Luftlandeaktion „Violet“ der Special Allied Airborn Reconnaisance Force über dem STALAG XI-A
Die Lage der Kriegsgefangenen in den deutschen Lagern beschäftigte bereits schon 1943 die Alliierten. Sie gingen davon aus, dass sich mit dem abzeichnenden Zusammenbruch Deutschlands die Situation der Gefangenen beträchtlich verschlechtern würde. Die Übernahme der Lager durch die SS 1944 verstärkte ihre Befürchtungen noch dahingehend, dass man Parallelen zur Behandlung der KZ- Insassen befürchtete.
Anfang Februar 1945 wurde deshalb das Alliierte Oberkommando – S.H.A.E.F. beauftragt Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit der Kriegsgefangenen einzuleiten. Ausgehend von der ihm erstellten Vollmacht begann das S.H.A.E.F. mit dem Aufbau einer speziell für den Einsatz in Deutschland vorbereiteten Einheit. Diese setzte sich in erster Linie aus Angehörigen der 101th amerikanischer Fallschirmjägerdivision des amerikanischen Geheimdienstes OSS und des englischen SOE zusammen. Es entstand eine international zusammengesetzte Spezialeinheit – S.A.A.R.F. – Special Allied Airborn Reconnaissanse Force. In dieser Einheit wurden 120 Franzosen 96 Engländer 96 Amerikaner, 30 Belgier und 18 polnische Grenadiere für ihren Einsatz in den im Reichsgebiet bestehenden Gefangenenlagern vorbereitete. Der britische Brigadegeneral J. S. Nichols war der kommandierende Offizier, sein Stellvertreter wurde der Amerikaner J. E. Raymond. Jede Einsatzgruppe hatte eine Stärke von drei Mann, in der Regel zwei Offiziere und ein Funker mit entsprechender Ausrüstung. In der Fallschirmjägerschule Nr.1 in Ringway, England, wurden sie auf ihre Einsätze nochmals speziell vorbereitet. Am 25. April 1945 wurde seitens des S.H.A.E.F. an die S.A.A.E.F. – Truppe der Auftrag gestellt, Einsatzgruppen über dem STALAG XI-A mit Fallschirmen abzusetzen. Die Lagerleitung sollte dahingehend beeinflusst werden, sämtliche Repressalien oder eine beabsichtigte Evakuierung der Kriegsgefangenen zu unterlassen. Dieser Auftrag des S.H.A.E.F. wurde jedoch von der Leitung des S.A.A.R.F. vorerst abgelehnt, die Gründe sind nicht weiter bekannt. Ein Dringlichkeitsantrag vom 23. April 1945 wurde dann aber doch anerkannt. Am 25. April begannen die Vorbereitungen für die Aktion „Violet – Veilchen“. Leiter des Kommandounternehmens, das zu den letzten dieser Art in Deutschland zählte, war der englische Hauptmann und spätere Major Phillip Worrall vom SOE. Es wurden sechs Einsatzgruppen vorbereitet, die Leiter waren: „Eraser“ Worrel, „Briefcase“ Pierre Cambor, „Pennip“ Sam Forchall, „Cashbox“ J. Brown, „Pencil“ Warfield. Im Lager Altengrabow wurde schon seit längerem unter den Gefangenen lebhaft darüber geredet, wer als erster das Lager erreichen würde, die Russen oder die Amerikaner.
Hierzu Auszüge aus den Aufzeichnungen von Wim Bökkering: „Am 25. April 1945 um 20.30 Uhr starteten von der RAF- Basis Grean Durmow drei Absetzmaschinen zum Flug nach Altengrabow. Alle Beteiligten waren mit den entsprechenden Dokumenten versehen, die sie als reguläre Militärangehörige auswiesen. Die Dokumente waren von den Generälen Davis, USA, und Nichols, England unterzeichnet, in ihnen wurden der Status und die Aufgabe der Beteiligten nochmals eindeutig betont. Dass dies notwendig war, macht Hitlers Befehl über die Vernichtung von Kommandotruppen und Fallschirmspringern („Kommandobe-fehl“) vom 18. Oktober 1942 deutlich. Darin befahl er, dass alle von den deutschen Truppen gestellten Gegner bis auf den letzten Mann niederzumachen waren. Dieser Befehl galt auch für die mit dem Fallschirm abgesprungenen Piloten der Alliierten. Die Nichtbe-folgung dieses Befehles zog kriegsgerichtliche Konsequenzen gegenüber den dafür verantwortlichen Wehrmachtsangehörigen nach sich. Bereits am 3. März 1945 hatte allerdings General D. Eisenhower in einem Flugblatt des Alliierten Oberkommandos die deutsche Seite auf die von ihm im Falle der Durchsetzung des Befehls Hitlers beabsichtigten Maßnahmen hingewiesen. Major Worrel landete mit einem Teil des Kommandos in Lagernähe, wurde gefangen genommen und dem deutschen Lagerkom-mandanten übergeben. Er erreichte, dass sich der Lager-kommandant damit einverstanden erklärte, das Lager nicht zu evakuieren und jegliche Repressalien gegenüber den Gefangenen zu unterlassen. Am 2. Mai 1945 empfing Worrel den Funkspruch, dass auf Grund seiner Informationen über die Lage in Altengrabow der Commander der 83rd US- Infanty Division, Robert Macon, mit der Evakuierung der Kriegsgefangenen, die auf die Seite der Amerikaner wollten beginnen sollte. Nicht alle Angehörigen dieses Kommandounternehmens erreichten ihr Zielgebiet. Besonders die französischen Fallschirmspringer waren in eine für sie äußerst unangenehme Lage gekommen. Da sie ihre Funkausrüstung verloren hatten und somit keinen Kontakt zu Worrel aufnehmen konnten, waren sie auf deutschem Hoheitsgebiet völlig auf sich allein gestellt. Eine zweite französische Gruppe landete hinter den russischen Linien, wurde gefangen genommen und der Spionage verdächtigt. Diese Gruppe wurde erst Anfang Juni 1945 im Raum Halle von den Russen freigelassen.
Um 18 Uhr kam ein Sonderbericht von Jan van der Linden: Spezialnachricht an alle niederländischen Kriegsgefangenen: 1. Ein englischer Major, ein Leutnant und ein Unteroffizier vom S.H.A.E.F. – Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces – sind hier (in Altengrabow) angekommen. 2. Sie gehören zum S.A.A.R.F. – Special Allied Airborn Reconnaisance Force – also Luftaufklärungstruppen. 3. Sie sind hier, um an der Versorgung der Kriegsgefangenen aller Nationen mitzuarbeiten. 4. Ihre unmittelbare Aufgabe ist es, Informationen über den Zustand der Kriegsgefangenen in den Lagern Altenbrabow und Groß-Lübars zu sammeln, für den Fall, dass diese Lager von den Alliierten befreit werden. Diese Nachricht erzeugte große Aufregung unter uns. Was sollten wir davon halten? Heute wieder keine Wehrmachtsberichte. Vom Krieg merken wir nichts mehr. Wir können es gar nicht glauben. Nachts hören wir dann aber wieder Geschützfeuer….“
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Toller Artikel Helmut aber bist du dir sicher das mit den Daten alles hinhaut? Nach meinem Wissen war die 83th am 13. April in Altengrabow. Wozu also 2 Wochen später noch eine Luftlandeoperation?
Wo steht, das die 83rd ID bereits am 13.4. in Altengrabow gewesen sin soll??? Das ist nicht möglich, da zu dieser Zeit gerade der Kampf um Schönebeck und Barby begann.
Übrigens, zur Operation Violet könnte es bald weitere Infos aus dem Londoner Nationalarchiv geben... Linse reist zum Monatsende hin und hat ua dazu auch Dokumente zur Auswertung bestellt. Man darf gespannt sein.
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Ich hatte da schon einmal meine Zweifel geäußert ob das denn alles so stimmt: Na Helmut das klingt ja mal interessant. Also war die Aktion konkret geplant. Wobei ich es mal als "sportlich" bezeichnen will mit der Masse bei Barby über die Elbe zu gehen, sich aus den Kämpfen herauszuziehen, 25 km durch Feindgebiet zu gehen und a,m gleichen Tag noch die Kameraden rauszuhauhen. Wenn es tatsächlich so war. Respekt!!
Ich kenne den Text!!!!! Der stimmt einfach nicht. Ich hatte mit dem Kommandant Oberst Poch (gute Verbindung) darüber bereits gesprochen. Außerdem wurden von der 83rd ID nicht nur die Amerikaner und Engländer befreit, sondern auch alle anderen westalliierten Gefangenen. https://www.bundeswehr.de/resource/blob/...wnload-data.pdf
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Auszug aus der neuen Publikation die Anfang Mai zur Befreiung des Stalag XI-A erscheint:
Alliierte Aufklärer über dem Lager im Einsatz
Die schlechten Zustände im STALAG XI-A waren natürlich den Alliierten nicht verborgen geblieben, entflohene Kriegsgefangene lieferten Informationen. Das Lager wurde nun regelmäßig von Fotoaufklärern der RAF und der USAF überflogen. In den vorliegenden Kontrollberichten des Komitees des Internationalen Roten Kreuzes Genf vom 10. Februar 1945, dem 19. März 1945 und besonders im Bericht vom 10. April 1945 wurde auf die unhaltbare Lage aufmerksam gemacht. Die Kontrolle des Lagers am 10. April 1945 richtete sich daher besonders auf die sanitären Bedingungen, die Versorgung und auf den Einsatz der Kriegsgefangenen im Bereich der Rüstungsindustrie, konkret den Junkers-Werken Dessau und Bernburg. Seitens der Lagerleitung nahmen an der Kontrolle der Lagerkommandant Oberst Ochernal und sein Stellvertreter Oberstleutnant Ballerstedt, als Lagerarzt Oberstabsarzt Dr. Nauwerk, seitens der Abwehr Hauptmann Flack und als Vertreter des OKW Hauptmann Josko teil. Die Vertrauensleute der amerikanischen und englischen Kriegs-gefangenen Laughlin und Schwertz sowie der britische Militärarzt Captain Tate – ein Kriegsgefangener – vervollständigten die Kontrollgruppe, die unter der Leitung von Werner Müller, dem Beauftragten des Komitees, stand. Auffallend an diesen Kontrollberichten ist, dass sich die Aufmerksamkeit der Kontrolleure nur auf die Situation der alliierten Gefangenen, also Amerikaner, Franzosen und Engländer, richtete. Mit 714 Engländern, 1.131 Indern sowie 51 Franzosen im Hauptlager – 52 Engländern und 52 Indern im Krankenrevier und 166 Engländern im Lazarett „A“ bildete diese Gruppe der Kriegsgefangenen aber eine zahlenmäßige Minderheit im Lager. Über die Lage der Kriegsgefangenen der anderen Nationen schwiegen sich diese Berichte allerdings aus. Evakuierung der westalliierten Kriegsgefangenen aus dem STALAG XI-A durch die 83rd Infantry Division
Seitens der 83rd US-Infantry Division wurden Teile des Rcn- Platoon (Aufklärungszuges) des 329th Infantry Regiments unter Leitung Lieutenant Colonel Samuel W. Magill beauftragt, die Evakuierung Altengrabows vorzubereiten. Er schilderte die Situation innerhalb des Lagers in einem Bericht wie folgt: „Im Gebiet um Altengrabow: Vom 2. Mai an bis zum 8. Mai (Ende des Krieges) machte mein Platoon ein paar haarsträubende Erfahrungen östlich der Elbe und zwar in den Dörfern Kerchau; Lindau; Deetz und schließlich in dem riesigen Militärübungsgebiet von Altengrabow. Dieses enthielt noch etwa 19.000 alliierte Kriegsgefangene. Wir erfuhren zum ersten Mal etwas von der Existenz durch drei französische Kriegsgefangene, die geflohen waren. Sie berichteten, dass einige der Gefangenen Amerikaner waren. Unsere Order war dann: die Erkundungen in Richtung Berlin zu stoppen und uns auf das Gefangenenlager zu konzentrieren. Am nächsten Tag kam ein deutscher Krankenwagen durch die deutsche Außenpostenlinie bei Deetz auf uns zu. In ihm war ein deutscher Oberst (Doktor), der sagte, dass er der Lagerkommandant sei und dass im Lager die Lebensmittel zu Ende gingen und es evakuiert werden sollte. Er würde versuchen einen Waffenstillstand mit den deutschen Kampftruppen, die es noch gab, zu vereinbaren; wenn wir beabsichtigen, die Gefangenen zu evakuieren. Colonel Crabill ordnete an, dass ich den Oberst veranlassen sollte, den Waffenstillstand zu arrangieren. Jeden Tag begleiteten wir eine Transport-Company von Zwei- Tonner-Lastwagen und sechs Krankenwagen durch die deutschen Linien zu dem Gefangenenlager. Wir brachten zuerst die Amerikaner heraus, dann Westeuropäer (ungefähr 5.000) und begannen dann 9.000 russische Kriegsgefangene herauszubringen. Wir evakuierten etwa 3.000 der Russen, als die russische Armee ankam und uns stoppte. Als Magill das Lager betrat, hatte sich die Zahl der Kriegsgefangenen Amerikaner beträchtlich gegenüber den am 1. Januar 1945 angegebenen Zahlen erhöht. Auf Grund der Evakuierung des STALAG III-B Luckenwalde kamen sie nach Altengrabow. Richard M. Throckmorton aus Nebraska war einer von ihnen, der 1943 in Tunesien in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. Er kam über Palermo, Capua in das STALAG VII-A Moosburg. Danach führte sein Weg über Frankfurt-Oder und Spremberg in das STALAG III-B Luckenwalde und von dort nach Altengrabow, wo er am 3. Mai 1945 befreit wurde.“
Im After Action Report des 329th Infantry Regiments erscheint für den Zeitraum 2. bis 4. Mai 1945 nur die relativ wenig aussagende Notiz über den Abschluss der Maßnahme. Zuerst waren die amerikanischen, britischen, französischen und belgischen Soldaten abtransportiert worden, der Brückenkopf Barby mit der „Truman Bridge“ war die Übergangsstelle. Zweimal täglich wurden bis zu 70 Lastkraftwagen eingesetzt, um die Soldaten abzutransportieren. Über 40 alliierte Presseleute der 9th US-Army waren vor Ort, was sich nicht gerade förderlich auf den Ablauf der Aktion auswirkte. Den Amerikanern saßen die Russen im Nacken! Einer der Presseleute war der Armeefotograf der 83rd Infantry Division, Toni Vacaro, von ihm sind die Aufnahmen der Evakuierung des Lagers erhalten geblieben. Als am nächsten Nachmittag Teile der russischen Truppe das Lager überrannten, verschärfte sich die Lage beträchtlich. Dem Protest Worrels wurde entgegengehalten, innerhalb von zwei Stunden die Aktion zu beenden. Alle Maßnahmen sollten von diesem Zeitpunkt an in Verantwortung der russischen Truppen realisiert werden.
Wim Bökkering berichtet weiter in seinem Tagebuch über die Befreiung: Donnerstag, 3. Mai 1945: „Um 8 Uhr wach. Um ca. 8.30 Uhr amerikanische Kolonne auf der Straße; Lkw's und Jeeps. Gebrüll am Zaun. Das ganze Lager ist aus dem Häuschen. Wer sind die? Parlamentaire? Kommen sie uns holen? Kurze Zeit später Anruf von van der Linden: Sie kommen uns holen. Sie beginnen in Altengrabow... Die Menschen werden verrückt vor Freude…. Um 12 Uhr kommt wieder eine Kolonne von 68 Autos vorbei. Gebrüll, Geschrei, Freudentaumel. Deutsche Posten, die nur noch zu unserem Schutz da sind, sollen uns vor eventuellen Racheakten der SS schützen, vor denen uns der Oberfeldwebel gewarnt hatte, werfen bei Ankunft der Kolonnen ihre Waffen weg. Besoffene Moffen (Anmerkung: Schimpfwort für Deutsche). Hinter der amerikanischen Kolonne fährt ein deutsches Auto. Hohngelächter und Geschrei. Mir wird gesagt, dass ich mit dem Krankentransport fahre. Der Rest wird etwa 50 km laufen müssen. Ich würde gerne mitlaufen, mache mir aber Sorgen wegen meinem Rücken. Am Nachmittag um 15 Uhr flüchten die Wachen. Die Deutschen beten, dass die Amerikaner kommen, keine Russen, vor denen sie eine Todesangst haben. Deutsche haben heute Nacht in Altengrabow die Lebensmittellager geplündert. Geholfen haben ihnen dabei die Russen… Um 16 Uhr die Information: Morgen um 8 Uhr weg. Hurra! Wir sind alle verrückt vor Freude. Wir dürfen nur wenig mitnehmen, ich muss leider viel zurücklassen. Das mir Liebste, hoffe ich mitnehmen zu können. Das ist ein Ende, von dem wir nur träumen konnten. Gott, kann ich jetzt doch zu Rietjes Geburtstag am 18. Mai zu Hause sein?! Mutter Gottes, hilf! Heute wieder extra Lebensmittel: Reis, Milch und Fleisch. Jetzt genug Kartoffeln. Kistenweise an die Russen gegeben, auch Kleidung usw. Heute Morgen kamen ein paar amerikanische Autos ins Lager. Die Lebensmittelversorgung ist jetzt auch in Händen der Kriegsgefangenen... Jeder isst heute fantastisch. Wollen das Fleisch vor dem Abmarsch noch alle machen. Am Abend kommt eine Kolonne vorbei, dabei sind auch 500 Mädchen. Alle packen fleißig. Jan Nak konnte noch vier Flaschen – schlechten – deutschen Schnaps besorgen, und wir bekamen alle um 21 Uhr einen großen Schluck. Komischer Geschmack, obwohl ich in der Armee öfters mal einen getrunken habe, habe ich den Alkohol während der Kriegsgefangenschaft nicht vermisst. Zigaretten dafür umso mehr. Um 20.30 Uhr sammelten wir uns und bedankten uns bei Pauwels, Major Kroon, Kommandoältester der holländischen Krieggefangenen, Musikanten, Lehrer usw. Danach spielt Jan Reynen zusammen mit einem Saxofonisten und einem Trompeter das Wilhelmus (Anmerkung: Holländische Nationalhymne); ein schwarzer Marokkaner steht stramm mit einer Zigarette im Mundwinkel. Er meint es nur gut.
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Um 22 Uhr ist noch ein holländischer Zivilist ins Lager gekommen, Koos Dam aus Rotterdam. Er und ein Franzose wollen gern mit uns mit. Theo Pauwels holt sie ins Lager rein. Danach kriegt er reichlich zu essen und trinken. Er muss auf einem Tisch schlafen und Valk auf dem anderen. Um 24 Uhr ist immer noch Krach in der Baracke. Heute Abend, 19 Uhr, in Richtung Altengrabow ein großes Feuer...
Freitag, 4. Mai 1945: Um 6 Uhr Wecksignal. Es ist kalt. Gutes Frühstück mit Brot, Fleisch, Milch, Tee, Zucker und Haferschleim. Viele sind krank vom frischen Fleisch und Fett, schwerer Durchfall, was für einige zeitweise eine Katastrophe war. Es ist schönes Wetter. Um 8 Uhr müssen wir fertig sein für den Transport über die Elbe. Alles ist fertig. Um 9 Uhr kommt eine große Autokolonne auf der Straße vorbei, die fahren weiter nach Altengrabow. Es brennen große Haufen mit Sachen, die wir nicht mitnehmen können. Keine großen Probleme mit meinem Rücken… Um 11 Uhr zum letzten Mal Essen holen, eine gute Weißebohnensuppe. Ich habe noch keinen Appetit. Die Leute werden ungeduldig. Ob sie uns heute doch nicht abholen? – Ungeduldig wie kleine Kinder. Im Laufe des Vormittags hören wir mehrere Male heftige Explosionen. Nach 11.30 Uhr fährt eine Kolonne auf der Straße hinter dem Friedhof vorbei. Wir konnten nicht sehen wer es ist. Um 13 Uhr kommen wieder amerikanische Fahrzeuge vorbei, fahren weiter nach Altengrabow. Ein Russe sagt: Russische Panzer in Groß-Lübars. Die deutschen Bewacher, die immer zum Holzholen mitgingen, wollten gerade ins Dorf, um Gepäck wegzubringen und sich Zivilkleidung zu holen. Stehen jetzt beide unentschlossen vor dem Lager. Um 15 Uhr bekommen wir 1/5 Brot und viel Fleisch und Zucker. Wir stehen auf dem Ausguck, um russische Panzer zu erspähen. Um 11 Uhr kamen auf der Straße auch deutsche Truppen mit weißer Fahne, unbewaffnet und mit eigenem Gepäck vorbei. Kurz nach 14 Uhr sahen wir aus unserem Lager Groß-Lübars eine Kolonne amerikanischer Fahrzeuge auf dem Feldweg. Die Kolonne fuhr nicht wie so oft zuvor, vorbei nach Altengrabow, sondern bog auf den Sandweg Richtung Lager ab. Die Lagertore wurden weit geöffnet, ein komischer Anblick. Amerikanische Lkw's und Jeeps rasten durchs Lager. Unser Lager lag im nicht besetzten Gebiet. Da die Russen jeden Moment auftauchen konnten, mahnte uns zur Eile. Jeder hat Angst vor den nahenden Russen, auch die Amerikaner. Ich hatte am Vortag schon meine letzten Besitztümer in meinen Koffer gepackt. Während der Kriegsgefangenschaft war er nicht nur Gepäckstück, sondern auch Kissen, Stuhl usw., ich habe ihn immer noch. Plötzlich, aber nicht unerwartet, nähern sich russische Truppen von allen Seiten. Von überall her rücken sie auf Äckern, Wegen und Pfaden an. Die ganze Welt scheint nur noch aus der russischen Armee zu bestehen. Nicht mit Panzern, wie wir es erwartet haben, sondern mit Pferd und Wagen und anderem leichten Material. Ein kleiner Teil von ihnen besetzte das Lager, durch dass offene Tor kommend. Wir standen schon auf den amerikanischen Lkw's und waren zur Abreise bereit. 60 Mann auf einem Auto dicht aneinandergedrängt. Auf Bitte oder Befehl des russischen Oberst müssen alle Holländer wieder runter von den Autos und antreten. Oh Gott, doch in russische Gefangenschaft? Nein. Ein Offizier hält uns eine Rede in russischer Sprache, ein Dolmetscher übersetzt. Der russische Oberst dankt im Namen der Sowjetrepubliken uns Holländern für die Unterstützung der russischen Gefangenen im Lazarett in Groß-Lübars. Er wünscht uns eine sichere Heimreise. Sind die Russen doch keine Barbaren? (Für mich wird es immer ein Rätsel bleiben, wie der Oberst so schnell von unserer begrenzten Hilfe für die Russen wissen konnte.) Wieder auf die amerikanischen Lkw's und schnell weg, nachdem wir Zustimmung vom russischen Kommandanten hatten, unter dessen Befehl wir seit einigen Minuten standen. Beim Lagertor stand im Garten vor dem Haus unser letzter Lagerführer, den ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde, er selber und einige zurückgebliebene Wachen. Ich sehe noch, dass ein Russe eine kameradschaftliche Geste machte. So wie: Werft die Waffen mal weg, die braucht ihr jetzt nicht mehr. Kein aggressives Lärmen, wie wir es von den Deutschen gewohnt waren. Ihre Waffen lagen jetzt auf einem Stapel im Garten. Ich fühle tiefes Mitleid. Wir fahren Richtung Altengrabow und kommen da auch kurze Zeit später an. Nach ein paar Formalitäten konnten wir Altengrabow gegen 17 Uhr verlassen.“
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In der Literatur ist bisher für die Befreiung des STALAG XI-A die 1. Ukrainische Front angegeben. Das ist definitiv falsch. Deshalb soll hier der Platz für eine Richtigstellung sein. Nach den Dokumenten der 1. Belorussischen Front erreichten Divisionen deren 69. Armee diesen Abschnitt. Südlich der 69. Armee rückte die 33. Armee der 1. Belorussischen Front Richtung Elbe auf Zerbst vor. Die 1. Ukrainische Front schloss noch weiter südlich mit der 13. Armee auf.
Die Gefechtshandlungen der 1. Belorussischen Front im Mai 1945, Militärarchiv der Russischen Föderation in Podolsk.
Auszüge aus dem Kampfjournal dieser Armeegruppe zur 69. Armee und den Divisionstagebüchern
4. Mai 1945 Die Truppen der Armee marschierten im Verlauf des 4.5.1945, ohne auf gegnerischen Widerstand zu stoßen, in westlicher Richtung und erreichten zum Ende des Tages mit den Vorausabteilungen den Abschnitt: KÜSEL, Vorwerk GLIENICKE, KLEIN LÜBARS, LOBURG, wo sie auf Patrouillen der 83. Infanteriedivision der 9. amerikanischen Armee trafen. Am Ende des Tages konzentrierten sich die Truppen der Armee in den nachstehenden Räumen:
61. SK 134. SD – (ausschl.) HOLZHAUS, RINGELSDORF, REESDORF, Gutshof GEHLSDORF (4 km südwestlich von ZIESAR); 312. SD – (ausschl.) REESDORF, WÜSTENJERICHOW, DREWITZ; 41. SD – MAGDEBURGERFORTH, DÖRNITZ, SCHOPSDORF.
91. SK 274. SD – ALTENGRABOW und Wäldchen südwestlich des Areals; 370. SD – Wald 3 km südöstlich von GROSS LÜBARS; 4. SD – Wald 6 km südöstlich von ALTENGRABOW.
25. SK 77. GSD – Gutshof ROTTENAU (2 km südöstlich von LOBURG), ROSIAN, (ausschl.) SCHWEINITZ; 247. SD – ISTERBIES, DEETZ, Wald (3 km südöstlich von ISTERBIES); 117. SD – Wald 2 km nordöstlich von NEDLITZ.
Stab der 69. Armee am 4.5.1945 um 20.00 Uhr - in GÖRZKE
5. Mai 1945 Ohne auf Widerstand zu stoßen, drangen die Truppen der Armee weiter in westlicher Richtung vor, besetzten BURG, MÖCKERN, GOMMERN und erreichten auf der gesamten Frontbreite das östliche Ufer der ELBE. Teilkräfte säuberten Wälder und Ortschaften von kleineren Gruppen des Gegners, die beim Aufeinandertreffen mit unseren Truppenteilen keinen Widerstand leisteten und sich ergaben. Beim Erreichen der ELBE trafen die Truppenteile der 370. SD auf Truppenteile der 9. amerikanischen Armee.
61. SK 134. SD erreichte am Ende des Tages den Abschnitt: (ausschl.) NIEGRIPP, HOHENWARTHE; 312. SD erreichte den Abschnitt: (ausschl.) HOHENWARTHE, ALT LOSTAU, GERWISCH; 41. SD, in der zweiten Staffel des Korps, konzentrierte sich im Wald (2 km westlich von GRABOW);
91. SK 370. SD erreichte den Abschnitt: (ausschl.) GERWISCH, BIEDERITZ, WAHLITZ und hatte eine verstärkte Gefechtssicherung auf einer Elbinsel östlich von MAGDEBURG, wo die Truppenteile der Division auf Truppenteile der 9. amerikanischen Armee trafen; 274. SD konzentrierte sich im Raum PABSDORF (6 km nördlich von MÖCKERN), im Wald 1 km nordöstlich von MÖCKERN; Die 4. SD erreichte den Wald 4-5 km östlich von MÖCKERN.
25. SK 77. GSD erreichte den Abschnitt: (ausschl.) WAHLITZ (5 km nordwestlich von GOMMERN), ZECHAU, RANDAU, 247. SD erreichte den Abschnitt: ELBENAU (5 km südwestlich von GOMMERN), DORNBURG. 117. SD, in der zweiten Staffel des Korps, konzentrierte sich im Raum: KLEPPS (9 km südöstlich von MÖCKERN), GÖBEL, im Wald (2 km südöstlich von GÖBEL).
Stab der 69. Armee am 5.5.1945 um 20.00 Uhr in WÖRMLITZ
11. Mai 1945
91. SK 274.SD – Hohenwarthe, Alt Lostau, Lostau, Möser; 370.SD – Herrenkrug, Biederitz, Heyrothsberge, Wolterdorf, Friedrichstadt; 77.GSD – Pechau, Grünewald, Ranis, Dornburg, Wahlitz, Korpsstab in Büden
61. SK 312.SD – verlegt aus Abschnitt Hohenwarthe nach Altengrabow; Korpsstab in Hohenziatz. Marsch am 12.5.1945 auf der Strecke Wüstenjerichow, Drewitz. Gegen 14.00 Uhr in den Kasernen südlich und südöstlich von Altengrabow; 1079. SR – in den Kasernen von Altengrabow, Unterbringung in den Gebäuden: 5, 6, 7, 8, Offiziere in den Gebäuden 3 und 6; 1081. SR – in den Kasernen von Altengrabow, Unterbringung in den Gebäuden: 9, 10, 11, Offiziere in den Gebäuden 4 und 7; 1083. SR – in den Kasernen von Altengrabow, Unterbringung in den Gebäuden: 12, 13, 14, 21 Offiziere in den Gebäuden 8 und 9; 859. AR, 375.OIPTD – in den Kasernen von Altengrabow, Unterbringung in den Gebäuden: 20, 17, 18, 19 Offiziere in den Gebäuden 5 und 10; Spezialtruppen der Division im Gebäude 23, Offiziere im Gebäude 11, Rückwärtige Dienste in den Gebäuden 15 und 16, Offiziere in den Gebäuden 6 und 12; Divisionsstab im Westteil von Altengrabow.
25. SK 4. SD – Möckern; 247. SD – Ladeburg, Leitzkau; 117. SD – Hobeck; Korpsstab in Dalchau.
274. SD In der Nacht zum 4. Mai ruhten sich die Truppen der Division in ihren Konzentrierungsräumen aus. Am Morgen wurde ab 7.00 Uhr mit den Hauptkräften der Marsch fortgesetzt. 961. SR – Pernitz, Groß Briesen, Greben, Pramsdorf, Altengrabow; 963. und 965. SR – Ragesen, Klein Briesen, Rottstock, Altengrabow; Vorausabteilungen des 963. SR erreichten Groß Lübars. Am westlichen Rand von Altengrabow wurde ein großes Kriegsgefangenenlager entdeckt, 6.000 Gefangene wurden befreit. Es handelte sich um Soldaten der Roten Armee, der anderen Verbündeten, aber auch um Zivilisten unterschiedlicher europäischer Länder. Hier trafen unsere Truppen auch auf amerikanische Sanitätseinheiten, die ihre Soldaten und Zivilisten aus Altengrabow abholten. Auf dem Marsch wurden 200 deutsche Soldaten und Unteroffiziere gefangen genommen. Ihre Befragung zeigte, dass die deutschen Truppen jede Führung verloren hatten, jede Gruppe handelte auf eigene Faust, den Kampf mit der Roten Armee vermieden sie, um sich den Amerikanern zu ergeben.
5. bis 8. Mai 1945 Die Truppen der 274. SD brachten Personal und Ausrüstung in Ordnung. Wegen der unmittelbaren Nähe zu den Verbündeten gab es Unterricht zu den Erkennungszeichen der verbündeten Truppen. Das 961.SR marschierte weiter und erreichte Möckern. Das 963. und 965. SR marschierte über Groß Lübars, Hohenziatz und erreichte ebenfalls Möckern. Die Division erhielt den Befehl, ihr Lager nördlich von Möckern einzurichten. Damit beschäftigte sie sich bis 9. Mai 1945.
9. Mai 1945 Alle Truppen der Division erhielten die Nachricht von der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Auf Befehl des Kommandierenden des 91. SK begaben sich der Divisionskommandeur und die Regimentskommandeure zur Rekognoszierung an das Ostufer der Elbe im Bereich Möser. Sie sollten dort die 312. SD ablösen und den Wachdienst am Elbufer organisieren.
4. Mai 1945 Die Truppenteile der 370. SD setzten die Verfolgung des Gegners fort. 1234. SR – auf der Strecke: Ragesen, Rottstok, Groß-Lübars. Um 14.00 Uhr trafen Vorausabteilungen bei Klein Lübars auf Truppen der Alliierten, die sich von Westen näherten. 1232. SR – auf der Strecke: Gipmansdorf, Weizgrund, Verlorenwasser, Görzke. Um 14.00 Uhr trafen Vorausabteilungen auf Truppen der Alliierten. 1230. SR – folgte dem Weg des 1232. SR. Spezialtruppen und Divisionsstab in Groß Lübars.
An zwei Tagen wurden 558 Soldaten und Offiziere gefangen ge-nommen, darunter 234 verwundete. Es wurden 75 Kriegsgefangene der Alliierten befreit.
5. Mai 1945 Der Gegner zieht sich ohne ernsthaften Widerstand in südwestlicher Richtung zurück. Die Aufgabe der Division: verfolgen des Gegners in Richtung Nedlitz, Friedrichstadt. Ohne auf gegnerischen Widerstand zu stoßen erreichte sie das östliche Ufer der Elbe: 1230. SR – Biederitz 1232. SR – Herrenkrug 1234. SR –Rotehorn Park 940. SR und 400. OIPTD – Heyrothsberge Spezialtruppen und Divisionsstab in Woltersdorf
Mit dem Erreichen des Ostufers der Elbe wurde vom 1232. und 1234. SR ein Patrouillendienst organisiert.
Um 20.00Uhr fand auf Befehl des Kommandierenden der 69. A zur Begrüßung der Amerikaner ein Treffen statt, der Stabschef der 370. SD, Oberst Timakow, traf sich mit dem Kommandeur der 30. ID Generalmajor Hobbs und dessen Stabschef Oberst Stefans in Magdeburg.
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