Die Vorbereitung und Ertüchtigung der Festung Magdeburg auf die Verteidigung 1805/06 Die Rolle des Ingenieurs de la Place Hauptmann von Kleist
Hauptmann von Kleist war vor Beginn des napoleonischen Feldzuges gegen Preußen Ingenieur de la Place der Festung Magdeburg. Als Ingenieuroffizier hatte er Vorschläge zum Zustand und dessen Verbesserung für die Festung Magdeburg gemacht. Sein vorgesetzter Ingenieur de la Place setzte ihn jedoch lediglich zu untergeordneten Aufgaben ein. In Berlin hatte man jedoch von dem rührigen Offizier gehört und diesen nach Berlin zum Ingenieur-Departement kommandiert. Dort sollte er zweckmäßige Vorschläge zum Korrektionsbau der Festung Magdeburg machen und für diese Planungsunterlagen bearbeiten. Nach Fertigstellung dieser Projektunterlagen wurden diese geprüft, für gut befunden und dem König zur Genehmigung vorgelegt. Dieser gab seine gnädige Genehmigung. Daraufhin wurde der amtierende Ingenieur de la Place in Magdeburg mit einer Charaktererhöhung (Erhöhung des Dienstgrades ohne Erhöhung der Bezüge) in Pension geschickt und Hauptmann von Kleist als Nachfolger eingesetzt. Als neuer Direktor des Festungsbaues machte v. Kleist zunächst eine Bestandsaufnahme, um die von ihm geforderten verbindlichen Anschläge einreichen zu können. Das war einfacher gesagt als getan. Das Archiv verdiente nicht den Namen, den es führte. Aktuelle Pläne der Festung waren nicht vorhanden. Ebenso fehlten die Profile. Eine besondere Schwierigkeit ergab sich, weil vom Gouverneur v. Kalkstein, nicht ohne Eigennutz, Konzessionen an Bürger der Stadt verkauft wurden, die, unter dem Vorwand Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht anlegen zu wollen, regelrechte Gartenanlagen im Glacis geschaffen hatten. Diese verlangten nun, wenn die ordnungsgemäße Wiederherstellung der Verteidigungsanlagen eine Zerstörung ihrer Lustpromenaden notwendig machen sollte, Entschädigung. Obwohl ein Befehl des Königs dieses Problem aus der Welt geschafft hätte, verlangte dieser eine gütliche Einigung - auch gegen den Trotz der Bürger. Da eine Überprüfung der vorhandenen Pläne für die Festung ergeben hatten, dass diese weitestgehend unrichtig waren, musste ein neuer Plan geschaffen und die gesamte Festung neu nivelliert werden, um richtige Profile zu erhalten. Der nächstnotwendige Schritt war die Bestimmung des Commendements (?) und des Defilements (gedeckter Weg) sowie die Höhe und Stärke der Futtermauern. Daraus musste der Bedarf an Erdmaterialien, Steinen und Mörtel berechnet werden. Kurz gesagt es war ein Riesenberg von Aufgaben, die möglichst schnell abgearbeitet werden mussten. Inzwischen hatte der Krieg Rußlands und Frankreichs gegen Österreich begonnen und trotz der preußischen Neutralitätspolitik war doch Vorsorge gegen einen Angriff zu treffen. Preußen entschied sich zur Armierung der Festung Magdeburg für eine Verteidigung gegen Frankreich. Schon die Beschaffung von 90.000 Palisaden (das Stück kostete etwa 4 Gulden, was heute ungefähr 35 Euro wären) überforderte die Holzhändler, die lediglich einen Bruchteil des Bedarfs abdecken konnten. Die königlichen Forsten in der engeren und weiteren Umgebung wurden deshalb genutzt und strapaziert. Für die Ausfälle von den bedeckten Wegen und für die Sperrung der inneren Verbindungswege der Festung fehlten alle erforderlichen Ausrüstungen (Barrieren). Der starke Verfall einzelner Teile der Festungsanlagen war ein weiterer Grund zur Besorgnis. Bedenklich war weiterhin, dass die notwendigen Arbeiten im Wesentlichen im Winterhalbjahr zu leisten waren. Und der Winter 1805/06 war mit häufig wechselnden Perioden starken Frostes und Tauwetter besonders hart. So war eine Belegung der Abdeckungen, des Glacis und der vielen anderen Festungsflächen mit Rasen nicht möglich, da keine ausreichenden Mengen zur Verfügung standen und im Winter praktisch keine Soden gestochen werden konnten. Durch den Holzmangel bedingt war auch die Anfertigung und der Einbau von Faschinen nicht möglich. Die Hauptarbeiten betrafen die Abböschungen der Brustwehren, die Erneuerung bzw. Wiederherstellung der Banketts, der Wallgänge und die Neuanlage von Appareillen (Rampen). Die Forcierung der Arbeiten fand eine Pause nach der Schlacht bei Austerlitz und der zwischen den Kriegsparteien abgeschlossene Friedensvertrag. Im Frühjahr 1806 begann dann der Korrektionsbau, beginnend an der Neustädter Front vor Fort Preußen. Als Ziel war vorgesehen, die Außenwerke einzuziehen und längere Linien zu schaffen. Damit wäre die artilleristische Verteidigungsfähigkeit wesentlich verbessert worden, ohne die Neustadt abreißen zu müssen. Die Bebauung der Nordfront war zum damaligen Zeitpunkt bereits bis auf das Glacis fortgeschritten. Im Sommer 1806 erfolgte durch das Ingenieur-Departement eine Revision der Arbeiten in Magdeburg, die zu einem großen Lob führte. Die Fortführung der Abrissarbeiten wurde wegen der politischen Entwicklung allerdings kurz darauf durch Befehl gestoppt und bestimmt, dass die alten Festungswerke herzurichten und die Festung komplett in den Verteidigungszustand zu versetzen sei. Notwendie Restarbeitenwaren noch zu leisten. Dazu gehörte die Contreescarpe vom bedeckten Weg, ein großer Teil des neuen Glacis und der Teil der rechten Face der Brustwehr der Lünette Nr. 1 rechts der Bastion Preußen und eines Teils der Brustwehr von Lünette Nr. 2 rechts der Contregarde Preußen. Zur Bewältigung der Aufgaben wurden alle erreichbaren Zimmerleute und Maurer der Stadt und des Umlandes zum Einsatz in der Festung verpflichtet. Neben der Wiederherstellung der Grundsubstanz war die befohlene Armierung, d.h. das Versetzen in den Verteidigungszustand, die nächstwichtige Aufgabe. Dazu waren im Sommer 1806 noch der bedeckte Weg vom Ulrichstor bis an die Elbe vor Post-Cleve, der ganze Stern, die Turmschanze und die dort vorhandene Beschalung zu palisadieren. Kloster Berge, die Neustadt, Sudenburg und die Festungswerke vom Krökentor bis Post-Cleve mussten in den Verteidigungszustand versetzt werden. Zwischen dem Stern und den Außenwerken von Post-Cleve gab es noch eine Lücke in der Umwallung, die geschlossen werden musste, da auf der Elbseite die Festung offen war und dem Feind die Möglichkeit bot, sich zwischen Sudenburg und Stern festzusetzen. Es wurde aus diesem Grund ein neues Erdwerk mit einem eingehenden Winkel nach Sudenburg mit einem davorliegenden Graben geschaffen. Die offenen Festungsgräben in diesem Bereich wurden mit neuen Gräben versehen und 6 Fuß (etwa 1,75 m) hoch mit Wasser angefüllt. Die Festungswerke waren in diesem Bereich nicht mit festen Mauern geschützt, sondern nur aus Erde aufgeschüttet und mit Sturmpfählen verstärkt. Die "Maulbeerplantagen" hatten die Festungswerke regelrecht verwüstet, so dass keine innere Böschung der Brustwehr, kein Bankett zu sehen war. Die meisten Böschungen der Wallgänge waren abgestochen. Die gepflanzten Obstbäume standen im gesamten Innenbereich einschließlich der Wallgänge und hinterließen bei ihrer Beseitigung erhebliche Löcher, die nicht sofort wieder verfüllt wurden und bei Dunkelheit erhebliche Beeinträchtigungen und Gefahren für den Verkehr innerhalb der Festung darstellten. Die Wallgänge waren so schmal, dass darauf kein Geschütz aufgestellt werden konnte - selbst dann nicht, wenn an den entsprechenden Geschützstellungen auf den Einsatz der Infanterie verzichtet worden wäre. Der Platz für den Rücklauf der Geschütze und für deren Bedienung stand einfach nicht zur Verfügung. Man schaffte Verbesserung zu Lasten der Brustwehren, die neu abgeböscht und damit schmaler wurden. Es wurden neue Wallgänge angelegt und die Ausbesserung der inneren Verbindungswege durchgeführt. Neu angelegte Banketts sowie neue oder verbreiterte Wallgänge erforderten neue Rampen; es war eine Kette ohne Ende, wollte man eine seit 80 Jahren bestehende und aus Sparsamkeitsgründen vernachlässigte Festung den modernen Erfordernissen anpassen. Zum Schutz der Artillerie mussten auf die Brustwehren Bonnets aufgesetzt und Schießscharten eingeschnitten werden. Parallel zu den genannten Arbeiten versuchte Hauptmann von Kleist einige fortifikatorische Verbesserungen vorzunehmen. Das betraf beispielsweise den wirksameren Beschuss des Grundes vor dem Glacis am Ulrichstor durch den Bau von zwei Schanzen, die sich gegenseitig verteidigen konnten. Vor dem Krökentor links der Wolmirstedter Chaussee in Höhe des Steinbruchs sollte eine Schanze errichtet werden, von der aus die Chaussee bestrichen werden konnte und zugleich eine Annäherung des Feindesan die Neustadt zu verhindern war. Rechts der Chaussee sollte eine weitere Schanze errichtet werden, die von Neustadt aus mit kleinem Gewehr geschützt werden konnte und selbst den Schutz der anderen Schanze gewährleistete. Durch Fangdämme vor der Neustadt sollten durch die Schrote Geländeüberflutungen ausgelöst werden, die dem als schwächsten Punkt der Festung erkannten Punkt zusätzlichen Schutz bieten sollten. Alle diese Pläne waren am 14. Oktober 1806 noch nicht umgesetzt, als die Flucht großer Teile der geschlagenen preußischen Armee nach Magdeburg das bekannte Chaos auslöste. In diese Zeit fällt auch das Anbringen der großen Namensschilder an den Werken. Da die aus den Hohenlohschen Truppen zurückgelassenen Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der nunmehrigen Festungsbesatzung über keine Ortskenntnisse verfügten, ließ Hauptmann von Kleist Tafeln, auf die mit lateinischen Buchstaben die Bezeichnungen der einzelnen Werke geschrieben waren, als Orientierungshilfen anbringen. Damit kam eine größere Ordnung in die Wachablösungen und das Auffinden der Alarmplätze wurde erleichtert. Für den Verkehr in der Festung war zu bedenken, dass die zusätzliche Festungsbesatzung 20.000 Soldaten (davon 14.400 als diensttuende Garnison) zählte, von denen die meisten zwar in den Festungswerken untergebracht waren, aber die Verbindungen liefen ja oft über die Straßen und Gassen der Innenstadt. Dazu zogen täglich bis zu 600 große und kleinere Wachen in den Innen- und Außenwerken auf (nachts wurden die Wachen durch weitere, sogenannte Piket-Wachen, verstärkt), viele Offiziere waren zu Pferd unterwegs, was die Verkehrsproblematik nicht verbesserte. Die Neustadt besaß zwar eine kleine Mauer mit davor liegendem Graben, diese waren auf Veranlassung der Zollbehörden errichtet, um Schmuggel zu verhindern, boten aber keinen militärisch wirksamen Schutz. Durch den Ingenieur de la Place der Festung wurde veranlasst, dass in der Neustadt in den Straßen Schulterwehren (Traversen) errichtet wurden, um der Infanterie Möglichkeiten zu schaffen, eventuelle Angriffe über die Neustadt abzuwehren oder doch zu behindern. Hinter der Mauer wurden Gerüste aufgestellt (Auftritte), um die Verteidigung mit kleinem Gewehr zu ermöglichen, vor dem Graben wurde ein geschützter Unterstand (Tambour) eingerichtet. Das Agnetenkloster wurde zur Verteidigung eingerichtet. Zur besseren Bestreichung der Elbe wurden zwischen Post-Preußen und der Turmschanze sowie auf der Werderspitze je eine Batterie aufgestellt, um das Übersetzen mit Kähnen zu verhindern. Weitere drei Schanzen wurden auf dem Kommandantenwerder errichtet, damit sollten Angriffe aus Richtung Buckau über die Elbe unter Kontrolle gebracht werden, was dem Schutz der langen Brücke und der Turmschanze sowie der Zitadelle zugute kam. In die Gräben der Schanzen sollten Palisaden gesetzt werden. Auf dem Kommandantenwerder befand sich eine aus Schützen bestehende Piketwache, die sich im Gehölz verschanzt hatte und auf dem Marsch lag ein Kavalleriekommando. Diese Maßnahmen ermöglichten die Abwehr französischer Angriffe, die vorwiegend auf die Neustadt ausgerichtet waren. Ein versuchter Kavallerieangriff auf das Krökentor wurde mit zwei Schüssen aus einer Haubitze der Festungsartillerie abgewiesen. Neben einem abgewiesenen Angriffsversuch auf Kloster Berge hat es weitere französische Angriffsversuche nicht gegeben. Unter Bedeckung hat es während der Blockade noch Baumfällungen vor dem Sudenburger- und dem Ulrichstor gegeben, um das Schussfeld und die Beobachtung des Vorfeldes der Festung zu verbessern. Dabei wurde der komplette Garten des Klosters Berge demoliert, dessen Allee als Sehenswürdigkeit galt. Diese Aktivitäten wurden französischerseits nicht gestört. In Cracau war ein Piquet von 40 Schützen stationiert, welche dieses Dorf verteidigen sollten. Ein nächtlicher Angriff warf diese Schützen und Cracau wurde von den Franzosen in Brand gesteckt. Flüchtende Bewohner wurden in die Turmschanze erst eingelassen, als völlige Klarheit darüber bestand, dass die Franzosen abgezogen waren. Es galt die Maxime, dass während einer Blockade oder Belagerung kein Einlass in die Festung erlaubt wurde. Die Aufnahme Cracauer Bürger wurde als Ausdruck besonderer Menschlichkeit der Torwachen bezeichnet und galt als Ausnahme. Am 8. November 1806 erhielt gegen 15 Uhr der den Schanzenbau auf dem Kommandantenwerder leitende Ingenieuroffizier vom Ingenieur de la Place den Befehl des Gouverneurs, den Schanzenbau einzustellen und das königliche Handwerkzeug an den gehörigen Ort abzuliefern - da war die für den 11. November verabredete Übergabe der Festung bereits beschlossen, wurde aber noch geheim gehalten. Am 9. November wurde der Befehl zur Abnahme und Ablieferung der scharfen Patronen gegeben und am 11. November erfolgte am Morgen die Übergabe der Festung Magdeburg.
Der Hauptmann von Kleist wurde vom Gouverneur beauftragt die Kapitulationsurkunde mit zu unterschreiben. Seine Antwort soll gewesen sein, Bild entfernt (keine Rechte)
Am 8. Februar 1808 wurde das Huldigungsfest für König Jerome (Hieronymus Napoleon) von Westphalen gefeiert. Die Pfarrer hatten den Auftrag, den Angehörigen ihrer Kirchgemeinden in einer Predigt dazu die notwendigen Hinweise auf das christliche Verhalten gegenüber König und Obrigkeit zu geben. In einer Kirche im Kreis Stendal hat ein Anwesender Notizen zur Predigt gemacht, die ich hier anfüge. Es ist wichtig zu wissen, dass der größte Teil der Predigt aus einem vorgeschriebenen Text bestanden hat - also überall im Königreich Westphalen mehr oder weniger gleichlautend vorgetragen wurde.
"— — — Meine christlichen Zuhörer? lasset auch uns dem H o c h e r h a b e n e n, der uns einen so mächtigen, gütigen und weisen König gab, danken! — Mächtig und groß ist er durch den Schutz und Beystand seines erhabenen Bruders [Napoleon I.]; — seine Weisheit ist erprobt durch seine Thaten und durch das ehrenvolle Zeugniß seines hellsehenden Bruders. Die reinste, edelste Liebe zu seinen Unterthanen spricht laut aus seiner Proklamation vom 15ten December, denn er verspricht in derselben: „seine Unterthanen glücklich zu machen, und in ihrem Glücke sein eigenes zu suchen! — O, kann etwas zur dankbarsten Freude, zum aufrichtigsten Gehorsam ermunternder seyn, als dieß? — — — Doch nicht eigennützig soll unsere Freude und das Gelübde unseres Gehorsams seyn. Auf christliche Grundsätze muß sich beydes gründen, sonst fallen wir in jene E r b ä r m l i c h k e i t, wo der Mensch seine Pflichterfüllung von dem armseligsten Gewinn abhängig macht. Brav und groß lasset uns das seyn, was wir seyn sollen, und dieses um so mehr, da es recht eigentlich Pflicht des Christen ist.
[es folgt im Wesentlichen vorgeschriebener Text]
Paulus macht es dem Titus zur angelegentlichsten Pflicht, in seinen Reden an die Gemeinden ja den Gehorsam gegen die Obrigkeit fleißig einzuschärfen. Auch mir ist zur Pflicht gemacht, euch heute feyerlich an den der Obrigkeit schuldigen Gehorsam zu erinnern. Das will ich denn nun auch, und zwar dadurch, daß ich euch zeige:
Was schließen die Worte: „G e h o r s a m g e g e n d i e O b r i g k e i t" in sich?
In der Proklamation unseres Königs heißt es: „D a s G e s e t z i s t v o n n u n a n e u e r H e r r, e u e r B e s c h ü t z e r, d e r M o n a r c h, v e r p f l i c h t e t, das G e s e t z i n A n s e h e n z u e r h a l t e n." Diese wahrhaft königlichen Worte geben uns den schönsten Maaßstab an dle Hand, um die obige Frage zu beantworten. Der König sagt nämlich so viel: jeder Unterthan, sey er Minister oder Bettler, steht unter dem Gesetze und ist für jede Uebertretung desselben verantwortlich. Kein Stand spricht ihn davon los. Denn darum hat die Vorsehung den Regenten so hoch gestellt, damit jeder seiner Unterthanen ihm von seiner Höhe ganz gleich erscheine, und alles Ansehn der Person aufhöre. — — — Ein geltender Grundsatz ist es, daß diejenige Landesregierung die beste sey, welche der allgemeinen Weltregierung am nächsten kommt, und das ist unstreitig die, wo das Gesetz, — nicht — wo die Minister regieren. Denn wehe dem Volke, wo das Letztere der Fall ist! dann kann es nicht fehlen, daß Parteylichkeiten statt finden; daß der Unwürdige vorgezogen, und das Verdienst hintenangesetzt wird; daß Abgaben und Lasten ungleich vertheilt werden; daß Unterbediente sich Ungerechtigkeiten erlauben; daß das allgemeine Beste zum Nebenzweck, und der Privatnutzen zum Hauptzweck gemacht wird. — Ganz anders aber ist es in einem Lande, wo das Gesetz wirklich regiert. Ich sage w i r k l i c h; denn seit einiger Zeit ist es Mode geworden, daß die eigenwilligsten Staatsdiener sich, bey aller Willkühr, auf das Gesetz berufen. — Wo also das Gesetz wirklich regiert, da ist das eigentliche gelobte Land; da weiß man nichts von jener Parteylichkeit, Willkühr und Tyranney der sogenannten Unterkönige, da weiß man nichts von jenem erbärmlichen Stolze, von jener empörenden Anmaßung reicher Thoren; — da herrscht wahrer Menschensinn, — wahrer Adel! — In einem solchen Lande fragt man nicht nach Stand oder Vermögen eines M e n s c h e n; — wohl aber nach seinem innern Werthe, nach seiner Aufführung, nach seiner Denkart, nach seiner Handlungsweise.— Da gilt ein treuherziger Landmann mehr, als ein schlechter Hofmann, und eine edle Handlung im Verborgenen hat da einen höhern Werth, als das prächtigste Gastmahl eines Reichen. Und wohl, o wohl dem Lande, wo dieß der Fall ist! Also: Unter Gehorsam gegen die Obrigkeit, ist Gehorsam gegen das Gesetz zu verstehen! — Was ist der menschlichen Gesellschaft nothwendiger, als ein allgemeines Gesetz, und was ist vernünftiger, als dass jeder sich zur Erfüllung eines solchen allgemeinen Gesetzes verpflichtet hält? — Ist's möglich, daß irgend eine Gesellschaft bestehe, wenn die Glieder derselben sich nicht verpflichten, jede die Gesellschaft betreffende Willkühr aufzuheben, und dagegen Regeln festzusetzen, welche den Willen aller vereinigen? — O wahrlich! schon in der Natur der Sache selbst liegt die dringende und vernunftmäßige Verpflichtung zur Gesetzes-Erfüllung! Auch der zügelloseste Mensch wird immer ein allgemeines Gesetz wünschen müssen, wenn er gleich für sich eine Ausnahme wünscht; — ich will sagen: so scheel auch immerhin ein leidenschaftlicher und zügelloser Mensch sehen mag, daß sein Wille durch Gesetze beschränkt ist, so sehr muß er doch wünschen, daß in der menschlichen Gesellschaft Gesetze nicht aufhören; denn sie sind die Stützen der bürgerlichen Ordnung und Ruhe; sie sichern das Eigenthum, die Ehre und das Leben der Bürger im Staate, befördern die Tugenden, und stellen den Lastern einen Damm entgegen. — — — Ich habe nicht nöthig, euch weiter aufmerksam auf die Verbindlichkeit zur Erfüllung des Gesetzes zu machen. Ihr, die ihr bisher gewohnt waret, euch, der apostolischen Ermahnung 1. Petri 2, 18, 19 gemäß, manche Willkührlichkeiten gefallen zu lassen; ihr, die ihr es den kleinen Tyrannen nicht übel nähmet, wenn sie, gleichsam als wären sie außer dem Gesetze, euch mißhandelten oder mit Verachtung begegneten; — ihr werdet nunmehr um so gewissenhafter in Erfüllung der bürgerlichen Gesetze seyn! — Aber ihr werdet euch auch zu jener Sittlichkeit zu erheben wissen, die den Menschen, die den Völkern w a h r e n Werth giebt! — Und, meine christlichen Zuhörer! d i e s e Sittlichkeit ist das zweyte Stück, welches zwar nicht unmittelbar zum Gehorsam gegen die Obrigkeit gehört, — aber ihr seyd solche euch selbst, — der Obrigkeit schuldig. — Zu dieser Sittlichkeit rechne ich erstens: daß ihr euch durchaus nicht dabey beruhigt, den todten Buchstaben des Gesetzes zu erfüllen, oder — eure Handlungen so einzurichten, daß ihr darüber von der weltlichen Obrigkeit nicht zur Rechenschaft könnet gezogen werden. Nein! euer vorzüglichstes Bestreben muß dahin gehen, m i t e u c h s e l b s t z u f r i e d e n s e y n z u k ö n n e n. Z w e y t e n s: ihr müßt gegen die Fehler anderer zwar nachsichtsvoll, gegen die eigenen aber streng und ohne Nachsicht seyn. Denn eben die große Nachsicht gegen sich selbst hat jene freye, ruchlose Denkart, die jetzt so manche beherrscht, erweckt; eben jener Mangel an Seelenadel hat dem Menschen den rechten Gesichtspunkt verrückt, — Thorheiten und Laster geadelt, — Tugend und Religion unter das Strohdach verwiesen! O möchte doch in den gegenwärtigen Zeiten, worin uns die große geheiligte Wahrheit, vom Daseyn eines heiligen und gerechten Gottes, aufs neue so sprechend ans Herz gelegt wird, wo dem Großen, wie dem Kleinen, das Ungewisse irrdischer Güter so anschauend vors Auge gestellt ist, — wo Gott abermals Zeit zur Buße lässet, — möchten doch die Menschen nunmehr von jeder Art der Thorheit und des Leichtsinns zurückkommen, und sich, so wie zum unverbrüchlichsten Gehorsam gegen das Gesetz, auch zur strengsten Sittlichkeit verpflichtet fühlen! Denn sonst würden die väterlichen Absichten Gottes abermals nicht d a s wirken, w a s sie berücksichtigten — das Heil der gesammten Menschheit;— Hunderrtausende hätten dann umsonst geblutet, und das menschliche Elend würde sich in vielfacher Gestalt erneuern! Vergebens hat der allein weise und gnädige Gott gewiß nicht den Thron eines neuen Königreichs errichtet ; — v e r g e b e n s ließ er nicht so viele Wunder vor unsern Augen geschehen! Oder — meynet Jemand, daß d a s alles ohne sein Zulassen geschehe?? — daß es das Werk der Menschen sey??? — Nein! — Wie kann d a s ein Werk der Menschen seyn, was noch nie in eines Menschen Herz gekommen? — was von so mannichfaltigen Ereignissen, die durchaus nicht in der Hand der Menschen sind, abhängt? was der selbst, dessen Namen es trägt, für ein Werk Gottes erklärt? — O ich weiß es wohl, daß das alles nicht hinreicht, den Unglauben vieler Tausende zu vernichten; allein eben dieser Unglaube ist es auch, welcher die Menschen um das kostbarste Kleinod, um das Gefühl des eigenen, wahren, inneren Werths, um die Festigkeit des Gemüths und um die edle Hochherzigkeit gebracht hat. Der stille Beobachter sah die jüngsten Ereignisse schon lange vorher, ohne gerade ein Seher seyn zu wollen. — Gottvergessenheit ist die Wurzel alles Uebels! — Sie gebieret gewissenlose Richter, nachläßige und eigennützige Staatsdiener, Ueppigkeit und Wollust und Feigheit, und pflanzet sich, gleich dem wucherndsten Unkraute, auf alle Stände fort. Möchte doch mit der neuen Ordnung der Dinge auch jene fromme Gottesfurcht wieder zurückkehren, wobey sich unsre frommen und gewissenhaften Vorfahren so wohl befanden, jener Biedersinn, der den D e u t s c h e n von jeher so sehr auszeichnete! O nur d a d u r c h können unsre Wunden geheilt werden! — Ich weiß es, meine christlichen Zuhörer! mit welchen schweren Herzen ihr euch von eurem vormaligen Regenten trenntet. — Ihr kennet sein gutes, sein liebevolles Herz; ihr wisset, daß er an den Mängeln der Regierung keinen Theil hatte; — lasset indessen das mein Trost seyn, daß ihr an seiner Stelle einen Regenten erhieltet, der nicht minder ein edles, väterliches Herz im Busen trägt. Freuet euch, daß ihr da, wo ihr Thränen säetet, nun Freuden erndten sollt! — Lange, lange lebe H i e r o n y m u s N a p o l e o n! — Amen!!