na da wird sich Stanislav bestimmt darüber freuen, so viele Informationen seiner Großmutter zeigen zu können (Bildmaterial). Ich persönlich bin gespannt auf die Aussagen seitens der Großmutter (über die damaligen Ereignisse) welche uns Stanislav uns hier mitteilen wollte. Im übrigen sind die Namen der Zwangsarbeiter von mir ja vor einigen Jahren hier im Forum veröffentlicht worden, welche im Zwangsarbeiterlager Diana untergebracht waren.
Fahlberg-List ist nicht einfach ein Betrieb in Magdeburg. Der Betrieb hat in seiner über 100-jährigen Geschichte die Stadt mitgeprägt. Tausende Magdeburger haben hier einen großen Teil ihres Lebens verbracht. Der Autor und Herausgeber des Buches mit dem Titel: "Vom süßen Anfang bis zum bitteren Ende" Herbert Rasenberger, Jahrgang 1932 geboren in Schönebeck/Elbe, war selbst 31 Jahre im VEB Fahlberg- List beschäftigt hat ein reiches Material zur Betriebsgeschichte zusammengetragen und setzt all denen ein Denkmal , die durch ihr Wirken den Namen prägte. Entstanden ist ein Buch, in dem Betriebs- und Lebensgeschichte eng miteinander verwoben sind. Fahlberg-List war nicht nur Arbeitgeber für tausende Magdeburger die sich als "Fahlberger" fühlten, hat mit dem Wohnungsbau, den Kinder-, medizinischen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen das Leben vieler Magdeburger mitbestimmt. Dem Autor lag es am Herzen die über 100-jährige Firmengeschichte aufzuarbeiten.
Auszug aus: Vom süßen Anfang bis zum bitteren Ende.
Fahlberg-List war ein traditionsreiches Unternehmen der Chemieindustrie in Magdeburg und gehörte zu den bedeutendsten Chemie- und Pharmaziebetrieben in der DDR. Es bestand von 1886 bis 1945 im Magdeburger Stadtteil Salbke und war weltweit der erste Produzent des Süßstoffes Saccharin.
Geschichte Saccharinproduktion 1886 bis 1903
Am 24. April 1886 gründeten Constantin Fahlberg, geb. 22. Dezember 1850 in Tambow ( Russland), gest. 15. August 1910 in Nassau an der Lahn und sein Cousin Adolf Moritz List, geb. 12. November 1861 in Olchawatka (Südrussland), gest. 17. Juni 1938 in Magdeburg, beigesetzt in Leipzig, als persönlich haftende Gesellschafter mit weiteren Gesellschaftern die Commanditgesellschaft Fahlberg-List Co. mit Sitz im damals noch selbstständigen Salbke. Der ursprünglich als Teilhaber agierende Onkel Fahlbergs, Adolph List, geb. 1822 in Berlin, verst. 21. Oktober 1885, war vor Vertragsschluss 1885 verstorben. Das Gründungskapital betrug rund 1,5 Millionen Mark und verteilte sich wie folgt: Dr. Constantin Fahlberg, Salbke, 617.000 Mark; Dr. Adolph Moritz List, Magdeburg, 150.000 Mark; Konsul Friedrich Jay, (geb. 9. Mai 1863 in Leipzig; gest. 21. März 1942 in Wien) war ein deutscher Bankier, 272.000 Mark; Generalkonsul Albert de Laigre, 293.000 Mark; Kaufmann Georg August Simon, Leipzig 163.000 Mark; Rechtsanwalt Dr. Ernst Weniger, Leipzig, 80.000 Mark; zwei Kommanditisten der Firma Liagre & Simon mit geringeren Beiträgen. Im Aufsichtsrat waren Weniger, List, Jay und Simon, in der Direktion Dr. Paul Harrwitz, Leipzig, Kaufmann Carl Büchting (Inhaber des Kohlegroßhandels Ludwig August Schmidt, Magdeburg und Hofrat Dr. Georg Langbein, Leipzig, (geb. 11. März 1849 in Grimma, gest. 1. Mai 1909 in Leipzig) war ein deutscher Chemiker, Galvanotechniker und Unternehmer) Hauptaktionär blieb Fahlberg mit 22,2% (=660.000 Mark, Stand 1909 (*1) *1) Landeshauptarchiv Sachsen- Anhalt, Magdeburg, Report J53.
Fahlberg hatte zuvor im Mai 1878 die Substanz Benzoesäuresulfimid und im Juni desselben Jahres eher zufällig deren intensiven süßen Geschmack entdeckt. Ab 1882 plante Fahlberg gemeinsam mit Adolph List senior die industrielle Herstellung des künstlichen Saccharin genannten Süßstoffes. Pläne, die Saccharin- Fabrik in den USA zu errichten, wurden wegen hoher Lohn- und Materialkosten verworfen. Der Aufbau der Produktion in Leipzig, wo List lebte, scheiterte an befürchteter Geruchsbelästigung. Der Standort Salbke wurde wegen der günstigen Lage direkt zwischen der Elbe und der von Magdeburg nach Leipzig verlaufenden Eisenbahnlinie gewählt. Östlich des Werksgeländes fließt die Elbe, westlich verlief die damalige Landstraße von Magdeburg nach Schönebeck(Elbe). Am 9. März 1887 begann die Produktion im neu errichteten Werk. In den folgenden Jahren wurde das Werk regelmäßig erweitert. Bereits 1886 hatte man auch Grundstücke westlich der Landstraße erworben. Dort entstand ein Wohnhaus für Fahlberg. 1894 konnten die Grundstücke nördlich des Haupttores in Richtung Salbke erworben werden. Dort wurde das noch heute erhaltene Verwaltungsgebäude gebaut. 1899 erwarb man das Gelände der südlich nach Westerhüsen hin gelegenen Zimmerei und Ziegelei H. Schrader. Im selben Jahr entstand südlich des Haupteingangs ein technisches Verwaltungsgebäude. Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten wurden 1894 30t und 1901 bereits 170t Sasccharin produziert. Finanziell war das Unternehmen ein Erfolg. Geringen Löhnen standen hohe Saccharinpreise gegenüber. Um 1890 kostete Saccharin 150 Mark je Kilogramm. Fahlberg- List errang mehrere Auszeichnungen, so Medaillen auf der Internationalen Ausstellung 1888 in Ostende (ist eine Hafenstadt und ein Seebad an der belgischen Küste in der Provinz Westflandern) und auf der Bäckerei-, Konditorei- & Kochkunst- Ausstellung 1894 in Stuttgart. Später sank der Preis auf 15 Mark. Mehrere andere Produzenten drängten auf den Markt. Saccharin begann sich als preisgünstige Alternative gegenüber dem Zucker durchzusetzen. Die erheblich größere Süßungskraft des Saacharins führte zu einem deutlichen Preisvorteil gegenüber Zucker. Zum Schutz der Zuckerindustrie wurde nach ersten Einschränkungen des Jahres 1898 am 7. Juli 1902 ein weitgehendes Saccharinverbot erlassen. Während die Konkurrenten ihre Saccharinprodukte ganz einstellten, stellte Fahlberg- List etwa drei bis fünf Tonnen jährlich für Diabetiker her. Die Arbeitsbedingungen wurden durch eine Arbeitsordnung des Betriebes geregelt. Die Tagesschicht dauerte zehn, die Nachtschicht zwölf Stunden. Die Tagesschicht des Sonntag hatte bis Montag früh 6.00 Uhr, also 22 Stunden hintereinander zu arbeiten (*2). *2) Institut für Marxismus- Leninismus an der Technischen Hochschule für Chemie, Leuna- Merseburg (Hrsg.): Arbeit- Ordnung der Saccharin- Fabrik A.-G. in Betriebsarchiven sagen aus – In den Archivakten des VEB Fahlberg- List, Magdeburg, geblättert, Reihe B Lehrmaterialien, Folge 1/2960, bearbeitet von Heinz Scheel, Seite 17.
Um der schwierigen Situation nach dem Saccharinverbot, das bis zum Ersten Weltkrieg bestehen bleiben sollte, zu begegnen, wurde eine Ausweitung der Produktpalette angestrebt. Zu diesem Zweck wurde die Fahlberg List & Co. in die Aktiengesellschaft Saccharin- Fabrik A.G. überführt, um so das benötigte Kapital zu erhalten (*3). *3) Horst-Günther Heinicke: Fahlberg-List. In: Guido Heinrich, Gunter Schandera (Hrsg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19.und 20. Jahrhundert. Biographisches Lexikon für die Landeshauptstadt Magdeburg und die Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis und Schönebeck. Scriptum, Magdeburg2002, ISBN 3-933046-49-1 S.428. Bereits seit 1899 war Fahlberg-List durch eine Lizenzvereinigung mit der BASF berechtigt, Schwefelsäure zu produzieren. 1901 war der Bau der Schwefelsäureanlage fertig gestellt, 1904 betrug die Monatsproduktion bereits 785t. Nach anfänglichen Verlusten erbrachte die Schwefelsäure bald 70% der Umsätze des Unternehmens. Mit der jetzt verfügbaren Schwefelsäure wurde auch – gegen den Widerstand Fahlbergs – das Chlorsulfonsäure-OTS-Verfahren in die Saccharinproduktion eingeführt. 1905 wurde Fahlberg aus dem Vorstand der Aktiengesellschaft abgewählt. Im Jahr 1907 verlor auch List seine führende Position, blieb jedoch in leitender Stellung im Unternehmen und war später Generaldirektor. Generaldirektor wurde 1907 Adolph Otto Vieht. Als Forschungs- und Technikdirektor wurde der Chemiker August Klages (geb. 19.Juni 1971 in Hannover, verst. 27. Dezember 1957 in Göttingen war ein deutscher Chemiker und Hochschullehrer) gewonnen. Im Jahr 1908 gründete man eine eigene Betriebsfeuerwehr (*4) *4) 125 Jahre feuerwehr Magdeburg, Scriptum Verlag Magdeburg 1999, ISBN 3-933046-23-8, S.123. Die Schwefelsäureproduktion wurde in folgenden Jahren noch weiter ausgebaut. 1909 wurde eine Kammeranlage mit 20 Kiesöfen errichtet. In 80 manuell beschickten Kies- und 122 mechanischen Röstöfen wurde nun Schwefelsäure produziert. Mit weiteren Erweiterungen 1928 und 1926/1927 wurde die Produktion modernisiert und die Kapazität deutlich ausgebaut. Die Arbeitsbedingungen waren durch schwere körperliche Arbeit geprägt. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 72 bzw. 84 Stunden musste der benötigte Schwefelkies von Elbkähnen per Hand entladen und zerkleinert werden. 31 Arbeitskräfte waren allein mit dem Abtransport von Kies beschäftigt. 1912 erfolgte die Erweiterung um eine pharmazeutische Abteilung, die unter dem Markennamen Falima als Abkürzung für Fahlberg-List Magdeburg, arbeitete. Die Pharmaproduktion gewann im Ersten Weltkrieg erheblich an Bedeutung. Es wurden unterschiedlichste Tabletten und Ampullen sowohl für die Human- als auch für die Tiermedizin hergestellt. Acetylsalicylsäure, besser bekannt als Aspirin, Chlorethan für die Lokalanästhesie und Adrenalin gehörten zum Produktionsumfang. Mit der Produktion von Mianin ab 1922 konnten Abfälle der Saccharinproduktion sinnvoll genutzt werden. 1823 wurde das erste Röntgenkontrastmittel aus Bariumsulfat (Roebaryt) in den Handel gebracht. Ab 1916 waren auch Farben im Produktionsprogramm. Es wurden Kaliummetabisulfit und Vanillin hergestellt. Die bedingt durch den Ersten Weltkrieg aufkommende Zuckerknappheit bewirkte die Aufhebung des Süßstoffverbots. 1916 wurden bereits wieder 110t Saccharin bei fahlberg-list hergestellt, bis 1922 war der Absatz auf 540t angestiegen. Etwa 75% des Saccharins gingen in den Export. August Klages wandte sich 1918 in der Forschungsarbeit der Entwicklung von Präparaten aus Quecksilber für den Pflanzenschutz zu. Eine am 29. Juni 1920 vom weiterhin in der Unternehmensleitung tätigen Adolf Moritz List verfasste interne Denkschrift wies auf eine prekäre Situation des Unternehmens, welches „am Abgrunde“ stehe hin. Durch den starken Saccharinabsatz wurden jedoch seit 1917 deutlich erhöhte Dividenden ausgeschüttet. Ein Problem stellten laufende Saccharindiebstähle dar. Am 27. Januar 1920 wurden mehrere Personen festgenommen, die wöchentlich 20 bis 40 Kilogramm des Süßstoffs aus dem Betrieb schmuggelten und über ein illegales Händlernetz vertrieben (*5). *5) Die Saccharinschiebungen in Magdeburg. In: Volksstimme 28. Januar 1920 Auf Kritik an mangelnden Kontrollen seitens des Werks wies die Werkleitung darauf hin, dass von den 1450 beschäftigten des Unternehmens etwa 150 mit Kontrollen befasst und Leibesvisitationen üblich seien (*6). *6) Die Kontrolleinrichtung auf der Saccharinfabrik. In: Volksstimme 31. Januar 1920 1921 erfolgten weitere Festnahmen (*7) *7) Sacharinschiebungen. In: Volksstimme 3. mai 1921. Im April 1922 kam es zu Massenentlassungen von Arbeiterinnen (*8). *8) Achtung, Arbeiterinnen in der Sacharinfabrik! In: Volksstimmer 3. April 1921. Im gleichen Jahr wurden Pflanzenschutzmittel in das Produktionsprogramm aufgenommen. Vor allem Saatgutbeizen und Insektizide gegen Schädlinge im Obst-, Wein- und Rübenanbau entstanden. Besonders bekannt und nachgefragt war das von Klages entwickelte Germisan. Es kamen noch Produkte wie Carbolineum zur Holzimprägnierung, Rattengift und Kupfer-Spritzmittel hinzu. Gleichfalls 1921 wurde die Metallhütte Magdeburg GmbH hinzugekauft. Aus nach der Verarbeitung von Schwefelkies verbleibenden Abfällen sollte Kupfer herausgelöst und das zurückbleibende Eisenoxid an Eisenhütten verkauft werden. Im Hintergrund des Vorhabens waren hohe Weltmarkpreise für Kupfer und Zink. Das Vorhaben erwies sich jedoch aufgrund der zu geringen Menge und fallenden Rohstoffpreisen letztlich als unwirtschaftlich (*9). *9) Institut für Marxismus- Leninismus an der Technischen Hochschule für Chemie, leuna- Merseburg (Hrsg.): Betriebsarchive sagen aus – In den Archivakten des VEB Fahlberg-List, geblättert, Reihe B Lehrmaterial, Foöge 1/1960, bearbeitet von Heinz Scheel, Seite 10. Im Jahr 1921 wurde auch der später als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus bekannt gewordene Kommunist Hubert Materlick (geb. 8. Juli 1895 in Eichenau (bei Oppeln); gest. 26. Juli 1944 in Magdeburg, war Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und KPD- Politiker) in den Betriebsrat des Unternehmens gewählt, 1923 dann jedoch wegen seines politischen Engagements entlassen. Ähnlich erging es dem späteren Widerstandskämpfer Franz Rekowski (geb. 26. Januar 1891 in Dziengel, Kreis Schlochau (*1 Standesamt Grünchotzen, Geburtsregister Nr.771891); gest. 30. März 1945 in Coswig (Anhalt) war ein deutscher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus), der von 1926 bis 1928 im Unternehmen arbeitete. Nach dem Ersten Weltkrieg war der Kommunist Georg Heidler (geb. 6. März 1892 in Magdeburg; gest. 30. Januar 1950 in Halle (Saale) war Politiker der KPD und engagierte sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus) zeitweise Betriebsratsvorsitzender.