Im September 2015 äußerte sich unsere Heimatzeitung so zu diesem Thema: "..... Laut aktuellem Planungsstand soll die neue Brücke über die Zollelbe von ihrer Gestaltung her eher zurückhaltend ausfallen. Im Zwischenbericht, mit dem die Stadtverwaltung regelmäßig über den aktuellen Stand informiert, heißt es: „Gestalterisch wurden die aufgehenden Bestandsmauern der Bastion in das neue Widerlager integriert.“ Über Treppen und Ebenen sollen die in diesem Bereich noch vorhandenen Reste der Magdeburger Festung mit der Bastion Kronprinz erlebbar gemacht werden. Dabei nehmen die Planer aber auch die Entstehung von Ecken in Kauf, die eines gewissen Reinigungsaufwands bedürfen. Um eine Linksabbiegespur in die Stadtparkstraße zu ermöglichen, soll die Brücke eine etwas größere Breite bekommen...... " Ähnliches stand letzte Woche drin.
Alte Magdeburger Kasernen – Die Militair-Strafabteilung
In Preußen, aber auch im sich anschließenden deutschen Kaiserreich, galt für Angehörige des Militärstandes ausschließlich die besondere Militärgesetzgebung mit eigener vom Zivilstaat unabhängiger Militärgerichtsbarkeit. Das galt auch für Soldaten des Beurlaubtenstandes, also eigentlich im Zivilleben stehenden Personen. Konsequenter Weise musste auch der Strafvollzug in den Händen des Militärs liegen. Und was eignete sich besser zur Strafvollzugsanstalt als eine Festung? Und Magdeburg war eine Festung. Also auch eine Strafvollzugsanstalt. Namen wie von der Trenck, Siemens, Walrave, Fritz Reuter, Pilsudski und viele andere geben Zeugnis von dieser Rolle der Stadt Magdeburg bzw. ihrer militärischen Variante: der Festung Magdeburg. Bei der Militair-Strafabteilung ging es jedoch nicht um solche Delinquenten, die ja meist in Offiziers-Arreststuben oder in einer der speziellen Strafform „Festungshaft“ angemessenen Weise ihre Strafen verbüßten, sondern mehr um Dienstgrade ohne Offiziersstatus. Um 1872 war der Ort, an dem die Vollstrecker der Militärjustiz ihres Amtes walteten die östliche Bastion (Bastion Kronprinzess) der Magdeburger Zitadelle. Hier befanden sich etwa 160 bis 165 Strafgefangene. Sie waren in vier gesonderten geräumigen Kasematten kasernenmäßig untergebracht. Jede Kasematte war durch eine besondere Tür mit dem großen gemeinschaftlichen Vorhof verbunden. Dieser Vorhof war gegenüber der übrigen Zitadelle durch einen hohen Holzzaun abgeschlossen. Die Gefangenen waren in Räumen untergebracht, die gleichzeitig zum Wohnen und zum Schlafen eingerichtet waren und hatten zur Hofseite Fenster. Auf dem Hof befand sich die Latrine mit einer gemauerten Grube, die bei Bedarf geleert wurde. Flüssige Abgänge wurden in einem offenen Rinnstein der Elbe zugeführt. Ebenfalls auf dem Hof befand sich ein Brunnen, aus dem das Gebrauchs- und das Trinkwasser entnommen wurde. Die Wasserqualität wurde als sehr gut empfunden (reichlich, kristallklar, wohlschmeckend). Die Gefangenen wurden zu Festungsbauarbeiten herangezogen und arbeiteten dort zum Teil mit zivilen Festungsbauarbeitern gemeinsam. Der Verkehr mit diesen Arbeitern war ihnen zwar untersagt, konnte wohl aber nicht konsequent unterbunden werden. Sie nutzten schließlich die in den Wallgräben ausgehobenen offenen Gruben gemeinschaftlich als Latrinen.
Mit dem Sieg napoleonischer Truppen über die konservativen Staaten Europas verbreiteten sich auch die Ideen der Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Nach den verheerenden Niederlagen Österreichs und Preußens sowie der übrigen Staaten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gab es Reformbestrebungen, die insbesondere ihren Nährboden im Willen zur Abschüttelung des französischen Jochs fanden. Menschen ohne irgendwelche Rechte, egal welchem König, Fürsten oder sonstigem Herrscher sie untergeben zu sein hatten, waren für die Idee einer Befreiung nur schwer zu gewinnen. So setzten zaghafte Reformen ein, durch welche individuelle Rechte und Freiheiten definiert und durchgesetzt werden sollten. Das führte weg von Despotie und Willkür und hin zu einem definiertem Rechtsstatus der Untertanen. Ein Feld dieser Rechtsetzung in Preußen war die Festlegung von Grundsätzen für die Verurteilung von Rechtsbrechern und für die Gestaltung der Strafe für die begangenen Verstöße. Etwa um 1811 begann in Preußen eine Systematisierung der Strafjustiz im Sinne moderner Definitionen. Deutlich waren dabei noch die hergebrachten Einstellungen der herrschenden Kreise zu den ungebildeten und besitzlosen Schichten zu erkennen, denen Glaube und Unterwürfigkeit zur Pflicht gemacht wurde. Sie waren recht- und ehrlos. Andererseits war ohne ihre aufopferungsvolle Bereitwilligkeit ein Widerstand gegen das Prinzip der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – letztendlich für den Erhalt von Adel und Krone – nicht möglich. Wenn auch keine Privilegien, dann aber doch verbriefte Rechte sollten sie erhalten. Das spiegelt sich in den Bestimmungen wider, die zur Rechtsprechung, zum Strafmaß und zum Strafvollzug in dieser Zeit entstanden sind und z. T. bis in die heutige Zeit hineinreichen. Ich möchte zunächst, weil es sich in dieses Thema einfügt, einige Erläuterungen zur Festungshaft geben. Hier haben sich Standesprivilegien am deutlichsten sichtbar erhalten und bedurften wortreicher Begründungen. Demzufolge musste als erstes eine Klasseneinteilung der „Arrestaten“ vorgenommen werden. Bisher wurden die Festungshäftlinge als „Festungs-Stubenen-Gefangene“ bezeichnet. Um den Paradigmenwechsel sichtbar zu machen, wurde die bisher letzte Klasse in die Erste Klasse der „Festungs-Arrestaten“ (meistens als „erste Gattung“ bezeichnet) umdefiniert. Erster Klasse waren nach damaliger Definition also die schlimmsten Galgenvögel. Kein Wunder, dass ihre Rechte nicht gerade erster Klasse waren. Die Festungskommandanten erhielten folgende Instruktion: „Wenn gleich es erforderlich ist, dass jedes zu kürzerem oder längerem Arrest auf der Festung verurteilte Individuum für die Dauer der Strafzeit in wirklicher Haft gehalten, mithin seiner persönlichen Freiheit beraubt und so situiert (wirtschaftlich gestellt) werde, dass es in gänzlicher Zurückgezogenheit von der bürgerlichen Gesellschaft leben muss, so scheint es doch als so billig als zweckmäßig, dass, nach Maßgabe des verübten Verbrechens und der verwirkten Strafe, so wie, je nachdem der Verurteilte der Flucht verdächtig ist oder nicht, zwei verschiedene Gattungen der Festungs-Stubenen-Gefangenen angenommen werden, die sich darin wesentlich von einander unterscheiden, dass der Verurteilte der einen Gattung fortwährend unter strenger Aufsicht verbleibt, während dem der zweiten Art auf Treue und Glauben einige mit dem Zweck der Strafe vereinbare Vergünstigungen zugestanden werden. Es wäre ja auch noch schöner, wenn der bisherige Pöbel unter den Begriff der bürgerlichen Gesellschaft fallen würde. Das Kriegsministerium bemerkt noch, dass alle diejenigen Verurteilten, welche sich solcher Vergehen schuldig gemacht haben, die einen Mangel an moralischen und ehrliebenden Gesinnungen verraten, und daher neben der Festungsstrafe mit Cassation (Dienstentsetzung) oder mit Verlust der National-Cokarde bestraft werden, müssen den geschärften Arrest erleiden, wogegen bei allen übrigen, insofern nicht die Dauer der Strafe selbst oder die Unsicherheit der Personen die Anwendung der strengeren Haft nötig macht, der gelindere Arrest zur Anwendung kommt. So viel zunächst zur Klasseneinteilung der Festungshäftlinge zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Geschärfter Festungsarrest Was erwartete einen Festungshäftling, der zur „Ersten Klasse“ gehörte? Bei seiner Einlieferung wurde er genauestens visitiert und es wurde ihm, unter Vorbehalt seines Eigentumsrechtes, alles abgenommen, was für „einen schädlichen Gebrauch, besonders zur widerrechtlichen Erlangung der Freiheit“ hätte benutzt werden können. Messer, Gabeln, Scheren und ähnliches konnten dem Arrestaten bewilligt werden. Der Festungs-Kommandant hatte aber zu entscheiden, ob sie am Morgen ausgehändigt werden sollten und am Abend wieder eingezogen werden mussten. Geld und Geldwert durften dem Gefangenen in dem Umfang belassen werden, wie es zur Bestreitung des täglichen Unterhalts für 8 bis 14 Tage, höchstens für vier Wochen, benötigt wurde. Der Rest wurde in Verwahrung genommen, durfte aber vom Gefangenen in Anspruch genommen werden, wenn das nicht ausdrücklich untersagt war. Die Arresträume mussten verschlossen gehalten werden, lediglich die der Gesunderhaltung zugebilligten Zeiten des „Ergehens in freier Luft“ waren dem Häftling gestattet. Dafür wurde ein sicherer, leicht und vollständig zu überblickender Raum innerhalb der Umwallung der Festung, der Zitadelle oder des Forts geschaffen und unter ständiger Aufsicht gehalten. Die Zeit der Freistunden war im Sommer auf maximal vier, im Winter auf nicht mehr als drei Stunden festgelegt. Die Arrestzellen und die Häftlinge wurden regelmäßig kontrolliert, um Fluchtversuche aufzudecken und zu verhindern. Die Häufigkeit solcher Kontrollen richtete sich nach der Einschätzung der Fluchtgefahr durch die Kommandantur. Die Wachen innerhalb der Festung hatten darüber hinaus auf den sicheren Gewahrsam der Häftlinge zu achten. Den Gefangenen war der Empfang und die Absendung von Post unbeschränkt gestattet. Vor dem Versand bzw. vor der Aushändigung an den Empfänger wurde der Inhalt allerdings vom Kommandanten überprüft und in Verdachtsfällen wurde mit dem General-Kommando bzw. mit dem Gericht, welches das Urteil gefällt hatte, Rücksprache genommen. Beschwerden und Gnadengesuche waren gestattet und konnten dem Kommandanten gegenüber mündlich oder schriftlich geäußert werden. Letzterer war zur Weiterleitung verpflichtet. Beschwerden über den Kommandanten selbst konnten schriftlich und versiegelt an diesen übergeben werden und waren dem kommandierenden General zuzuleiten. Um Urlaub aus der Festungshaft in dringenden Fällen durfte nachgesucht werden. Das Gesuch war mit einer Stellungnahme des Kommandanten an den kommandierenden General einzureichen. Vom Kriegs- und Justizminister konnte in anerkannten Fällen der Dringlichkeit ein Urlaub bis zur Dauer von sechs Wochen genehmigt werden.
Die vorgenannten Bestimmungen erscheinen recht großzügig, lassen aber darauf schließen, dass die „Erste Klasse der Festungsgefangenen“ nicht für Individuen von außerhalb der „bürgerlichen Gesellschaft“ gedacht war. Bereits die Regelungen zum Postverkehr und zur Beschwerdeführung setzten ein Bildungsniveau voraus, das im einfachen Volk nicht vorhanden war. Das machen andere Regulative in starkem Maße deutlich. So wurde beispielsweise festgelegt: „Jede sonstige billige Erleichterung der Haft und Bequemlichkeit, die mit der erkannten Strafe, einer guten Ordnung und Disziplin und der persönlichen Sicherheit der Verhafteten vereinbar zu erachten ist, kann denselben auf eigene Kosten gestattet werden, wie z. E. (zum Exempel) die Haltung eines Aufwärters, dessen Zulassung zu gewissen Stunden jedoch sofort wieder zu versagen sein würde, als sich dabei irgend ein Versuch zu unerlaubten Kommunikationen oder sonstigen Missbräuchen ergeben sollte. Baugefangene oder Militär-Sträflinge dürfen keinesfalls zur unmittelbaren Bedienung von Stuben-Gefangenen benutzt werden, - vielmehr gehört es zu den Obliegenheiten der Gefangenen-Aufseher, bei unzuverlässigen Arrestaten oder bei unbemittelten, welche nicht selbst ihre Aufwartung zu halten vermögen, - für die Beischaffung der erforderlichen Lebensbedürfnisse und für Reinigung der Wäsche Sorge zu tragen.“ Besuche der Gefangenen sollten in der Regel nicht stattfinden – Ausnahmen konnte der Kommandant gewähren. Durfte der Gefangene Besuche in der Stadt machen, so musste ihm eine Begleitung mitgegeben werden, die ihn nicht aus den Augen lassen durfte. Letztendlich waren den Gefangenen Möglichkeiten zu bieten, sich auf angemessene Weise zu beschäftigen, wenn das nicht mit der Gefahr der Sicherheit ihrer Verwahrung verbunden war. Geschäftliche Tätigkeit im Sinne von „Vermehrung ihrer Subsistenz-Mittel“ war ihnen generell gestattet. Allerdings war der Kontakt mit irgendwelchem Publikum in diesem Zusammenhang verboten. Einzelunterbringung war nach Möglichkeit sicherzustellen. Maximal zwei bis drei Arrestaten durften im Ausnahmefall gemeinsam untergebracht werden, wenn sie „füreinander passen und nicht Teilnehmer eines und desselben Vergehens“ sind. Kontakte zu den Festungs-Arrestaten zweiter Gattung sollten nach Möglichkeit unterbunden werden.
Gelinderter Festungsarrest Gegenüber der Ersten Klasse lief es bei den Stuben-Arrest-Gefangenen der zweiten Gattung wesentlich lockerer. Es entfielen sowohl die Visitationen bei der Aufnahme in den Arrest, als auch die Einziehung gefährlicher Gegenstände oder des Geldes. Der feste Verschluss des Arrestlokales und dessen ständige Kontrolle und Überwachung waren ebenfalls kein Thema, da den Delinquenten dieser Klasse keine Fluchtabsichten unterstellt wurden; sie hatten sich schließlich keiner Vergehen schuldig gemacht, welche einen Mangel an „Ehrliebe und Moralität“ zur Voraussetzung haben. Weder für die Privatkorrespondenz noch für ihre Bedienung, wenn sie sich solche aus Privatmitteln leisten konnten, waren irgendwelchen Einschränkungen unterworfen. Der zeitweise „Verschluss der Arrest-Behältnisse“ war dem Ermessen des Festungskommandanten anheimgestellt. Die den Gefangenen gewährten Freistunden betrugen nach Ermessen des Kommandanten 4 bis 4 Stunden am Tag. In dieser Zeit durften die Arrestaten innerhalb des Gefängnisses Besuche von unbescholtenen Personen empfangen. Während der Freistunden durften sie sich im gesamten Bereich der inneren Umwallung der Zitadelle frei und unbewacht bewegen. Kontakt mit Gefangenen der ersten Gattung sollte ausgeschlossen werden. Eine Einschränkung, die sicher nicht von ernstzunehmender Schwere war, bestand darin, dass sich die Festungsgefangenen außerhalb ihrer Freizeit in ihrem „Arrest-Local“ aufhalten mussten. Dort konnten sie sich ihren Neigungen gemäß beschäftigen, sollten aber von jeder Kommunikation mit der bürgerlichen Gesellschaft abgeschnitten sein. Der Festungskommandant hatte die Aufgabe, diese Bestimmung kontrollieren zu lassen. Die Erlaubnis zum Besuch öffentlicher Spaziergänge (in der Art der Fürstenpromenade), öffentlicher Gesellschaften sowie von öffentlichen Gast- und anderen Häusern durfte nicht erteilt werden. Die Stuben-Gefangenen sollten „vielmehr in gehöriger Zurückgezogenheit von der bürgerlichen Gesellschaft leben und sich still verhalten“. Da allerdings in Preußen nicht alle Untertanen dem Militärstand angehörten, aber dennoch eine Ehre haben konnten, gab es noch eine Sondergruppe von Arrestaten. Diese mussten ihre Vergehen möglicherweise auf „ausdrücklichen Allerhöchsten Befehl“ durch einen polizeilichen Festungsarrest büßen. Sie gehörten in der Regel der Gattung mit gelindem Arrest an, haben aber noch weitere Erleichterungen. Sie dürfen ein schickliches Wohnlokal in der Festungsstadt beziehen und sich während ihrer Freistunden unbehindert innerhalb der Wallgrenzen bewegen. Außerhalb ihrer Freistunden müssen sie sich in ihrem Wohnlokal aufhalten. Für den Besuch von Gesellschaften oder öffentlichen Gast- und anderen Häusern kann ihnen die Erlaubnis des Kommandanten erteilt werden. Ansonsten haben sie sich in geziemender Zurückgezogenheit von der bürgerlichen Gesellschaft zu halten und müssen über die Einhaltung dieser Verpflichtung einen schriftlichen Revers ausstellen. Stehen dem Kommandanten keine Räumlichkeiten zur “schicklichen Unterbringung“ von Stuben-Gefangenen zur Verfügung, so hat er darüber sofort eine Meldung zu erstatten. Diese gilt als Antrag für die Translokation des betroffenen Gefangenen in eine andere Festung. Fritz Reuter hat solch eine Verlegung aus Magdeburg einmal ausgelöst, die erwartete Verbesserung des Lebens in der Festungshaft ist allerdings ausgeblieben.