DIE ZEIT Leserbrief zu „Jeder gegen jeden“ vom 25: Mai 2022 Rubrik „Verbrechen“ S. 18: Wenn wir nun dazu übergehen, Verbrechen ans Licht zu bringen, die sich die Nachkriegsdeutschen kurz nach Kriegsende sozusagen im Chaos des „Interregnums“ erlaubten, so hoffe ich, dass endlich einmal das Verbrechen des Genossen Gerhard Schindler an der Einwohnerschaft von Burg bei Magdeburg deutlich Verbrechen genannt wird. In seinem „Lebenslauf“, den er stolz dem Stadtarchiv zugestellt hat, rühmt er sich, „Tag und Nacht mit dem NKWD zusammengearbeitet“ zu haben. Das heißt, er hat im Sommer 1945 als Ortskundiger das russische Kommando begleitet, das zu einer Nacht- und Nebelaktion bei Stromsperre mit Taschenlampen ausgeschickt bzw. von ihm selbst zusammengestellt und eingesetzt war, um Haus für Haus nach Kriegsverbrechern zu stöbern. Oberbürgermeister und Bannführer waren längst über die Elbe geflohen, der Kreisleiter hatte sich erschossen. Wer sonst noch Kriegsverbrecher war, bestimmte Genosse Schindler: Außer Firmenchefs die Blockwalter. Russische Offiziere sollen ratlos vor der Denunzierungswut der Deutschen gestanden und die Denunzianten verachtet haben. Fur unseren Häuserblock war ein Standesbeamter als Blockwalter zuständig, ein freundlicher Herr, der sich Verdienste um Frauen, Kinder und alte Leute der Gegend erworben hatte. Er nahm die regelmäßigen Spenden vom Winterhilfswerk des deutschen Volkes ein, um sie passend an Bedürftige wieterzugeben, dazu gehörte z. B. die Pfundspende zum Eintopfsonntag. Bei Fliegeralarm achtete er auf die richtige Verdunkelung und hatte Schäden durch Einschläge zu melden. Auch der Vater meiner Freundin, ein Fleischermeister, war Blockwalter. Er wurde von der Arbeit in der Fleischerschürze „von zu Hause abgeholt“. Da den Töchtern erlaubt wurde, ihm Kleidung nachzureichen, wissen wir, wo die Betrofffenen blieben: Im Keller der Villa des Viktoria-Müllers, wo neuerdings der NKWD residierte. Von da aus führte ihr Weg sie in eins der Konzentrationslager, die Stalin noch einige Jahre weiter betrieb. Doch soll sich dort niemand um sie gekümmert haben. Demnach waren sich selbst überlassen, ohne Kontakt nach außen. Und sechs Wochen später tot. Da sah man in den Straßen wieder so viele schwarz gekleidete Trauernde und las so viele Todesanzeigen im Blatt wie zu Zeiten der Schlacht von Stalingrad. Wie sind sie gestorben? Wurden sie erschossen? Starben sie an Seuchen? Sind sie verhungert? Notiz aus „Buchenwaldtreffen“, Heft 7 o. J: „Die in den Lagern befindlichen Menschen sind willkürlich, rechtsstaatswidrig und ohne dem Ziel Entnazifizierung und Verbrechensahndung zu dienen, sinnlos inhaftiert und gequält worden.“ Genossen Schindler ging es zur Hauptsache wohl darum, den Volkssturmführer, einen Firmenchef, auszuschalten, dessen umsichtiges Verhalten „Burg vor Zerstörung gerettet“ hatte, um dessen Verdienste und Ruhm auf sich und seine Partei zu lenken. Diese Geschichtsfälschung gelang vollkommen, ein Skandal! Ruth Möller, Glückstadt 17. Juni 2022
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Hallo. der vorletzte Beitrag ist ja bereits eine Weile her. Trotzdem noch einmal zwei Frage dazu, weil mir der Thread erst heute aufgefallen ist. Konnte denn das Schicksal der im Leserbrief genannten verhafteten Personen weiter aufgeklärt werden und wie ,,entwickelte" sich denn Herr Schindler weiter? MfG Wirbelwind
Hallo, weit scheint ja der Herr Schindler nicht gekommen zu sein, sonst wäre ja sicherlich in Burg (KL) oder Magdeburg (BZL) etwas in den Archiven. Wie verhält es sich aber zu den von ihm denunzierten Personen? Gibt es da weitere Anhaltspunkte? MfG Wirbelwind
Es gibt auch dazu keine weiteren Angaben archvalisch. Das Problem, die unmittelbaren Neuanfangs-Unterlagen für das Jahr 1945 ab Kriegsende fehlen im Kreisarchiv Burg. Zumindest sind keine Personalias auffindbar. Allerdings bestünde die Möglichkeit im Zentralen Archiv Parteien und Massenorganisationen in Berlin etwas zu finden.
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In einem Artikel zu einem mächtigen Krater in der Landschaft in Brandenburg fand ich folgende Stelle: Später kommt heraus, dass die Russen manches heimlich vor Ort entsorgten. Christoph Meißner, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst, weiß, dass die Russen vor dem Abzug „Munition vergraben und gesprengt“ haben. Diese Praxis hätten sie später gegenüber dem deutschen Verbindungskommando „zugegeben“. Bekannt geworden sei dies insbesondere vom Truppenübungsplatz in Burg bei Magdeburg, „so wurde aber auch an anderen Orten verfahren“. Ok, quasi eine Wahrheit die wir alle schon wußten aber hier wird eben expliziet Burg erwähnt und von offizieller Seite bestätigt. Was genau bestätigt wurde wissen wir noch nicht aber es gibt nun einen Namen. Schaun wir mal.