Mutmaßungen über ein Manuskript - „Erinnerungen von Ulrich Deutsch“ - 2015
Zu den etwa zehn Mitbürgern, die unser Burger Volkssturmführer, Tuchkaufmann Ulrich Deutsch, am 2. Mai 1945 zur ersten Lagebesprechung nach Hitlers Tod in seine Geschäftsräume Brüderstraße 28/29 gebeten hat, gehört auch mein Klassenlehrer und Direktor, Oberschulrat Dr. Hubert Tschersig (SPD), von Hitler strafversetzt aus Breslau. Dr. T. ist ebenso einer von den 16 Beiräten des neuen Bürgermeisters Gebhardt, die am 4. Mai im Rathaus nach der Diktatur wieder eine demokratische Stadtvertretung bilden wollen, ähnlich der der Weimarer Republik. Ihr Einsatz für unsere Heimatstadt in unübersichtlicher Umbruchszeit erforderte Verantwortungsbewusstsein, Bekenntnismut und Selbstlosigkeit, darum wird dieser Personenkreis seit dem 70. Jahrestag der Kapitulation auf neuen Gedenktafeln dankbar geehrt. Zu ihrer Zeit haben sie nicht den kleinsten Dank, bloß Ärger und Verdruss bekommen! Kaum fünf Monate im Amt, wurde die demokratische Volksvertretung von der sowjetischen Besatzungsmacht schon wieder zerschlagen - zugunsten der kommunistischen Minderheit! Entsetzen und ohnmächtiger Grimm waren in der ganzen Stadt gewaltig! Allein die eigenmächtige Sonderaktion neu ernannter „Antifaschisten“, den ersten Spähpanzer der Russen den 5. Mai am Zerbster Tor mit Blumen willkommen zu heißen, hatte die Gemüter erhitzt. Was für eine würdelose Anbiederei an den siegreichen Gegner! Welche Anmaßung, im Namen der Stadt Burg sprechen zu wollen: „Verbrecher!“ Die Emissionäre waren ohne Mission, hatten vielmehr die Demokraten ausgetrixt, noch ehe sie in Fahrt kamen! Auch in anderen Städten Deutschlands, z. B. Elmshorn, haben Altgenossen der KPD versucht, das kurzzeitige Machtvakuum zwischen Krieg und Frieden auszunutzen, um sich als Erste zum Neuanfang an die Spitze zu setzen. Auf letzten Beiräte-Sitzungen muss es hoch her gegangen sein! Da wurde bestimmt, welche Sicht auf die Geschehnisse bei Kriegsende Presse und Geschichtsschreibung der Bevölkerung vermitteln sollten. Zum Beispiel: Die mit panischen Ängsten erwarteten unheimlichen Besatzer, vor denen ganze Völkerschaften flohen, wären als Freunde gekommen, und wir hätten schon lange sehnlichst auf sie gewartet! Wer wollte denn einen solchen Unsinn schlucken? In Burg, sieben Kilometer östlich der Elbe, hoffte man bis zuletzt auf Einmarsch von der westlichen Seite her, auf Angloamerikaner, und nun das! Altphilologe Dr. T., erlebte in diesen Tagen, was er seiner Klasse schon 1942/43 im Falle Julius Cäsar ins Heft diktiert hatte: „Die Geschichte schreiben immer die Sieger, nicht die Besiegten - darum Kritik an den Quellen!“ Zu seiner Strafversetzung gehörte die Auflage, im Fach Geschichte nie zum Thema „Weimarer Republik“ unterrichten zu dürfen. „Weimarer Republik“ war deshalb der Unterrichtsstoff, auf den er nach Wiederbeginn des Unterrichts am 1. Oktober 1945, „nach dem Zusammenbruch“, ohne gültigen Lehrplan und verbindliche Schulbücher, zurück griff, und zwar so, dass Referate über Probleme in klassische Dramen, die eine Entsprechung zur Gegenwart hatten, in Rede und Gegenrede der Einübung parlamentarischer Debatten-Kultur dienen konnten. Wir waren mit durchreisenden Flüchtlingen etwa sechs bis vierzehn Schüllerinnen aus den zusammen gelegten Klassen sieben und acht und sollten lernen, unsere Stimme und Meinung in das "bunte Stimmenkonzert der Demokraten" einzubringen. Als die Lektüre „Hölle Buchenwald“ verbindlich wurde, schlug der Intimfeind Hitlers seinen „deprimierten“ gewesenen BdM-Führerinnen die Wahrheit des Holocaust mit gewisser Genugtuung gewaltig um die Ohren! Da hatten die Auseinandersetzungen weltbewegende Hintergründe, da waren Umbrüche in der Weltanschauung zu verkraften, die mir den Schlaf raubten und Mitschülerinnen veranlassten, ihre Schullaufbahn hier zu beenden. Die Hinwendung unseres Lehrers ins Lokale kam daher überraschend. Unvermittelt hielt Dr. T. eine Unterrichtsstunde zum Thema: „Die kampflose Übergabe Burgs an den Gegner“ ab. Ob wir nicht glücklich wären, unsere Heimatstadt Burg am Ende des Krieges unzerstört vorzufinden? Wohnungen und Arbeitsstätten heil, Wasser- und Lichtversorgung funktionieren! Ob wir uns schon einmal gefragt hätten, wem wir dieses seltene Glück zwischen Deutschlands Trümmern zu verdanken hätten? Unterrichtsergebnis: „Die Unzerstörtheit Burgs verdanken wir keinem anderen als dem Volkssturmführer Ulrich Deutsch, was auch geredet werden möge!“ Es ist nicht anders denkbar, als dass die Umbrüche im Stadtparlament und beginnende parteiliche Geschichtsklitterung meinen Lehrer zu diesem ungewöhnlichen Schritt veranlasst hätten! Wenn mir diese Unterrichtsstunde vielleicht besser im Gedächtnis geblieben ist als anderen Klassenkameradinnen, so deshalb, weil meine nächsten Verwandten als Bedienstete im Privathaushalt Deutsch, Unterm Hagen, beschäftigt gewesen waren: Großmutter als Waschfrau, Plätterin und „Glanzplätterin“, ihre Tochter als Hausschneiderin, meine Tante. Das ermutigt mich, dem Gelernten zu folgen, im demokratischen Sinne meine Stimme zu erheben, um der Aussage meines Lehrers Beachtung in der Burger Ortskunde zu verschaffen. Wann und durch wen ich zuerst davon erfuhr, dass Herr Deutsch einen Tätigkeitsbericht über seine Zeit als Volkssturmführer verfasst hatte, ist meinem Gedächtnis leider entfallen. Entgegen meiner naheliegenden Vermutung ist er aber nicht von meinem Lehrer zum Schreiben angeregt und war das Manuskript auch nicht an das Stadtarchiv abgegeben worden, dies aus gutem Grund! Die „Schatzkammer der Stadtgeschichte“ wurde ja Bestandteil des ungeliebten neuen Systems! Wann und aus welchem Grund mögen die Aufzeichnungen entstanden sein? Ein Verfasser solcher Art Memoiren aus geschichtlich brisanten Zeitläuften, in denen er Verantwortung trug, könnten Rechenschaft vor sich selbst und vor einer höheren Instanz gewesen sein, auch Hilfsmittel zur inneren Verarbeitung, auch, um Angehörige an überstandenen inneren Nöten nachträglich teilhaben zu lassen. Ein öffentliches Interesse an einem Gedächtnisprotokoll des Volkssturmführers gab es nicht, im Gegenteil! Der Krieg war vorbei, die Zeit des 3. Reiches sollte im Denkapparat der „Ostzonalen“ in der Sowjetisch Besetzten Zone Deutschlands mit Hilfe eines neuen Stalin-Kults so gründlich ausgelöscht werden, dass sie glaubten, sie wären schon als „Antifaschisten“ geboren worden! Und wehe, wenn nicht!!! Vorkriegsrussen nannten die Prozedur Gehirnwäsche, psychologisch unmöglich, eine Rosskur, an der ich, wie ersichtlich, bis heute kranke! „Man kann doch sein ganzes vorheriges Leben nicht wegschmeißen!“ sagt Stefan Heym nach der Wende. Wie wahr, sage ich! „Sportfest des Bannes 66 Mitte Mittelelbe der HJ bei uns am Flickschupark war in tristen Kriegsjahren meine einzige Jugendfreude!“ Bei den selbsternannten „Antifaschisten“ als neuer moralischer Instanz von 1945, wäre ich damit sehr schlecht angekommen!
Schwerlich kann der Autor Ulrich Deutsch gewünscht haben, dass sein Schreibsatz der Öffentlichkeit ewig verborgen bleiben möge! Er betrifft ja auch alle, die mit ihm handelten, die Männer des Volkssturms, und die, denen es nützte, uns allen! Er war Sohn einer Familie, die gewohnt war, in der Stadtvertretung das Wohlergehen der Heimatstadt mitzubestimmen, und er selber dazu ausersehen gewesen, diese Geschicke in nie dagewesenen historischen Monaten, beim Umsturz des politischen Systems entscheidend zu lenken. Eine Person der Zeitgeschichte kann nicht plötzlich bloß Privatmann sein!
Ende Mai 1945 fand die große „Russenrazzia“ statt, bei der die Geschäftsinhaber, Großgrund- und Fabrikbesitzer vor ihrer Enteignung in Speziallager des NKWD gebracht wurden, auch in KZ´s, die Stalin bis 1952 weiter betrieb. Ihrem Schub folgten große und kleine Parteifunktionäre und pensionierte Militärs, unbesehen und ohne Gerichtsverfahren, gefolgt von selbständigen kleinen Geschäftsleuten und so fort .... Ein Großteil starb schon nach Wochen an Vernachlässigung, Unterernährung und Hygienemängeln. „Von zu Hause abgeholt“ wurde auch Ulrich Deutsch, daher wäre einerseits denkbar, dass er seinen Rechenschaftsbericht geschrieben hat, um leere Zeit zu füllen und sich abzulenken, um in Isoliertheit psychisch zu überdauern - andererseits vielleicht aber auch auf gnädige Anordnung der Sowjets zu seiner politischen Entlastung! Er hatte ja sämtliche für den Volkssturm angelieferten Waffen seit dessen Gründung im Herbst 1944 nebst Munition an die Wehrmacht in den beiden Burger Kasernen weiter gegeben und damit den Sowjets die Einnahme der Stadt sehr erleichtert! Wirklich, er kam aus der Inhaftierung wieder zurück, wohl erst nach Jahren, aber doch früher als ein Großteil der Altersgenossen, so sie überlebten. Eine andere Passage des Berichts hätte ihn dagegen ans Messer geliefert: Die überaus positive Darstellung der Person des Kreisleiters Ernst Lange! Wie der gewesenen Volkssturmführer in bewegender Weise schreibt, hatte der Kreisleiter sein konspirative Handeln unter erheblichen Gefahren für beide toleriert und gedeckt. Sofort nach Hitlers Tod löste der Kreisleiter den Volkssturm, den er selber mit mit großem Vorbeimarsch festlich vereidigt hatte, wieder auf und verfasste einen Aufruf für die Wandzeitung vom 4. Mai, in dem er den Parteigenossen das Weiterkämpfen im Untergrund mit eindringlichen Worten verbot. Dieser Aufruf war für mich am 4. oder 5. Mai beim Lesen an der Marktecke, während hinter mir entlassene Soldaten der Wenck-Armee in loser Ordnung quer durch die Stadt südlichen Elbübergängen zuströmten, eine sehr hilfreiche Richtungsweisung! Sicher bewegte es Ulrich Deutsch für den Rest seines Lebens, dass der Kreisleiter, in dem Bewusstsein, einer falschen Sache gedient zu haben, nach Regelung der letzten öffentlichen Dinge seine Frau und sich erschossen hat. - Nichts zum Erweichen des NKWD! NS-Bonzen hatten als Verbrecher zu gelten, die nicht anders dargestellt werden durften denn als kriegslüsterne, blutsaugende Monster. Läuterungen waren nie ein Thema! Einmal Nazi – immer Nazi! Am besten war, sie tot zu schweigen, als hätte es die NS-Zeit nie gegeben! Für viele Trizonesier in den westlichen Besatzungszonen wäre es ein Traum gewesen, einen „Schlussstrich unter die Vergangenheit“ geboten zu bekommen, um als neuer Mensch von vorn anfangen zu können – freilich nicht zu dem Preis, Hitler durch Stalin ersetzen zu müssen.
Die lange Abwesenheit des inhaftierten Tuchkaufmanns Deutsch und die propagandistische Herabwürdigung seiner bürgerlichen Gesellschaftsklasse, als „Kapitalisten“, „Militaristen“ „Leuteschinder“ und „Blutsauger“ machten es der GPU, später NKWD, Standort Villa des Victoria-Müllers, und ihrem getreuen Zuträger Georg Schindler leicht, seine Verdienste auf die KPD zu übertragen. Um dem Ort Ehre zu erweisen, wo die KPD per Beschlussfassung zur „kampflosen Übergabe“ auf den fahrenden Zug aufgesprungen war, brachten „die fortschrittlichen Kräfte“ am Hause Tuch-Deutsch eine Gedenktafel mit rätselhafter Wortwahl an: „In diesem Hause beschloss am 2. Mai 1945 das illegale Komitee die kampflose Übergabe der Stadt Burg an die Sowjetarmee und rettete damit unsere Stadt vor der Zerstörung.“ Wieso soll denn Deutschs Lagebesprechung nach Hitlers Tod illegal gewesen sein?! Dazu muss man wissen, was hier mit dem „Illegalen Komitee“ gemeint ist. Für die, die die Tafel setzten, bestand es nicht aus den versammelten Zehn, sondern aus nur mehr drei Teilnehmern: Georg Schindler, KPD, Gartenmeister, August Heisinger, KPD, Eisendreher, Willy Steiger, KPD, Lederzuschneider. Freilich könnten die Burger Genossen während der NS-Zeit konspirative Kontakte zu Gleichgesinnten gepflegt haben. Da staunt einer vor der Ehrentafel an der Pforte von St. Nicolai in Elmshorn: fast die gleiche Empathie einfordernde Wortwahl! Die sieben bürgerlichen und sozialdemokratischen Versammlungsteilnehmer gehörten zum Feindbild der KPD, wurden von der Liste gestrichen und sollten totgeschwiegen werden. Da stimmt doch was nicht? fragten sich manche Burger.
Sieben Kilometer vor der Endstation Elbe erlebten die Burger das Kriegsende als ein erschöpftes Sich-Totlaufen der Kriegsmaschinerie: Burg als Lazarettstadt, von Flüchtenden aus dem Osten überlaufen und Drehkreuz für Truppenauflösungen der Wenck-Armee. Als aber die sowjetische Besatzungsmacht im Herbst 1945 mit der Propagandakampagne zur Vorbereitung der Zwangsvereinigung von SPD und KPD nächsten Jahres begann, sollte man eines Besseren belehrt werden, auch wenn man es kaum fassen konnte: Verbrecherischen Nazis hätten die Stadt verteidigen wollen, das hatte schließlich der im Endzeitstress trunksüchtig gewordene Oberbürgermeister einmal über die Straße gerufen. Burg läge jetzt in Trümmern, wenn nicht die „verantwortungsbewussten, mutigen Männer“ vom „Illegalen Komitee“ die kampflose Übergabe beschlossen hätten um die Stadt „vor Zerstörung und sinnlosem Blutvergießen“ zu retten. Da stimmt doch was nicht? fragten sich manche Burger.
In der Wochenzeitung „die zeit“ vom 29. April 2015 fand ich nach 70 Jahren des Rätsels Lösung. In dem Aufsatz „Ich kann leider nicht...“ liefert Michael Thumann die Erklärung. Nach Äußerungen von Kulturminister Wladimir Majinskij wird in Russland die Geschichte nicht der offenen Diskussion überlassen, sondern ist eine Staatsangelegenheit. Der Staat nutzt sie für seine Interessen. „Das Ziel des Geschichtsunterrichts besteht nicht in der Erinnerung, sondern im Vergessen“, sagt der Politologe Leonid Poljakow. Demnach kommt es auf Fakten nicht an, sondern auf den Mythos, den man für politische Zwecke daraus basteln kann., z. B. den Mythos von den verantwortungsbewussten mutigen Männern vom Illegalen Komitee.
Im gerade laufenden Nürnberger Prozess sollte diese Art Geschichtsklitterung, wie hier im Kleinen, im Großen weiter geführt werden. Da versuchten die Sowjets, den Deutschen zum Holocaust auch noch ihr eigenes Massaker bei Katyn in die Schuhe zu schieben. Empörend? Eine Unverfrorenheit? Mitnichten. Aufgrund von Ausgrabungen des Internationalen Roten Kreuzes standen die Verursacher zwar seit langem, fest, aber wenn die Russen sich nach ihrer Methode die Unschuld eingeredet hatten, dann glaubten sie eben selber daran! Als Dr. T., um nicht auch im Alter noch einmal strafversetzt zu werden, sich im Unterricht der sowjetischen These anschloss,: „Katyn – das waren die Deutschen - auch!“ da sagte ich: Ostzone ade! In einem Land, wo so dümmlich gelogen wird und Leute „von zu Hause abgeholt“ werden, will ich nicht leben - und entkam, noch ehe der „Eiserne Vorhang“ sich schloss.
Durch Verwandte und Freunde hielt ich stetigen Kontakt mit zu Haus und musste zur Kenntnis nehmen, dass das KPD-Märchen die Form eines Stadtmythos annahm und zum Burger Markenzeichen wurde, ein Mittel zur Identifikation mit der Heimat, die dann DDR hieß. Die russische Methode wurde angenommen und hat sich im Sinne der Erfinder bewährt. Siebzig Jahre lang bis jetzt wurde zu jedem Gedenktag die Story von der „Rettung Burgs vor Zerstörung und sinnlosem Blutvergießen“ durch die „verantwortungsbewussten, mutigen Männer“ mit immer denselben Worthülsen neu aufbereitet. Nur die Gefahren, die Unterhändlern am Gefechtsstand Brehm gedroht hätten, wurden immer größer. Zuletzt wären die „verantwortungsbewussten, mutigen Männer“ beinahe als Pazifisten erschossen worden! Mehrmals innerhalb der Jahrzehnte habe ich – sofern Verwandte und Freunde mich mit Zeitungsausschnitten zum Thema versorgt hatten - in Leserbriefen auf Ungereimtheiten hingewiesen.
Außer mir „Exil-Burgerin“ waren mehrere andere Heimatfreunde dabei, im Stadtarchiv unverdrossen den Gründen der Verunstaltung unserer Stadtgeschichte nachzugehen, während der DDR-Zeit durch Gesetzgebung behindert. Wieder und wieder fragten Heimatfreunde nach dem Deutsch-Manuskript als Quelle, immer vergeblich! Es sei bei der Familie festgelegt, hieß es, das war, wie ich fand, zu respektieren! Wenn erstens der Text vom Stadtmythos abweicht und zweitens ein Vertreter des 3. Reiches, den es nicht geben darf, darin vorkommt, hatte die Familie genug Grund, vorsichtig zu sein! Ich hoffte, dass auch hier die Sperrfrist zum Personenschutz wie bei Archiven nach 70 Jahren enden würde. Nach dem Tod des Vaters und weil sie sich vielleicht durch viele Anfragen belästigt fühlte, muss die Familie die „Giftblätter“ vertrauensvoll an den hoch angesehenen Stadthistoriker, Gärtnermeister Gerhard Mittendorf, weiter gegeben haben. Herr Mittendorf fand sich nach der Wende bereit, Forscherkollegen seines Vertrauens Einblick in den Text zu gewähren.
Wahrhaft mutige und verantwortungsbewusste Männer waren Herbert Zerm, aus Parchau, ehemals Leiter der Hermann-Matern-Gedenkstätte im Volkshaus, und Werner Heise, die sich nach der Wende 1989 als Erste aus der Deckung trauten und Aufklärung wagten. Zerm machte 1991 öffentlich, dass das „Illegale Komitee“ vorwiegend aus Mitgliedern aller Parteien der Stadtvertretung von 1933 bestanden habe und nennt das Unterschlagen der Namen von Bürgerlichen und Sozialdemokraten einen Fehler. Heise stellte am 1.9.1992 in einer großzügigen Serie den Inhalt des Deutsch-Manuskripts vor, auch die Weggabe der Waffen wird erwähnt: „Ein Kaufmann soll das Restaufgebot führen.“ . Was für ein Schritt nach vorn! In der Burger Rundschau vom 24.10 1991 schreibt er: „Grobe Fehlentscheidung: Festnahme des Burger Kaufmanns Ulrich Deutsch“. Den Kreisleiter zu erwähnen, konnte Werner Heise nicht im Entferntesten in den Sinn kommen, das Tabu war perfekt verinnerlicht.
Einen zweiten Beweis, dass aus dem Deutsch-Manuskript zitiert wird, brachte die Serie der Volksstimme über das Kriegsende im Jahr des 70-jährigen Jubiläums 2015. Dietrich Rönisch, früher NVA-Offizier (?), korrigierte eine Erinnerungstäuschung vieler Burger oder eher Burgerinnen und teilte mit, nicht der legendäre Major Alfred Müller habe Ulrich Deutsch auf dem Gefechtsstand Brehm empfangen, sondern ein namenloser Reseveoffizier, der den Abzug der Nachhut zu leiten hatte. Logisch! Mit der „Division Schill“ lieferte Oberstleutnant Müller den nachdrängenden Russen hinhaltende Kämpfe und brachte aus dem Brückenkopf Fischbek Tausende von Flüchtenden über den Fluss auf amerikanisch besetztes Gebiet. Im Herbst 1944 hatte er mit Billigung des Kreisleiters Lange, dem „Lustbarkeitsverbot“ Hitlers zum Trotz, zu „Hausbällen im Seeschlösschen“ eingeladen. Konspirativ, es durfte nicht sein: „Bitte träumen Sie, sprechen Sie nicht davon und denken Sie morgen, Sie hätten alles nur geträumt!“ Die Mädchen der Oberklassen und ein Jahrgang Offiziersbewerber der Sturmgeschützschule Burg bekamen hier den allerersten Eindruck vom gesellschaftlichem Leben der Friedenszeiten. Den jungen Soldaten brachte die „Träumerei“ letzte Unbeschwertheit vor Kriegseinsatz und möglichem Tod. So avancierte Major Müller für nicht wenige Burger wohl zur Projektionsfläche für alles, was mit der Garnison zu tun hat.
Nachdem ich zwei Beweise dafür gefunden hatte, dass das Deutsch-Manuskript Forschern als Geschichtsquelle freigegeben ist, wagte ich es, um eine Kopie des Gesamttextes zu bitten, und regte an, ihn auch den Lesern der Volksstimme zur Kenntnis zu bringen, denn im Ganzen betrachtet sei er der Dreh- und Angelpunkt der jüngeren Burger Stadtgeschichte. - Meine Landsleute sollten die Geschichte des Kriegsendes vom Herbst 1944 aus betrachten, und nicht erst vom 2. Mai1945 oder sogar von Gründung der DDR! Zu den Feiern des 70. Jubiläums hatte ich die Freude, wenige Tage nach dem Stichtag der Kapitulation meine vom Mythos abweichende Sicht der Dinge, frei zur sachlichen Diskussion, in der Volksstimme lesen zu können, doch habe ich von Leserstimmen nichts erfahren. Auch das erbetene Deutsch-Manuskript ließen meine Landsleute mir nicht zukommen. Ich denke, sie haben meine sporadischen Quengeleien von außerhalb gründlich satt, und dazu fiel mir ein: Sie leiden ja unter demselben sowjetzonalen Gehirnwäsche-Syndrom wie ich – nur anders herum! Es ist wie Hypnose aus der man von selber nicht hinaus findet. Ich besäße das Manuskript bis heute nicht, wenn es nicht im Nachlass einer nahen Freundin schon längst auf mich gewartet hätte! Beim Lesen stellte ich mit Erleichterung fest, dass ich mit meinen Erinnerung als Zeitzeugin niemals falsch gelegen habe! Was bloßes Dafürhalten war, wird vom Deutsch-Manuskript erhärtet oder weit übertroffen!
Wie ich am Äußeren erkenne, hat Hans-Georg Dräger, Geschichtslehrer, Künstler, Kunsterzieher und Kulturpreisträger, das Deutsch-Manuskript 2014 aus der Handschrift in besser leserliche Maschinenschrift übertragen, sodass es vervielfältigt werden kann. Dafür sei ihm gedankt! Ein Kreis Eingeweihter hat Kopien im Kästchen - aber nur vertraulich! Im offiziellen Burg sind Aufbewahrung und Wertschätzung des Zeitdokuments also unsicher! Damit das Vermächtnis des Volkssturmführers von Wegdrücken, Nichtachtung und Geheimniskrämerei erlöst wird, schicke ich lieber eine Kopie ans Reichsarchiv/Bundesarchiv in Koblenz. Da wird es auch der Wissenschaft zur Verfügung stehen, ganz im Sinne meines Lehrers Dr. Tschersig!
„Die Unzerstörtheit Burgs verdanken wir keinem anderen als Ulrich Deutsch, was auch geredet werden möge!“ (T)
Was den falschen oder richtigen Stadtmythos betrifft: Wie wäre es, unsere Mitbürger Ulrich Deutsch und Ernst Lange dem Deutschen Widerstand gegen Hitler zuzurechnen ? Ende der Mission
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Es ist so, wie hier dargelegt!!! In Burg hatte es ab 1945 bis in die Jetztzeit eine ungeheuerliche Geschichtsklitterung gegeben. Jetzt ist es nun wirklich an der Zeit um aufzuräumen!!! Das Deutsch-Manuskript hab ich auch. Es wird die Grundlage bilden.
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Nun, es gäbe noch viel zu tun. Ich erinnere mich an einen Besuch im Stadtmuseum Eger. Dort gibt es mittlerweile eine Fotodokumentation, welches im weitesten Sinne dieses Thema betrifft. Als die US Armee Eger verlassen hatte wurden deren Ehrenmal zur Befreiung von Eger gesprengt, die Russen errichteten ein neues, und änderten die Geschichtsschreibung dahingehend dass Eger von der Russischen Armee befreit worden ist. Auch dies wurde 45 Jahre gepflegt, ich möchte nicht wissen wie viele das heute noch glauben.
Dieser Internetbeitrag ist ansich in Ordnung. Dennoch schmerzhaft, da die Karte im Beitrag eine Zumutung ist. Wer die zeichnete und wer die für den Beitrag abnickte hatt offensichtlich keine Ahnung! Das klingt hart und soll es auch. Heut zu Tage ist es doch kein Problem das geeignete richtige Kartenmaterial ohne Mühe zu finden. So sind hier die Stoßpfeile der 3. Armee von südost kommend eingetragen. Das ist definitif falsch! Und noch viel schlimmer ist die Beschriftung "Ukrainische Front. Die 47., 3. und 69. A gehörten zur 1 Belorussischen Front!!! Die 1. Ukrainische Front rückte südlich der Linie Zerbst zur Elbe vor und nur einige Panzerverbände umgangen den Kessel von Halbe im Westen als Abriegelung bis Potsdam und zogen sich dann südwärts zurück. Es gibt doch ausreichend Karten wo das richtig zu sehen ist und auch die deutschen operativen Einträge der Wenck-Armee. Die hier abgebildete Karte wird inzwischen auch in Burger Schulen verwendet. So darf man Geschichte nicht vermitteln!!
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Es ist höchste Zeit, dass sich diejenigen, die sich mit diesem Kapitel der Aufarbeitung der Burger Geschicht hier äußern mögen. Mir ist klar, das sich am Beispiel Burgs die Gemüter erhitzen können. Das ist sogar erforderlich! Denn nur wenn die gegenteiligen Meinungen sachlich diskutiert werden, kann Klarheit erzeugt werden. Es geht nicht darum jahrelang zementierte Meinungen kritiklos nachzuerzählen. Die Vorgänge von damals werden gegenwärtig duch zahlreiche neue Dokumente belebt und stellen die Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln dar. Das ist natürlich. Die Burger Kriegsendegeschichte muss dringend neu geschrieben werden, mit allen Fassetten des damals Erlebten. Warheiten können manchmal sehr bitter schmecken.
Das Kartenbeispiel hier ist deshalb das beredte Beispiel!!!
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Manchmal ist eine Richtigstellung allerdings der Kampf gegen Windmühlen. Wie oft musste ich schon hören: "..wen interessiert das schon in den Details?" wenn es eben um solche Fehler geht. Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion in Köditz bei deren Ausstellung. Es ist ein wahrlich weiter Weg bis zu einer Änderung.