Nathan Aronsohn, geboren am 18. November 1874 in Lautenburg/ Westpreußen, Fabrikant, wohnhaft in Magdeburg, Augustastraße 26 (heute Hegelstraße); deportiert am 18. November 1942 nach Theresienstadt; überlebend.
Henrietta Aronsohn, geborene Koch, geboren am 22. April in Lissa, Provinz Posen, wohnhaft in Magdeburg, Augustastraße 26 (heute Hegelstraße); deportiert am 18. November 1942 nach Theresienstadt, ermordet am 22. März 1943 in Theresienstadt.
Was wissen wir von Ihnen? 1923 kommen zwei Vertreter einer führenden Pumpenfirma aus der Provinz Posen (Poznan/PL.)Nathan Aronsohn und Max Jarisch, nach Magdeburg und eröffnen am 1. September ein Handelsunternehmen „Pumpen und Ersatzteile“, das am 13. Februar 1924 in das Handelsregister als „Offene Handelsgesellschaft“ eingetragen wird (Veröffentlichung am 10. September 1925). 1928 erscheint ein erster umfassender Lieferkatalog der Firma „Max Jarisch & Co“, und 1932 wird eine erste Produktionsstätte in der Neuen Straße 4 in Magdeburg-Buckau errichtet. 1936 zieht das Unternehmen mit inzwischen etwa 70 Mitarbeitern um in die Große Diesdorfer traße 203 und 209, auf ein teilweise der Familie Jarisch gehörendes Grundstück (Nr. 203). Eine Magdeburger Erfolgsgeschichte. Doch erfolgreich nach 1933 immer mehr nur noch für einen der beiden, Max Jarisch. Denn sein Compagnon Nathan Aronsohn ist jüdisch und allen Bedrückungen und Benachteiligungen ausgesetz, die in der Nazidiktatur üblich sind. Nathan Aronsohn ist 1923 fast 50 Jahre alt. Geboren ist er in Lautenburg (heute Lidzbark/Polen), einem westpreußischen Ort mit 3746 Einwohnern, von denen 359 Juden sind (Zahlen aus dem Jahr 1890). Seine Frau Henrietta geborene Koch, stammt aus Lissa in der Provinz Posen (heute Lezno/Polen). Aus dem Stadtarchiv Lezno ist zu erfahren, dass ihre Eltern Emmanuel Koch und Johanna geborene Heinisch heißen. Sie sind Hausbesitzer und wohnen Markt 3, also mitten in der Stadt. Henrietta ist das älteste von vier Kindern, ihre Geschwister sind Rosa (geb. 15.6.1877), Josef Abraham (geb. 4.6.1881) und Max (geb. 11.11.1887) Am 18. Februar heiraten Nathan Aronsohn und Henrietta Koch in Lissa, und wohnen danach wohl auch dort, denn alle ihre Kinder werden in Lissa geboren, Fritz am 4. Februar 1904, Hans am 23. Juli 1906 und Kurt am 29. August 1908. Wahrscheinlich 1919 verlässt die Familie Lissa, als die Provinz Posen an Polen fällt. In Magdeburg wohnen die Aronsohns bis 1927 in der Olvenstedter Straße 71. Dann ziehen sie in die Augustastraße 26, in ein Gründerzeithaus direkt neben dem Stadtarchiv der preußischen Provinz Sachsen. Wenig später gehen die Söhne aus dem Haus. Nur Fritz bleibt mit seiner Familie in Magdeburg. Er wohnt mit seiner Frau Erika (geb. 2.2.1913 in Striegau) und dem gemeinsamen Sohn Robert (geb. 18.7.1937 in Magdeburg), Fürstenufer 22. 1935 erhält die Firma Jarisch & Co einige Briefe ähnlichen Inhalts wie diesen, den ein Zimmermeister schreibt: „Infolge unserer langjährigen Geschäftsverbindung möchte ich Sie in meiner Eigenschaft als Parteigenosse der NSDAP bitten, mir mitteilen zu wollen, ob Ihr Betrieb ein arischer Betrieb ist. Als Parteigenosse kann ich nur in arischen Betrieben kaufen und müsste ich sonst eine weitere Geschäftsverbindung mit Ihnen verzichten. Auch auf einen Besuch Ihres Herrn Aronsohn muss ich verzichten, wenn mir derselbe auch stets als Fachmann mit seinen Beratungen und Verkäufen angenehm war“. Weil Nathan Aronsohn sieht, dass seine Firma von allen Seiten unter Druck gerät „arisiert“ zu werden, beschließt er, auszuscheiden und nach den USA zu emigrieren. In den Akten steht, am 2. Mai 1938 sei die Firma Jarisch & Co „arisiert“ worden. Die Trennung geschieht in höflich-sachlicher Form, wie ein Zeitzeuge aus der Firma berichtet, der wie auch einige andere aus der Mitarbeiterschaft den Co-Chef nur mit großem Bedauern ziehen sieht. Nathan Aronsohn muss am 10. November 1938 erleben, dass sein Sohn Fritz wie viele Magdeburger Juden verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt wird. Dort unter Druck gesetzt, Deutschland zu verlassen, schafft Fritz das zusammen mit seiner Familie im Jahr 1940. Zuvor wird er 1939 schon aus seiner Wohnung vertrieben und muss in einer Behelfsunterkunft (Franz-Seldte-Straße 3) leben. Auch Nathan und Henrietta Aronsohn werden 1939 aus ihrer Wohnung vertrieben. Während ihrer Bemühungen um Ausreise wohnen sie als Untermieter mal hier, mal da, zum Beispiel im Mai 1939 Askanischer Platz 4, im Haus des Rechtsanwalt Erich Hannach. Dann ist ihre Adresse Hanburg, Haunstraße 9, weil sie auf eine baldige Schiffsreise Richtung USA hoffen. Am 20. Juli 1940 schreibt Nathan Aronsohn an die Oberfinanzdirektion Magdeburg: „Am 27.5.39 bin ich mit der „Orinoco“ nach Cuba gereist, musste aber nach Deutschland zurückkehren, da inzwischen die Einreise nach Cuba gesperrt war.“ Sein Umzugsgut geht nach Cuba, aber das Ehepaar muss zurück nach Magdeburg und wohnt dann ab dem 20. Juli 1940 in der Kantstraße 12. Dort plant es, nach Panama auszureisen, gemeinsam mit den Verwandten Richard und Hanna Lewy. Diesmal soll es nicht Richtung Westen sondern Richtung Osten gehen – über Litauen und Russland bis nach Japan und von Yokohama aus weiter per Schiff. Es scheint mit den Ausreisepapieren zu klappen, aber Henrietta Aronsohn erkrankt am 2. Oktober 1940 an einer Gallenblasenentzündung, die alle Pläne aufhält. Sie wird am 7. November 1940 operiert, bleibt aber noch lange reiseunfähig, so dass Nathan Aronsohn immer wieder eine Verlängerung der Reiseerlaubnis beantragen muss. Diese wird ihm dann bis zum 28. Februar 1941 und schließlich auch bis zum 31. Mai 1941 gewährt. Inzwischen gibt es im Mai 1939 einen erneuten Wohnungswechsel, in das Haus der Witwe Rosa Blumenfeld, Königsstraße 91, von wo sie der Oberfinanzdirektion mitteilen, ihr Sohn Fritz bemühe sich nun für sie um eine Schiffspassage nach New York. Die sei für September oder Oktober 1941 geplant, darum bäten sie um eine weitere Verlängerung der Ausreiseerlaubnis. Ob sie gewährt wird, ist nicht bekannt, wohl aber, dass im Rahmen der Planung für die so genannte „Endlösung der Judenfrage“ ab 24. Oktober 1941 kein Jude mehr Deutschland verlassen darf. Die Aronsohns wohnen inzwischen Große Münzstraße 1 bei Frau Henriette Victor. Von dort werden sie im Mai 1942 wieder ausgewiesen und wohnen ab 19. Mai 1942 in einem kleinen Zimmer des so genannten „Judenhauses“, Johannisberg 15a. Im November 1942 erhalten sie dort die Aufforderung zur Deportation in das „Altersghetto“ Theresienstadt. Henrietta Aronsohn, gesundheitlich geschwächt, stirbt bald wegen der dortigen unmenschlichen Zustände. Nathan Aronsohn erlebt die Befreiung Theresienstadts am 5. Mai 1945 mit, kehrt aber nicht mehr nach Magdeburg zurück, sondern von Süddeutschland aus verlässt er Deutschland so bald als möglich und reist zu seinem Sohn Fritz in die USA (Lancaster in Pennsylvania). Dort stirbt er 1958.
Informationsstand November 2019
Quellen: Stadtarchiv Magdeburg, Landeshauptarchiv Magdeburg, Standesamtarchiv Magdeburg; Archiv der Synagogengemeinde zu Magdeburg; Bundesarchiv Berlin; Gedenkstätte Yad-Vashem, Jerusalem; Archive von Lezno und Lidzbark (Polen): Erinnerungen und zahlreiche Dokumente der Familie Apel, Magdeburg; Recherchen und Text der Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg.
Der Stolperstein für Nathan Aronsohn wurde durch Spenden, die Elke Kalmbach, Magdeburg anlässlich Ihres 70 Geburtstages sammelte, finanziert. 179
Wir erinnern an Ehepaar Futerman
Herzko Futermann, geboren am 26. Januar 1892 in Warschau, Hutmacher, Kaufmann, wohnhaft in Magdeburg, Tischlerkrugstraße 11a, am 28.10.1938 abgeschoben nach Polen, 7. Dezember 1943 deportiert aus Drancy, Frankreich nach Auschwitz, ermordet in Auschwitz.
Zala Futermann, geborene Manasohn, geboren am 10. Juli 1896 in Warschau, wohnhaft in Magdeburg, Tischlerkrugstraße 11a, 1939 ausgereist nach Warschau, Ghetto Warschau, 1942 deportiert nach Treblinka, dort ermordet.
Was wissen wir von ihnen?
Herzko und Zyla Futermann, beide in Warschau geboren (nur von Zyla kennen wir darüber hinaus die Namen der Eltern, Moshe und Pnina Perel Manasohn), heirateten 1919 und kommen bald darauf nach Magdeburg, weil (wie der Sohn Fred (Fritz) später berichtet) die wirtschaftliche Situation in ihrer Heimatstadt sehr ungünstig ist. Es muss dennoch ein mutiger Schritt gewesen sein, sich von seiner Familie zu trennen (alle Verwandten wohnen in Warschau) und einen Neuanfang in einer Stadt zu wagen, die ja ebenfalls von den Folgen des Krieges gekennzeichnet ist. Die Beiden wohnen 1920 – als ihre Tochter Paula am 7. Juli 1920 geboren wird - am Wallonerberg 8, ziehen aber schon 1921/22 in die Straße Gang zur französischen Kirche 3. Dort wird am 31. Oktober 1925 der Sohn Fritz geboren. Herzko findet zunächst eine Anstellung als Hutmacher. Ab 1930 wird er im Magdeburger Adressbuch als Kaufmann mit einem Geschäft für Textilwaren in der Großen Steinernetischstraße geführt. Die Wohnung der Familie ist wohl seit dieser Zeit in der Tischlerkrugstraße 11a. Die Futermanns leben eine streng orthodoxe Gestalt des Judentums, die sie aus ihrer polnisch-jüdischen Heimat mitgebracht haben. Sie besuchen in der Regel nicht die Synagoge der liberal geprägten Magdeburger Gemeinde, sondern des separaten Gebetsort, die „Schul“. Auch im Leben der Familie, vor allem bei der häuslichen Sabbatfeier , die als fröhliches Fest mit jiddischen Liedern begangen wird, und bei der Zubereitung der traditionellen Gerichte durch Zyla spielt orthodoxe Frömmigkeit eine große Rolle. Der Sohn Fritz, der mit seiner Schwester in die USA entkommen kann, beschreibt in einem Interview die tief greifenden Unterschiede zwischen den schon seit Generationen in Deutschland ansässigen liberal eingestellten „kaisertreuen“ Juden und den erst vor kurzem Zugewanderten, denen das Festhalten an ihren Traditionen wichtig ist und das liberale Gemeindeleben fremd bleibt. Er berichtet auch, wie die Verbindung zu den Verwandten lebendig ist und regelmäßige Besuche in der alten Heimat stattfinden. Wir wissen von einer Schwester Zylas, Miszka Manasohn. Zuhause sei neben Deutsch weiterhin Jiddisch und auch Polnisch gesprochen worden. Es wird eine Zeitung oder Zeitschrift aus Polen bezogen, vermutlich jiddischsprachig, denn der Sohn erwähnt, er habe wegen der hebräischen Schriftzeichen lediglich die Überschriften lesen können. Andererseits etabliert sich der Vater geschäftlich, das Leben in Magdeburg scheint zur neuen Heimat zu werden. Herzko und Zyla nennen sich offenbar Hermann und Zilla oder Cäcilie. Der Beginn der Nazi-Herrschaft stellten einen tiefen Einschnitt auch im Leben der Futermanns dar. Fritz erinnert sich, wie die Hitlerjugend zum Judenhass aufrief und wie Schilder an Geschäften erklärten: „Juden sind unerwünscht“. Da die Futermanns nicht die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, sondern weiterhin polnische Staatbürger sind, wird Herzko im Zuge der so genannten Polenaktion am 27. Oktober 1938 ins Magdeburger Polizeigefängnis verbracht und am nächsten Tag mit einer Gruppe anderer jüdischer Männer in einem Zug über die Grenze nach Polen abgeschoben. Wie dem Sohn mitgeteilt worden ist, schlägt er sich zu Fuß zur Familie nach Warschau durch. Die Erinnerungen an die Pogrom-Nacht vom 9./10. November 1938 sind für Fritz besonders schmerzlich, weil durch die Zerstörung der Synagoge seine Bar-Mizwo-Feier nicht stattfinden kann (Er holt sie erst in den USA nach). Durch Abschiebung Herzko Futermanns zerschlagen sich – offenbar schon recht weit gediehene – Pläne, nach den USA auszuwandern. In einem Schreiben der Hamburg-Amerika-Linie wird bestätigt, dass für Herzko und Zyla „zwei Plätze Touristenklasse auf dem Dampfer -Deutschland- am 26. 101939 von Hamburg nach New York vorgemerkt wurden“. Die Ausreise der beiden Kinder allerdings, für die schon die nötigen Visa vorliegen, kommt noch zustande. Paula und Fritz verlassen Nazi-Deutschland am 5. Februar 1939. In ihrem Reisegepäck haben sie Wertsachen, die den Neustart in Amerika erleichtern sollten: z. B. einen Pelzmantel, mehrerer Fotoapparate. Sie finden Unterkunft bei einem Onkel in Detroit, der wohl auch für die Visa gebürgt hatte. Paula heiratet Kurt Urbach, sie hat zumindest eine Tochter; Fritz (nun Fred) schließt 1951 die Ehe mit Judy, die beiden haben 2 Kinder. Zyla Futermann bemüht sich um eine Übersiedlung nach Warschau. Im Dezember 1938 verkauft sie das Geschäft en bloc für 11.150 RM. Im März 1939 steht die Auswanderung unmittelbar bevor, wie der in Fragen jüdischer Auswanderung beratend tätige Rechtsanwalt Heinemann mitteilt. Sie erfolgt dann Ende Mai 1939, nachdem allerdings das Umzugsgut schon Ende Dezember 1938 nach Warschau, wohl zur Schwester, expediert ist. Allerdings können die Eheleute, obwohl sie Kontakt miteinander haben, kein gemeinsames Leben führen, den Herzko ist in dieser zeit als Zwangsarbeiter in einer Werkstatt der deutschen Luftwaffe in Warschau oder vielleicht (nach anderen Quellen) in Krakau eingesetzt. Es gibt über das Rote Kreuz briefliche Kontakte, in denen diese etwas von den bedrückenden Verhältnissen der Eltern erfahren. Zyla wird in Warschau in das Ghetto gesperrt und vermutlich wie die anderen Mitglieder der Familie Futermann und Manasohn deportiert und ermordet. Herzko Futermann gelangt auf irgendeinem nicht mehr rekonstruierbaren Weg nach Frankreich. In den Akten findet sich sogar eine Adresse. Sie lautet: 11 rue Merciere, Barcelonnette (Bases Alpes). In Borgo in Südfrankreich wird Herko interniert, von dort in das Sammellager Drancy verbracht, am 7. 12.1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Diese Information haben die Kinder nicht erhalten. Sie sind davon ausgegangen, dass auch ihr Vater wie die Mutter aus Warschau nach Treblinka deportiert und dort ermordet worden ist.
Informationsstand November 2019
Quellen: Landeshauptarchiv Magdeburg; Stadtarchiv Magdeburg; Archiv des Synagogengemeinde Magdeburg; IST Bad Arolsen; Gedenkstätte Yad Vashem, Jerusalem; Interview im Visual History Archiv Californien, USA, Recherche von Beate Klarsfeld, Paris, Recherche und Text: Städtische Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“
Der Stolperstein für Herzko Futermann wurde durch den Ortsverein verdi Magdeburg gespendet. 113
Stolperstein für Zyla Futermann wurde durch den Ortsverein verdi Magdeburg gespendet. 113
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