Da wir ja alle mehr oder weniger Laien sind, möchte ich heute eine Erfahrung mitteilen, die für jeden wichtig sein kann. Da sicherlich auch „Aktivisten“ und „alte Hasen“ hier reinschnuppern, will ich gleich sagen, um was es geht, damit sie nicht ihre Zeit verschwenden, wenn ich das Rad zum zweiten Mal erfinde.
Es geht um die unverzichtbare Rolle von Primärinformationen.
Unter Primärinformationen verstehe ich nicht Zeitzeugenberichte die erst viele Jahre oder Jahrzehnte nach dem Ereignis erstattet werden. Gibt es keine zeitnahen persönlichen Aufzeichnungen (z. B. Schilderungen in Briefen oder Notizen, auch Schulaufsätze, Fotos), sind Verwechslungen, Ergänzungen durch Hörensagen, selbst gemachte „logische“ Erklärungen u. ä. nicht auszuschließen. Für den Berichterstatter ist das alles subjektive Wahrheit.
Schlechter, ja viel schlechter können politisch, ideologisch oder propagandistisch beeinflusste Quellen sein (Geschichte der Sieger oder Verklärung durch die Besiegten). Dafür will ich ein Beispiel geben.
Ich hatte einmal nach Informationen über Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt gesucht und dabei Verblüffendes gefunden.
1. Entlassung aus dem aktiven Dienst
In der Wikipedia wird das Folgende berichtet: „Während der Sudetenkrise 1938 unterstützte er bei der Generalsbesprechung vom 4. August die allgemeine Auffassung der Generalität, dass Wehrmacht und Land noch nicht kriegsbereit seien. Nach der Besetzung des Sudetenlandes im Oktober 1938 wurde von Rundstedt auf eigenen Wunsch am 31. Oktober aus der Armee verabschiedet.“
Es entsteht der Eindruck, dass v. Rundstedt mit seinen Generalskameraden in einer gewissen Opposition zum „Führer“ gestanden hätte. Er ragt insofern heraus, als er „Konsequenzen gezogen“ hat und aus der Wehrmacht ausgeschieden ist.
wird geschrieben: „R. enthielt sich nach Hitlers Machtübernahme jedweder kritischen Reflexion über das neue politische System, verhinderte indessen 1934 und 1938 die Berufung des ehrgeizigen und prononciert nationalsozialistischen Walther v. Reichenau (1884–1942) zum Oberbefehlshaber des Heeres. Bei Beförderungen mehrfach übergangen, dachte er bereits an Rücktritt. … Im Nov. 1938 verabschiedet, wurde er bei Kriegsausbruch reaktiviert …“
Hier entsteht der Eindruck eines passiv-oppositionellen und beleidigten (mehrfach übergangenen) Soldaten. Seine Entlassung aus dem aktiven Dienst erfolgte im November 1938 Ein Grund für die Verabschiedung wird nicht angegeben (bei Wikipedia im Oktober und auf eigenen Wunsch).
2. Reaktivierung
Zunächst Wikipedia: „Im April 1939 wurde er als Leiter des geheimen „Arbeitsstabs Rundstedt“ reaktiviert, der bei der geplanten Invasion Polens (Deckname: „Fall Weiß“) als Heeresgruppenkommando der Heeresgruppe Süd dienen und dafür Aufmarsch- und Operationspläne entwerfen sollte.“
Und nun Deutsche Biographie: „Im Nov. 1938 verabschiedet, wurde er bei Kriegsausbruch reaktiviert und zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd ernannt, die in wenigen Tagen die poln. Verteidigung überrannte.“
Es klafft eine zeitliche Lücke von etwa 5 Monaten (im April 1939 – bei Kriegsausbruch) zwischen der Darstellung von Wikipedia und Deutscher Biographie.
Ich stelle das deshalb so ausführlich dar, weil wir ja oft um Erklärungen von Differenzen von wenigen Stunden oder Tagen ringen.
Um das Ganze zum Abschluss zu bringen:
Ich habe nach Primärdokumenten gesucht, also nicht nach Zitaten, Meinungen, Erklärungen oder Unterstellungen Dritter und folgendes gefunden.
1. Entlassungsgesuch v. Rundstedts vom 28. 3. 1938 Bild entfernt (keine Rechte) 2. Mitteilung über die Genehmigung durch den „Führer“ vom 13. 4. 1938 Bild entfernt (keine Rechte)
3. Schriftwechsel vom Juli und August 1939, in dem der Arbeitsstab Rundstedt bereits als aktive Einrichtung benannt ist. Bild entfernt (keine Rechte) Bild entfernt (keine Rechte)
Habe z.Z. nur eingeschränkten Internetzugang, trotzdem ein weiteres Dokument zum General. Es handelt sich um einen Auszug aus den Befehlen des Führerhauptquartiers Das ist interessanterweise auch als F. Q. abgekürzt. Konkret geht es um einen von vielen Frontbesuchen des "Führers". Er war dabei immer mit dem Flugzeug unterwegs. Hier der Besuch Warschaus nach dem Ende des Polenfeldzuges, wo ihn auch Generaloberst v. Rundstedt begrüßt hat. Bild entfernt (keine Rechte)
Hier ein Bild von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt aus dem Jahr 1945. Bild entfernt (keine Rechte)
Als Oberbefehlshaber West der Deutschen Wehrmacht trägt v.Rundstedt auf diesem Bild keine Generals-Uniformjacke. Es fehlen auch die roten Kragenspiegel. v.Rundstedt zog es vor, Kragenspiegel zu tragen, wie sie an den Paradeuniformen der Stabsoffiziere der Infanterie getragen wurden. Das war möglicherweise seinem Ehrentitel eines Regiments-Chefs des Infanterieregiments Nr. 18 geschuldet. Zu diesen Kragenspiegeln wurde noch die Nummer des Regiments auf den Schulterstücken getragen. In der Hand hält v.Rundstedt den Interimsstab, der im täglichen Dienstbetrieb den Marschallstab vertreten hat.