Habe hier im www einen Vosti Artikel von 2011? gefunden.
Als die Amerikaner 1945 in Egeln einzogen
Von Nadja Bergling Schon im letzten Teil der Serie "1070 Jahre Egeln" war der Zweite Weltkrieg ein Thema. 1945 wurde auch Egeln durch die Amerikaner besetzt. Da der Weltkrieg ein so umfangreiches Thema ist, wird es im heutigen Teil der Volksstimme-Serie noch einmal aufgegriffen und beginnt im Jahr 1944. Egeln. Vom Kriegsgeschehen bekamen die Egelner zunächst nur wenig mit. Erst im Februar 1944 verirrten sich Bomber nach Egeln und versuchten, einige Bomben über dem Egelner Gaswerk abzuwerfen, was aber glücklicherweise verfehlt wurde. Die abgeworfenen Bomben fielen auf Häuser in der Magdeburger Straße, wobei drei Tote zu beklagen waren. Am 7. Juli 1944 kam es zu einer großen Luftschlacht (Volksstimme berichtete). Als die Lage immer aussichtsloser wurde, wurden auch in Egeln Volkssturmkommandos einberufen. Diese meist alten Männer sollten mit noch älteren Gewehren und knapper Munition retten, was nicht mehr zu retten war. Im März 1945 wurden nochmals 16-Jährige zu den Waffen gerufen und starben kurz vor Kriegsende den "Heldentod". Das Kriegende kam immer näher und damit zuerst die Amerikaner nach Egeln. Obwohl schon alles aussichtslos war, doch die NSDAP propagierte noch immer die Kriegswende "Schicksalstage einer kleinen Stadt" Der ehemalige Ortschronist Hans Grube gab 1997 eine kleine Broschüre mit dem Titel "Schicksalstage einer kleinen Stadt" heraus. Darin schildert er die Übernahme der Stadt durch die Amerikaner. Die Berichte über die nahende Kampflinie oder über die Fronten brachten die Menschen in eine sehr brisante Stimmung. Die einen hätten sich sicher gern in ein Mauseloch verkrochen, die anderen sehnten die "Amis" herbei, und ein kleiner Rest wollte immer noch retten, was nicht mehr zu retten war. Als bekannt wurde, dass die stark zerstörte Stadt Halberstadt den amerikanischen Truppen kein Hindernis mehr war, erging am 11. April 1945 von der Nazi-Ortsleitung im Rathaus der Befehl, die Hauptdurchgangsstraße mit starken Straßensperren zu blockieren. Es wurden starke Balken in die Straßendecke gerammt, ein Damm aus Steinen, Holz und Erde aufgeschüttet und daneben große Baumstämme zur schnellen Verstärkung aufgeschichtet. Das geschah über dem Breiteweg zwischen dem Hospital (heute Bürohaus) und der Klosterscheune, und um die Umgehung über die Worthstraße zu verhindern, entstand auch noch eine weitere Sperre zwischen Bäckerei Thienemann (Ecke Bergstraße) und dem gegenüberliegenden "Gasthof Drei Kronen" (heute Spielkasino Zeidler). Aber trotz der brutalen Drohungen der Partei- und Regierungsbonzen gab es auch in Egeln einige beherzte und tapfere Männer, welche es in der Nacht fertigbrachten, diese für die Stadt und ihre Bürger lebensgefährlichen Sperren soweit wieder abzubauen, dass es für die anrückenden Truppen kein Anlass werden konnte, sich mit Gewalt den Weg in die Stadt zu bahnen. Daran beteiligten sich einige Handwerker, Mitglieder der "Technischen Nothilfe" und der Feuerwehr mit den Volkssturmmännern Hermann Schade (Mühle), Albrecht Stumpe und Hermann Wiegleb (beide Rechtsanwälte in Egeln). Die anwohnenden Bürger hörten deutlich das tatkräftige "Hau-Ruck!" der schweren Arbeit in der Nacht. In den Vormittagsstunden den 12. April 1945 ging dann der Ruf durch die Stadt: "Die Amis kommen!" Bange Stunden der Ungewissheit im Keller Viele verbrachten die ersten Stunden der bangen Ungewissheit in Kellern und Bunkern. Kaum einer ging sorglos über die Straße, sie alle erwarteten mit großer Sorge den jahrelang verteufelten Feind, damit auch das Ende des grausamen Krieges und damit auch die Stunde der Befreiung. So mancher hat allerdings auch Abschied nehmen müssen von den Ideen des "Großdeutschen Reiches" und der weltverändernden Allmacht; für diese Leute war es ein banges Erwachen und wohl auch die Angst vor den erwarteten Konsequenzen. Die ersten amerikanischen Truppen kamen aus der Halberstädter Straße bis zur Schäfergrabenbrücke, die Gott sei Dank nicht vermient war. Als Spitze kam ein Panzerspähwagen und ein offener Jeep mit einem aufgebauten Maschinengewehr. Als dann plötzlich, aus der Stadt kommend, ein deutsches Wehrmachtsfahrzeug auftauchte, waren die Amis schnell ran und verfolgten die Flüchtenden in die Tarthuner Straße. An der Ecke Worthstraße/Tarthuner Straße wurden ihnen noch ein paar Feuerstöße nachgesandt, wohl ohne sichtbaren Erfolg. Aber ein fünfjähriger Junge, Werner Bohne, das Kind einer Duisburger Gastfamilie, wurde auf der Straße tödlich getroffen, als er mit der Hauswirtin vom Milcheinkauf kam. Der Milchhandel Krüger lag neben Bäckerei Würpel. Die Familie Bohne wohnte Tarthuner Straße 40 bei Familie Radau. Bei dem Einzug der amerikanischen Truppen mit Panzern und weiteren Fahrzeugen wurde sofort der Breiteweg als Hauptdurchgangsstraße gesichert. Eine weitere Kolonne bewegte sich zum Rathaus, das sofort besetzt wurde. Dort wurde die Leitung der damaligen Verwaltung, an der Spitze der Ortsgruppenleiter der NSDAP, der gleichzeitig Bürgermeister war, Otto Wesemann, verhaftet. Otto Wesemann und sein Stellvertreter wurden abgeführt und mussten auf der Kühlerhaube eines amerikanischen Jeeps Platz nehmen und konnten nun, kreuz und quer durch Egeln gefahren, noch einmal "die Parade abnehmen". Doch das war für die beiden Herren noch ein recht glücklicher Abgang, weil sie nach Westdeutschland verbracht, dort später entlassen und hochbetagt als freie Bürger gestorben sind, wobei über 40 kleine, harmlose Parteikader aus Egeln später in KZ-Lagern lange büßen mussten und 22 davon den Tod fanden. zerstört wurden. Nach dem ersten Schreck löste sich schnell die Angst in Neugier auf und die Leute standen an den Straßenecken, wo auch so manches Gespräch mit den Besatzern zustande kam. Die Militärverwaltung - die Kommandantur - wurde in dem repräsentativen Gebäude der "Commerzbank" am Markt eingerichtet und nach zwei Tagen ein kommissarischer Bürgermeister gesucht, der den im Amt verbliebenen Verwaltungsangestellten vorstehen sollte. So wurde am 14. April 1945 der Pfarrer der evangelischen Stadtkirche Herr Pfarrer Adolf Strewe von der Militärregierung zum amtierenden Bürgermeister der Stadt Egeln berufen. Übrigens wurde in der Nachbargemeinde Westeregeln der katholische Pfarrer Wilhelm Ziemann ebenfalls dort zum Bürgermeister bestellt. In der ersten Woche nach der Besetzung gab es wieder eine Aufregung: Auf der damals noch unbebauten Mühlenbreite landete plötzlich ein kleines amerikanisches Flugzeug, dem zirka 15 Amerikaner entstiegen. Mit dem Ziel auf die Hausgärten der Tarthuner Straße. Nachdem sie schnell die Zäune zerschnitten und sich auf den Höfen umgesehen hatten, forderten sie Familie Lohmann und Weber auf, ihre Wohnungen zu räumen. Das Hinterhaus der Familie Lohmann blieb verschont, dort konnten sich Lohmanns frei bewegen. Nach zwei Wochen zogen die Soldaten wieder ab und die Bewohner konnten in ihre fast unbeschädigte Wohnungen wieder einziehen. ach einer kurzen Pause geht es nun mit der Volksstimme-Serie "1070 Jahre Egeln" weiter. Mittlerweile sind wir schon im Jahr 1945 angekommen. Egeln l In einer der letzten Folge unserer Serie über die Stadt Egeln berichteten wir über die letzten Kriegstage und den Einzug der Amerikaner in Egeln. Noch einmal hat die Volksstimme zusammen mit dem Museumsleiter und Ortschronisten, Uwe Lachmuth, in der Broschüre von Hans Grube "Schicksalstage einer kleinen Stadt" geblättert, um zu erfahren, wie es weiter ging. Darin heißt es: "Täglich kamen Flüchtlinge an, die vor der anrückenden Front im Osten flohen. Die deutschen Ostgebiete, wie Ostpreußen, Schlesien, Sudetenland und Pommern waren, als in Egeln die Amerikaner kamen, schon in der Hand der Russen. Wer es noch schaffte, floh mit dem was er mitnehmen konnte nach Westen. Die es nicht schafften zu fliehen, erlebten die Grauen des Krieges am eigenen Leib. Sie wurden in der nächsten Zeit aus ihrer Heimat vertrieben und mussten das Gebiet für andere freimachen, die auch umsiedeln mussten. In Egeln kamen diese Menschen mit Kinderwagen, alten Handkarren, Rucksäcken oder nur mit dem, was sie auf dem Leib trugen, an. Natürlich gab es Probleme, sie unterzubringen. Die Einwohnerzahl war im Sommer 1945 auf zirka 10 000 angewachsen. Dabei war Bleckendorf nicht eingerechnet." Köchinnen erhielten 45 Pfennige pro Stunde Im Schützenhaus, Drei Kronen und in der Katharinenkirche wurden Zwischenlager eingerichtet. Von dort wurden ihnen Wohnungen zugewiesen. Alle Wohnräume und Kammern waren überfüllt. Diesen Flüchtlingen fehlte alles. Ein Dach über dem Kopf reichte da nicht aus. Sie brauchten etwas zu essen, eine Kochstelle und Geschirr und Lebensmittel. Da sah es in Egeln Ende April 1945 noch verhältnismäßig gut aus. Die Stadt hatte sich einiges von den eingelagerten Wehrmachtsbeständen gesichert und am Alten Markt in der stillgelegten Fleischerei "Lemgau" eine "Volksküche" eingerichtet. Die Witwe des letzten Fleischermeisters wurde Chefköchin und erhielt noch fünf Mitarbeiterinnen. Sie erhielten einen Stundenlohn von 45 Pfennigen und auch mal einen Teller Suppe, was damals besonders wertvoll war. Die Volksküche im Hause Lemgau reichte bald nicht mehr aus. Nun wurde das Gesellschaftshaus zur neuen Volksküche. Dort stand der Saal zu Verfügung und es war mehr Platz. Täglich wurden 1200 Portionen Essen ausgegeben. Am 1. Mai 1945 wurde in der ehemaligen Commerzbank eine Etappenkommandantur eingerichtet, die sofort besondere Anordnungen erließ, wie zum Beispiel, dass sich alle in Egeln befindlichen Soldaten, die bereits registriert waren, im Rathaus oder in der Verbandsstelle Kaffee Holle melden mussten. Durch amerikanische Offiziere und Soldaten wurden die rund 70 Personen im Sitzungssaal des Rathauses verhört und bis auf die sieben Verwundeten mit Militärfahrzeugen in ein unbekanntes Lager abtransportiert. Später erfuhr man, dass sie in einem belgischen Bergwerk arbeiten mussten. Am 9. Mai traf auch in Egeln die Nachricht von der Kapitulation der deutschen Truppen in Berlin ein. Wilde Gerüchte über die Lebenslage und die zukünftigen Grenzen zwischen Ost und West fanden willige Hörer und so mancher hatte auch schon seinen Handwagen zur weiteren Flucht gepackt. Am Sonntag, dem 1. Juli 1945, ertönte überall in Egeln der Ruf: "Die Russen kommen!" Hans Grube schrieb dazu in seiner Broschüre: "Dann sahen wir fassungslos zu, wie die Amerikaner und Engländer in geordneten Gruppen westwärts fuhren. Wir hatten mit etwas Schulenglisch so manchen menschlichen Kontakt aufgebaut. Und gegen Mittag kamen dann die Ersten der "Roten Armee", die erst gar nicht so wie die Sieger aussahen. Sie sahen schlecht aus in ihren Uniformen mit den gerollten Decken über der Schulter, Wickelgamaschen und schlechtem Schuhwerk." Von April bis zum Herbst blieben Schulen geschlossen Kleine Pferdegespanne, sogenannte Panjewagen, begleiteten die Kolonnen. Selten waren Kraftfahrzeuge dabei, manchmal ein Panzer. Tag und Nacht zogen sie durch Egeln. Schnell gab es am Markt eine Kommandantur und im Rathaus gab es sofort eine totale Veränderung. Neben vielen Angestellten musste der bisher amtierende Bürgermeister Pfarrer Strewe sofort seinen Platz räumen, damit der Vorsitzende der KPD zum neuen Bürgermeister ernannt werden konnte. Viele Bürger ergriffen die Flucht in Richtung Westen, denn zu der Zeit war die neue Grenze noch kein großes Hindernis. Für die Hierbleibenden gab es sofort vielseitige Probleme. Unter der Herrschaft der Westmächte hatte es wenige Übergriffe durch die Besatzungsmacht gegeben. Jetzt wurde dies anders. Durch Verhöre und Verhaftungen entstanden für viele Bürger sehr gefährliche Situationen. Auf Hinweise missgünstiger und politisch fanatischer Mitbürger wurden die meisten ehemaligen Nazi-Mitarbeiter zum Rathaus bestellt oder auch nachts aus den Wohnungen abgeholt und mit unbekanntem Ziel fortgeschafft. Eine Gerichtsverhandlung gab es dafür nicht. Nur einige junge Männer, die als Melder beim "Volkssturm" eingesetzt waren, wurden aktenkundig vernommen, einer davon kam ohne Tatbeweise plötzlich ums Leben. Von April bis zum Herbst blieben die Schulen geschlossen. Die Lehrer wurden nach Parteizugehörigkeit überprüft. Nationalsozialisten waren unerwünscht. Trotzdem wurde am 21. September 1945 Oberstudiendirektor Thiemann als Rektor der Oberschule bestätigt, da kein anderer geeigneter Lehrer zur Verfügung stand und er sich auch sonst nichts zu Schulden kommen lassen hatte. Egeln gehörte nun zur Russischen Besatzungszone. In der Politik der Sowjetunion hatten Kapitalisten nichts zu suchen. So wurden alle größeren Firmen enteignet. Die Besitzer flohen in den Westen. Das traf auch für die landwirtschaftlichen Güter zu. Im Rahmen der Bodenreform wurden sie am 31. August 1945 enteignet. Das Klostergut Marienstuhl wurde bis 1960 als Stiftungsgut gesondert verwaltet. Das Amt wurde volkseigenes Gut und die Felder der größeren Bauern wurden an Neubauern verteilt. Die modernen Anlagen der Egelner Zuckerfabrik wurden abgebaut, in Kisten verpackt und per Zug in Richtung Osten verschickt, wo sie aber nie ankamen. Die Stadt platzte aus den Nähten. Die vielen Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten, die Deutschland abtreten musste, brauchten Unterkunft. Der Winter kam und es wurde kalt. Kohle und Geld waren knapp. Jeder versuchte über die Runden zu kommen und wollte eine warme Stube haben. Wurde zuerst nur Reisig im Wald gesammelt, begann man nun, heimlich in der Nacht erste Bäume abzusägen. Ein Winter reichte aus und der Wald war abgeholzt. Der Wald wurde kurze Zeit später mit schnellwachsenden Pappeln aufgeforstet. Dazwischen wurden Eichen und Buchen gepflanzt, die langsam wieder zu einem Wald werden sollten. Aus dem Bartelswald entstand die Schrebergartenanlage "Waldeslust".
Guten Morgen Spurensucher MD, sehr ineressanter Bericht von #2. Eventuell sollten hier einige Forumsmitglieder aus dem nahen Raum und Umgebung aktiv werden. Könnte sicherlich eine interessante Ausarbeitung der Thematik zu Kriegsende in und um Egeln werden. In diesem Sinne Gruß Teddy
Ich bin Jahrgang 1962 und habe nur vom Höhersagen meiner Großeltern von Vertreibungen und Aufnahme in Egeln gehört. Mein Vater stammte aus Polen, Trzebiechów (deutsch Trebschen) ist ein Dorf im Powiat Zielonogórski der polnischen Woiwodschaft Lebus und Sitz der gleichnamigen Landgemeinde. Er hatte seine Eltern bei der Flucht verloren (Tuberkulose). Seine 5 Geschwister wurden in ganz Deutschland verteilt und sind es später durch das Rote Kreuz zusammen gekommen. Ein Bruder hatte das Gehöft mal besuchen wollen, wurde aber mit Hunde vertrieben. Sie haben damals auch Sachen in der Scheune versteckt (eingegraben), vielleicht dachten die jetzigen Besitzer er will das Gehöft zurück haben. Hier nun einige Angaben zu meinem Vater und deren Geschwister welche auch mit auf der Flucht waren. Vater Günter Manfred Rutsche geb. 28.03.1939 in Trebschen https://de.wikipedia.org/wiki/Trzebiech%C3%B3w ist am 25.11.1995 gestorben. Seine Schwester Anna lebte in Herne und ist Ende der 60iger Jahre gestorben. Bruder Kurt Rutsche (ca. 1935 geb.) ist 2013 gestorben und lebte in Zielitz. Bruder Gerhard Rutsche (ca. 1937 geb.) lebt in Leipzig, wo auch noch eine Schwester ...? leben soll, aber kein Kontakt besteht. Die Eltern sind auf der Flucht an Tuberkulose verstorben.
Wo man eventuell Glück haben könnte über deine neue begonnene Arbeit etwas zu erfahren wäre: Der Museumsleiter von der Wasserburg Egeln ist Uwe Lachmuth.
Persönlich wünsche ich Dir weiterhin viel Erfolg bei deiner Forschungsarbeit.
Die ersten Kontakte zum Leiter des Museum Wasserburg Egeln (Uwe Lachmuth) wurden heute morgen telefonisch hergestellt. Ich bekam die Zusage einer Zuarbeit zu der Thematik Flucht und Vertreibung Taum Egeln und Umgebung, jedoch müssen wir uns bis April in Geduld üben. Habe schon einiges interessantes erfahren möchte jedoch hier nicht schon vorgreifen.
Durch den Leiter des Museum Wasserburg Egeln bekam ich dieser Woche diese 32seitige Dokumentation zugesendet welche ich hier heute veröffentlichen möchte.
Schicksalstage einer kleinen Stadt im April 1945
aufgeschrieben im Februar 1998 von Hans Grube mit freundlicher Unterstützung der Stadtverwaltung Egeln
Vorwort Das Jahr 1945 hat für die Geschichte unserer Heimat eine ganz besondere Bedeutung. Es erinnert an Krieg und sinnlose Gewalt, an territoriale Teilung und damit an die Zerstörung unseres deutschen Staates. Damit standen wir im Mittelpunkt der Weltgeschichte. Ich möchte mit dieser Arbeit einen Überblick geben über Einzeldarstellungen zu dem Gesamtgeschehen zwischen Harz und Elbe. Es gab in der Vergangenheit wohl Gründe genug, das allgemeine Interesse am obigen Thema nicht besonders zu fördern. Die Politiker in Ost und West haben damals recht leichtfertig die Schuldfrage den Opfern angelastet. Daneben haben die Älteren – damals Teilnehmenden – mit sehr düsteren Erinnerungen dieses heikle Thema fast verdrängt -. Für die Jüngeren ist es ein Stück Vergangenheit, was aus mangelnder Sachkenntnis bisher sehr unvollständig aufgearbeitet wurde. Für den Heimatforscher ergibt sich allerdings die Aufgabe, im zeitlichen Abstand mit fast 5 Jahrzehnten alles noch Greifbare zusammenzutragen, um den nachfolgenden Generationen ein umfassendes Bild über eine der schicksalsschwersten Umwälzungen in unserer heimatlichen Geschichte zu bewahren. Die Schwierigkeit in dieser Aufgabe liegt im Mangel an Material, denn die ersten Jahre nach 1945 sind gekennzeichnet von einem Maximum an überstürzenden Ereignissen und einem Minimum an überlieferten örtlichen Nachrichten. In den ersten Wochen, über die hier besonders berichtet werden soll, wurden weder Tageszeitungen gedruckt, noch wurde Post befördert. Selten wurden die Menschen zum Schreiben angeregt. Die in Not und Bedrängnis geratenen Leute waren meistens damit beschäftigt, für das alltägliche leibliche Wohl und das nackte Überleben zu sorgen. So hatten nur ganz Wenige die Muße oder das Verlangen, über den gerade endenden Krieg mit dem allseitigen Tod und den Auswirkungen von der Flucht vor den Bomben oder der Vertreibung aus den östlichen Kriegsschauplätzen umfangreiche Notizen anzufertigen. Für den militärischen Teil dieser „ Erinnerung“ gibt es allerdings aus amerikanischen Berichten so manchen interessanten Hinweis über den Verlauf des Krieges im mitteldeutschen Raum. Diese Arbeit kann nicht lückenlos sein, sondern möchte Anreiz und auch Grundlage sein für weitere Forschungen zu diesem Thema, sie möge aber auch die Einblicke und das Verständnis wecken, die politische Entwicklung zu begreifen.
Erlebnisse um das Ende des zweiten Weltkrieges Zur räumlichen Beschreibung in der Situation Frühjahr 1945 sollte die politische Gaueinteilung beachtet werden. Unser Gebiet gehörte zum NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) – Gau Magdeburg-Anhalt und unterstand dem damaligen Gauleiter Jordan, dessen direkter Einfluß sich über die Kreise mit den Kreisleitungen und den Städten mit den Ortsgruppenleitern fortsetzte. Anfänglich war die Staatspartei ( NSDAP ) darum bemüht, die Trennung zwischen den Kommunalverwaltungen und der Parteibürokratie einzuhalten. Als sich im Frühjahr 1945 die Kriegsprobleme dramatisch zu-spitzten, wurden durch die Parteiorgane die „ Zivile Verteidigung“ angeordnet und aus der noch verbliebenen männlichen Bevölkerung die „ Volkssturmkompanien und –Bataillone“ aufgestellt. Die Volkssturmeinheiten wurden ausschließlich von den Organen der Partei geführt. Für die damals politisch angespannte Situation war es bemerkenswert, dass diese nur sehr mangelhaft von der Wehrmacht mit Waffen und Munition versorgt wurden und sie waren auch den Befehlshabern der Partei unterstellt. Die Organe der Partei bestimmten über das Schicksal der Bevölkerung in den frontnahen Gebieten und ordneten z.B. auch die Errichtung von Verteidigungsstellungen, wie Straßensperren, an. Im Verlaufe des Krieges setzte, besonders in unserem Gebiet, eine lange und bedeutungsvolle Bevölkerungsbewegung ein; zuerst kamen 1935 die Saar-länder, vorsorglich wegen der „Volksabstimmung“ evakuiert, dann kamen 1941/42 viele Frauen mit Kindern aus den bombenbedrohten Gebieten an Rhein und Ruhr, was sich bis 1943 durch den Zuzug der unzähligen Evaku-ierten fortsetzte. Dazu kamen viele Schulklassen mit ihren Lehrern aus den luftbedrohten Städten auf das bis dahin verschont gebliebene flache Land, um dort in den „Kinder-Landverschickungs-Lagern“ untergebracht zu werden. In den Jahren 1942-43 kam es zu starken Zuwanderungen von ausländischen Zivilarbeitern, die entweder aus ihrer Heimat deportiert oder über die Arbeitsämter angeworben waren. Diese Arbeitskräfte, Männer, Frauen und ganze Familien lebten in Barackenlagern, in Notunterkünften oder waren bei den Bauern untergebracht, wo sie sich sehr bescheiden, aber frei bewegen durften. Es wurde aber unterschieden und teilweise auch gekennzeichnet: die „ Ostarbeiter “ aus der Ukraine und Rußland trugen an der Oberbekleidung ein großes „OST“, die Polen ein „P“ usw. Die immer stärkeren Bombardements auf die Industriegebiete machten auch die Verlagerung mancher Betriebe in unsere engere Heimat erforderlich, was sich in Egeln so zeigte, daß gegenüber dem Bahnhof eine Dreherei und Maschinenfabrik Butzmühlen aus dem Rheinland angesiedelt wurde. In dem Zeichensaal und einigen weiteren Räumen der damaligen Aufbauschule war ein Konstruktionsbüro untergebracht. In der alten Maschinenfabrik von van Außem entstand die Herstellung von Industrieöfen, wo auch als wertvolles Füllprogramm die kleinen „Kochhexen“ für die fatalen Bedürfnisse unserer hilfebedürftigen Flüchtlinge hergestellt wurden. Und, da es sich zwischen Egeln und Tarthun abspielte, gab es in der Schachtanlage ( ehemals auf Salz abgeteuft ) des Schachtes IV eine unterirdische Montage für Flugzeugteile. Hierbei mußten neben deutschen Spezialisten viele KZ-Häftlinge, die eigentlich zum Lager Dora bei Nordhausen gehörten und in einem kleinen Barackenlager gegenüber dem Schacht an der Bahn untergebracht waren, bei der Fertigstellung helfen. Augenzeugen berichten, dass die armen Menschen täglich auf Holzpantoffeln nach Egeln zur Molkerei laufen mußten, um dort die Milch usw. für ihre
Verpflegung abzuholen. So mancher Egelner Bürger hatte den Mut, ihnen auch noch eine Schnitte zu zustecken! In der 14. Zuteilungswoche (April 1945 erhielt die deutsche Zivilbevölkerung auf Lebensmittelkarten folgende Rationen pro Woche: Brot Kinder bis zu 6 Jahren 1000 g.,Jugendliche bis zu 18 Jahren 2000 g ., alle Anderen 1700 g. Zulage für Schwerarbeiter 1100 g., Zulage für Schwerstarbeiter 1600 g, Fleisch Kinder bis zu 6 Jahren 100 g., Jugendliche bis zu 18 Jahren 300 g., alle Anderen 250 g. Zulage für Schwerarbeiter 350 g., Zulage für Schwerstarbeiter 600 g., Fett Kinder bis zu 6 Jahren 125 g., Jugendliche bis zu 18 Jahren 208 g., alle Anderen 125 g. Zulage für Schwerarbeiter 57 g., Zulage für Schwerstarbeiter 207 g. Nährmittel ( Graupen, Nudeln usw. ) für alle 225 g. Zucker ( oder die doppelte Menge Marmelade) 125 g., Käse für alle 21 g., Quark für alle 42 g., Kaffee-Ersatz für alle 33 g., Kunsthonig Kinder bis zu 6 Jahren 42 g., Kinder-Stärkemehl Kinder bis zu 6 Jahren 83 g. In der Zeit der katastrophalen militärischen Verhältnisse gab es Ende März 1945 keine bewegliche und schlagkräftige deutsche Armee mehr. Um noch etwas zu retten, wurden in dieser Zeit die Jugendlichen des Jahrgangs 1929 zu den Waffen gerufen. Um den 6. April 1945 wurde die Harzstadt Blankenburg zum Hauptquartier des „Oberbefehlshabers West“ unter Generalfeldmarschall Kesselring.
Von der noch existierenden militärisch-politischen Führung gab es am 7. und 8. April 1945 u.a. den folgenden Bericht zur Lage: ….Einen klaren Kopf und ruhig Blut bewahren! Alles tun, was dem weiteren Vordringen der Panzerspitzen schadet. Im Übrigen müssen wir in den nächsten Tagen die Auswirkungen der Gegenmaßnahmen unserer militärischen Führung abwarten. Verfallt nicht dem Panzerschreck! Einige Panzer erobern keine Provinzen: Panzersprengkommandos und schnell herbeigeführte Truppenteile werden für die Vernichtung der durchgebrochenen Feindpanzer sorgen. Wer aber feige die Nerven verliert und die weiße Fahne hisst, der wird des Todes sein!“ Während am 11.4.1945 bei Bad Grund die Einheiten des Generalmajors Görbig in Gefangenschaft gerieten, erreichten die amerikanischen Truppen starke Geländegewinne pro Tag über 30 km, und das unter der Umgehung der „Festung Harz“. So hatte die 329. Infanterie-Division um den 11.4. 1945 die Aufgabe, über Goslar, Bad Harzburg, Vienenburg, Wernigerode, Halberstadt und Egeln (12 April 1945 ) schnellstens die Elbe zu erreichen, um bei Barby einen Brückenkopf zu errichten, was den Amis schon am Abend des 12. April 1945 gelang. 12. April 1945: Die Stoßrichtung der 9. US Armee mit der 329. Infanterie-Division richtete sich gegen Wittenberge, Stendal, Magdeburg und Barby. Während am 12.04.1945 die Städte Stendal und Barby kampflos übergeben wurden, erlebten die amerikanischen Truppen, welche am Vormittag des 12.04.1945 die Stadt Egeln besetzt hatten, vor Magdeburg erhebliche Widerstände. Der SS-Brigadeführer Boleck hatte für Magdeburg die „Verteidigungsbereitschaft“ angeordnet und die Übergabe der Stadt an die amerikanischen Parlamentäre abgelehnt. Erst nach Bombardements und harten Kämpfen wurde Magdeburg, bis an die Elbe, am 18.04.1945 eingenommen. Auf dem Ostufer der Elbe wurde noch bis zum 1. Mai 1945 gekämpft. Um die Entwicklung zur totalen Niederlage aufzuhalten, wurden durch den Reichsführer der SS Himmler Anordnungen erlassen, welche den äußersten Widerstand mobilisieren sollten. Dabei wurde auch der „Retter von Wernigerode“, der Oberst Petri, erschossen, weil er die Stadt kampflos übergeben hatte. In Himmlers Erlass vom 12. April 1945 hieß es u.a.: „Der Feind versucht es, durch Irreführung deutsche Orte zur Übergabe zu veranlassen…. Diese Kriegs-list verfehlt aber ihr Ziel. Jedes Dorf und jede Stadt wird mit allen Mitteln verteidigt und gehalten. Jeder im Ort verantwortliche Mann, der gegen diese selbstverständliche Pflicht verstößt, verliert Ehre und Leben…!“
In der Stadt EGELN zur Stunde Null Die Berichte über die nahende Kampflinie oder über die Fronten brachten die Menschen in eine sehr brisante Stimmung. Die einen hätten sich sicher gern in ein Mauseloch verkrochen, die anderen sehnten die „Amis“ herbei, und ein kleiner Rest wollte immer noch retten, was nicht mehr zu retten war. Zu den Ersten ist zu sagen, dass mancher einen seit Jahren hergerichteten „Luftschutzkeller“ hatte, oder dass man sich in Unterstände begab, so z.B. in der Mühlenstraße an der Klostermauer zwischen Kirchgang und alter Feuer-wehr ( heute Johanniter-Rettungsstelle) oder auf dem Friedhof neben der St. Katharinen-Kirche in einen Erdbunker. Als dann bekannt wurde, dass die stark zerstörte Stadt Halberstadt den amerikanischen Truppen kein Hindernis mehr war, erging am 11.04.1945 von der Nazi-Ortsleitung im Rathaus der Befehl, die Hauptdurchgangsstraße mit starken Straßensperren zu blockieren. Es wurden starke Balken in die Straßendecke gerammt, ein Damm aus Steinen, Holz und Erde aufgeschüttet und daneben große Baumstämme zur schnellen Verstärkung aufgeschichtet. Das geschah über dem Breiteweg zwischen dem Hospital (heute Bürohaus) und der Klosterscheune, und um die Umgehung über die Worthstraße zu verhindern, entstand auch noch eine weitere Sperre zwischen Bäckerei Thienemann (Ecke Bergstraße) und dem gegenüberliegenden „Gasthof Drei Kronen“ (heute Spielkasino Zeidler) errichtet. Aber trotz der brutalen Drohungen der Partei- und Regierungsbonzen gab es auch in Egeln einige beherzte und tapfere Männer, welche es in der Nacht fertigbrachten, diese für die Stadt und ihre Bürger lebensgefährlichen Sperren soweit wieder abzubauen, dass es für die anrückenden Truppen kein Anlass werden konnte, sich mit Gewalt den Weg in die Stadt zu bahnen. Daran beteiligten sich einige Handwerker, Mitglieder der „Technischen Nothilfe“ und der Feuerwehr mit den Volkssturmmännern Hermann Schade (Mühle), Albrecht Stumpe und Hermann Wiegleb (beide Rechtsanwälte in Egeln). Die anwohnenden Bürger hörten deutlich das tatkräftige „Hau-Ruck!“ der schweren Arbeit in der Nacht. In den Vormittagsstunden des 12. April 1945 ging dann der Ruf durch die Stadt: „Die Amis kommen!“ Viele verbrachten die ersten Stunden der bangen Ungewissheit in Kellern und Bunkern, kaum einer ging sorglos über die Straße, sie alle erwarteten mit großer Sorge den jahrelang verteufelten Feind, damit auch das Ende des grausamen Krieges und damit auch die Stunde der Befreiung. So mancher hat allerdings auch Abschied nehmen von den Ideen des „Großdeutschen Reiches“ und der weltverändernden Allmacht, für diese Leute war es ein banges Erwachen und wohl auch die Angst vor den erwarteten Konsequenzen. Die ersten amerikanischen Truppen kamen aus der Halberstädter Straße bis zur Schäfergrabenbrücke, die Gott-sei-Dank nicht vermint war. Als Spitze kam ein Panzerspähwagen und ein offener Jeep mit einem aufgebauten Maschinengewehr. Als dann plötzlich, aus der Stadt kommend, ein deutsches Wehrmachtsfahrzeug auftauchte, waren die Amis schnell ran und verfolgten die Flüchtenden in die Tarthuner Straße. An der Ecke Worthstraße-Tarthuner Straße wurden ihnen noch ein paar Feuerstöße nachgesandt, wohl ohne sichtbaren Erfolg. Aber ein 5-jähriger Junge, Werner Bohne, das Kind einer Duisburger Gastfamilie, wurde auf der Straße tödlich getroffen, als er mit der Hauswirtin vom Milcheinkauf kam. Der Milchhandel Krüger lag neben Bäckerei Würpel. Die Familie Bohne wohnte Tarthuner Straße 40 bei Fam. Radau. Bei dem Einzug der amerikanischen Truppen mit Panzern und weiteren Fahrzeugen wurde sofort der Breiteweg als Hauptdurchgangsstraße gesichert. Eine weitere Kolonne bewegte sich zum Rathaus, welches sofort besetzt wurde. Hier wurde die Leitung der damaligen Verwaltung, an der Spitze der Ortsgruppenleiter der NSDAP, der gleichzeitig Bürgermeister war, Otto Wesemann, verhaftet. Da im Keller des Rathauses große Mengen Alkohol gelagert waren, hatten „die Herren der letzten Tage“ auch kräftig zugegriffen, wohl um sich Mut zu machen, oder auch ihren Kummer zu ertränken. Otto Wesemann und sein Stellvertreter wurden ab -geführt und mußten auf der Kühlerhaube eines amerikanischen Jeeps Platz nehmen und konnten nun, kreuz und quer durch Egeln gefahren, noch einmal „die Parade abnehmen“. Doch das war für die beiden Herren noch ein recht glücklicher Abgang, weil sie nach Westdeutschland verbracht, dort später entlassen und hochbetagt als freie Bürger gestorben sind, wobei über 40 kleine, harmlose Parteikader aus Egeln später in KZ-Lagern lange büßen mußten und 22 davon den Tod fanden.
Beim Einzug der amerikanischen Truppen wurde neben dem Rathaus auch die ehemalige „Commerz-Bank“ ( heute Ärztehaus am Markt ) und die Post besetzt, wo sämtliche Fernsprechleitungen zerstört wurden. Nach dem ersten Schreck, als die Feinde – oder die Sieger – oder die Befreier-kamen, löste sich schnell die Angst in Neugier auf und die Leute standen en den Straßenecken, wo auch so manches Gespräch mit den Besatzern zustande kam. Eine lustige eigentlich ernste Episode.
Die Situation der Stadt im Frühjahr 1945 Egelner im „ Volkssturm-Bataillon-Anhalt“
Es war am 25 Januar 1945, als in der Nacht der Gestellungsbefehl für einen Volkssturm-Einsatz von der NSDAP-Kreisleitung Wanzleben übergeben wurde; die Betroffenen waren ältere Männer, frühere Verwundete, UK (unabkömmlich) gestellte Spezialisten der Industrie. Aus Egeln und näherer Umgebung waren es etwa 35 Männer, welche sich um 11.00 Uhr auf dem Egelner Marktplatz einzufinden hatten, um mit zwei Bussen abtransportiert zu werden. Die Fahrt ging nach Quedlinburg, wo das „Volkssturmbataillon-Anhalt“ für eine angeblich zweiwöchige „Wehrdienst-übung“ beim 1. Bataillon des Infanterieregiments 2 einberufen wurde. Es war grimmig kalt, die Kasernen waren nur in einigen „wichtigen“ Räumen geheizt. Die „Stuben“ der neuen Soldaten blieben kalt, ebenso waren die Toiletten im katastrophalen Zustand. Als Bekleidung wurden verschlissene Uniformen verteilt, bei der Unterwäsche waren teilweise die Spuren von früheren Verwundungen festzustellen. Die Ausrüstung mit Waffen war sehr mangelhaft, es gab neben alten Infanterie-Gewehren K 98 ( wohl noch aus Beständen der früheren Reichswehr ) nur Jagdgewehre. Die Munition war knapp und teilweise unpassend. Am dritten Tag wurde auf dem Kasernenhof von hochrangigen Parteiführern eine große Kundgebung veranstaltet, bei der Gauleiter der NSDAP, Rudolf Jordan aus Dessau bei lauter Marschmusik kräftige Durchhalteparolen ver-kündete. Ohne besondere Ausbildung sollten diese Männer in den Krieg! Mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen marschierten die 600 Soldaten zum Bahnhof, wo sie mit Pferden und Wagen verladen wurden, um in den Kampf um Berlin „einzugreifen“. Die Städte Deutsch-Krone, Arnswalde und Stargard in Pommern waren die letzten Orte ihrer Einsätze bevor alles im Chaos unterging. So geschah es auch, dass die Männer aus Egeln am 5. März 1945 in die russische Gefangenschaft gerieten. Aus Egeln mußten so noch 7 Männer in den Krieg ziehen, obwohl jeder wußte, daß der Einsatz total sinnlos war. Von den Männern Otto Karpe, Karl Schneider, Paul Westphal, Paul Wiechmann, Alfred Steingrüber, Willi Strohmeier und Ludwig Grau kam der Letztere am 2. Juli 1948 aus der Gefangenschaft von Minsk und Woroschilow-grad wieder nach Hause zurück. Ab Februar 1945 mußten alle beschlagnahmten Wohnräume für die Evakuierten aus den Ostgebieten freigemacht werden. Als die amerikanischen Truppen am 8. April 1945 die Leine überschritten, sollte die „Festung Harz“ dem Krieg noch eine Wende bringen. Doch die ersten großen Bombenangriffe auf Wernigerode, Nordhausen und Halberstadt ließen den ganzen Wahnsinn und die Aussichtslosigkeit erkennen. Es wurden die unsinnigsten Gerüchte und Durchhalteparolen durch die Parteileitung verbreitet. Zur Erinnerung ein Beispiel eines Aufrufes einer Kreisleitung: „Im Zusammenhang mit der Feindannäherung schwirren in der Stadt und dem Kreis die unsinnigsten Gerüchte herum. Es ist uns allen klar, dass wir in den entscheidenden Stunden unseres Ringens um die Freiheit stehen… Über die Ziele des Feindes sind wir uns völlig klar: Er will unser Reich vernichten und unsere Bevölkerung ausrotten! …So, wie im ganzen Gau, so werden wir ihm auch hier entgegentreten… Mit Entschlossenheit bauen die Männer unseres „Volkssturms“ gemeinsam mit den Männern der „Wehrmacht“ überall Sperren… und werden dem Feind entgegentreten. Wer gegen die Befehle und Anordnungen verstößt muß damit rechnen, dass ihn rücksichtslos die härtesten Strafen treffen. Mit Feiglingen und Deserteuren wird genauso verfahren wie mit Plünderern! ….“ Die Menschen saßen heimlich an den Rundfunkgeräten und horchten auf die Meldungen der Engländer und Amerikaner, obwohl dieses Abhören streng verboten war und sehr hohe Strafen darauf ruhten.
Besonders katastrophale Verhältnisse entstanden bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung. In der 14. Zuteilungswoche (April 1945) erhielt die deutsche Zivilbevölkerung auf Lebensmittelkarten folgende Rationen pro Woche: Brot Kinder bis zu 6 Jahren 1000 g., Jugendliche bis zu 18 Jahren 2000 g., alle Anderen 1700 g., Zulage für Schwerarbeiter 1100 g., Zulage für Schwerstarbeiter 1600 g. Fleisch Kinder bis zu 6 Jahren 100 g., Jugendliche bis zu 18 Jahren 300 g., alle Anderen 250 g., Zulage für Schwerarbeiter 350 g., Zulage für Schwerstarbeiter 600 g., Fett Kinder bis zu 6 Jahren 125 g., Jugendliche bis zu 18 Jahren 208 g., alle Anderen 125 g., Zulage für Schwerarbeiter 57 g., Zulage für Schwerstarbeiter 207 g., Nährmittel ( Graupen, Nudeln usw. ) für alle 225 g., Zucker ( oder die doppelte Menge Marmelade ) für alle 125 g., Käse für alle 21 g., Quark für alle 42 g., Kaffee-Ersatz für alle 33 g., Kunsthonig Kinder bis zu 6 Jahren 42 g., Kinder-Stärkemehl Kinder bis zu 6 Jahren 83 g. In der Zeit der katastrophalen Verhältnisse gab es Ende März 1945 keine bewegliche und schlagkräftige deutsche Armee mehr. Um noch etwas zu retten, wurden in dieser Zeit die Jugendlichen des Jahrgangs 1929 zu den Waffen gerufen. Um den 6. April 1945 wurde die Harzstadt Blankenburg zum Hauptquartier des „Oberbefehlshabers West“ unter Generalfeldmarschall Kesselring. Von der noch existierenden militärisch-politischen Führung gab es am 7. und 8. April 1945 u.a. den folgenden Bericht zur Lage: ,,… einen klaren Kopf und ruhig Blut bewahren! Alles tun, was dem weiteren Vordringen der Panzerspitzen schadet. Im Übrigen müssen wir in den nächsten Tagen die Auswirkungen der Gegenmaßnahmen unserer militärischen Führung abwarten. Verfallt nicht dem Panzerschreck! Einige Panzer erobern keine Provinzen: Panzersprengkommandos und schnell herbeigeführte Truppenteile werden für die Vernichtung der durchgebrochenen Feindpanzer sorgen.
Wer aber feige die Nerven verliert und die weiße Fahne hisst, der wird des Todes sein!“ Während am 11.04.1945 bei Bad Grund die Einheiten des Generalmajors Görbig in Gefangenschaft gerieten, erreichten die amerikanischen Truppen starke Geländegewinne von pro Tag über 30 km und das unter der Umgehung der „Festung Harz“. So hatte die 329. Infanterie-Division um den 11.04.1945 die Aufgabe, über Goslar, Bad Harzburg, Vienenburg, Wernigerode, Halberstadt ( 11.April 1945 ) und Egeln ( 12.April 1945) schnellstens die Elbe zu erreichen, um bei Barby einen Brückenkopf zu errichten, was den Amis schon am Abend des 12. April 1945 gelang.
12. April 1945 Die Stoßrichtung der 9. US Armee mit der 329. Infanterie-Division richtete sich gegen Wittenberge, Stendal, Magdeburg und Barby. Während am 12.04.1945 die Städte Stendal und Barby kampflos übergeben wurden, er-lebten die amerikanischen Truppen, welche am Vormittag des 12.04.1945 die Stadt Egeln besetzt hatten, vor Magdeburg erhebliche Widerstände. Der SS-Brigadeführer Boleck hatte für Magdeburg die „Verteidigungsbereitschaft“ angeordnet und die Übergabe der Stadt an die amerikanischen Parlamentäre abgelehnt. Erst nach Bombardements und harten Kämpfen wurde Magdeburg, bis an die Elbe, am 18.04.1945 eingenommen. Auf dem Ostufer der Elbe wurde noch bis zum 1. Mai 1945 gekämpft. Um die Entwicklung zur totalen Niederlage aufzuhalten, wurden durch den Reichsführer der SS Himmler Anordnungen erlassen, welche den äußersten Widerstand mobilisieren sollten Dabei wurde auch der „Retter von Wernigerode“, der Oberst Petri, erschossen, weil er die Stadt kampflos übergeben hatte. In Himmlers Erlaß vom 12. April 1945 hieß es u.a.: Der Feind versucht es, durch Irreführung deutsche Orte zur Übergabe zu veranlassen…. Diese Kriegslist verfehlt aber ihr Ziel. Jedes Dorf und jede Stadt wird mit allen Mitteln verteidigt und gehalten. Jeder im Ort verantwortliche Mann, der gegen diese selbstverständliche Pflicht verstößt, verliert Ehre und Leben…!“
In der Stadt EGELN zur Stunde Null Die Berichte über die nahende Kampflinie oder über die Fronten brachten die Menschen in eine sehr brisante Stimmung. Die einen hätten sich gern in ein Mauseloch verkrochen, die anderen sehnten die „Amis“ herbei, und ein kleiner Rest wollte immer noch retten, was nicht mehr zu retten war. Zu den Ersten ist zu sagen, dass mancher einen seit Jahren hergerichteten „Luftschutzkeller“ hatte, oder, daß man sich in Unterstände begab, so z.B. in der Mühlenstraße an der Klostermauer zwischen Kirchgang und alter Feuer-wehr (heute Johanniter-Rettungsstelle) oder auf dem Friedhof neben der St. Katharinen-Kirche in einem Erdbunker. Als dann bekannt wurde, daß die stark zerstörte Stadt Halberstadt den amerikanischen Truppen kein Hindernis mehr war, erging am 11.04.1945 von der Nazi-Ortsleitung im Rathaus der Befehl die Hauptdurchgangsstraße mit starken Straßensperren zu blockieren. Es wurden starke Balken in die Straßendecke gerammt, ein Damm aus Steinen, Holz und Erde aufgeschüttet und daneben große Baumstämme zur schnellen Verstärkung aufgeschichtet. Das geschah über dem Breiteweg zwischen dem Hospital (heute Bürohaus) und der Klosterscheune, und um die Umgebung über die Worthstraße zu verhindern, entstand auch noch eine weitere Sperre zwischen Bäckerei Thiene-mann ( Ecke Bergstraße ) und dem gegenüberliegendem „ Gasthof Drei Kronen „ ( heute Spielkasino Zeidler ) errichtet. Aber trotz der brutalen Drohungen der Partei- und Regierungsbonzen gab es auch in Egeln einige beherzte und tapfere Männer, welche es in der Nacht fertigbrachten, diese für die Stadt und ihre Bürger lebensgefährlichen Sperren soweit wieder abzubauen, dass es für die anrückenden Truppen kein An-laß werden konnte, sich mit Gewalt den Weg in die Stadt zu bahnen. Daran beteiligten sich einige Handwerker, Mitglieder der „technischen Nothilfe“ und der Feuerwehr mit den Volksturmmännern Hermann Schade ( Mühle ), Albrecht Stumpe und Hermann Wiegleb ( beide Rechtsanwälte in Egeln ). Die anwohnenden Bürger hörten deutlich das tatkräftige „ Hau-Ruck!“ der schweren Arbeit in der Nacht. In den Vormittagsstunden des 12. April 1945 ging dann der Ruf durch die Stadt: „die Amis kommen !“ Viele verbrachten die ersten Stunden der bangen Ungewißheit in Kellern und Bunkern, kaum einer ging sorglos über die Straße, sie alle erwarteten mit großer Sorge den jahrelang verteufelten Feind, damit auch das Ende des grau-samen Krieges und damit auch die Stunde der Befreiung. So mancher hat allerdings auch Abschied nehmen müssen von den Ideen des „Großdeutschen Reiches“ und der weltverändernden Allmacht; für diese Leute war es ein banges Erwachen und wohl auch die Angst vor den erwarte-ten Konsequenzen. Die ersten amerikanischen Truppen kamen aus der Halberstädter Straße bis zur Schäfergrabenbrücke, die Gott-sei-Dank nicht vermint war. Als Spitze kamen ein Panzerspähwagen und ein offener Jeep mit einem aufgebauten Maschinengewehr. Als dann plötzlich, aus der Stadt kommend, ein deutsches Wehrmachtsfahrzeug auftauchte, waren die Amis schnell ran und verfolgten die Flüchtenden in die Tarthuner Straße. An der Ecke Worthstraße-Tarthuner Straße wurden ihnen noch ein paar Feuerstöße nachgesandt, wohl ohne sichtbaren Erfolg. Aber ein 5-jähriger Junge, Werner Bohne, das Kind einer Duisburger Gastfamilie, wurde auf der Straße tödlich getroffen, als er mit der Hauswirtin vom Milcheinkauf kam. Der Milchhandel Krüger lag neben Bäckerei Würpel. Die Familie Bohne wohnte Tarthuner Straße 40 bei Fam. Radau. Bei dem Einzug der amerikanischen Truppen mit Panzern und weiteren Fahrzeugen wurde sofort der Breiteweg als Hauptdurchgangsstraße gesichert. Eine weitere Kolonne bewegte sich zum Rathaus, welches sofort besetzt wurde. Hier wurde die Leitung der damaligen Verwaltung, an der Spitze der Ortsgruppenleiter der NSDAP, der gleichzeitig Bürgermeister war, Otto Wesemann, verhaftet. Da im Keller des Rathauses große Mengen Alkohol gelagert waren, hatten „die Herren der letzten Tage“ auch kräftig zugegriffen, wohl um sich Mut zu machen oder auch ihren Kummer zu ertränken. Otto Wesemann und sein Stellvertreter wurden Abgeführt und mußten auf der Kühlerhaube eines amerikanischen Jeeps Platz nehmen und konnten nun, kreuz und quer durch Egeln gefahren, noch einmal „die Parade abnehmen“. Doch das war für die beiden Herren noch ein recht glücklicher Abgang, weil sie nach Westdeutschland verbracht, dort später entlassen und hochbetagt als freie Bürger gestorben sind, wobei über 40 kleine, harmlose Parteikader aus Egeln später in KZ-Lagern lange büßen mußten und 22 davon den Tod fanden. Beim Einzug der amerikanischen Truppen wurde neben dem Rathaus auch die ehemalige „Commerz-Bank“ ( heute Ärztehaus am Markt ) und die Post besetzt, wo sämtliche Fernsprechleitungen zerstört wurden. Nach dem ersten Schreck, als die Feinde – oder die Sieger – oder die Befreier- kamen, löste sich schnell die Angst in Neugier auf und die Leute standen an den Straßenecken, wo auch so manches Gespräch mit den Besatzern zustande kam. Eine lustige, eigentlich sehr ernste Episode hat sich damals zugetragen, als der stadtbekannte Mechanikermeister Friedrich Könnecke Senior aus der damaligen Wilhelm- jetzt Geschwister-Scholl-Straße mit geschultertem Gewehr und einer großen Tasche zu „ Thedchen Koch“ geben wollte, um Lebnsmittel einzukaufen. Beim ersten Militärposten an der Ecke bei Gautier (jetzt Lebensmittel Schmidt) hatten ihn die Soldaten schon an der Jacke, nahmen ihm das Gewehr, wohl eine Luftbüchse, weg und zerschlugen es an der Bordkante. Nach langer Diskussion, Herr Könnecke hatte einige Englisch-Kenntnisse, ließ man den alten Mann gehen, wobei er hinterher erklärte, dass er die Waffe bei so unsicheren Zeiten wohl nötig gehabt hätte. Nun hatte für Egeln und seine Bürger der Krieg ein Ende gefunden, fast ohne Blutvergießen, ohne die katastrophalen Zerstörungen durch irrsinnige Panzersperren. Aber es war doch plötzlich alles anders geworden, denn weil die Besatzungsmacht auch an ihre eigene Sicherheit denken mußte, wurden sofort sehr hart geregelte Ausgangssperren angeordnet.
Ausgangszeiten vom 13.04.1945 bis 24.04.1945 für Männer von 9.00 bis 12.00 Uhr für Frauen von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 16.00 bis 18.00 Uhr Die Militärverwaltung – die Kommandantur – wurde in dem repräsentativen Gebäude der „Commerzbank“ am Markt eingerichtet und nach 2 Tagen wurde ein kommissarischer Bürgermeister gesucht, der den im Amt verbliebenen Verwaltungsangestellten vorstehen sollte. So wurde am 14. April 1945 der Pfarrer der evangelischen Stadtkirche, Herr Pfarrer lic. Adolf Strewe von der Militärregierung zum amtierenden Bürger-meister der Stadt Egeln berufen. Übrigens wurde in der Nachbargemeinde Westeregeln der katholische Pfarrer Wilhelm Ziemann ebenfalls dort zum Bürgermeister bestellt.