Habe heute einen Ausflug nach Ferchland unternommen. Der dortige Ortschronist Horst Wedau stelle uns seine Sammlung zur Verfügeng, einschließlich WIFO-Veröffentlichung. Es handelt sich um seine längst vergriffenen Publikationen. Auch sein inzwischen verstorbener älterer Bruder hat seine Lebenserinnerungen in hervorragender Weise hinterlassen, insbesondere seiner Zeit als Luftwaffenhelfer bei der Flak in Magdeburg Industriegelände Rothensee und dann seiner RAD-Zeit 1944 auf dem Burger Fliegerhorst. Beides kommt wie gerufen. In Ferchland haben wir dann noch einen guten ZZ aufgesucht und umfassend interviwt. Da sind dann auch viele Erinnerungen zu Fremd-Zwangs-und Kriegsgefangenen-Arbeiter enthalten. Muss aber erst noch vom Band abgeschrieben werden.
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Damals Siedlung 7, weil das Gut in Ferchland 1932 aufgesiedelt wurde. Damals wurden 8 Wirtschaften daraus gemacht. Wir hatten den kleinen Hof 7 hier. Hier bin ich bereits 1931 geboren. Mein Vater war Landwirt von 30ha. Die wurden bis 1960/61 betrieben.
Fremdarbeiter Auf unserem Hof war ein Belgier beschäftigt. Im ganzen Ort waren um die 20 Fremdarbeiter auf den Höfen verteilt. Unser Belgier hieß Ronny Bomberts. Der war vorher in Brüssel Parkettleger von Beruf. Die Fremdarbeiter in den Wirtschaften durften nicht mit am Tisch essen, mit uns gemeinsam. Außerdem hatten wir auch eine Ukrainerin auf dem Hof, die durfte bei uns mit am Tisch essen. Meiner Mutter tat das Leid, dass der Belgier nicht mit am Tisch essen sollte. Sie holte ihn mit an den Tisch, verwies aber daraufhin, wenn draußen der Hund bellt, dann solle er seinen Teller schnappen, und sich schnell an einen anderen Tisch in der Küche setzen. Das durfte ja niemand mitbekommen. Auf anderen Höfen durften die Fremdarbeiter nicht mit am Tisch essen. Die mussten im Keller essen. Unser Ronny war Raucher und mein Vater starker Raucher. Ronnys Frau schickte aus Brüssel alle 14 Tage ein Paket hierher an unsere Adresse, mit zwei Päckchen Tabak und 1 Tafel Schokolade. Ronny teilte den Tabak mit Vater. Ich bekam die Schokolade. Das war also ein Zeichen, dass er es bei uns gut hatte. Geschlafen haben die Fremdarbeiter, bei Nachtigals im Saal (Gaststätte), damals Deutsches Haus, auf Strohsäcken. Die wurden auch bewacht, vom Wachmann Erich Graps aus Derben, der war so ein kleiner, von der Statur, Bürgermeister. Der war aber mit den Fremdarbeitern (Kriegsgefangenen) ganz in Ordnung und human. Jeden Sonntagvormittag sind die Fremdarbeiter duschen gegangen, oben in der WIFO. Da mussten sie antreten und dann marschierten sie zur Dusche im dortigen Barackenlager. Barackenlager war das Arbeitslager. Ein Zwangsarbeiter Albert (Fleischer von Beruf) war bei Weinholts (Großbauer) beschäftigt und gerade rüber auf einem Hof war eine Ukrainerin beschäftigt. Die hatte sich verliebt. Er brachte ihr die belgische Sprache bei, damit sie sich unterhalten konnten. Als sie 45 befreit waren, nahm er sie mit nach Belgien. Im Arbeitslager WIFO waren auch Tschechen untergebracht. Die hatten eines Tages eine alkoholische Flüssigkeit die beim Flugzeugbenzin (dort gelagert) verwendet wurde, getrunken. Einer aus unserem Ort ist daran gestorben. Otto Strauß war in Ferchland Ortsbauernführer. Unseren Kriegsgefangenen Ronny mussten wir dann abgeben an Else Schmidt (Friesecke) im Ort. Der Schwiegersohn war Sonderführer SS. Da hatte es unser Ronny nicht mehr gut, musste im Keller essen mit den Ukrainerinnen dort. Dann hatten wir eine neue Ukrainerin. Das war eine niedliche schmucke zierliche Person, der man erst alles beibringen musste. Die deckte bei uns immer den Tisch und half im Haushalt. Eines Tages wurde auch die hier abgeholt von einem vom Arbeitsamt aus Burg. Der wohnte aber in Klietznick und war ein großer Nazi. Das war Herr Burchart. Der hatte schon solche Andeutungen gemacht, dass sie für „Belustigungen“ der Männer gebraucht wird…
Fliegerabstürze Ein Flieger war bei Schartölke abgeschossen worden, im Luftkampf.
WIFO-Lager Die Tschechen lagen in den Baracken noch in den Doppelstockbetten. Da die WIFO vorzeitigen Alarm bekam, sind auch die Tschechen in der Nacht aus dem Lager marschiert. In unseren Ort hörte man in der Nacht das geklapper der Holzpantoffeln. Da wussten wir, dass kurze Zeit später Fliegeralarm kommen würde. Meist waren es aber Überflüge Richtung Berlin. Insgesamt waren im Lager Polen, Tschechen, Russen, Frauen, Männer, sogar Kinder. Die arbeiteten aber nicht in der WIFO, sondern in der Umgebung auch auf Gütern in Richtung Derben und Umgebung. Sie marschierten oft bewacht zur täglichen Arbeit. Meist arbeiteten die beim Bau der Bunker der WIFO. Im Barackenlager WIFO müssen zeitweise zwischen 150 und 200 Zwangsarbeiter untergebracht gewesen sein. Da gab es auch drei große Kantinen farbig angestrichen, getrennt nach Nationen. Wie schon gesagt, bei Fliegeralarm in der Nacht, kamen die auch durch unser Dorf gezogen, um außerhalb des Ortes in Sicherheit zu sein, unten an der Elbe, Königsbusch usw. und in den Wäldern.
Kriegsende In Ferchland selbst war kaum, keine Wehrmacht einquartiert. Nur einmal hatten wir Einquartierung, 1943/44. 12.Armee Wenck strömte zurück an die Elbe. Die hatten am Königsbusch versucht über die Elbe zu kommen. Das zog sich bis Fischbeck hin. Da war auch Ferchland vollgestopft mit Fahrzeugen usw. Um rüber zukommen wurden Kähne benutzt. Die Amis lagen ja bereits am Westufer und hatten mit Sturmbooten einen Spähtrupp über die Elbe geschickt. Die sollten bis Genthin kundschaften (aufklären). Zwischen Nielebock und Genthin im Wald wurden die gefangen genommen von SS. Daraufhin stellte der Ami von Westelbinen aus ein Ultimatum, entweder lasst ihr unsere Soldaten frei oder wir legen mit Artillerie Ferchland in Schutt und Asche (wie Sandau). So wurden die GIs wieder freigelassen. Als die Amis hier bei Ferchland mit Amphibienfahrzeugen rüber gekommen waren, hatten sie hier in Ferchland bei Behecke auf dem Hofgelände ihr Sturmgepäck abgelegt (versteckt). Als die Richtung Genthin abmarschiert waren, hatten sie keinen Posten zurück gelassen. Da sind wir Kinder dorthin und durchstöberten die Rucksäcke. Kaugummi, Rasierapparat etc. Den nahm ich mit. Den hatte ich noch viele Jahre… Als die 12. Armee Wenck zur Elbe zurückfluteten wurde aus der WIFO auch noch jede Menge Benzin für die Wehrmacht geholt. Die Tankwagen fuhren auf der Straße vor unserem Haus vorbei und die Amis schossen vom anderen Elbufer herüber. So wurde auch unser Haus fast vollständig zerstört (Granatinschläge…) Am 15.4.45 brannte die große Scheune durch Artilleriebeschuss ab. Der große Luftangriff auf die WIFO haben wir hier miterlebt. Da gingen hier zwei Scheunen durch Bombentreffer kaputt, bei Tunert und bei Otto Teuerkauf. Das war Mittags, wir waren noch beim essen, mein Bruder hatte Urlaub, auf einmal heulten die Sirenen. Im Garten hatten wir einen Erdbunker mit Bahnschwellen abgedeckt, aber ich bin da nicht reingekrochen. Ich bin zur Fährstelle runter wo ein Bunker war, in den Hang reingebaut. Keiner wollte da rein, die Leute sagten da wackelt alles… Eine Bombe ging bei Hennig im Garten rein und in der Nähe eine zweite Bombe. So saßen wir an der Fährstelle draußen und beobachteten wie die Bomben auf die WIFO fielen – Derben – Bittkau auf dem Werder… Die Erde bebte… Als alles über die Elbe wollte 7. Mai 1945, kamen auch Zivilisten. Wer Geld hatte oder Wertsachen, wurde auch trotz Anweisungen, keine Zivilisten…, rüber gelassen. Vorrangig wurde aber Wehrmacht rüber gelassen. Wer ein Kahn hatte, hatte sich damals bereichert… Die Fähre war ja bereits zerstört. Die SS, die von der Westseite der Elbe kam, bevor die Amis da waren, hatten die Fähre mit Panzerfäusten versenkt. Die HJ am Westufer konnte nun nicht mehr rüber… An der Elbe und auf den Deichen mussten wir Schützengräben, Schützenlöcher und MG-Nester ausheben und bauen als der Ami schon da war. Da war unten auf den Elbwiesen Richtung Königsbusch runter, auch bei Hennings im Park wurde eine MG-Stellung errichtet. Die Arbeiten mussten öfters unterbrochen werden, da amerikanische Tiefflieger über uns hinweg donnerten und auch schossen. Zur Luftverteidigung der WIFO sind auch Flakstellungen errichtet worden, am Bahnhof. Die haben aber keinen Schuss abgegeben. Die Flakhelfer hatten sich bei Alarm verkrümelt… Auf dem Galgenberg befand sich die Baracke der Blitzmädchen und eine leichte Flak zum Schutz. Dann wurden auch die Kähne geplündert durch die Bevölkerung, Kaffee, Tabak Stoffe, Schnaps, Zigarren, Konserven, Marmelade… Das stand alles unten an der Fährstelle abgestellt. Auch Knäckebrot… Am 7. Mai 45 abends 17.00 Uhr war der Russe im Dorf (Mongolen). Zuerst die Panjewagen und die Panzer kamen etwas später durchs Dorf. Ein Russe in Lederjacke kam auf unseren Hof und befahl, dass wir die Pferde aus dem Stall holen sollten. Er begutachtete sie. Wir hatten zwei hochtragende Stuten die in wenigen Tagen Fohlen würden. Die konnten wir wieder in den Stall bringen. Als wir abends im Keller saßen hatten die dann alle vier Pferde vom Hof geholt. Durch unser Dorf wurden auch Kuhherden zur Elbe durchgetrieben. Russen wollten von uns auch Eier haben. Mutter machte den klar, dass keine mehr da wären. Da wurden die sehr ungemütlich. Einer setzte sich zu mir auf die Bank. Der war schon ziemlich betrunken. Plötzlich holte der eine Pistole raus und hielt sie mir an die Schläfe, mit der Frage „Hitler gut?“ Ich sagte „nicht gut!“ In dem Augenblick ging die Tür auf und ein Offizier kam rein. Als der das sah, hatte er den Soldaten geschnappt und rausgeschmissen. Flüchtlinge aus Osten, die nicht über die Elbe kamen, hatten sich im Dorf vor den Russen versteckt. Eine Frau, die die Russen fanden, wurde hier erschossen. Ende März 45 waren bereits einige tschechische Kriegsgefangene hier frei herumgelaufen. Einer kam auf unseren Hof und stellte sich vor, ich bin Melker… Vater hat ihn morgens und abends die Kühe melken lassen. Da wir die Milch ohnehin nicht mehr los wurden, durfte er die immer mit zum WIFO-Lager mitnehmen…
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Bilder gesendet. Ich denke das das nicht ins Gedenkbuch Opfer des NS - Terrors gehört! Denn dann müßten wir auch restlos alle deutschen Gefallenen ermitteln und auch die der Alliierten denn die währen ja dann auch Opfer, was sie ja auch waren. Aaaaber, nur sporadisch diese ins Gedenkbuch zu setzen bedeutet, den nicht erfassten Opfern nicht zu gedenken.......... wo soll das hinführen???? Ich schlage deshalb vor, nur die ins gedenkbuch aufzunehmen, die mit dem NS-Terror zu tun haben und Zwangsarbeiter....wenns möglich ist. Wir nehmen doch auch die vermeintlich 16000 Toten des 16.1.45 nicht auf, zumal deren Namen auch nicht vollständig erfasst wurden. Das ginge also entschieden zu weit. Es hat den Anschein, als wolltest du um jeden Preis Seiten füllen. Denk mal darüber nach.... Helmi
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