Gouverneure hatten auch staatsmännische Pflichten zu erfüllen, wenn z. B. hohe Repräsentanten fremder Staaten in die Provinzstadt kamen. Sie vertraten dann unter Umständen den König, sorgten aber in jedem Fall für eine ehrenvolle Begrüßung und Betreuung der hohen Staatsgäste. Ein ganz besonderer Staatsgast, der auf der Durchreise nach Berlin auch Magdeburg besuchen wollte, war der russische Zar Peter, der 1717-1718 seine zweite Westeuropareise machte. Mit welch komplizierten Situationen die Betreuer dabei konfrontiert werden konnten, zeigt sich an diesem Beispiel. Ich zitiere dazu aus den archivierten Akten.
Friedrich Wilhelm I. schrieb am 28. August 1717, im Vorfeld des Besuches, an Leopold von Anhalt-Dessau:
Empfang des Zaren in Magdeburg. Der Zar Peter soll bei seiner Durchreise durch Magdeburg mit dreimaligem Kanonsalute begrüßt werden. Die Garnison soll in neuer Montur unter dem Gewehr stehen und dem Zaren eine Wache mit einer Fahne geben.
Dieser Brief war von der Kanzlei des Königs vorbereitet und von diesem abgezeichnet.
Wie wichtig dem König die ordnungsgemäße Behandlung des Zaren war zeigte sich, als er aus Wusterhausen, wo er sich am 13. September 1717 aufhielt, einen eigenhändigen Brief an den Alten Dessauer schrieb:
wusterhausen 13. Sep(tember) 1717. Euer Lieben angenehmes schreiben habe wohl erhalten und ersehen das der Hertzog von Mecklenburg in Magdeburg haben sie Ihr dage was stoltzers gesehen Euer Lieben sein so guht und schiecken mir eine stafette sobaldt der Zahr kommet? das ich zeit habe nach Berlin zu gehen ... der ich alle zeit Euer Lieben freundt sein werde Euer Lieben sein so guht und schreiben mir wan der Zahr wierdt Passieret sein wie starck die Battallion in Reien und glieder gestanden F W
(Der genannte Herzog Karl Leopold von Mecklenburg-Schwerin war mit Katharina Iwanowna, der Nichte Peters des Großen vermählt. Er erwartete in Magdeburg den Zaren.)
Als der Zar vom 19. - 23. September in Magdeburg war, ereignete sich etwas Unerwartetes, über dessen Einzelheiten keine schriftliche Quelle zu finden war. Lediglich in Scherrs Blücherbiografie ist in einer Fußnote folgendes vermerkt:
Die blutschänderische Ehebruchsszene, welche der Czar im Jahr 1717 zu Magdeburg mit seiner Nichte, der Herzogin von Mecklenburg, Angesichts ihres Gemahls und vor einer ganzen Schar von Zeugen ausführt ... (Johannes Scherr, Blücher, seine Zeit und sein Leben Band 1, Seite 16, Leipzig 1865)
Ob es irgendwelche Konsequenzen gab, ist mir nicht bekannt. Die Zarenreise verlief allerdings ganz planmäßig weiter.
Im am 12. Januar 1698 angebrachten Turmknopf des Rathaus-Neubaues war hinsichtlich der militärischen Verwaltung und Garnison folgender Vermerk enthalten:
Bild entfernt (keine Rechte)
Auch wenn es nicht gleich in's Auge springt: einmal heißt es Veste und beim zweiten Mal Feste. Ob es dafür einen Grund gibt, weiß ich leider nicht.
Kleine Ergänzung zu den Kommandanten, welche möglicherweise nicht allgemein bekannt ist und in fast allen Quellen fehlt:
Nach der Verhaftung Schmidt von Schmidtecks wurde der ehemalige Kommandant von Oderberg und Chef einer eigenen Eskadron Dragoner, die später vom Generalfeldzeugmeister Herzog August von Plön übernommen wurde, Oberst Wolf Friedrich von Bomstorff (auch Bomsdorff) vom 14. Juni 1675 bis zum 26.Juli 1675 zwischenzeitlich bis zur Ankunft von du Plessis als Vice- Kommandant eingesetzt. Bomstorff war später noch Kommandant von Kolberg.
"Als der Kurfürst entdeckte, dass der 1666 angestellte Kommandant von Magdeburg Schmidt von Schmiedeseck von den Schweden Geld genommen hatte, setzte Friedrich Wilhelm an die Stelle des verrätherischen deutschen Oberst den Hugenotten [Isaac du Plessis], nahm ihn aber gleich mit sich auf dem raschen Ritt an den Rhein und liess als Vicekommandanten in Magdeburg vom 14. Juni bis 14. Juli 1675 den Oberst W. F. v. Bomsdorff hier zurück. Du Plessis' neue Bestallung als Kommandant von Magdeburg datirt vom 14. (24.) Juli 1675."
Quelle: Geschichte der französischen Colonie von Magdeburg. Jubiläumsschrift von Henri Tollin. Band III. ABTHEILUNG l. B. 1893 S. 101
zur Franzosenzeit habe ich noch folgenden Hinweis (aus den Geschichtsblättern für Stadt und Land Magdeburg 1906, S. 382):
"Auch der Divisionsgeneral Colbert, kurze Zeit Gouverneur, stellte Forderungen, und der schon erwähnte Oberst Belair, der als Kommandant nach Magdeburg zurückkam, erneuerte seine Ansprüche." [November 1806]
Es ist mit Namen wohl ein unendliches Thema - zumindest hier im Forum wurde in den unterschiedlichsten Zusammenhängen bereits darauf hingewiesen. Große Probleme bereiten vor allem die Namen der höheren Offiziere in der alten preußischen Armee. Nach dem Verständnis der damaligen Zeit war es wohl lediglich wichtig, dass der Name vollständig, d. h. mit sämtlichen Vornamen festgehalten wurde. Die Schreibweise selbst war zweitrangig und wurde selbst von den Namensträgern unterschiedlich verwendet. Dabei spielten eingedeutschte Namen von französischen und Pfälzer Glaubenflüchtlingen eine besondere Rolle. Hier ein Beispiel (Quelle: Geschichte der französischen Colonie in Magdeburg Band 1/I. A.) Bild entfernt (keine Rechte)
Leider sind auch "Standardwerke" (wie der Bredow) nicht frei von Mängeln, aber wir sollten sie im gemeinsamen Interesse wohl zugrunde legen dürfen.
Ich füge hier eine Übersicht aus dem Bredow-Wedel, Historische Rang- und Stammliste des deutschen Heeres, Neudruck der Ausgabe 1905, Biblio Verlag Osnabrück 1972, Teil II S. 836 f. an.