An der ehemaligen Poltestraße hatten die KZ Auschwitz und Buchenwald Außenlager eingerichtet
Das grausame Ende im Stadion „Neue Welt“ 500 Menschen fanden den Tod Die Spuren der von den Nazis eingerichteten KZ-Lager Buchenwald und Auschwitz führen nach Magdeburg! So gehört der Menschenhandel mit Häftlingen zwischen SS und Rüstungsbetrieben zu den traurigsten Kapitel der Elbestadt. Über die schrecklichen Auswirkungen und bisher nicht veröffentlichte Tatsachen informiert nachfolgender Bericht. Von Rudolf Wilhelm Stadtfeld. Sie lenkt kaum die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich, die von dunkelroten Backsteinen umsäumte hölzerne Pforte an der Südseite der Liebknechtstraße. Am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer der Nazis, aber rückt sie wieder in das Interesse der Öffentlichkeit. Denn in der Zeit vom 8. August 1944 bis zum 13. April 1945 lebten hier an der ehemaligen Poltestraße 1851 weibliche Häftlinge in einem Außenlager des KZ Buchenwald hinter Mauer und Stacheldraht. 59 SS-Leute gehörten zu ihrer Bewachung. Nutznießer war in die dem Lager gegenüber befindlichen Polte-Werke AG, einer der größten Munitionsfabriken im damaligen Deutschland. In drei Schichten mußten hier die Gefangenen bis zum Umfallen schuften und vorwiegend Granaten drehen. Widersacher endeten an einem Galgen an der Südseite des Lagers. Schrecklicher Weg in die Gaskammern Von der obersten Etage der früheren Schule am angrenzenden Sedanring war das Mordgerät deutlich zu erkennen. In diesem Gebäude brachten Anfang 1945 in einem sog. „Bann-Ausbildungslager“ der Hitler-Jugend einige Wehrmachtsangehörige 15jährigen bei, wie man mit Panzerfaust, MPi und Gewehr umgehen sollte „wenn die Feinde kommen“. Von einem Flurfenster der Schule aus – so wissen Zeitzeugen zu berichten – beobachteten einige der Jungen einen Lager-Appell, bei dem eine junge Frau erhängt wurde. Die Tagesrapporte der KZ-Stätte sagen aus, daß der Lagerbestand sehr unterschiedlich war; viele der Häftlinge wurden nach einiger Zeit wegen Arbeitsunfähigkeit in ihre Stammlager „zurücküberstellt“. Für die meisten von ihnen war das der Weg in die Gaskammern und Verbrennungsöfen von Buchenwald und Auschwitz. Durch eine Begegnung des heute in Schönebeck wohnenden ehemaligen Magdeburgers Herbert Wohlfahrt im polnischen Gdynia mit der ehemaligen Lagerinsassin Maria Pytel (Häftlingsnummer 333257/40486), sie lebte im Block IV des Lagers, ist auch das Ende dieses Lagers bis in alle Einzelheiten bekannt: „Die Amerikaner hatten am 11. April 1945 die Stadtgrenze erreicht. Alle Gefangenen erwarteten stündlich die ersehnte Befreiung. Doch in der Nacht zum 13. April betranken sich die Wachmannschaften und schlugen alle Gefangenen, deren sie habhaft werden konnten. In einer Werkhalle mißhandelte der stellvertretende Lagerkommandant eine angeblich dort versteckte Polin derart, daß sie von Mitgefangenen bewusstlos in das Lager zurückgebracht werden mußte. Morgens um 5 Uhr wurde bei einem Appell die Evakuierung des Lagers bekanntgegeben, und um 6 Uhr zogen die ersten Häftlingskolonnen durch das zerstörte Magdeburg bis zum Stadion „Neue Welt“ an der Berliner Chaussee. Dort mußten sich die Häftlinge auf einen Sportplatz niedersetzen, um die Ankunft weiterer Kolonnen abwarten – etwa 4000 Polen und 3000 Juden, die gegen 11 Uhr zusammengetrieben wurden. Waren die SS-Wachmannschaften dabei stehts in ihrer Nähe, so änderte sich das, als plötzlich zwei Tiefflieger auftauchten. Wenig später begann ein Granathagel aus Geschützrohren der an der westlichen Stadtgrenze stationierten US-Artillerie. Sofort brach Panik aus.“ Maria Pytel über die schrecklichen Folgen: „Die Häftlinge versuchten, durch das Tor zu entkommen Aber genau dort versperrte ein Wagen mit nicht Gehfähigen den Weg. Der Wagen bekam einen Volltreffer, wobei viele Gefangene getötet wurden. Das Granatfeuer dauerte etwa zehn Minuten. Danach begannen die Bewacher auf die Flüchtenden zu schießen. Einigen Gefangenen gelang es nach Biederitz zu entkommen.“ Maria Pytel nennt die Zahl von 500 Häftlingen, die durch Granaten und im Geschoßhagel der SS im „Stadion Neue Welt“ ums Leben kamen. In Rothensee unter einem Decknamen Erst seit Anfang der achtziger Jahre erinnert im Eingangsbereich des Stadions ein Gedenkstein an das Geschehene. Und das nur, weil sich drei Magdeburger Angehörige der VVN persönlich darum bemühten. Offiziell gab es diese schlichte Gedenkstätte nie, weil leitende Stellen befürchteten, daß die polnische Botschaft in der DDR bei Bekanntwerden der Einzelheiten darauf drängen würde, hier eine größere Erinnerungsstätte zu errichten. Doch es sollte bei den beiden auf dem West- und Nordfriedhof bleiben. So wurde dann auch kein Vertreter zur Einweihung am 8.August 1985 eingeladen, und von den damaligen Bezirks- und Stadtoffiziellen ergriff niemand das Wort…Ein weiteres KZ-Lager gab es in Rothensee. Es wurde am 18. Juni 1944 eingerichtet und trug als Außenstelle der Hauptlager Buchenwald und Auschwitz den Decknamen „Magda“. 106 SS-Leute bewachten dort in der Mehrzahl jüdische Bürger ungarischer Nationalität. Unter ihnen auch der Besitzer des größten Budapester Hotels. In den acht Monaten seines Bestehens wurden die meisten Häftlinge von Rothensee in der oft von Bomben zerstörten „Brabag“ - Braunkohle-Benzin-Werke AG - eingesetzt; ein Werk, das übrigens nach der Wiederaufnahme der Produktion am 7. November 1945 später auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration der Demontage zum Opfer fiel. An Rüstungsbetriebe „vermietet“ Aus Unterlagen geht hervor, daß fast 90 Prozent aller in der „Brabag“ beschäftigten Häftlinge nach und nach in die Hauptlager Buchenwald und Auschwitz „umzogen“, weil sie, total entkräftigt, nicht mehr in der Lage waren, die schwere Arbeit fortzusetzen. Viele der Häftlinge wurden an Magdeburger Rüstungsbetriebe “vermietet“. Je nach Qualifikation des Häftlings zahlte man für einen Häftling pro Tag vier bis acht Reichsmark an die Gestapo bzw. SS. Kurz vor Kriegsende wurde das Außenlager nach Schloß Altenhausen bei Haldensleben verlegt. Vorläufer des Rothenseer KZ war ein vielen sicher unbekanntes Gestapo-Lager. Es wurde Ende des Jahres 1938 in Durchführung der ersten Großorganisierten Judenverfolgungsaktion im Anschluß an die berüchtigte Kristallnacht eingerichtet. Die traurige Bilanz: Insgesamt wurden 62 Magdeburger hingerichtet oder zu Tode gequält, und 492 Männer, Frauen und Jugendliche aus der Elbestadt mußten 14.000 Jahre Haft in Zuchthäusern und KZ ertragen.
Museen und Gedenkstätten in drei Bezirken
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