In der Zeitschrift "Der Städtebau", Heft 6 von 1905 habe ich folgenden interessanten Artikel gefunden. Vielleicht sollte er auch Anlass zum Nachdenken sein - nicht alles, weil es alt ist auf Teufel komm raus zum erhaltenswerten Kulturgut zu machen.
DIE BEBAUUNG DES SOGENANNTEN „STERN- GELÄNDES" VON MAGDEBURG. Von Stadtbaurat PETERS, Magdeburg.
Zwischen das südliche Ende der Altstadt Magdeburg und die Vorstadt Buckau schob sich der erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, d. h. also erst vor etwa drei Jahrzehnten hergestellte gewaltige Festungsgürtel in seinem südlichen Verlaufe bis zur Stromelbe ein, indem er hier den berühmten ^Stern", ein in sich bisher vollkommen abgeschlossenes Festungswerk anschnitt, bezw. sich mit ihm vereinte. Nachdem der gesamte, mit einem Kostenaufwand von vielen Millionen Mark hergestellte Befestigungswall von etwa 6 km Länge, welcher auch das damals nach Westen und Süden erheblich erweiterte Magdeburg immer noch einschnürte und von den Vorstädten trennte, jetzt endgültig aufgegeben ist, wurde es nach langwierigen Verhandlungen der Stadt mit der Militärbehörde ermöglicht, das von dem Sternwerk eingenommene Gelände, von etwa 9 ha Größe durch Austausch mit städtischem Gelände in der „Nordfront" - das bereits nach einem früheren Vertrage in den Besitz der Stadt übergegangen war - zu erwerben, um es der Bebauung zu erschließen. Für die Verbindung der südlichen Altstadt mit Buckau sind damit die hemmenden Fesseln endlich gefallen, und es ist jetzt ein organisches Zusammenwachsen der beiden Stadtteile durch einen Bebauungsplan in die Wege geleitet, dessen Verwirklichung augenblicklich in Angriff genommen ist. Es kommt dazu, dass außer der im Jahre 1903 dem Verkehr übergebenen ,,Königsbrücke" ein zweiter Brücken-Neubau hier im Süden der Altstadt geplant ist, über dessen genaue Lage zwar bisher eine Einigung im Schoße der städtischen Behörden noch nicht hat erzielt werden können, auf den aber notwendig für die Zukunft Rücksicht genommen werden musste. Der Bebauungsplan, wie er endgültig angenommen ist und hier mitgeteilt wird, ist also lediglich aus Verkehrsinteresse entstanden und hat somit den zahlreichen, sehr schwierigen, örtlichen Verhältnissen, in Angliederung an eine vollzogene Bebauung und in Ergänzung gegebener Verkehrsbedingungen Rechnung zu tragen. Dabei ist den Verhältnissen des kolossalen Festungswerks zu entsprechen gewesen, indem die Führung der Straßen aus praktischen Rücksichten möglichst der Richtung der tiefen Wallgräben folgen sollte. Dass das letztere bei der ganz regelmäßigen Sterngestalt des Festungswerks ziemlich schwierig war, versteht sich von selbst; es ist die vollständige Einverleibung der Wallgrabenzüge, d. h. ihrer am tiefsten eingeschnittenen Teile, an denen sich auch naturgemäß die starken, massiven ,,Revétements" befinden, nicht durchzuführen möglich gewesen, da der Bebauungsplan eine wunderbare Gestalt erhalten haben würde. Wie verzwickt trotz einfachster Grundanlage der aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts entstammende, unter Friedrich Wilhelm I. begonnene, unter Friedrich IL, dem Großen, vollendete Befestigungsbau ausgeführt ist, mit welcher Berechnung sich die Form des aus rechteckigem Grundriss entwickelten Sterns bis in das weitverzweigte Minensystem zur Verteidigung des Glacisgeländes fortsetzt, zeigt die beigegebene Abbildung des Lageplanes, der infolge der jetzt beendeten Rasierung und der begonnenen Einrichtung des Geländes zu Bauzwecken natürlich nicht mehr als Kriegsgeheimnis angesehen zu werden braucht. Es ist aber geradezu erstaunlich, mit welch kolossalen Mauer- und Gewölbemassen die damalige Kriegskunst sich glaubte einrichten zu müssen, noch dazu unter Durchführung eines Verteidigungssystems gegen einen nach mathematischem Problem auf einen gewissen Angriffspunkt losrückenden Feind - hier handelte es sich um vier bzw. acht solcher Angriffsrichtungen. Aus dem Bau ersieht man übrigens deutlich, wie der in den 70er Jahren hergestellte neue Hauptgürtel der Festung die bisherige vollkommene regelmäßige Gestalt des Sterns anschnitt, wobei die für die allgemeine Vorflut des Festungsgeländes wichtige Grabenentwässerung mittelst unterirdischen Lünettenkanals durch den Innenhof der Sternschanze hindurchgeleitet werden musste.
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Alles in Allem war der ,,Stern" von Magdeburg als ein höchst interessantes Beispiel der Befestigungskunst nach den Vaubanschen Vorbildern anzusehen, und mag es von diesem Standpunkt aus bedauerlich erscheinen, dass diese imponierenden Befestigungsbauten, die sich übrigens äußerlich nicht im mindesten kennzeichneten abgesehen vom Hauptportal, das denn auch pietätvoll erhalten bleiben soll - so ganz dem Erdboden gleich gemacht werden sollten! Eine irgendwie zu rechtfertigende Verwertung war aber nach Aufgabe des Kriegswerks seitens der Militärverwaltung und Erwerb des Geländes durch die Stadt geradezu ausgeschlossen. Des Kuriosiums halber mag erwähnt werden, dass allerdings aus Bürgerkreisen heraus die Anregung erging, man möchte die riesigen Sternkasematten als Lagerräume verwenden, als Reservelazareth, sogar als Sehenswürdigkeit bewahren und nach Einbrechen von Lichtöffnungen in die bombensicheren Gewölbe zu einer Art von Kriegsmuseum gestalten! Die verschiedenen Vorschläge, die gewaltigen Kasemattengewölbe, wenn irgend möglich, zu erhalten, zeugen immerhin von dem außergewöhnlichen Eindrucke, den sie auf das Publikum machten, wennschon bei dem teueren Preise des Geländeerwerbs und gegenüber dem aus-gesprochenem Zwecke, diese Erwerbung seitens der Stadt nur im Interesse des Verkehrs und der organischen Entwicklung des Bebauungsplanes zu bewirken, die laienhaften Wünsche wohlmeinender Bürger nicht die geringste Berechtigung haben konnten. Das Gelände war übrigens von der Militärverwaltung ursprünglich selbst als Bauplatz für ein großes Militärlazarett bestimmt, dessen Errichtung an dieser Stelle für die Entwicklung der Stadt recht unerwünscht gewesen wäre. Dank dem persönlichen Bemühen des kommandierenden Generals wurde noch im letzten Augenblicke eine anderweitige Lage dafür in Aussicht genommen; aber Niemand dachte je daran, die ungeheuren Gewölbebauten des „Sterns" als der Erhaltung würdig, der Nachwelt zu überliefern. Nachdem die Stadt glückliche Besitzerin zufolge des Austauschgeschäftes mit dem Militärfiskus geworden war, konnte der Provinzial- Konservator für die Erhaltung der Denkmäler nicht umhin, auf den Charakter des „Sterns" als Monumentalbauwerk aufmerksam zu machen, und es fehlte nicht viel, dass die Einstellung der bereits in Ausführung begriffenen Abbruchs- und Einebnungsarbeiten tatsächlich erfolgt wäre! Glücklicherweise entschied sich das maßgebliche Ministerium im anderen Sinne, so dass keine weitere Schwierigkeit entstand. In welche Verwicklungen man übrigens geraten wäre, wenn nach Verfügung des einen Ministeriums das Sterngelände hätte erhalten bleiben müssen, das von dem anderen, dem Kriegsministerium, bereits als Bebauungsland abgeschätzt und veräußert war, das soll nur nebenher angedeutet werden! Die Bemühungen der Denkmalspflege sind ja durchaus anerkennenswert, aber die Anforderungen können auch über das Ziel des Erreichbaren hinausschießen, zumal bei dem vorliegenden plumpen Kriegsbauwerk durch die neueren Ausführungen der 70er Jahre der Zustand des ursprünglichen „Sterns" so einschneidend verändert war, dass man z. B. nicht mit einer einzigen ursprünglichen Fenster- oder Schießschartenöffnung mehr zu tun hatte. Die Kunst hatte sich nur an dem Portal betätigt, dessen Erhaltung, etwa in der Art der sehr gelungenen Ausbildung der Stettiner Festungsportale ins Auge gefasst ist. Sonst darf vielleicht nur noch der Kasematte des berühmten Freiherrn von der Trenck Erwähnung geschehen, ohne dass der betreffende Bau auf die Bedeutung eines historischen Denkmals natürlich Anspruch hätte erheben dürfen. Bekanntlich hatte Friedrich der Große dem Tatendrang des immerhin interessanten und für seine Zeit charakteristischen Abenteurers hie ein vorläufiges Ziel gesetzt, nachdem mehrere Ausbruchsversuche Trencks aus der Zitadelle noch im letzten Augenblick vereitelt waren. Ein fester überwölbter Bau, wurde im Wallgraben des „Stern" auf Befehl des Königs errichtet, und in einem winzigen, nur spärlich beleuchteten Raume durfte der durch alle Schicksalschläge keinen Augenblick entmutigte Mann über seine leichtsinnigen Streiche etwa 10 Jahre lang nachdenken, deren Art übrigens bis jetzt unaufgeklärt geblieben ist; Trenck selbst schweigt sich vorsichtiger Weise in seinen „Denkwürdigkeiten" darüber aus. Gleichzeitig beherbergte der „Stern" einen anderen Gefangenen von Bedeutung, den Ingenieurgeneral von Wallrave, den eigentlichen Erbauer des „Sterns", der wegen seiner Unterschleife auf Befehl des Alten Fritzen festgesetzt wurde, zum großen Ärger des minder begünstigten Leidensgenossen Trenck sich aber eines ziemlich lustigen Lebens erfreute. Die Beseitigung der mehrere Meter dicken Futter-und Widerlagsmauern wie der meterstarken Bruchsteingewölbe ist mit erheblichen Schwierigkeiten und Kosten verknüpft; letztere sind beim Austauschgeschäft zwischen Militärfiskus und Stadt in Berücksichtigung gezogen. Da mit der gewöhnlichen Handarbeit nichts zu schaffen sein würde, ist das Magdeburger Pionierbataillon Nr. 4 ersucht worden, durch Sprengungen die Abbruchsarbeiten zu erleichtern. Die hier vorliegenden Aufgaben bildeten vorzügliche Studien für den Mineur, wie sie sonst nur im Kriegsfall geboten werden, so dass dem Antrage der Stadt in bereitwilligster Weise entsprochen wurde. Der für das ,,Sterngelände" aufgestellte Bebauungsplan zeigt eine Fortsetzung der Sternstraße, welche die Verlängerung des ,,Breiten Wegs" bildet, ferner die Augustastraße, die vornehmste Wohnstraße von Magdeburg, deren Charakter durch Anordnung einer gärtnerischen Anlage in der Mitte und beiderseitiger Alleebäume gewahrt bleiben soll (jetzt: Harnackstraße). Für die Verbindung zur beabsichtigten südlichen Elbbrücke musste die Rücksicht auf möglichste Schonung der prächtigen Parkanlagen des Friedrich-Wilhelmsgartens maßgebend sein. Da die Sternallee und die Schönebecker Straße behufs Überführung über die Gleise der Verbindungsbahn erheblich angehoben werden müssen, ergibt sich von selbst eine lebhafte Bewegung für das Gelände des Bebauungsplans, der auch insofern abwechslungsreich genug erscheint, als die nördlichen Baublöcke für altstädtische viergeschossige Bebauung bestimmt sind, während die südlichen, jenseits der Brückenstraße der Baubeschränkung hinsichtlich Gebäudehöhe, Zahl der Wohngeschosse übereinander, Anordnung des Bauwichs usw. unterliegen sollen. Von den, das Sterngelände im Süden und Osten umgebenden herrlichen Parkanlagen soll auf diese Weise ein allmählicher Übergang zur geschlossenen Bauart stattfinden. Nach der ganzen Lage wird mit Bestimmtheit auf das rasche Entstehen eines neuen bevorzugten Stadtteils von Magdeburg auf diesem ehemaligen Kriegsgelände zu rechnen sein.
Zum Stern gibt es von Peters auch einen ausführlichen Artikel in "Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg", O. Peters, „Der „Stern“ und seine Geschichte“, Band: 39-40; 1904/1905; S. 238-256
Zusammengefasst zum Abriss:
Im Jahre 1904 wird das Gelände an die Stadt Magdeburg verkauft und das Fort durch das Magdeburger Pionier-Bataillon gesprengt. Es wurden in ca. 6 Monate insgesamt 713 Sprengladungen benötigt, um die ca. 40.000 qbm Mauerwerk zu zerlegen. Die gesamte Anlage hatte eine Größe von ca. 8,5 ha.
Danke für die Information. Ich habe die Geschichtsblätter auch (z. T. im Original) und hatte bisher noch nicht viel mit Festungswesen am Hut - da gibt es doch im Heimatverein eine spezielle Gruppe, die sich mit diesen Dingen beschäftigt. Den Artikel von Peters in Städtebau fand ich nur sehr prägnant und instruktiv, so dass ich ihn hier mal eingestellt hatte. In den Geschichtsblättern geht er ja sehr ausführlich auf Wallrave und v. d. Trenck ein. Wobei ich zu Wallrave die Meinung vertrete, dass dieser aus Sicherheitsgründen prophylaktisch weggesperrt wurde, nicht wegen eines nachgewiesenen Vergehens. Das erklärt auch die Gratifikation und den Komfort, den er während der Haft genossen hat. Peters hat in seinem ausführlichen Beitrag allerdings einer grundsätzlichen Frage Raum gegeben: wofür der Millionenaufwand für die Festung und den Stern? Die 40 000 Kubikmeter Mauerwerk für den Stern entsprechen ja fast 5 % des in der Rappbode-Talsperre-Staumauer verbauten Betons. Und die Erneuerung der Befestigungsanlagen nach 1869 haben auch ganz schön ins Kontor geschlagen. Ergebnis des Festungsbaus war, dass Kommandant v. Kleist an Marschall Ney Magdeburg kampflos übergeben hat und auch die Besetzung der Festung durch Napoleon bis zur Befreiung durch v. Tauentzien keinen Beweis für die Wirksamkeit und den Nutzen dieser Anlage erbringen konnte. Bei Sternschanzen war man sich übrigens schon lange einig, dass sie militärisch fragwürdig sind, weil die Geradeausverteidigung von den Spitzen aus recht schwache Wirkungen zeigt, die Gefahr für die in den Spitzen gedrängten Verteidiger durch Kartätschenbeschuss recht hoch ist und der verfügbare Raum im Stern nur begrenzte Kapazitäten an Personal und Vorräten zulässt. Allgemein ging man davon aus, dass Sternschanzen mehr Beachtung in der Theorie, als in der Praxis gefunden haben (z.B. hier: Der Krieg und seine Mittel. Eine allgemein fassliche Darstellung der ganzen Kriegskunst von W. Rüstow, Leipzig, Verlag von Gustav Mayer. 1850, Seite 604 f.). Vielleicht wollten die nimmermüden Krieger in Magdeburg noch etwas einmaliges schaffen, als sie die Verlegung der Festungsanlagen am Südrand der Altstadt benutzten, um diese mit dem "Stern" zu vereinigen. Ansonsten finde ich "Magdeburg und seine Baudenkmäler" von O. Peters (1902) und "Die Baugeschichte der Stadt und Festung Magdeburg" von E. Wolfrom (1936) sehr instruktiv für einen Überblick zur Festungsgeschichte.
In überraschend kurzer Zeit hat sich das Stadtbild vor dem Buckauer Tore verändert, die hübschen Anlagen zwischen dem südlichen Ende und dem Bahnübergang am Friedrich-Wilhelmsgarten sind zum Teil bereits gefallen, und es hat sich ein Blick auf ein zwar vorläufig wüst genug aussehendes Gelände öffnete, das an der Stelle des berühmten „Sterns“ demnächst die Bebauung erschlossen werden soll. Wenn man bedenkt, wie schnell sich das Gedächtnis an frühere Zustände und Örtlichkeiten verwischt, obwohl man sie seit Jahrzehnten vor Augen gehabt hat, so erscheint es gerade jetzt wohl an der Zeit, sich des alten „Sterns“ und seiner Trenck-Kasematte, und damit der ganzen Entwicklung des „Stern-Geländes“ bis zu dem gegenwärtigen Umwandlungsstadiums im Zusammenhang zu erinnern. Allen Magdeburgern wird allzeit der „Stern“ mit seinen unheimlichen Verließen wie ein finsteres Wahrzeichen aus Friedericianische Zeit vor Augen stehen, umworben von der Romantik der Leidensgeschichte des hier zehn Jahre seines fast unglaublichen Abenteuerlebens eingeschlossenen Freiherrn Friedrich von der Trenck. Nur wenigen war der Einblick in die Riesenbauten bisher vergönnt gewesen, die ihrer geheimnisvollen Abgeschiedenheit erst entrückt wurden, als die Stadt Magdeburg zufolge Vertragsabschlusses mit dem Militärfiskus in den Besitz des Geländes eingetreten war, das gegen Gelände in der Nordfront zum Austausch gelangte. Kein Wunder, daß man über die Großartigkeit dieser gewaltigen, unterirdischen Gewölbebauten und labyrinthischen Gänge, die sich weit in das Außenterrain hinein erstreckte, staunte und daß schließlich der Wunsch sich sogar geltend machte, diese ungeheuren Räume in irgend einer Weise zu erhalten und zu verwerten, wie ? – über diese Frage war man zwar geneigt, sich vorläufig leichten Herzens hinwegzusetzen; es würde sich schon eine Verwendung zu irgendwelchem Zweck, vielleicht auch nur eine Ausnutzung der malerischen Situation oder der Höhenlage als Aussichtsgelegenheit finden lassen! Und um so schwieriger schien zu einer Zeit die Sachlage zu werden, als auch der berufene Vertreter für die Erhaltung vaterländischer Baudenkmäler, der Provinzial-Konservator selbst gegen die Niederlegung des „Sterns“ Einspruch erhob, der jedoch bald seine Erledigung fand, nachdem die Behauptung, der „Stern“ müsse als historisches Baudenkmal anerkannt werden, bei näherer Untersuchung nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Tatsächlich ist nämlich von dem Bestande des ursprünglichen Fortifikationswerks im Umbau der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts so viel umgestaltet worden, daß die Entscheidung, was als alt oder als neu anzusehen, ziemlich schwierig geworden wäre; seine Fensteröffnung war unverändert geblieben, nur die alten kolossalen Bruchsteingewölbe des sternenförmigen „Donjon“, des eigentlichen Kerns der Sternschanze, durfte man noch als Original-Überbleibsel des ehemaligen Baus aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts mit Sicherheit ansprechen. Von einer Kunstform, abgesehen von dem einzigen Portal an der Südfront, - das aber seine frühere Stelle zufolge der Einführung des „Sterns“ in die neue Enceinte ebenfalls hatte preisgeben müssen - war bei dem ganzen, rein auf das Kriegsbedürfnis des vorvorigen Jahrhunderts zugeschnittenen Bollwerk niemals die Rede gewesen! Nach solcher Sachlage konnte es wohl ernstlich nicht mehr in Frage kommen, eine solche fortifikatorische Anlage des 19. J a h r h u n d e r t s, - denn das war im wesentlichen daraus geworden! – der Nachwelt aufzubewahren, die wohlerwogenen Ziele eines zur Bewertung des kostspieligen Geländeaustausches aufgestellten Bebauungsplanes zu stören, erhebliche Opfer für Liegenlassen wertvollen Baulandes aufzuwenden, und zwar das alles für zweifelhafte Reminiszenzen an einen schon seit 3 Jahrzehnten dahin geschwundenen Originalzustand. Die Militärverwaltung hatte nicht die geringsten Bedenken gehabt, das ausgedehnte Gelände für ihre modernen Zwecke in Anspruch zu nehmen, nachdem die Einebnung ihrerseits beschlossen war; es sollte an der Stelle der alten Kasematten der Neubau des Garnisons-Lazaretts aufgeführt werden, ein Plan, der noch im letzten Augenblick, Dank den Bemühungen des damaligen kommandierenden Generals von Klitzing scheiterte zum Glück für die Stadtverwaltung, die sich nur schweren Herzens mit der Bestimmung dieser Situation für solchen Zweck hatte einverstanden erklären können. Eine von stadtseitigem Interesse aus weniger geeignete Stelle für die Errichtung einer zentralen Lazarettanlage der Garnison Magdeburg hätte wohl kaum gefunden werden können, inmitten der Parkanlagen und in nächster Nachbarschaft des herrlichen Friedrich Wilhelmsgarten, als ein für alle Zeiten nicht mehr zu überwindendes Hemmnis für das organische Zusammenwachsen der wichtigen Vorstadt Buckau mit der südlichen Altstadt! Man musste nach den damaligen Verhandlungen der Stadt mit der Militärbehörde noch zufrieden sein, daß wenigstens deckende Pflanzenstreifen längs der Sternallee und der Schönebeckerstraße zur möglichsten Verhüllung der militärischen Krankenhausanlage verblieben, deren Ausführung nach bereits genehmigten Plänen unmittelbar bevorstand. Es bedurfte aber noch jahrelanger Verhandlungen zwischen dem Kriegsministerium und der Stadt Magdburg, bis es gelang, den bekannten Tauschvertrag zum Abschluß zu bringen, wonach ungefähr gleich großes Nordfrontgelände für das Sterngelände in den Besitz der Militärverwaltung überging. Letztere bestimmte den sog. „Schrote-Exerzierplatz“ im westlichen Teile der Nordfront für den Neubau des Lazaretts. Das übrige an der Königsstraße eingetauschte Bauland soll der Errichtung neuer Kasernements dienen. Der inzwischen aufgestellte Bebauungsplan für das Sterngelände fand nach Überwindung der bereits erwähnten Schwierigkeiten Annahme in der Stadtverordnetenversammlung und unmittelbar darauf wurde mit den Abbruch- und Einebnungsarbeiten der Anfang gemacht. Dank der vortrefflichen Unterstützung seitens des Magdeburgischen Pionier-Bataillons wurden Sprengungen im großartigsten Maßstab vorgenommen, mittelst deren es allein nur ermöglicht werden konnte, die riesenhaften Gewölbe und kolossalen Mauerkörper in der außerordentlich kurzen Zeit von etwa sechs Monaten in Trümmer zu legen. Handelte es sich doch um den Abbruch von etwa 35 bis 40.000cbm widerstandfähigsten Bruchstein-Mauerwerks. Nach den Mitteilungen des Herrn Major Kronen in der „Illustrierten Zeitung“ (vom 5. Mai 1904) sind zur Sprengung des ersten Teiles von Grabenmauern, Flanierungsanlagen im Graben und Hohlräumen oberhalb des Hauptwalls, d.h. von rund 10.000cbm Mauerwerk rund 5500kg Pulver und 100kg brisanten Sprengstoffs in 500 Einzelladungen verbraucht worden. Daraus konnte schon ein Schluß auf die unheimliche Menge Sprengmaterial gezogen werden, welche zur Demolierung der ganzen Anlage überhaupt erforderlich werden müsste. Nach der abschließenden Berechnung sind aber bis zum Tage der letzten Hauptsprengung am 5. September d. J. im ganzen nur 186 Zentner Pulver und 9 Zentner brisanten Sprengstoff erforderlich gewesen, die in 713 Einzelladungen zur Explosion gebracht wurden. In Wirklichkeit hat sich also der Sprengmaterialverbrauch, hauptsächlich wohl zufolge der mit der fortschreitenden Demolierungsarbeit wachsenden Erfahrung erheblich geringer herausgestellt. Es mag beiläufig noch angeführt werden, daß nach der Magistratsvorlage vom 8. September 1903, betreffend Erwerb des Sterngeländes, letzteres eine Größe von 8ha 57ar 99qm zum Schätzungswert von 1,658,579 M. umfasste. Aus dieser gewaltigen Zahl ist zu ersehen, daß man es in der Tat mit recht wertvollem Baugelände zu tun hatte, und daß es ein nicht zu rechtfertigender Lurus gewesen wäre, bestimmte Teile des „Sterns“, rein aus ä s t h n i s c h e n Erwägungen, in noch größerem Umfange, als solches bereits im Bebauungsplan geschehen, etwa als eine Art „Stern-Anlage“, unbebaut liegen zu lassen, um so weniger, als die umfangreichen Parkanlagen des Friedrich Wilhelmgartens sich unmittelbar anschließen und jenseits der Elbe der Rothehorn sich ausdehnt, der überhaupt zu den größten öffentlichen Gärten in deutschen Städten gezählt werden darf. Nach diesen einleitenden Bemerkungen über die n e u e s t e E n t w i c k l u n g der Sterngelände-Frage soll nun auf die g e s c h i c h t l i c h e S e i t e derselben übergegangen werden, wennschon in dieser Beziehung nicht gerade viel wird gefragt werden können! Der „Stern“ hat eben seine für die Geschichte des preußischen Vaterlandes irgendwie bedeutungsvolle Rolle gespielt; nur für die L o k a l g e s c h i c h t e d e r S t a d t u n d F e s t u n g M a g d e b u r g ist er interessant und wird er dennoch nicht aus dem Gedächtnis der Magdeburger niemals entschwinden, zumal das jetzt frei gewordene, von dem immerhin ungewöhnlich großartigen Festungsbau bisher besetzte Gelände nunmehr dazu bestimmt erscheint, von h e r v o r r a g e n d e r B e d e u t u n g f ü r d i e z u k ü n f t i g e W e i t e r g e s t a l t u n g des s ü d l i c h e n Stadtgebiets werden. Die militärische Bedeutung der Sternschanze für die Verteidigung der Festungsfront im Süden geht aus einem alten Plan der Befestigung von Magdeburg zu Anfang des 18. Jahrhunderts auch für den Laien klar genug hervor. Damals bildete das F o r t B e r g e n, wie der „Stern“ anfänglich benannt wurde, die am meisten nach Süden vorgeschobene Position, zugleich den Elbstrom beherrschend, dessen damaliger Hauptlauf viel näher an die Schanze und östliche Stadtgrenze herantrat, also mit dem westlichen Ufer viel tiefer das Gelände anschnitt als gegenwärtig der Fall ist. S sind auf dem erwähnten Plane d r e i Elbarme zu erkennen, -vergl. Abbildung des „Planes von der alten und neuen Stadt Magdeburg mit der Zitadelle und deren Fortifikation“ in „Magdeburg und seine Baudenkmäler“*) *) Magdburg und seine Baudenkmäler, eine baugeschichtliche Studie, zugleich Führer zu Magdeburgs alten Bauten von Otto Peters. Faber’sche Buchdruckerei 1902. – der mittlere Lauf mit der Zidadelle, der östliche Lauf, die sog. „Alte Elbe“ mit der „Thurm-Schanze“, der jetzigen Friedrichstadt entsprechend. Die Sudenburg schmiegte sich unter dem Schutze des Fort Bergen in den Winkel hinein, welchen dasselbe mit dem westlichen Befestigungsgürtel bildete. Nachdem die Sudenburg, die sich also unmittelbar vor dem Tore befand, abgetragen war, um viel weiter draußen auf dem Gelände der alten Dorfstätten St. Michael und Mariendorf wieder zu erstehen, musste einem Fortifikationswerk auf dem Platze der Sternschanze ein ganz hervorragender Wert für die Verteidigungskraft der Festung zuerkannt werden, und so wurde im Jahre 1721 unter der Regierung Friedrich Wilhelms I auf spezielle Anregung des „Alten Dessauer“ diese südliche Schanze auf dem Gelände des früheren Kloster Berge, durch den aus holländischen Diensten übernommenen Ingenieuroffizier, spätren Kommandeur des Preußischen Ingenieurkorps Wallrawe begonnen und in der verhältnismäßig sehr kurzen Frist von vier Jahren, also bis 1725, in seinen Maurerarbeiten fertig gestellt. Darunter wird wohl schwerlich das ganze kolossale Fortifikationswerk, so wie es aus unserer Zeit überliefert ist, zu verstehen sein, das seinen weiteren Ausbau mit Wällen, Minengängen und Kasematten wahrscheinlich erst einer späteren Zeit verdankt, abgesehen natürlich von dem radikalen Umbau in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Dieser Wallrawe, der auch „Wallrabe“, „Walrave“ oder „von Wallrave“ geschrieben wird, ist eine interessante, aber etwas anrüchige Persönlichkeit, wahrscheinlich Holländer auch von Geburt, von dem genauere Lebensschicksale nicht verzeichnet sind. Es steht nur soviel fest, daß er in späterer Zeit in dem von ihm selbst erbauten „Stern“ eine mehr als zwanzigjährige Festungshaft seit 1746, vielleicht auch erst 1748, zu verbüßen hatte, zu welchem Zwecke – auch nach den Angaben Trencks in seiner Lebensgeschichte – im inneren Polygon, d.h. im Zentralhofe der Schanze (Donjon) ihm ein eigenes Haus errichtet war. In seiner „merkwürdigen Lebensgeschichte“ beklagt sich der bedauernswerte Freiherr, daß von dem Betrüger und Landesverräter „General Wallrabe“ ein so schwelgerisches Leben geführt werden könne – ihm standen nämlich 3000 Taler jährlich zur Verfügung in seinem oft fast „fidelen Gefängnis“- während an Trenck selbst kaum das nötige tägliche Brod zur Fristung eines unerträglichen Daseins verabreicht wurde. Übrigens musste Walrave noch 10 Jahre länger als Trenck im „Stern“ schmachten! - Gerhard Cornelius Walrave, schon unter König Friedrich Wilhelm I. geadelt, war unter Friedrich dem Großen als Generalmajor mit der Leitung des gesamten Festungsbauwesen betraut, insbesondere mit der Ausführung der Befestigungen von Glatz, Neiße und Stettin, uns soll sich im Laufe seiner militärischen Karriere zahlreiche Unterschleife, sogar Landesverrat haben zu Schulden kommen lassen; in wie weit das begründet ist, erscheint geschichtlich noch nicht genügend aufgeklärt. Auch darüber schweigen die Aufzeichnungen, ob er je vor den ordentlichen Richter gestellt ist, überhaupt welcher Art eigentlich das Verbrechen ist, dessen er überführt worden. Es scheinen nach allem landesverräterische Umtriebe zu Grunde gelegen zu haben, die den König sowohl aus politischen Erwägungen, als aus Rücksichten der Landesverteidigung zu einer so schweren Bestrafung und zwar auf Lebensdauer, eines so Hochstehenden Offiziers gezwungen haben. Aus den übereinstimmenden Angaben mehrerer Zeitgenossen, namentlich auch des Französischen Gesandten in Berlin, Marquis Dalori, darf aber geschlossen werden, daß Walrave dem Österreichischen Gesandten Graf von Bernes um 1747-1748 erstlich eine Abschrift seines auf Befehl Friedrichs ausgearbeiteten „Memoire sur l’attaque et la defense des places“ mitgeteilt, und zweitens auch einen Plan des Königs zum Beginn neuer Feindseligkeiten gegen Österreich verraten habe, den dieser übrigens ihm bloß anvertraut hatte, um ihn auf die Probe zu stellen. Friedrich musste zu jener Zeit allerdings auf seiner Hut sein, denn er war von allen Seiten mit Freunden Österreichs umgeben, die ihm das eroberte Schlesien wieder abnehmen wollten. Walrave aber, der die Pläne aller Preußischen, zum Teil von ihm selbst gebauten Festungen genau kannte, war ein umso gefährlicheres Subjekt, als er bei einem ausschweifenden Leben schon im ersten und zweiten Schlesischen Krieges manches sich hatte zu Schulden kommen lassen, was eines ehrenhaften Soldaten unwürdig war. Sein Charakter war so zweifelhafter Art, daß ihm gewissenlose Handlungen nur, um sich neues Geld zu verschaffen, sehr wohl zuzutrauen waren, obwohl er anscheinend ein sehr treuer Katohlik war *). *) Vorstehende Mitteilungen über Walrave sind den Blättern für Handel, Gewerbe und Soziales Leben, Beiblatt zur Magdeburger Zeitung. Jahrgang 1859, Nr.7 entnommen
Bei der Gelegenheit soll ein kleiner Irrtum aufgeklärt werden, dem man in Magdeburg häufiger begegnet, wenn es sich darum handelt, einige unserer alten Prachtgebäude auf ihre Entstehungsgeschichte anzusehen! Es wird bekanntlich das stattliche Haus Domplatz Nr.9, das jetzige justizfikalische Geschäftshaus der Gerichtsbehörde eben diesem Wallrawe zugeschrieben, der dasselbe seinerzeit auf Befehl des Königs hätte aufführen müssen, gleichsam als eine ihm auferlegte Buße! Tatsächlich ist der Giebel des Hauses mit kriegerischen Emblemen geziert, und wie die über dem Portal angebrachte Jahreszahl zeigt, 1725 vollendet; es trägt außerdem die Bezeichnung „Fren-Hauß“. Das Jahr der Fertigstellung des Hauses am Domplatz Nr.9 trifft zwar mit der von Bronen gegebenen Zeitbestimmung für die Fertigstellung der Sternschanze 1725 zusammen, woraus sich ergeben würde, daß die Unterschleife schon w ä h r e n d d e r M a g d e b u r g e r Z e i t Walrave’s bewirkt und entdeckt worden wären? Das k a n n a b e r u n m ö g l i c h d e r F a l l s e i n, denn der König würde eine so verantwortungsvolle Tätigkeit wie die Ausführung der Festungsbauten von Glatz, Neiße und Stettin schwerlich einem derart stark belasteten Ingenieur übertragen haben, wenn er das in ihn gesetzte Vertrauen schon in Magdeburg so schmählich getäuscht hätte! Aus einer Mitteilung in den Blättern für Handel, Gewerbe und Soziales Leben (Montagsblatt) vom 20. Januar 1890 über die Gartenanlage „Lillipüt“ auf dem „Weinberge“ bei Hohenwarthe a. Elbe geht hervor, daß der Oberst von Walrave unterm 16. April 1736 mit der Magdeburgischen Kriegs- und Domänenkammer einem vom König Friedrich Wilhelm I. bestätigten „Grund-Zins-Kontrakt“ abgeschlossen hatte über die Erwerbung eines Terrains bei Hohenwarthe zwecks Errichtung eines erb- und eigentümlichen Hauses, Stalles und Gartens. Noch 1740 wird ihm vom König Friedrich II. ein nahe bei dem von ihm angelegten Garten Lillipüt befindlicher, von einigen Spitzeichen und von Strauchwerk bestandener, sonst wüsten Fleck Landes unter der Bedingung des Urbarmachens erb- und eigentümlich überlassen. Als die Gemeinde Hohenwarthe mit Walrave wegen der Koppelhut auf dem Weinberge in Differenzen geriet, teilte Friedrich II. in einem Handschreiben di Beschwerde an die Magdeburger Kammer seinem „lieben Gneralmajor von Walrawe“ mit, damit er die Hohenwarther veranlasse, die Beschwerde zurückzunehmen. Aus dieser beiläufigen Tatsache ist jedenfalls zu entnehmen, daß Walrave sich zur Zeit der Thronbesteigung Friedrich II. der vollsten Gunst des Königs erfreute, ferner, daß der General lebhafte Beziehungen zu Magdeburg und hier seinen ständign Wohnsitz damals aufgeschlagen hatte, sogar Grund- und Schlossbesitzer in der nächsten Umgebung von Magdeburg geworden war. Beiläufig ist von dem Gebäude und der Gartenanlage Lillipüt nichts mehr erhalten geblieben, und heute geht der Pflug über die Stelle. Die Inhaftierung Walrave’s erfolgte, wie schon erwähnt erst 1746, nach anderen Nachrichten 1748, jedenfalls erst nach dem 2. Schlesischen Kriege, und er starb 1773 nach mindestens 26jährigem Gefängnis, also in sehr hohem Alter.
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Walrave war unzweifelhaft ein genialer Kriegsbaumeister, dessen Verdienste von zwei Königen gebührend geschätzt wurden. Das erklärt auch die verhältnismäßige sehr milde Behandlung, welche Friedrich II. dem Gefangenen zu teil werden ließ, ohne daß aber bei dem durchaus berechtigten Misstrauen gegen den überaus unzuverlässigen Mann von Begnadigung jemals die Rede gewesen wäre. Walrave muß seinerzeit in Magdeburg eine höchst bedeutsame Rolle gespielt haben, sehr vermögend und einflussreich gewesen sein, mag aus Haus- und Grundbesitz gewesen sein, - doch bleibt die uns interessante E n t s t e h u n g des Hauses Domplatz Nr.9 unaufgeklärt und hängt jedenfalls mit etwaigen, zur Zeit des Baus desselben (1724-1725) verübten Unterschleife b e i m B a u d e s „S t e r n s“ nicht zusammen. Das Volk, das nach einer Erklärung für die Ursache der fast drei Jahrzehnte langen misteriösen Kerkerhaft einer so allbekannten und für den Preußischen Festungsbau so wichtigen Persönlichkeit suchte, hat wohl später die Zeitbestimmung für den Bau des mit dem Namen Walrave’s doch in irgend einer Weise in Verbindung zu bringenden Hauses am Domplatz, mit der früheren und späteren Aufenthaltszeit in Magdeburg durcheinander geworfen! Durch eine Ironie des Schicksals wurde er in demselben Festungsbau interniert, der ihm selbst seine Entstehung zu verdanken hatte! Der zweite für die Magdeburger mindestens ebenso interessante, durch seine merkwürdigen Erlebnisse noch weit berühmter gewordene Gefangene des „Sterns“ war der schon durch seinen früheren Aufenthalt in der Zitadelle und seine stadtbekannt gewordenen, wiederholt vereitelten Fluchtpläne mit romantischem Zauber umwobene Freiherr Friedrich von Trenck. Weshalb er eigentlich 10 Jahre seines abenteuerlichen Lebens in so schwerer Haft unter geradezu unmenschlich grausamer Behandlung hat absitzen müssen, ist nie recht bekannt geworden! Trenck selbst schweigt sich zwar in seinen bekannten Memoiren in bewusster Zurückhaltung darüber aus, um, wie er doch dabei durchblicken lässt, eine ihm teuere Hochstehende Persönlichkeit – aller Wahrscheinlichkeit nach Prinzeß Amalie, die Schwester Friedrich des Großen – nicht zu kompromittieren, - später tat er sich mit seinen hohen Beziehungen wichtig! Nachdem er 1745 zur Zeit des 2. Schlesischen Krieges zunächst in Glatz interniert war, von dort glücklich entwischte, 1754 wieder festgenommen und nach Magdeburg geschafft war, entwickelte sich eben immer mehr eine gewisse Genialität in der Planung von Ausbruchversuchen, bei denen er aber immer wieder vom Missgeschick verfolgt wurde. Ohne gerade näher auf seinen Lebenslauf eingehen zu wollen, der übrigens so recht charakteristisch für ein Abenteurer und Glücksritter des 18. Jahrhunderts erscheinen mag, soll nur kurz angeführt werden, daß er 1726 zu Königsberg in Preußen geboren und zu seinem Unglück Vetter des Freiherrn Franz von der Trenck, des schneidigen kaiserlich österreichischen Pandurenobersten war, der dem Alten Fritz bekanntlich viel zu schaffen gemacht hatte; Friedrich von der Trenck scheint sich auch wohl damit unvorsichtigerweise gerühmt zu haben. Seit 1740 in preußischen Diensten, wurde er 1744 Ordonnanzoffizier Friedrich des Großen, der ihn sogar zu verwöhnen schien, zog sich damals die Ungnade seines königlichen Gönners wegen der erwähnten Liebesintrige zu und führte von da ab das merkwürdige Dasein, das seinen Namen, zwar weit über Verdienst, unsterblich gemacht hat. In Magdeburg hat er bis zum Dezember 1763 gesessen; endlich wurde er vom König begnadigt, der nach Abschluß des Hubertusburger Friedens die Freilassung Trenck’s der Kaiserin Maria Theresia gleichsam zum Geschenk gemacht hatte. Hauptsächlich war Friedrich wohl durch die trotz aller Verschärfungsmaßregeln immer wieder unternommenen Fluchtversuche Trenck’s den jedenfalls seine Vetterschaft mit dem österreichischen Trenck stark verdächtig gemacht hatte, maßlos erbittert, zwar das schließlich bis zur offenbaren Grausamkeit und Ungerechtigkeit! Trenck war und blieb auch späterhin ein Abenteurer, der sich mit dem Rimbus einer wichtigen politischen Persönlichkeit zu umgeben wusste, gänzlich aus der Luft gegriffene Lügen über den Grund seiner Gefängnishaft später selbst drucken ließ und bewusst sich inmitten eines anziehenden geheimnisvollen Dunkels zur historischen Berühmtheit hinausarbeitete. Maria Theresia ließ ihn bald nach seiner Befreiung auf Schloß Kufstein in Tirol abermals einsperren, da er imstande war, sie ihrem hohen Verbündeten gegenüber gründlich zu kompromittieren. Am 25. Juli 1794 wurde Trenck als angeblicher Geschäftsträger fremder Mächte in Paris guillotiniert; übrigens hatte er sich inzwischen in Österreich ein höchst behaglichen Lebens und Familienglücks zu erfreuen gehabt, das aber dem ruhelosen, tatendurstigen, auch wohl zur Intrige nur zu gern geneigten Manne auf die Dauer nicht genügen mochte. Nach dem nur durch einen Zufall missglückten Fluchtversuch aus der Zitadelle wurde es für notwendig erachtet, den Gefangenen an einem besonders sicheren Ort im Wallgraben des „Sterns“ unterzubringen, und man erbaute zu dem Zwecke ein massives Häuschen, das kaum fertig gestellt, auch schon bezogen wurde. Von Austrocknung des feuchten Mauerwerks konnte bei der Eile der Bauausführung und der tiefen Lage des Gefängnisses nicht entfernt die Rede sein. Es zeugt von der ungewöhnlichen kräftigen Körperbeschaffenheit Trenck’s, daß er in diesem feuchten Loche, noch dazu ohne jede Bewegungsmöglichkeit in seinen schweren Ketten, in Ermangelung auch der primitivsten hygienischen Einrichtungen zur Körperpflege 10 Jahre hat aushalten können! Das jetzt vollständig verschwundene Gefängnis war ein Ziegelrohbau, aus Mauersteinen großen Formats in Kalkmörtel errichtet. Es lehnt sich an die äußere Bruchsteinmauer des inneren Grabens (Escarpe), deren Dossierung durch die Rückwand des Gebäudes ausgeglichen wurde. Der Eingang lag auf der Südseite. In der äußeren Abmessung hatte das Gefängnis, die sog. Trenck-Kasematte, 8,4m Länge, 3,9m Breite und 2,75m Höhe von der Türschwelle bis zum Dachansatz gemessen. Ob das beim Abbruch beseitigte flache Zeltdach mit Firstpunkt an der Grabenmauer noch dem ursprünglichen Zustande entsprach, konnte natürlich nicht mehr festgestellt werden. Auch im Inneren werden wohl Veränderungen vorgekommen sein, die jedoch nur unerheblicher Art gewesen sein können, so daß man aber im großen und ganzen auf die frühere Einrichtung zurück zuschließen imstande war (vergl. Grundriß und Schnitt, ferner äußere Ansichten der Trenck-Kasematte). Das Innere des Gebäudes zeigte einen Vorraum von 2,7m Länge und 1,8m Breite. Getrennt durch eine 0,9m starke Mauer befand sich das eigentliche Gefängnis von 3,6m Länge und 2,7m Breite. Für diesen Teil des Hauses hatte man eine größere Stärke der Außenmauern von 1,2m für notwendig erachtet. In einer Höhe von 2,4m über dem Fußboden lag der Scheitel des den Deckenabschluß bildenden flachen Gewölbes. In dem an di Grabenmauer anstoßenden Teile der Zwischenmauer gegen den Vorraum war ein Schornsteinrohr vorgesehen; außerdem scheinen zwei in der südlichen Frontwand ausgesparte etwa 18cm im Quadrat große Kanäle, welche nach oben führen, zur Ventilation gedient zu haben, so daß wenigstens auf diese Weise eine zwar überaus dürftige Lufterneuerung stattfinden konnte. In der südlichen Frontwand zeigte sich noch ein halbkreisförmig geschlossenes mit doppelten, starken, schmiedeeisernen Traillen versehenes Fenster, dem eine der beiden Stichlappen des Gewölbes entsprach; schon hieraus war mit Bestimmtheit zu entnehmen, daß noch der ursprüngliche Zustand vorlag, während die übrigen im Haupt- und Vorraum jetzt noch vorhanden gewesenen Fensteröffnungen augenscheinlich Veränderungen unterzogen worden sind, höchstwahrscheinlich um das Bauwerk für praktische Benutzung zu einem Fortifikations-Bureau oder dergl. in der Bauzeit von 1869 einzurichten. In der südöstlichen Ecke des Hauptraumes hat, wie aus den Spuren an der Wand noch zu erkennen war, das Bett wohl eine einfach hölzerne Soldatenpritsche, gestanden; außerdem war ein „Leibstuhl“ hineingestellt. Damit war die ganze Einrichtung dieser fürchterlichen Behausung erledigt, in welcher ein in der Vollkraft seiner Jahre stehender, durch ein tatenreiches, glänzendes Leben verwöhnter Mensch, ein von den Hofkreisen verhätschelter, vom König sogar begünstigter Offizier und in den besten Lebensverhältnissen aufgeschlossener Edelmann ein Jahrzehnt lang zu schmachten hatte, in vollster Abgeschiedenheit, ohne irgend welche Möglichkeit der Zerstreuung abgesehen von derjenigen – allerdings der besten – welche sein unablässig arbeitendes Hirn ihm in der Vorbereitung von Fluchtplänen gewährt! Bei der jämmerlichen Beleuchtung des Raumes erscheint es kaum möglich, daß die berühmten zinnernen Trenckbecher von dem Gefangenen mit den Ritzungen feinster Art verziert werden konnte, welche eine gewisse künstlerische Begabung nicht verkennen lassen. Es gibt eine große Anzahl solcher Becher, welche Trenck während seiner Gefangenschaft im „Stern“ auf diese Weise verziert haben soll, und es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß man es mit einer reichlichen Zahl von Fälschungen dabei zu tun hat, die wohlfeil herzustellen waren und reißenden Absatz finden mochte, als erst alle Welt anfing, sich für den unglücklichen Gefangenen von Magdeburg und sein trauriges Geschick, noch mehr seine verunglückten, später genau von ihm beschriebenen Fluchtversuchen zu interessieren. Von den als e c h t beglaubigten Trenckbechern besitzt das Magdeburger Museum zwei; über einen dritten berichtet Dr. Bujack in der Zeitschrift der Brussia (Tafel VII und VIII) Königsberg 1887). Das für Trenck’s eigenartige Begabung, auf Entweichungspläne zu sinnen und solche durchzuführen, doch, wie man annehmen sollte, ganz besonders eingerichtete Verließ im Wallgraben des „Sterns“ ließ eigentlich die nahe liegende Vorsichtsmaßregel einem solchen raffinierten Gefangenen gegenüber völlig außer Acht. Wenn auch die Wände in dem Gewölbe dick genug erschienen, ein Durchbrechen zu verhindern, so gewährte doch die auffallend geringe Tiefe der Fundamente bei der Beschaffenheit des hölzernen Fußbodens hinreichende Möglichkeit, daraufhin eine Maulwurfsarbeit mit einigermaßen sicherer Aufsicht auf Erfolg in Angriff zu nehmen. Das geschah denn auch bald, nachdem der aus der Zitadelle nach dem „Stern“ überführte Gefangene sein neues Gefängnis bezogen hatte. Auf die fast bis zum Gelingen geglückte Durchführung des Fluchtplanes, mit allen seinen Fährlichkeiten und unglaublichen Schwierigkeiten der Unterminierung des den Wallkörper stützenden Bruchsteinmauerwerks, an welches sich der Kasemattenbau anlehnte, soll hier nicht weiter eingegangen werden, - man lese darüber seine eigene „merkwürdige Lebensgeschichte“ und die „Erzählung seiner Fluchtversuche aus Magdeburg“ nach. Es muß aber nach allem geradezu wunderbar erscheinen, wie solche gewaltigen unterirdischen Erdarbeiten von einem Jahr lang unzureichend genährt, unter den ungesundesten Verhältnissen lebenden, vielmehr fast lebendig begrabenen Menschen ausgeführt werden konnten, ohne die geringsten Hülfsmittel, abgesehen von einem ihm zugesteckten Meißel, Nagel oder dergleichen. Man weiß nicht, worüber man mehr staunen soll, über die unglaubliche Findigkeit des unglückseligen Gefangenen oder über die übermenschliche Zähigkeit und Geduld, zehn Jahre lang in diesem Loche zu hoffen und nicht über seine immer wieder vereitelten Pläne zu verzweifeln, oder endlich über dis körperliche und geistige Widerstandsfähigkeit eines nach unseren gegenwärtigen Begriffen unerhört grausam behandelten, im Grunde unwichtigen, vielleicht gegenüber dem ihm zur Last gelegten Verbrechen ziemlich unschuldigen Gefangenen! Als ein geniales Kunststück mag es außerdem immer auch noch jetzt angesehen werden, wie die verhältnismäßig kolossalen Erdmassen überhaupt, ohne daß es bemerkt wurde, bewältigt werden konnten, die von dem unermüdlichen Maulwurf während seiner allnächtlichen Minierarbeit doch derart beseitigt werden mussten, daß weder innen noch außen die geringste Spur des herausgeschafften Bodens von der immer mehr verschärften Bewachung entdeckt werden konnte! Jedes Sandkörnchen musste tatsächlich für sich in sinnreichster Weise an die Luft befördert werden – wie? möge man wie gesagt lieber selbst in den ganz interessanten, zweifellos etwas romanhaft gefärbten Aufzeichnungen des bedauernswerten Freiherrn nachlesen, der mit seiner fabelhaften Energie eine gewisse Sympathie unwillkürlich und unwiderstehlich von rein menschlichen Standpunkt aus in Anspruch nimmt. Es mag noch erwähnt werden, daß sich gelegentlich der jetzt erfolgten Ausbruchsarbeiten des „Sterns“ überall herausgestellt hat, daß die Fundamente n u r s e h r w e n i g unter die Wallsohle heruntergeführt waren, kaum daß die sonst übliche frostfreie Tiefe (1 bis 1,20m) gewahrt blieb, daß ferner der Untergrund aus Sand besteht. Daher konnte es tatsächlich an und für sich technisch nicht so überaus schwer fallen, unter der Fundamentsohle der Escarpenmauer hindurch, weiter unter dem verhältnismäßig leichten, weiter unter dem verhältnismäßig leichten, nur ausnahmsweise mit Steinen durchsetzten Erdkörper des Walles hindurch sich ins Freie hindurchzu „buddeln“, was aber der unglaublichen Leistung des nächtlichen Arbeitens weiter seinen Abbruch tut, der ja nicht nur vorwärts zu wühlen, sondern außerdem noch die geförderte Bodenmasse rückwärts zu schaffen und ins Freie Korn für Korn tatsächlich hinauszublasen hatte! Auf einer alten Abbildung erblickt man den merkwürdigen Mann in einer etwas theatralischen Pose, auf seinem eigenen Grabstein stehend, mit zierlicher Beinstellung und graziöser Handbewegung trotz der mächtigen Ketten, mit denen Hände und Füße unter sich und mir den im Mauerwerk befestigten Ringen und Bügeln verbunden sind. Die Unterschrift des in einem photographischen Abzug in der hiesigen Stadtbibliothek aufbewahrten Porträts lautet: „Friedrich Freiherr von der Trenck R.R. Major der Cavall. in seinem 10jährigen Gefängnis und 68pfündigen Fesseln in Magdeburg.“ Augenscheinlich sind die Details von Trenck selbst angegeben; es liegt auch sicher eine Porträtähnlichkeit vor, wie man durch Vergleich mit einem zweiten Bilde von Trenck sehen kann, das „Frederic Baron de Trenck“ im Jahre 1789 mit klugen nachdenklichem Blick, etwa dem Blick, etwa dem Typus eines Lafayette oder anderen Freiheitskämpfers der Revolutionszeit entsprechend, also weniger Jahre vor seinem tragischen Ende in Paris zeigt *). Das unansehnliche Gebäude, in welchem Trenck so lange eingeschlossen war, machte natürlich auf den Charakter eines der Erhaltung werten Bauwerks nicht den mindesten Anspruch. Als ein Urenkel des berühmten Freiherrn beim Magistrat der Stadt Magdeburg die Erlaubnis nachsuchte, das Material der Kasematte zum Wiederaufbau im Park des alten Familienbesitzes Derer von der Trenck in der Nähe von Königsberg in Preußen verwenden zu dürfen, nahm man nicht Anstand, dem pietätvollen Wunsche zu willfahren, da es sich für uns in der Tat um eine historische „Kuriosität“ handeln konnte. Da aber eigentlich nur rohe, Großgeformte alte Mauersteine in Betracht kamen, die noch dazu beim Abbruch zertrümmert wurden, so verzichtete schließlich der Nachkomme auf den ursprünglichen Plan einer Wiederherstellung der Kasematte in Originalbeschaffenheit und begnügte sich damit, aus den gewonnenen Mauersteinen einen K a m i n zu errichten, damit an stillen Winterabenden des unglücklichen Ahnen im Familienkreise noch gedacht werden möchte, der hinter denselben Steinen so furchtbare Jahre seines abenteuervollen Lebens hatte zubringen müssen! Gelegentlich des Abbruchs der Kasematte haben sich übrigens nennenswerte Spuren von dem Kerkerleben Trenck’s nicht vorgefunden, was sich wohl daraus erklärt, daß im Laufe von 1 ½ Jahrhunderten schon wiederholt danach gesucht sein mag. Die hier beigefügten Abbildungen mögen dazu beitragen, das Gedächtnis *) Peint par Figer, directeur de l’academie de Vienne, grave par F. Huot. an diese Stätte wachzuhalten, an welche sich so manche romanhafte Erinnerungen alter und junger Magdeburger der gegenwärtigen Generation knüpfen. In kürzester Frist wird auch die letzte Spur einer immerhin historischen Stelle von Alt-Magdeburg verwischt sein! Die weitere Geschichte des „Sterns“ ist wenig interessant, wie ja auch von der Z i t a d e l l e von Magdeburg so gut wie nichts zu (jagen) sagen wäre. Mit ungeheuren Kosten wurde in den Jahren 1869 bis 1872 ein Um- und Erweiterungsbau ausgeführt, der bezweckte, die bis dahin isolierte Sternschanze in die ununterbrochene zusammenhängende Fortifikationen der neuen Enceinte einzugliedern. Damit wurde die ursprünglich durchaus symmetrische Gestalt des Werks verändert, indem die rückwärtige, stadtseitige Hälfte nun als Bestandteil der Südfront ausgebildet wurde; di Kasematten des eigentlichen Donjon wurden dabei wesentlich erweitert, indem den gewaltigen bombensicheren Räumen mit 8m hohen, spitzbogig gestalteten Bruchsteingewölben von über 10m Spannweite, noch nach dem Außengelände hin, also auf der Südseite „Enveloppen“ in Form von Parallel-Kasematten vorgebaut wurden. Mit derartig profilierten Kasemattengewölben wäre natürlich für praktischen militärischen Zweck gar nichts anzufangen gewesen, und man hatte daher gleich v o n v o r n h e r e i n Vorkehrung getroffen, eine Zwischendecke mittelst starker Balken und darüber gelegtem einfachem Bohlenbelag einzuziehen und hierdurch eine zweigeschossige Anlage zu schaffen, die insgesamt zur Unterbringung von zweitausend Mann Besatzung hinreichend Platz gewährt. Beiläufig wurden bei dem jetzt erfolgten Abbruch allein etwa 6km Balkenhölzer gewonnen! Es handelte sich also um ein kolossales verteidigungsfähiges und bombensicheres Kasernement zugleich Depot von Kriegsmaterial, Waffen und Munition, damit war im „Stern“ der jedenfalls für damalige Verhältnisse stärkste Teil der Befestigung Magdeburgs geschaffen. Hierzu kam ein wahrhaft labyrinthisches Netz unterirdischer Minengänge, die vom äußeren Wallgraben ansetzten und weit in’s Außengelände des Blacis sich verzweigten, in einer Gesamtausdehnung von etwa 2 ½ km. Die unter Friedrich Wilhelm I. noch in verhältnismäßig einfacher Ausführung, den sparsamen Prinzipien des Königs und seines Gouverneurs, des „Alten Dessauers“, entsprechend gebaute Schanze mag immerhin schon eine für damalige Zeitverhältnisse sehr hohe Summen verschlungen haben. Hierzu traten nun aber die ungeheuren Kosten des Um- und Erweiterungsbaus im vorigen Jahrhundert, die bezwecken sollten, die Sternschanze den neuesten artilleristischen Anforderungen gemäß umzugestalten; damit wurden die großartigen Hohlbauten geschaffen, die zusammen mit den älteren Gewölbebauten unser Staunen und zugleich unser Bedauern hervorrufen, daß so viele Millionen nun nutzlos verschwendet sind. Es fehlte nicht an Wirtschafts- und Wachtkasematten, die im rückwärtigen d.h. stadtseitigen Teile unter dem Kavalier der eigentlichen Enceinte untergebracht wurden, an Flankierungsanlagen zur Bestreichung der inneren Gräben für den theoretischen Fall, daß der Feind eingedrungen sei, und nun zu seiner Abwehr das ganze Grabenterrain unter Feuer genommen werden müsse. Zu dem Zwecke waren in raffinierter Weise Schießscharten insbesondere für Infanterie-Verteidigung angelegt derart, daß tatsächlich jeder Zoll im Vorterrain dem Gegner würde streitig gemacht werden können – Alles zusammen ein staunenswertes Erzeugnis älterer und moderner Kriegsbaukunst, das zwar Dank den neueren und neusten Errungenschaften der Kriegswissenschaften am Schlusse des 19.Jahrhunderts als vollkommen veraltet und also wertlos erachtet werden musste! – Von dem ganzen gewaltigen Fortifikationswerk, daß mit Aufwendung von vielen Millionen geschaffen ist, ohne daß es jemals zu irgend einer Zweckerfüllung gelangt wäre, wird in wenigen Monaten nur ein einziger verhältnismäßig winziger Baurest noch Zeugnis ablegen, das ist das P o r t a l, dessen gegenwärtiger Standpunkt vor der Ausmündung der Augustastraße im Süden übrigens keineswegs mehr der historischen Stelle des ursprünglichen Eingangs zum „Stern“ entspricht. Das ist nach dem Anschluß der Sternschanze an die neue Festungs-Enceinte im Umbau von 1872 leicht einzusehen! Das in kräftigen im ganzen wirkungsvollen Barockform errichtete Tor erscheint als der einzige künstlerische Luxus, den man sich bei diesem Fortifikationsbau gestattet hat. In ganz ähnlicher Weise hat man bei dem Bau der Z i t a d e l l e geglaubt, wenigstens durch Aufführung eines effektvollen Portalbaus am Haupteingang der Nordseite – übrigens in seinen architektonischen Verhältnissen und unter Verwendung von Sandstein – dem nüchternen militärischen Bedürfnisbau einen künstlerischen Schlusspunkt aufsetzen zu müssen. Wenn beim „Stern“ das von seinen jetzigen geschmacklosen Zutaten im modernen „Fortifikations-Stil“ befreiten Prunktor demnächst inmitten einer gärtnerischen Schmuck-Anlage dasteht, so wird der pietätvollen Erinnerungen an das zwei Jahrhunderte lang hier vorhanden gewesene „Zwing-Uri“ damit auch genügend Rechnung getragen sein. Es ist eine grottenmäßige Ausbildung vielleicht mit dem Beiwerk eines Rokokobrunnens in Aussicht genommen, etwa wie die beiden von der Niederlegung der Festungswerke von Stettin erhalten gebliebenen Portalarchitekturen, die in gleicher Weise dort von dem damaligen Zustand als einzige Wahrzeichen noch zeugen. Zwar kann sich das jetzt etwas ramponierte und verwittert aussehende Stern-Portal nach seiner künstlerischen Erscheinung mit den noch viel aufwandvoller behandelten Monumentaltoren von Stettin kaum messen; es zeigt eine etwas konventionelle Behandlung der ornamentalen Formen, di sich in der Darstellung üblicher Trophäen römischer Art, dazu Trommeln, Fahnen, Blitze und sonstiges kriegerisches Beiwerk im Barockgeschmack bewegen. Oberhalb des Hauptsimses krönt ein gewaltiger, effektvoller Aufbau mit Sklavenfiguren den vornehm gestalteten Bogen, in dessen Schlussstein ein Wappenschild mit dem Namenszug des königlichen Erbauers Friedrich Wilhelms I. und der preußischen Königskrone darüber angebracht ist. Jedenfalls wird dem auf dem Sterngelände in den nächsten Jahren emporwachsenden Stadtteil damit ein bedeutsamer Schmuck von vornherein im Süden gegeben, welchem im Norden als Hintergrund der reizvollen Straßenperspektive der gewaltige Dom entspricht. Es mag noch erwähnt werden, daß man bei Aufstellung des Bebauungsplanes für das Sterngelände bestrebt gewesen ist, schon aus technischen Rücksichten auf die Lage der früheren Hauptwallgräben des Fortifikationswerks nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen, damit man mit den Fundamenten der später hier aufzuführenden Gebäude nicht zu tief herunterzugehen braucht. Das ist auch im allgemeinen gelungen, und so wird man aus der Straßenanlage des zukünftigen Stadtteils noch die Linienführung der alten Sternschanze im wesentlichen erkennen können. Damit dürfte aus der Geschichte des „Sterns“ das bemerkenswerte mitgeteilt sein. Die Stadt Magdeburg hat keine Veranlassung von jeher ziemlich überflüssig gewesenen und in der Jetztzeit total überflüssig gewordenen Fortifikationsbau eine Träne nachzuweinen. Den romantischen Erinnerungen an den Abenteurer und Glücksritter Friedrich Freiherrn von der Trenck gegenüber hat die Gegenwart die Verpflichtung, die ernsten Forderungen modernen Verkehrslebens zur Anerkennung zu bringen. Hoffentlich bricht auch bald einmal der Tag an. an welchem das jetzt noch vorhandene letzte Ü b e r b l e i b s e l der ursprünglichen Festung Magdeburg, die „Z i t a d e l l e“ dahinschwinden wird, wie gegenwärtig dem „Stern“ glücklich der Garaus gemacht ist! Auch für die Zitadelle liegt die Fristenberechtigung vom militärischen Standpunkt der Landesverteidigung schon lange nicht mehr vor, und bereits vor anderthalb Jahrzehnten stand man vor der unmittelbaren Entscheidung über die Niederlegung dieses hässlichen und ungefügen Mauerklumpens an einer so überaus wichtigen Stelle unseres entwicklungsfähigen Stadtgebietes. Leider sind damals die beim Abschluß nahen Verhandlungen mit dem Kriegsministerium, und zwar noch im letzten Augenblick aus anderweitiger Entschließung gescheitert! Freuen wir uns, daß jetzt der „Stern“ wenigstens gefallen ist, dem wir gern eine Erinnerung weihen in der Zuversicht hoffnungsvollen Emporsprießens eines neuen zielbewussten Lebens aus seinen Ruinen!
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