieder Kontakt zu regulären deutschen Truppen zu bekommen. Wir marschierten den restlichen Tag (Ostersonntag) im Wald parallel einer Straße, auf der wir in Richtung Senne und Teutoburger Wald lebhaften amerikanischen Verkehr beobachteten, In einem verlassenen Schweinestall übernachteten wir und durchquerten an Sande vorbei — vorwiegend nachts und dabei die Straßen meidend — die Senne mit Sennelager. Hier entdeckten wir— wir hatten nie vorher eine solche Menge Panzer gesehen — zwischen Bäumen getarnt an die hundert Tigerpanzer mit afrikagelblichem Anstrich, nagelneu, aber alle ohne Zieloptik. Wir schlichen uns weiter an Schlangen vorbei und hatten im Wald eine relativ gute Nacht. Am 3. April 1945 erreichten wir bei Horn den Teutoburger Wald und sahen erstmals wieder deutsche Truppen. An dem die Straße flankierenden Einschnitt des Teutoburger Waldes hatten sich ganz junge Fallschirmjäger in Einmann-Löchern eingegraben. An dieser Stelle sahen wir auch schwerverwundete Rekonvaleszenten einer Genesenden-Kompanie mit eingegipsten Armen in sogenannten „Stukas“ und mit allerlei Verbänden. Auch diese Soldaten waren infantenistisch bewaffnet und sollten hier eine Widerstandslinie aufbauen. Von diesen hörten wir die ersten Kommentare zur Sinnlosigkeit dieser Form des Krieges. Unbehelligt und völlig alleine marschierten wir beide rechts und links der Straße, wobei der eine mehr vorausging und der andere etwas zurückblieb (wie wir es gelernt hatten). Einmal wurden wir von einem sog. SS-Sonderkommando aufgehalten und mußten uns ausweisen; unsere Waffen legitimierten uns, keine Deserteure zu sein. Am Abend dieses Marschtages erreichten wir das Dorf Klein-Berkei, kurz vor Hameln. in einer verlassenen Jugendherberge ließ man uns auf den Bänken schlafen. Wir revanchierten uns auf eine weniger vornehme Weise, indem wir die treudeutschen, geblümten Obergardinen vom Fenster schnitten, um uns daraus Fußlappen für unsere zerschundenen Füße zu machen. Am nächsten Morgen marschierten wir früh los und trafen kurz vor Hameln auf immer mehr Wehrmachtsangehörige. Am westlichen Weserufer holte uns ein mit Soldaten besetzter LKW ein; das Kommando führte ein Weißhaariger (Major?> mit einer Armbinde des Volkssturmes. Er befahl uns aufzusteigen und erklärte: „Ihr müßt Eure Waffen abgeben, die brauchen wir zur Verteidigung von Hameln.“ Auf der Weserbrücke standen drei oder vier Sturmhaubitzen mit Tarnanstrich. Wir wurden mit allen anderen Soldaten in eine außerhalb Hamelns gelegene Kaserne gefahren, in der Hunderte von entwaffneten Soldaten verschiedenster Truppenteile bei abgeschlossenem Kasernentor „verwahrt“ wurden, In Gesprächen erfuhren wir, daß der uns aufgesammelt habende alte Volkssturmoffizier Hameln unzerstört an die Amerikaner übergeben wollte und aus diesem Grunde die aufgegriffenen Soldaten kasernieren ließ. Das ging eindeutig gegen unsere Ehre, und wir kletterten bei einbrechender Dunkelheit über den hohen Kasernenzaun. Man hatte gehört, daß die konfiszierten Waffen alle im Gebäude der Ortsgruppe lägen. Wir beide drangen in der Nacht dort ein, erreichten im 1. Stock das Waffendepot, fanden auch unsere Maschinenpistolen und suchten nach unseren Magazinen. Da betrat ein höherer HJ- oder Jungvolkführer den Raum; es gab ein Gerangel zwischen uns, ein Schuß löste sich, und mein Kamerad J. B. traf den HJ-Führer in den Oberschenkel. Da andere Wächter alarmiert waren, machten wir uns eiligst aus dem Staube. Am nächsten Tag marschierten wir weiter und hielten auf der Straße zwischen Hameln und Hildesheim einen mit geheimnisvollen Funkgeräten ausgestatteten Stabswagen an. Dessen Besatzung gab sich sehr geheimnisvoll und sprach im Sprechfunk von einem „Panzerstützpunkt Nord“. Im Dorf Behrensen wurden wir ausgeladen und suchten uns in einem der an der Straße liegenden „dicken“ Bauernhöfe ein Nachtquartier. Zur Ehre der dortigen Bauern muß gesagt werden, daß alle ihre Höfe völlig überfüllt waren mit Soldaten und geflüchteten Zivilpersonen. Am nächsten Morgen machten wir uns wieder zu Fuß auf den Weg, immer bestrebt, eine intakte (Panzer-)Einheit zu finden, der wir uns anschließen könnten. In einem Dorf zwischen Behrensen und Hildesheim stießen wir auf ein an einem Baum genageltes Holzschild mit dem taktischen Zeichen des springenden Windhundes. Etwas weiter erkannten wir an einem Baum gelehnt einen Oberleutnant mit Ritterkreuz, der eine Flasche in der Hand hielt und leicht schwankte. Wir legten eine zackige Meldung hin, in welcher wir hinwiesen auf die Tatsache, daß wir marschierend uns bemüht hätten, wieder Anschluß an eine vernünftige Truppe zu gewinnen. Die Reaktion des etwas desolaten Oberleutnants W. war: „Warum seid Ihr nicht nach Hause gegangen, ihr Säcke?“ So wurde uns erstmals klar, daß wir kaum mehr helfen konnten, diesen Krieg zu gewinnen. Bei dieser Einheit handelte es sich um die Stabskompanie der Reste der 116. Panzerdivision, die noch aus dem Ruhrkessel herausgekommen waren. Dort wurden wir eingeteilt als Bedienung einer 2-cm-Vierlingsflak, die an einem SPW angehängt war. Als Kleinster lag ich ständig in der Persenning, die über die Rohre gezogen war. In dieser Art Hängematte mußte ich den Flugmelder (Iuki-luki) machen. Bei strömendem Regen ging die Fahrt durch die zerstörte und noch brennende Stadt Hildesheim, und wir erreichten tief in der Nacht Clausthal-ZeIIerfeld im Harz. Dort übernachteten wir in einer Fabrik. Am 6. April 45 lagen wir in einem Waldstück, an welchem eine Straße vorbeiführte. Typisch für die damalige Deutsche Wehrmacht empfand ich, daß ein dicker Finger eines panzerschwarz gekleideten Stabsfeldwebels (ohne jegliche Auszeichnung) auf mich deutete und mich vereinnahmend (zwei Wochen vor meinem Kriegsende!) anbrüllte: „Du machst ab sofort meinen Putzer!“ Am 7. und 8. April lagen wir mit unserer Vierlingsflak sichernd und ohne Gefechte in Brockwiese, wurden einen Tag später aber wieder nach Clausthal-Zellerfeld beordert und am gleichen Tag wieder nach Brockwiese. ich erinnere mich nicht an all den Tagen nach unserem Entkommen aus dem Kessel bei Lippstadt, je ein warmes Essen erhalten zu haben. Unsere Verpflegung bestand ausschließlich aus dem erwähnten Schmalzfleisch und Kommißbrot. Nachts schliefen wir — es war im April im Harz noch bitterkalt — unter zeltförmig aufgestellten hölzernen Schneegittern, wie man sie im Winter an den Straßen sieht, welche wir mit Fichtenreisig abgedeckt hatten. Am 10. April wurden wir mit noch einem weiteren Vierlingsgeschütz nach Osterode-Freiheit geschickt. Dort wurden wir (U. Saft, 5. 200) mit anderen Teilen der 116. PzDlv. unter Führung des Majors Graf Brühl als Kampfgruppe gegliedert und auf die Harz-Verteidigung vorbereitet. Diese Teile der 116. PD, bei der sich Major Degenhard mit der Logistik befand, bildeten die Kampf-gruppe des Majors Graf von Brühl. Die Uniformierung dieses Haufens war sehr unterschiedlich, man sah von den „schnieken“ schwarzen Panzeruniformen bis zu verdreckten grünlichen Drillichkombinationen alles, was die Deutsche Wehrmacht zu bieten hatte. Sehr stolz trugen alle die kleine ovale Blechplakette mit dem springenden Windhund an ihrer linken Mützenseite. Ich erinnere mich sehr genau, daß häufig von zerkratzten englischen oder amerikanischen Schallplatten ein Schlager abgespielt wurde, der als „das Divisionslied“ deklariert wurde (Wochenend und Sonnenschein ...) Am 11. April wurden wir wieder nach Clausthal-Zellerfeld zurückverlegt, wo wir den Tag über in einem Wald verbrachten. Hier war es wohl, als wir mit unserem SPW mit angehängtem Vierlingsgeschütz an einer Waldlichtung mit gerodeten Bäumen Rast machten und beim Essen unserer Kaltverpflegung außerordentlich viele Fliegen bemerkten. Die Umgebung absuchend stieß ich auf einer weiteren Lichtung auf eine Gruppe von etwa 30 erschlagenen Häftlingen in gestreiften Anzügen und mit kahlgeschorenen Köpfen. Alle waren offensichtlich mit einer Eisenstange erschlagen worden; denn die Schädel waren eingeschlagen. Schußverletzungen sah ich nicht. Nach dem Zustand der Toten lag der Zeitpunkt ihres Todes nicht lange zurück. In meinem Tagebuch finde ich unter dem 11. 4. den Eintrag: „Sicherung der Straße nach Goslar, abends Verteidigung von Clausthal-Zellerfeld.“ Nach meinen Aufzeichnungen erfolgte abends in der Dämmerung der Gegenangriff der Kampfgruppe Graf Brühl auf Bockswiese (Lautenthal). Die Kolonne fuhr mit zwei Panthern an der Spitze und den nachfolgenden SPW die sehr kurven-reiche und enge Straße donnernd hinauf. Infanterie sicherte an den Straßen-rändern. Unser SPW mit angehängter Vierlingsflak fuhr etwa im ersten Drittel der Kolonne. Nach einiger Zeit hörten wir nahe Detonationen, Handfeuerlärm und sahen Feuerschein. Infanterie brachte Verwundete und Tote in Zeltplanen zurück. Der zweite Panther wendete und da die Unternehmung abgebrochen wurde, fuhren auch wir zurück. Eindringlich in meinem Gedächtnis geblieben ist, daß diese Unternehmung nur im Flüsterton abgehalten wurde, obwohl die Panzer im engen Harztal „hinaufdonnerten“ und natürlich von den Amerikanern erwartet werden konnten. Schon damals beschlich mich das Gefühl, daß manche Vorgesetzte ihre Unternehmungen mit einem rücksichtslosen Dilletantismus vorbereiteten. Dieses wog um so schwerer, als wir einfache Mannschaften bis zum Kriegsende tagsüber und auch nachts zum Wacheschieben eingeteilt wurden und dabei nächtlich beobachten konnten, daß sich Offiziere zu Fuß, auf Beiwagenkrädem, mit PKW und in einem Fall sogar mit einem vollgeladenen SPW davon-machten. Als ich einmal fragte, was diese nächtlichen Aktivitäten zu bedeuten hätten, wurde ich in der üblichen Weise angefahren: „Das geht Sie einen feuchten Käse an!“ Einen Tag später finde ich in meinen Aufzeichnungen: „Ganze Einheit durch den Harz, Durchbruch nach Elend!“ Offensichtlich waren schon einige Straßen von den Amerikanern besetzt. Wir mußten uns den Weg über kleinste Waldwege suchen, wobei eine Vielzahl von Panzersperren aus in mannshoch gesprengten Bäumen zu umfahren war. Für uns junge Burschen war es ein besonderer Spaß, daß wir auf einem der wenigen Beute-Jeeps und in einer amerikanischen Beute-Windbluse und unter einem amerik. Beute-Helm den Spähtrupp machen konnten. Meine Windbluse hatte auf dem Obemamm einen großen Tigerkopf aufgenäht, in dessen Maul ein feindlicher Panzer zerbissen wurde. (Nicht auszudenken, was mit uns passiert wäre, wären wir in diesem Verkleidung aufgegriffen worden?). — Wir fühlten uns sehr mutig und waren dabei auch stolz. Zwei Tage verbrachten wir im Wald bei Elend. Am 14. 4. 1945 wurden noch einmal Teile der Einheit zu einem Gegenstoß nach Dammhaus beordert. (Ich frage mich heute noch, woher wir unseren Treibstoff noch immer bekamen?). — Am Abend dieses Tages wurden wir bei Dämmerung über Braunlage auf die Straße in Richtung Bad Harzburg geschickt. In der Nähe des Torfhauses protzten wir die Vierlingsflak ab und sollten mit direktem Schuß die Straße sperren. Man hatte damals die Erfahrung gemacht, daß die Amerikaner bei Anbruch dem Dunkelheit jegliche militärische Aktivität einstellten. Nicht so in diesem Falle. Während wir noch mit der Einrichtung einer Stellung beschäftigt waren, kamen von Braunlage her mit großem Getöse mehrere Lastwagen voll mit alten Volkssturmmännern heraufgefahren. Während diese mit Befehlsgeschrei und Waffengeschepper von ihren LKW‘s absprangen, um sich zu formieren, hauten die Amerikaner mit einem massierten Granatwerferfeuer in diese Menschenmasse hinein, so daß die Straße in wenigen Minuten übersät war mit schwerverwundeten, schreienden, stöhnenden alten Männern, mit unzähligen Toten, mit Blut und abgerissenen Extremitäten. Dabei fiel auch einer unserer Kameraden namens Egon. Wir brachten die vielen Verwundeten in das zu einem Befehlsstand ausgebaute Forsthaus, in dem zwar kein einziger Arzt oder Sanitäter war — dafür um so mehr ratlose Offiziere. Wir packten den Innenraum unseres SPW voll mit ca. 10 Schwerverwundeten, wobei wir sie übereinander legen mußten und sie, je schnellem der SPW auf den Waldwegen rumpelte, um so mehr schrien und stöhnten. Braunlage war zu dieser Zeit ein einziges Lazarett. Wir hielten beim ersten Haus an und schleppten unsere Verwundeten hinein. Was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht; wir mußten ja weitem. Den 15. April verbrachten wir bei Braunlage. Jedoch mußten wir später unter MG-Feuer der Amerikaner nach Tanne verlegen. Zurückbeordert nach Elend, wollten wir unsere Vierlingsflak an einer Brücke, die über einen Bach führte, für den Erdkampf in Stellung bringen. Diese Brücke lag in einem Tal, und der hier stehende SPW mit angehängter Flak war ein frei stehendes Ziel. Alsbald setzte ein sehr starkes Granatwerferfeuer ein, dem die ganze Geschützbedienung, also ca. 5 bis 6 Mann, mangels anderer Deckung nur entgehen konnte, indem sie sich unter die SPW-Wanne legte. Mein Kopf berührte fast den Stiefel des vor mir liegenden Kameraden Uffz. H., als dieser getroffen aufschrie. Ein Granatsplitter hatte seinen Stiefel durchschlagen, aus dem Stiefel quoll massiv Blut. Es war sein rechter Fuß. Da niemand von uns vorher einen SPW gefahren hatte und da dieser getroffene Kamerad der Fahrer war, mußten wir ihm bei starken Schmerzen den verletzten Fuß mit Draht auf das Gaspedal festbinden. Er wurde dann von uns im nächsten Lazarett abgeliefert. Ich finde in meinem Tagebuch unter dem 16. April den Eintrag: „Ein Geschütz weg!“ — Näheres dazu ist mir nicht mehr erinnerlich. An diesem Tage fuhren wir sehr weit über Thale und kamen abends in Gernrode an. Nachts schliefen wir in einem Forsthaus. Am nächsten Tage zog die Rest-Einheit in einem Wald unter. Diese Truppe nannte sich „Einheit Kather“. Wer diesem Kather war, habe ich nie herausgefunden. Im Wald verteilt standen hunderte von Halbkettenfahrzeugen und LKW der verschiedensten Typen. Auch am nächsten Tag iungerten wir in diesem Wald herum; eindeutige Befehle gab es nicht mehr. Jede Nacht schmolz die Einheit zusammen. Es blieben eigentlich nur diejenigen zusammen, deren Heimatorte zu weit entfernt lagen. Man sprach jetzt deutlich vom verlorenen Krieg, von der absoluten Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung. Dabei war uns die Vorstellung von einer „Gefangenschaft“ einfach grauenhaft. Am späten Abend des 18. April schlichen wir beide uns an die ersten Häuser der weiß geflaggten Stadt Gemnrode. Wir hatten die Hoffnung, etwas Warmes zu essen zu erhalten und vielleicht noch einmal in einem Haus schlafen zu können. Am nächsten Morgen weckten uns die hilfsbereiten Hausbewohner sehr früh und scheuchten uns davon mit den Worten~. „Wenn die erfahren, daß wir deutsche Soldaten versteckt haben, werden wir erschossen!“ Wir schlichen uns zurück zu unserem SPW mit Vierlingsflak. Unser Feldwebel erklärte uns, daß jetzt alles zu Ende sei. Wir hätten jedoch noch die Pflicht, alle Waffen zu zerstören. Unsere 2-cm-Flak ließen wir im Wald eine steile Böschung hinunterfahren. Sie zertrümmerte sich an den alten Buchen. Unsere Pistolen zerlegten wir und vergruben sie an einem Baum, nicht ohne die Teile in geölte Lappen verschnürt zu haben und nach einer Lokalisationsarkierung an einem Baum. Im Schreibstuben-LKW wurden jedem übriggebliebenen Soldaten der Wehrpaß übergeben mit dem gesiegelten Bemerkung: „Von der Deutschen Wehrmacht entlassen.“ Die deutsche Ordnung funktionierte bis zum letzten Tage. Stundenlang streiften wir durch den Wald und untersuchten Dutzende von verlassenen Fahrzeugen auf Brauchbares. Dabei konnten wir uns nicht entschließen, uns in Gefangenschaft zu begeben. Das Letzte, was wir fanden, war ein Verpflegungs-LKW. In diesem fanden wir Faßbutter und Zuckersäcke. Beide Lebensmittel verpackten wir und stopften sie in unsere Überfallhosen in der Hoffnung, damit die ersten Tage der Gefangenschaft zu überstehen. Dann machten wir uns auf den Weg — der Gefr. J. B. und ich. Wir beide waren während der letzten Wochen immer zusammen. Einen Waldweg normal laut herabgehend, sahen wir auf einer steinernen Brücke über einen Bach einen US-Soldaten, der uns den Rücken zudrehte. Ein erstes zaghaftes Hallo von uns schien er durch das Rauschen des Baches nicht gehört zu haben. Erst beim zweiten lauteren Zuruf drehte er sich blitzschnell um, entsicherte seine Waffe und rief uns zu: „Hands up, hands upl“ Damit war der Krieg für uns zu Ende. Es war der 19. April 1945. Was dann folgte, waren traurige Monate in den Gefangenenlagemn von Eisleben, Hersfeld, Bad Kreuznach und Rheinberg. Erich Kalckbrenner
Hallo Uwe, wiedermal ein sehr aufschlussreicher ZZ-Bericht, den Du hier ins Forum gestellt hast. Diese sind ja gewissermaßen das Salz in der Suppe, wen es darum geht, Geschichte nachvollziehbar darzustellen. Allerdings ein kleines problemchen habe ich mit der Darstellung, dass der ZZ Dieselkraftstoff für seinen Panzer besorgt hat. Meines Wissens nach fuhren die dt. Panzer III, IV, V und VI allesamt mit Benzin und nicht mit Diesel. Da waren die russen mit ihrem T 34 besser dran.... MfG Rüdiger