KRIEGSENDE US-Panzer rollten 1945 durch Klötze Volksstimme 08.05.2020
Die ersten US-amerikanischen Panzer erreichten Klötze im April 1945. Die Besatzung der Amerikaner dauerte nicht lange. Am 1. Juni 1945 wurden sie von den Briten abgelöst. Foto: Archiv Klötze / Repro: Tobias Roitsch In Klötze war der Krieg schon gut einen Monat früher vorbei. Im April 1945 rollten US-Panzer in die Stadt, die sie kampflos besetzten. Von Tobias Roitsch › Klötze l An einem sonnigen Frühlingstag endete am 11. April 1945 die Zeit der Nazi-Diktatur in Klötze. Damit waren die Schrecken des Krieges für die Bürger der Stadt bereits gut einen Monat vor der endgültigen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 vorbei – von den Nachwirkungen abgesehen, die noch folgen sollten. Der 8. Mai ging als „Tag der Befreiung“ in die Geschichtsbücher ein, damals endete der Zweite Weltkrieg in Europa. In einigen Ländern ist es ein Gedenktag. Heute jährt sich das historische Ereignis zum 75. Mal. „Die Stadt befand sich wie in einem Fieber“, schrieb der langjährige Ortschronist Heinrich Bettinghausen über den 11. April 1945, als amerikanische Panzer und Soldaten Klötze erreichten. „Die Stunde null für Klötze im April 1945“ lautet der Titel des Berichts, den Bettinghausen im Jahr 1995 verfasste und der sich heute im Bestand der Ortschronisten befindet. Unter anderem berief er sich dabei auf die Aussagen von Zeitzeugen und beschrieb die Stimmung und die Gefühlslage der Menschen. Überall weiße Fahnen „Am Mittag herrschte gespannte Ruhe in der Stadt. Man fühlte sich zwischen den Fronten und die ‚Nazigesetze‘ galten nicht mehr“, wie es heißt. Am Abend dann fuhren amerikanische Panzer durch Klötze, zwischen 17 und 18 Uhr seien die schweren Fahrzeuge vom Bahnhof her sowie durch die Oebisfelder Straße gerollt. „Überall hingen weiße Fahnen (Betttücher, Tischdecken) aus den Fenstern. Es war die ‚Stunde null‘ – die Nazizeit war für Klötze vorbei. Nach anfänglichem Zögern kamen die Einwohner aus den Kellern. Sie schauten verbittert oder auch teilweise hoffnungsvoll auf die vielen Militärfahrzeuge, vollbesetzt mit Soldaten, denn zu Fuß lief bei den Amerikanern wohl keiner“, fasste Bettinghausen die Ereignisse des historischen Tages zusammen. Die dröhnenden Panzer bekamen den Straßen nicht gut. Auf Laternenpfähle, Litfaßsäulen oder Straßenbäume sei kaum Rücksicht genommen worden, wie es weiter heißt. „Auch das Klötzer Straßenpflaster nahm erheblich Schaden.“ Einen großen Kampf um Klötze gab es an jenem 11. April 1945 nicht, wie in einer anderen Quelle zu lesen ist. Der deutsche „Volkssturm“, in Klötze gab es laut Bettinghausen „fünf Kompanien mit fast 500 nicht mehr wehrdienstfähigen älteren Männern beziehungsweise noch nicht wehrpflichtigen Jugendlichen“, hatte sich nicht mehr auf Gefechte eingelassen. Beschossen hätten die Amerikaner allerdings noch einen flüchtenden deutschen Lastwagen in der Kirchstraße. Dabei sollen Menschen ums Leben gekommen sein. Eröffnet wurde das Feuer von den Amerikanern einige Tage nach dem Einmarsch, am 13. April. Die Artillerie feuerte in den Klötzer Wald, wo sich einige deutsche Einheiten befanden. Endete der Zweite Weltkrieg für die Klötzer kampflos, so begann das letzte Kriegsjahr 1945 für die Altmärker mit Luftangriffen. Bomben fielen etwa am 16. Januar auf Klötze und sorgten zwischen Feldstraße und Turnplatz für Zerstörung, wie Heinrich Bettinghausen 1999 in einem Volksstimme-Beitrag erinnerte. Dabei bezog er sich auf die Aufzeichnungen des Zeitzeugen und Chronisten Adolf Thie. Weitere Luftangriffe folgten, besonders verheerend war der Angriff am 22. Februar 1945: „Im Bombenhagel US-amerikanischer Bomber sterben 25 Einwohner. Deren Häuser an der oberen Kirch-, Berg- und Hindenburgstraße (heute Triftstraße) erhalten Volltreffer. Der Luftangriff galt wahrscheinlich einem auf dem Bahnhof abgestellten Zug mit Kesselwagen“, schrieb Bettinghausen und ergänzte: „Unweit des Bahnhofs werden knapp 100 Bombeneinschläge registriert.“ 324 Klötzer fielen im Krieg Auch in dem einige Kilometer entfernten Kusey starben an dem Tag viele Menschen, als Bomben auf das Dorf abgeworfen wurden. Jedes Jahr wird am 22. Februar in beiden Orten an die schrecklichen Ereignisse erinnert. Der letzte Luftalarm in Kriegszeiten wurde am Abend des 10. April in Klötze ausgelöst, am nächsten Tag sollten die Amerikaner einmarschieren. „Schon am 8. Mai waren alle Kampfhandlungen eingestellt worden – der Zweite Weltkrieg ist zu Ende“, ist in Bettinghausens Beitrag zu lesen. Lange blieben die Amerikaner nach der Besetzung nicht. Ab 1. Juni 1945 hatten die Briten das Sagen, doch auch sie wurden bereits am 1. Juli von den Sowjets abgelöst. „Soweit bekannt“, so schrieb Bettinghausen weiter, hätten 324 Klötzer Männer im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren.
Dazu gabs sogar noch Bilder Bild entfernt (keine Rechte) Die ersten US-amerikanischen Panzer erreichten Klötze im April 1945. Die Besatzung der Amerikaner dauerte nicht lange. Am 1. Juni 1945 wurden sie von den Briten abgelöst. Foto: Archiv Klötze / Repro: Tobias Roitsc
1. Ein Platzkonzert der Militär-Band der 5. US-Armee wurde im in Mai 1945 in der Klötzer Bahnhofstraße veranstaltet. Anlass war der Besuch sowjetischer Gäste. Sie sollten schließlich im Juli 1945 die Briten als Besatzungsmacht in der Purnitzstadt ablösen. Foto: Archiv Klötze / Repro: Tobias Roitsch
Die Besatzung des US-Panzers Nummer 35 der 638. Panzerdivision in Klötze. Entstanden ist das Bild in der Neustädter Straße im Mai 1945. Foto: Archiv Klötze / Repro: Tobias Roitsch
Sowjetische Kriegsgefangene, die durch den Einmarsch der US-Armee befreit wurden, fuhren mit einem Wagen durch Klötze. Die Aufnahme entstand im Mai 1945. Foto: Archiv Klötze / Repro: Tobias Roitsch
Volksstimme 18.07.2015 SCHICKSALSJAHR 1945: Mehr als nur das Kriegsende Im April 1945 endete für die Bürger von Klötze der Zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft. Eine Klötzer Zeitzeugin erinnert sich. Von Tobias Roitsch18.07.2015, 03:00 Klötze l Es sei ein eigenartiger Tag gewesen, als die Naziherrschaft in Klötze ihr Ende nahm. Überall hatten die Menschen Besenstiele aus den Fenstern gesteckt. Daran befestigt: weiße Betttücher. Damit wollten sie den amerikanischen Soldaten zeigen, dass sie während des Einmarsches in die Stadt keinen Widerstand leisten wollen. „Jeder von uns hat versucht, seine Haut zu retten“, erinnert sich Hildegard Dammert an diesen 11. April des Jahres 1945. Der Tag, an dem amerikanische Truppen in Klötze einmarschierten. Damals war Hildegard Dammert 22 Jahre alt. Im April 1939 hatte sie eine Ausbildung im Klötzer Rathaus begonnen. Angestellt war sie dort auch während des Krieges – und noch Jahre danach. Ihr ganzes Leben hat die heute 92-Jährige in Klötze verbracht. An die Ereignisse im Jahr 1945 kann sie sich noch gut erinnern. Etwa an den Einmarsch der Amerikaner: „Gegen 17 Uhr bin ich vom Rathaus nach Hause gegangen. Als ich in der Oebisfelder Straße war, haben mich Bekannte zu sich ins Haus geholt und mit in den Keller genommen.“ Denn zu diesem Zeitpunkt rückten die US-Truppen in Klötze ein. Und schossen in die Stadt. Umgekommen sei dabei aber niemand. Ohne Rücksicht auf Laternenpfähle, Litfasssäulen oder das Straßenpflaster seien die schweren Panzer an diesem Abend durch Klötze gefahren, ist in der Chronik der Stadt zu lesen. Zögerlich seien die Menschen aus ihren Kellern gekommen und hätten teils verbittert, teils aber auch hoffnungsvoll auf die vielen Fahrzeuge geblickt, wird in der Chronik weiter beschrieben. „Am Vorabend hat es noch einmal Fliegeralarm gegeben“, erinnert sich Hildegard Dammert. Das ständige Heulen der Sirene habe die Klötzer in den Wochen und Monaten zuvor nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Gingen die Sirenen, mussten die Straßen verlassen werden. Jeder suchte Schutz im Keller. Egal ob am Tag oder in der Nacht. „Klötze lag in der Einflugschneise der Bomber, die von Südengland nach Berlin geflogen sind.“ Deshalb hat es regelmäßigen Alarm gegeben. An die Formation der Bomber kann sich Hildegard Dammert noch erinnern. An der Spitze flog ein Flugzeug, diesem folgten drei weitere, dahinter noch einmal fünf. „Etwa 1500 Bomber habe ich so eines Tages am Himmel gezählt.“ Doch die schweren Maschinen waren nicht allein unterwegs. Begleitet wurden sie von Jagdflugzeugen, die, wie Hildegard Dammert berichtet, auch auf die Menschen auf den Äckern geschossen hätten. Es habe generell Angst unter der Bevölkerung geherrscht. „Doch die Leute wurden mit der Zeit gleichgültiger.“ Erneuten Luftalarm gab es gegen Mittag am 22. Februar 1945. Diesmal überflogen die Maschinen die Stadt nicht nur – sondern warfen über Klötze ihre Bomben ab. Mehr als 200 Einschläge wurden nach dem Angriff gezählt. Hauptsächlich, so wird in der Chronik berichtet, sind es 250 Kilogramm schwere Sprengbomben, die auf die Stadt niedergehen. Gegolten haben sie dem Klötzer Bahnhof. „Ziel war es, das noch bestehende Verkehrsnetz zu unterbrechen“, erklärt Hildegard Dammert. Doch Wohnhäuser bleiben ebenfalls nicht verschont. In der Kirchstraße, so steht es in der Chronik, erhielt ein Haus einen Volltreffer. Sieben Menschen starben. Darüber hinaus wurden benachbarte Häuser schwer beschädigt. Weitere Treffer gab es in der Berg- und Hindenburgstraße. Insgesamt starben laut der Aufzeichnung 25 Klötzer an diesem Tag durch die Bomben. Für Hildegard Dammert begann anschließend ihre Arbeit. Als Angestellte der Stadt musste sie die Schäden erfassen. „Es war der übliche Amtsweg. Ich musste raus, lief über die Trümmer mit einem Block in der Hand und habe gezählt.“ Als Mitarbeiterin der Stadtverwaltung kannte sie sich ebenfalls mit den Lebensmittelkarten aus, die an die Bevölkerung verteilt wurden. Denn Grundnahrungsmittel waren rationiert. Ebenso andere alltägliche Dinge, wie Hosen oder Schuhe. „Die Geschäfte in der Stadt bestanden zwar weiter, doch zu kaufen gab es nichts mehr.“ Wer zu Hause ein Schwein geschlachtet hat, musste das im Rathaus melden. Dort wurde ausgerechnet, wie viel Fett und Fleisch deshalb weniger zugeteilt wurde. „In Klötze gab es manchmal zwischen 17 und 19 Uhr kein Licht mehr.“ Denn um Strom zu sparen, wurden einige Städte und Gemeinden stundenweise vom Netz genommen. „Hinter vorgehaltener Hand haben wir uns damals gesagt: Egal was kommt, hauptsache der Krieg geht zu Ende“, sagt Hildegard Dammert. Erfüllt hat sich dieser Wunsch im April 1945. Doch eine Ungewissheit blieb: Wie würde es weitergehen? Schließlich lösten bereits Ende Mai Briten die Amerikaner als Besatzer ab. Anfang Juli folgten die Sowjets. Mit ihren Panzern fuhren sie durch die Klötzer Wälder an die neue Grenze. „Davor hatten viele Leute Angst.“ Einige der größeren Bauern der Stadt verließen ihre Höfe, als die Nachricht der anstehenden sowjetischen Besatzung die Runde machte. Sie gingen in den Westen. Wie viele es waren, weiß Hildegard Dammert nicht mehr. „Ich habe viele Russen kennengelernt, aber keine Probleme gehabt.“ Die Angst sei vorher durch die Nazi-Propaganda geschürt worden.