Nur mal ein Hinweis, der in den Transportlisten augenfällig wird (ich beziehe mich ausschließlich auf Magdeburg): Es sind immer wieder die gleichen Adressen unter denen die (ehemaligen) jüdischen Mitbürger auftauchen. Dabei handelt es sich um die sogenannten "Judenhäuser". Ihre makabre Geschichte verdient sicherlich auch einer eigenen Darstellung und eines entsprechenden Gedenkens. Hierzu nur einmal die Wiedergabe der Adressen von den in Magdeburg eingerichteten Judenhäusern. In Magdeburg befinden sich die Judenhäuser in der Arndtstraße 5 (ehemaliges Israelitisches Altersheim), Schöninger Straße 27a, Großen Schulstraße 2b (neben der Synagoge), Großen Mühlenstraße 11/12, im Fermersleber Weg 40-46 (Israelitischer Friedhof), in der Brandenburger Straße 2a, am Johannisberg 15a, in der Lübecker Straße 30a, in der Spielgartenstraße 28 und der Westendstraße 9.
Hier noch ein paar zusammengefasste Bemerkungen zu den Magdeburger Judenhäusern.
Bis zum Frühjahr 1939 wohnen die Magdeburger Juden in Wohnungen, die sie sich nach ihren finanziellen und persönlichen Gegebenheiten gesucht hatten. Für die einfachen und geringverdienenden Magdeburger, ob Juden oder Nicht-Juden, sind die Möglichkeiten eher bescheiden, da der chronische Wohnungsmangel in der Stadt ein hohes Maß an Kompromissfähigkeit bei der Wohnungswahl erfordert. Für Beamte, Anwälte oder Ärzte, Gewerbetreibende oder Unternehmer gibt es, je nach Einkommen, ein größeres Angebot, falls sie nicht über ein eigenes Haus verfügen. Dann gibt es noch einige jüdische Hausbesitzer, denen ein Mietshaus, in aller Regel in nicht privilegierter Lage, gehört. Da mit dem verstärkten Aufrüstungstempo der Bau von Wohnungen und anderen zivilen Vorhaben zunehmend in den Hintergrund getreten ist, wurde die Idee geboren, jüdischen Wohnraum für Deutsche verfügbar zu machen. Nachdem Juden die Möglichkeit der Teilnahme am öffentlichen Leben genommen ist, nachdem den Kindern die Möglichkeit der Ausbildung weitestgehend entzogen ist, nachdem sie vom kulturellen und sportlichen Leben ausgeschlossen sind, nachdem sie wirtschaftlich zugrunde gerichtet sind, ihr Vermögen und Besitz eingezogen ist - nimmt man ihnen auch noch das Heim, die familiäre Geborgenheit, den letzten Schutz. In Magdeburg beginnt nach dem Pogrom in der Reichskristallnacht die Einrichtung der späteren 9 Ju¬denhäuser nur langsam und wenig zielbewusst. In ihnen werden einmal die noch in der Stadt lebenden jüdischen Bürger konzentriert, das heißt zusammengepfercht. Zunächst aber gibt es am 7. 11. 1940 eine Ratsherrensitzung, in der es um ein einzurichtendes Judenhaus geht. In ihr wird dem Oberbürgermeister vorgeschlagen, das dem Juden, Bankier Max Israel Maier in Basel gehörige unbelastete Hausgrundstück Spielgartenstr. 28/Kaiser-Friedrich-Str. 28 unter Aufwendung von 62 080 RM (58 000 RM Kaufpreis, 3 500 RM Instandsetzungskosten und 580 RM Vermittlerprovision) zu erwerben. [...] Ratsherr Voges empfiehlt den Erwerb des Grundstücks, äußert aber Bedenken, in dieser Gegend ein solches Haus von jüdischen Mietern beziehen zu lassen. Er schlage vor, in diesem Hause Volksgenossen, die Juden aber anderwärts unterzubringen. Der Oberbürgermeister bemerkt hierzu, die Stadt werde später zu einer anderen Regelung der Unterbringung der jüdischen Familien kommen; während der Kriegszeit fehle es an den notwendigen Kräften zur Durchführung von Umsiedlungen. Ratsherr Model macht auf das noch bestehende jüdische Altersheim in der Arndtstraße 5 aufmerksam. Der Oberbürgermeister beauftragt das Liegenschaftsamt, dieser Angelegenheit nachzugehen. Eine Anfrage des Ratsherrn Hübner, wie viele jüdische Familien zurzeit noch in Magdeburg wohnen, soll in der nächsten Ratsherrensitzung beantwortet werden. Der Erwerb des Hauses wird beschlossen. Es wird zum Judenhaus. Es ist interessant, was man aus dem kurzen Protokollinhalt zur Einstellung der Beteiligten Juden gegenüber ablesen kann. Zunächst gibt es den namentlich nicht genannten Bearbeiter des Vorschlages, der einen ausländischen Bürger mit dem für deutsche Juden bestimmten diskriminierenden Zusatznamen Israel anspricht. Das beweist, dass er von einem starken Antisemitismus geprägt ist. Ratsherr Voges scheint vom gleichen Schlag zu sein, wenn er die deutschen Bewohner der Spielgarten- und Kaiser-Friedrich-Straße mit der Nachbarschaft der Juden nicht belasten will. Oder denkt er daran, dass Oberbürgermeister Dr. Markmann bis vor gar nicht langer Zeit im Nachbarhaus, Kaiser-Friedrich-Straße 27, gewohnt hat und diesem eine jüdische Nachbarschaft auch im Nachhinein nicht zugemutet werden könne? Ratsherr Model schließlich denkt „praktisch“ und antisemitisch, wenn er meint, dass es doch bereits Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Welche Zustände darin herrschen sollen, wenn eine Umquartierung der jüdischen Bürger erfolgt, interessiert seinen praktischen Verstand hingegen nicht. Ratsherr Hübner bleibt neutral, wenn er zunächst geklärt wissen will, für wie viele Menschen eigentlich Unterkunft geschaffen werden soll. Und Oberbürgermeister Dr. Markmann schließlich zeigt keinerlei Eile, wenn er darauf verweist, dass sich die vorhandenen Kräfte im Krieg mit anderen Dingen beschäftigen sollten, als mit der innerstädtischen Umquartierung der Juden. Ob das Opposition ist, lässt sich nicht sagen. Widerstand ist es keinesfalls. Ohne dass das weitere Schicksal der jüdischen Mitmenschen dadurch beeinflusst wird, lässt sich allerdings sagen, dass es gut war, den größten Judenfresser unter den Ratsherren, Rechtsanwalt Dr. Kuhlmey, bei dieser Sitzung nicht dabei gehabt zu haben. Dieser hatte sich bei Kriegsausbruch an die Front gemeldet und lebt jetzt wohl wie Gott in Frankreich, von wo aus er die Ratsherren hin und wieder grüßt, wie etwa im Februar 1942. Die Bearbeiter der Anfrage des Ratsherren Hübner nach der Zahl der in Magdeburg verbliebenen Juden haben den Standpunkt des Oberbürgermeisters zur Wohnungsfrage für Juden wohl dahin interpretiert, dass man nichts überstürzen soll und so folgt die Antwort erst sechs Wochen später am 17. 12. 1940. Sie haben dem Oberbürgermeister folgende Antwort vorbereitet: In Beantwortung der Anfrage des Herrn Ratsherrn Hübner in der Ratsherrensitzung vom 7. November 1940 teile ich mit, daß sich nach Mitteilung der Geheimen Staatspolizei zurzeit noch etwa 440 Juden in Magdeburg befinden. Von diesen werden 90% vom Arbeitsamt zur Arbeit herangezogen, die übrigen 10% sind entweder krank oder werden noch eingesetzt werden. Ich bitte, die Zahlen vertraulich zu behandeln. Das System, das sich hinter der Einrichtung der Judenhäuser versteckt, war früh zu erkennen. Juden verlieren weitgehend den gesetzlichen Mieterschutz. In der Folge werden viele von Juden bewohnte Wohnungen beschlagnahmt; Judenhäuser und jüdische Wohngebiete werden eingerichtet. (Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939, wodurch der Mieterschutzzwang nicht generell aufgehoben wurde, aber in die Mietverhältnisse mit Juden zu deren Ungunsten eingegriffen werden konnte). Wenn das in Magdeburg etwas später begonnen wurde, als in anderen deutschen Städten, ändert es nichts daran, dass die gleiche Konsequenz entwickelt wurde, wie sie die Haltung der Deutschen gegenüber Juden in dieser Frage charakterisiert. Auch die Taktik der Verschleppung oder Verzögerung von Entscheidungen bezüglich der Behandlung der Juden war in der Sache völlig belanglos, da das gesamte Verfahren von der Gestapo beherrscht wurde. Die Stadtverwaltung hatte lediglich Handlangerdienste zu leisten. Wie der Weg der Juden bis zur physischen Vernichtung verlief (von den Ausnahmen derer, die sich verstecken konnten abgesehen) kann anhand der Eintragungen im Adressbuch der Stadt Magdeburg nachverfolgt werden. So wird im Adressbuch 1938 für das Haus Schöninger Straße 27a vermerkt: Eigentümer: Frl. P. Lippmann. 1941 wandelt sich Frl. P. Lippmann in: Lippmann, P. Sara, Frl. Der „jüdische“ Zusatzname Sara musste ab 1. 1. 1939 von allen jüdischen Frauen getragen werden, die keinen anderen als jüdisch erkennbaren Vornamen besessen haben. Aus den Namenszusätzen Sara für Frauen bzw. Israel für Männer, ist zu erkennen, dass zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses für das Adressbuch 1941 weitere 3 jüdische Familien, darunter Frau Wandrow aus der Schönebecker Straße 29, im Haus leben. Sechs Mietparteien sind nicht jüdisch. Bei 8 vorhandenen Wohnungen bedeutet das, dass mindestens jeweils zwei jüdische Familien in einer Wohnung leben müssen. Letztendlich wohnten 16 Juden, davon fünf jüdische Ehepaare, im Haus. Sie wurden im Dezember 1942 nach Theresienstadt deportiert - die Nationalsozialisten bezeichneten das zynisch als Wohnsitzverlegung ins Alters-Ghetto Theresienstadt. Endstation war wohl Auschwitz, wo zumindest Frau Wandrow im Juni 1943 mit Giftgas umgebracht wurde. Als keine Juden mehr in der Schöninger Straße 27a wohnten, „feierten“ das die Mieter mit einem Schild „Dieses Haus ist judenfrei“. Um zu verhindern, dass die Umsiedlung und letztlich die Deportation einzelner jüdischer Menschen nachvollzogen werden kann, hatte sich der Magdeburger Adressbuchverlag eines ganz fiesen Tricks bedient. Auf Seite 19, unterhalb des Inhaltsverzeichnisses, war zu lesen: Juden, die als solche für uns nach dem Runderlaß des RMdI. vom 18. August 1938 sowie nach der 2. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Aenderung von Familiennamen und Vornamen vom 17. August 1938 erkennbar waren, wurden von der Aufnahme ausgeschlossen. Mit diesem Satz waren die Magdeburger Juden von einem Verlag liquidiert, gelöscht, ausradiert, dem Vergessen anheim gegeben. Wie erniedrigend die Vorgehensweise der städtischen Behörden gegenüber jüdischen Familien gewesen ist, lässt sich am Beispiel der Familie Freiberg nachvollziehen. Die Familie hatte zunächst im Judenhaus Große Mühlenstraße 11/12 gewohnt. Anfang 1940 mussten sie dort ausziehen. Freibergs waren tief geschockt, als ihnen vom Gestapa mitgeteilt wurde, dass sie in ein anderes Judenhaus in der Brandenburger Straße 2a ziehen müssen. Der jüngste Sohn erinnerte sich an seine Gefühle, als sie umzogen: Wir wollten nicht gehen. Das war der erste Umzug. Es war ein Vierte-Klasse-Hotel. Es wurde von einer jüdischen Familie betrieben, die vom Osten kam, und es stand im Ruf, ganz schmutzig zu sein. Wir hassten die Idee vom Umzug dorthin, aber wir mussten. Es gab etwa dreißig oder vierzig Leute, die dort lebten. Wir hatten nur ein Zimmer, oder wir hätten zwei kleine Zimmer haben können. Ich weiß, dass es die Treppe hinauf ging, und die Toilette war eine Ebene tiefer, wir mussten sie mit vielen anderen Leuten teilen. Es gab den üblichen Zank zwischen Nachbarn. Leute anderer Herkunft, die auf einander herabsehen, es gab dort alles, polnische Juden, deutsche Juden. Es gab auch eine wirkliche Anzahl von Kindern und wir hatten einen kleinen Hof. Juden aus allen Herkunftsbereichen, viele unbekannt untereinander, werden gezwungen, sich die beschränkten Einrichtungen zu teilen. Bereits bestehende Abgrenzungen und Unterschiede zwischen den Juden verschlimmerten nur die schon vorherrschenden Spannungen im täglichen Leben. In diesem besonderen Judenhaus gibt es kaum gesellschaftlichen Kontakt zwischen den Erwachsenen und Verbindungen zwischen Juden waren selten. Argumente und Klagen sind normal und den vielen Leuten geschuldet, die auf einem so beschränktem Raum wohnen. Die größte Quelle der Erschwernisse ist die Benutzung der gemeinschaftlichen Toilette. Bei den Juden, die gezwungen sind unter diesen neuen inhumanen Bedingungen zu leben, erreicht die Spannung neue Höhen, als sie versuchen, sich an diese neue repressive Maßnahme anzupassen. Ihrer Demütigung und Ausgrenzung hinzufügend, wird allen Juden im März 1942 befohlen, einen Davidsstern an der Wohnungstür anzubringen.
#49, derzeit arbeite ich an der "Thematik Judenhäuser" welche es in der Stadt MD gegeben hat. Grundlage der von mir in Arbeit befindlichen Bild- und Textdokumentation welche auch im Gedenkbuch Stadt Magdeburg eingearbeitet wird, ist das von Michael Abraham-Sprod erstellte Liste auf S. 246 - Und dann warst Du auf einmal ausgestoßen -
Abfahrtsdatum: 14.04.1942, Deportierte: 446 (nur Magdeburg-Dessau, Gesamtstärke :940) Mit dem Transport vom 14.4.1942 wurden zusammen 494 Juden aus Berlin und Brandenburg auch 446 jüdische Menschen aus dem Regierungsbezirk Magdeburg und dem Land Anhalt in das Warschauer Ghetto deportiert. So wie die Menschen aus Berlin und Brandenburg zuvor in das Sammellager in der Berliner Levetzowstraße gebracht wurden, wurden die Magdeburger und Dessauer Juden am Tag vor der Deportation in ein Sammellager in Magdeburg überführt. Entsprechend verzeichnet sind die zuständige Bezirksstelle Sachsen-Thüringen (später Mitteldeutschland) der Reichsvereinigung auf den von ich erstellten Namenslisten als der Tag der „Abwanderung“ aus dem „Staatspolizei-Bezirk Magdeburg“ den 13.4.1942. Lediglich die Listen für die Deportierten aus Aken trägt das Datum des 14.4.1942 (Archiv der Israelischen Religionsgemeinde Leipzig, 2/66). In den Listen sind die Namen von 421 Menschen aufgeführt. Dies stimmt mit den Angaben in der Monatsstatistik der Reichsvereinigung für den April 1942 überein, in der 421 Deportierte für den Bereich der Bezirksstelle Sachsen-Thüringen registriert wurden. Hinzu kommen 25 Menschen aus den Bezirksstellen Brandenburg-Pommern (später Brandenburg-Ostpreußen) verwaltet wurden. Insgesamt verzeichnete die Regierungsvereinigung 328 Deportierte aus dem Regierungsbezirk Magdeburg und 118 aus dem Land Anhalt. Allerdings gibt es in den Listen der Bezirksstelle Sachsen-Thüringen den nachträglich eingefügten Hinweis dass Richard und Meta Herz aus Quedlinburg „nicht zur Abwanderung gekommen sind“ (Archiv der Israelischen Religionsgemeinde Leipzig, 2/66). Richard Herz hatte am 13.4.1942 Selbstmord begangen. Seine Frau Meta wurde am gleichen Tag „nach unbekannt in Abgang gebracht“, wie es aus den amtlichen Unterlagen hieß (E. Brecht, M. Kummer, Juden in Quedlinburg und Halberstadt 1996, S. 37). Vermutlich hat jedoch auch sie ihr Leben durch Selbstmord beendet (E. Brecht. Jüdische Familien in Quedlinburg von 1933-1945, Manuskript, Stadtarchiv Quedlinburg). Abgebildet sind nachfolgend die Namenslisten aus dem Archiv der Israelischen Religionsgemeinde Leipzig, Bestand 2/66, in einer Kopie des USHMM, Bestand RG-14.035, Reel 11. Die Liste wurde durch Yad Vashem auch online veröffentlicht. Am Ende eingefügt ist die Berichtigung für Quedlinburg. In den Unterlagen des OFP in Magdeburg sind gesonderte Namenslisten der Gestapo zu dem am 14.4.1942 deportierten Juden mit ehemals polnischer Staatsangehörigkeit erhalten geblieben, deren Vermögen durch die Haupttreuhandstelle Ost zu beschlagnahmen und zugunsten des Deutschen Reichs einzuziehen war. Aus diesen können zwei weitere Namen von Juden ermittelt werden, Michel Grabinski aus Loburg und Daniel Kurant im Kreis Ballenstedt (LASA Magdeburg, G 11/804). Insgesamt sind damit, wie von der Reichsvereinigung in der Monatsmeldung registriert, 421 Juden aus dem Regierungsbezirk Sachsen-Thüringen gehörenden Teil des Regierungsbezirks Magdeburg sowie dem Land Anhalt abtransportiert worden. Für die sechs nördlichen Kreise des Regierungsbezirks Magdeburg (Stadtkreis Stendal, Landkreise Gardelegen, Jerichow II, Osterburg, Salzwedel, Stendal) sind keine Gesamtlisten bekannt. Laut einem Schreiben des OFP in Magdeburg vom 23.3.1942 waren in dieser Region ursprünglich 31 Menschen für die Deportation vorgesehen, davon 14 aus Salzwedel, je 7 aus Gardelegen und Stendal, sowie je eine Person aus Grieben, Steckeldorf und Tangermünde (LASA Magdeburg, G 1/390) Nach Angeben der Reichsvereinigung kamen schließlich 25 Menschen zum Abtransport. „In einigen Fällen hat sich die Zahl der abgeschobenen Juden vermindert. Nach Mitteilung der Gestapo haben sich verschiedentlich Juden der Abschiebung entzogen“, heißt es in einem Schreiben des OFP vom 23.4.1942 (LASA Magdeburg, G 1/390). Einer, der sich „der Abschiebung entzogen“ hatte, war Dr. Salomon Marcus, früher wohnhaft in Neue Schleuse, dann zwangsweise in das Landwerk Steckelsdorf ungezogen. Er wählte nach Bekannt werden der bevorstehenden Deportation den Freitod uns ist am 15.4.1942 in Rathenow verstorben.
Deportierte vom 14.2.1942 aus den nördlichen Kreises des Regierungsbezirks Magdeburg
Gardelegen Salzwedel Stendal Tangermünde Hermann und Betty und Tobias Feiga Adler Lilly Bernhard Luise Behrens Bachenheimer Ilse und Julius David und Grete David, Hanna und Auguste Cohn Holz Rachel Hirsch Mathilde und Karl und Margarete Wolfgang Jacob Denemark Margot Schaefer Alfred Hans, Jettchen und Simonsohn Walter Stein Clara Weil
Die Namen und Herkunft der 25 deportierten Menschen lässt sich aus erhalten gebliebenen Unterlagen weitestgehend aufklären. Adam Czerniakow von Warschauer Judenrat verzeichnete in seinem Tagebuch am 16.4.1942: „Um 6 Uhr fuhr der Zug mit den Neuankömmlingen aus Deutschland ein. Es sieht nach 1000 Personen aus“ (A. Czerniakow, Im Warschauer Ghetto, München 1986, S. 243). Die Ankunft des Magdeburger Transports im Aufnahmelager wurde für einen geplanten NS-Propagandafilm nachgestellt. Auf einem Ende der knapp zweiminütigen Sequenz gezeigten Koffer steht der Name von Margarete Katz, die in der Transportliste unter Nr. 295 registriert ist. Die Aufnahmen befinden sich im Bundesarchiv-Filmarchiv und wurden durch Yad Vashem online veröffentlicht.
Von den ursprünglich zur Deportation vorgesehenen sieben jüdischen Einwohner Gardelegens wurden Lea Klein und Lotte Behrens zu späteren Zeitpunkten über Berlin nach Riga bzw. Auschwitz gebracht- Karoline Rieß hatte am Tag vor dem Abtransport Selbstmord begangen. Abgeholt für den Transport zum Stammlager Magdeburg wurden schließlich Hermann und Luise Behrens sowie David und Grete Holz. Möglicherweise ist jedoch David Holz noch auf dem Bahnhof von Gardelegen erschossen worden oder hatte sich auf dem Transport Selbstmord begangen (G. Bunge, Jüdische Bürger in Gardelegen, Gardelegen ohne Jahr; G. Bunge, Schicksale jüdischer Familien aus Gadelegen, Gardelegen 1995, S. 57)
Aus Stendal wurden, wie von der Gestapo vorgesehen, sieben Menschen nach Warschau deportiert. Bei Julius und Ilse Charig, Auguste Cohn und Alfred Simonsohn befinden sich jeweils ein vermerk auf der Meldekarte, dass sie am 13.4.1942 „nach unbekannt“ abgemeldet wurden (Hinweis von Ina Nitzsche, Stadtarchiv Stendal) In den bereits oben erwähnten Namenslisten des OFP in Magdeburg zu den am 14.4.1942 deportierten Juden mit ehemals polnischer Staatsangehörigkeit sind zudem drei weitere jüdische Bewohner Stendals aufgeführt. Hierbei handelt es sich um Feiga Adler und ihre Tochter Mathilde Denemark mit dem Sohn Wolfgang (LASA Magdeburg, G 11/804) Ihre Meldekarten sind nicht erhalten. Der Ehemann von Mathilde, Jankel Denemark, befand sich zu dem Zeitpunkt im Konzentrationslager Ravensbrück uns ist von dort im Oktober 1942 nach Auschwitz überführt worden, wo er am 3.1.1943 umgekommen ist.
Das Schicksal von Lilly Bernhard aus Tangermünde ist nicht vollständig geklärt (Erloschen? Wom Werden und Sterben der jüdischen Gemeinde Tangermünde, Tangermünde 2007, S. 54). Allerdings geht ihre Familie davon aus, dass sie 1942 Warschauer Ghetto deportiert wurde. Da die Gestapo auch eine Person aud Tangermünde in die ursprünglichen Transportplanungen einbezogen hatte, ist zu vermuten, dass es sie hierbei um Lilly Behrens handelte. In ihrer Meldekarte ist kein Eintrag einer Abmeldung vorhanden (Hinweis von Elisa Jubert Stadtarchiv Tangermünde.