Befragungsprotokoll Herr Hilgenböker aus Parchau Chausseestr. 54 39288 Parschau
13.1.08 Befrager H. Menzel
Herr Hilgenböker war damals 15 Jahre alt und hatte kaum die Möglichkeit die Dinge zu erleben, was sich in Parschau zugetragen hatte. Für die Einsätze als Flakhelfer war er zu jung und an sonsten zu klein. Er wurde 1945 als Lehrling zum Bauern Schmidt in Ihleburg geschickt, wo er mit den dortigen Fremdarbeitern Polinen und Polen, 1 Russe und auch ein Franzose landwirtschaftliche Arbeiten versah. Es muß am 9.Aprilgewesen sein, als über den Ortsbauernführer oder Ortsgruppenführer nach Braunschweig geschickt werden sollte. Der Bauer Schmidt wusste dies aber zu verhindern Wie sich später für ihn herausstellte, wusste Schmidt, dass der Amerikaner bei Hameln stand und auf Braunschweig sich zu bewegte. Paul Schmidt hörte heimlich Radio London. Hilgenböker war einmal dazugekommen und versprach ihm auch nichts zu verraten. Überhaupt wae das Verhältnis sehr gut. Schmidt behandelte auch die Fremdarbeiter gut, die ihm zugeteilt waren. Es muß am 12.April gewesen sein, als ein Freund Hilgenbökers zu Kurierdiensten und als Essenträger eingeteilt wurde, die vorgeschobenen Posten und die Landarbeiter mit Fremdarbeitern westlich Parchau versorgten. Dort wurde noch emsig an den vorgeschobenen Stellungen und Schützenlöchern und Gräben gearbeitet, die auf der Deichkrone angelegt wurden. Am 13./14.4.45 war der Amerikaner bereits in Rogätz und tauchte am 14.4. bereits auf den Höhen von Kehnert auf. Parchau wurde durch ein 8,8cm Flakgeschütz gedeckt. Noch am 14.4. hatte der Amerikaner südlich und vor allem nördlich Kehnert Artillerie in Stellung gebracht Vorrangig Granatwerfer und Mörser. An diesem Tag hörte man südwärts aus Rogätz Geschützfeuer. Die Jungs, darunter Hilgenböker mussten am 14.4. mit den Fremdarbeitern Bauer Schmidt’s noch zum Schanzen an den Elbdeich Sandfurth gegenüber. Hier wurden die Bauern usw. aus Ihleburg eingesetzt. Es sollen auch die Zerbner und Pareyer an diesen Tagen Schanzarbeiten in Ihrem Abschnitt ausgeführt haben (am Deich). Das betraf auch die Derbener. Vor Parchau entstand eine zweite, zurückgezogene Verteidigungslinie am Parchauer und am Güldensee. Am Güldensee arbeiteten auch Ihleburger Männer. An bestimmten Abschnitten wurden MG-Nester eingerichtet. Hilgenböker und sein Freund hatten die Aufgabe, auf der Deichkrone ein MG-Nest zu bauen. Ein Kriegsdienstuntauglicher Offizier, der lahmte leitete die Schanzarbeiten der Ihlenburger. Hilgenböker und sein Freund waren noch nicht ganz fertig, da kam der leitende Offizier und trieb sie zur Eile an. „Wir bekommen gleich Besuch!“ Was das hieß, erfuhren wir auch kurze Zeit später. Ein Jabo flog relativ tief von Norden kommend, immer entlang des Deiches, schoss aber nicht. Damit war klar, die Ami’s kennen die Absicht die hinter der Schinderei stand und wussten wo die Stellungen unserer Volkssturmleute und Soldaten sich befinden. Dann war wieder alles ruhig und wir bauten unser Nest weiter. Danach schickte uns der Offizier sofort zurück ins Dorf. Unterwegs sahen wir schon viele Bauern, Knechte, Fremdarbeiter zurück gehen. Noch bevor die Amerikaner am Westufer, der Elbe ankamen wurden um den 13.4. KZ-Häftlinge auf das ostliche Elbufer gebracht. Dazu wurde die Fähre Rogätz genutzt. Danach traten die KZler den Marsch Richtung Osten an. Auch bei Parchau und Ihleburg setzte ein KZ-Häftlingszug per Pendelkahn über die Elbe. Jedenfalls hatte Higenböker dies bemerkt als er den „Schmidtschen Hof“ verlassen wollte als er ein nicht abreißendes geklapper auf der Dorfstraße hörte. Die sind wohl von Sandfurth gekommen. Solche Häftlinge hatte er zum ersten Mal gesehen. Da er ziemlich dicht an der Straße stand vernahm er auch leisen und schwachen bettelein nach Brot oder Wasser. Er dachte schon daran, etwas zu holen. Doch da war auch schon ein SS-Mann heran mit seiner langen Weidenrute und schlug Hilgenböker. Sofort sprang er zurück auf den Hof und schlug die Pforte zu. Von einem Fenster aus konnte er den Rest des Zuges beobachten. Den Abschluß bildeten mehrere SS-Leute und Kradfahrer mit MG. Wohin sie marschierten weiß Hilgenböker nicht. Nur hörte er geraume Zeit später weit entfernt mehrere Pistolenschüsse. Heute weiß er, da müssen zu schwache Häftlinge erschossen worden sein. Andere KZler zogen von Kehnert über die Elbe nach Parchau-Ihleburg nach Osten. 18.4. oder 16.4.45 In dieser Zeit war Hilgenböker mit den Fremdarbeitern nordöstlich von Ihleburg auf dem Acker des Bauern Schmidt Kartoffeln zu legen. Hilgenböker stellte die Säcke an die Kante des Hängers und die Fremdarbeiter trugen die Säcke an die vorgesehene Stelle, von wo aus die Kartoffeln dann verlegt werden sollten. Es dauerte nicht lange, da bemerkte Hilgenböker ein amerikanisches Beobachtungsflugzeug am Himmel. Etwa später hörte man auch schon die dumpfen Abschüsse von jenseits der Elbe bei Kehnert der amerikanischen Artillerie, wohl Granatwerfer schweren Kalibers. Dann krachte es bereits auf dem Acker, mehrere Detonationen. Der Bauer, die Fremdarbeiter und Hilgenböker hatten sich aber noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht. 17./19.4.? An diesem Tag war der Bauer Schmit oder Schmidt mit einem Einspännerwagen auf einer Koppel um mit den Fremdarbeitern neue Koppelpfosten zu setzen. Löcher wurden ausgehoben und die ersten Pfosten waren bereits gesetzt, da schossen die Amerikaner wieder über die Elbe. Zuvor war wieder ein amerikanisches Beobachtungsflugzeug am Himmel zu sehen gewesen. Aber diesmal hatten sie sich noch rechtzeitig in ein nahegelegenes Wäldchen in Sicherheit bringen können. Es war der 25.4.45.Noch vor dem 25.4. hatten deutsche Truppen in den Ort Parchau und Ihleburg gelegen. In Ihleburg lagen sie in der Nacht in einer Scheune des Bauern Schmidt und schliefen, Bei ihrem Marsch nach Osten hatten sie einen wagen und zwei Pferde beschlagnahmt, die der Bauer von Tuchheim dann wieder abholen konnte. Nun am 25.4. beauftragte Paul Schmidt Hilgenböker, diese Pferde und den wagen dort abzuholen. Hilgenböker machte sich mit dem Fahrrad auf den Weg, über Hohenseeden. Bei Schattberge vernahm er dumpfes Artilleriefeuer von Westen her. Er stieg vom Rad ab und horchte. Dann schlugen Granaten größeren Kalibers östlich Schattberge am Bahndamm und südlich der Straße ein. Zwei ältere Frauen, die beim Kartoffellegen waren rannten ziellos auf dem Acker herum und brachten sich in Sicherheit. Kurz darauf schlugen weitere drei Granaten unmittelbar vor Gladau ein. Hilgenböker wollte sich damals, als alles wieder ruhig war auf seinen Drahtesel schwingen, nachdem er noch in Ruhe eine Stulle gegessen hatte, die er in der tasche bei sich hatte, als er bemerkte, dass etwa 8 Kräder mit Beiwagen, ca. 20 Mann Soldaten, vom Ostufer duch Gladau gefahren kamen. Sie hatten alle Panzerfäuste und auch MG’s auf dem Beiwagen. Der Zugführer ließ anhalten und fragte Hilgenböker aus, wie es in den Orten an der Elbe aussehe, ob die Brücken über den Wasserläufen noch in Ordnung seien und was der Amerikaner drüben macht. Er hatte in seiner Uniformjacke eine zusammengefaltete Karte dieser Region und Hilgenböker erklärte auf der ihm ausgebreiteten Karte das, was er wusste. Es waren Soldaten einer Panzervernichtungsabteilung. Die wollten nach den Worten des Zugführers noch mit den Ami’s aufräumen. Aber in Wirklichkeit wollten sie sich zum Ami absetzen, in Gefangenschaft. Dann fuhren sie in Richtung Ihleberg weiter. Hilgenböker rieten sie aber sofort umzukehren und nach Hause zu fahren, was dieser dann auch tat. Dem Bauern erklärte er dann die Situation. Dieser hatte dann später seinen Wagen und die Pferde noch Tucheim abgeholt. Auch die Zerbener Mühle soll Treffer abbekommen haben an dem Tag. Anfang Mai 45 In Jerichow rückten noch bevor der Russe da war die zurückflutenden Deutschen Soldaten ein. Ein Offizier einer Einheit wollte dort in der Mühle (Windmühle) ein Beobachtungsposten einrichten, da von dort oben die Elbe und auch die östliche Gegend beobachtet werden konnte. Der Müller verweigerte dies und rückte die Schlüssel nicht heraus. Nun glaubte der Müller das dies Konsequenten nach sich ziehen würde, doch es gaschah nichts. Dies erfuhr Hilgenböker später. 5.5.45 Sonntag Morgens 6:00uhr, Hilgenböker war schon aufgestanden, um das Vieh zu versorgen, denn die Fremdarbeit waren verschwunden. Die hatten sich abgesetzt. Da erschütterten den Ort zwei gewaltige Detonationen. Die Häuser wackelten. Offensichtlich hatte man die Kanalbrücken gesprengt. Eilig hatten sich noch die letzten Deutschen Soldaten über die Elbe abgesetzt. An diesem tag war auch die Zerbner Windmühle, die schon vorher durch Granatsplitter der Ami’s gelitten hatte durch einen russischen Treffer in Brand geraten. Nach 7:00Uhr waren dann russische Stimmen auf der Straße vor dem Schmidtschen Hof in Ihleburg zu hören. Hilgenböker dachte, die Fremdarbeiter seien wieder da und öffnete die Pforte des Hofes. Da standen plötzlich drei Russen vor der Tür und und fragten: „DU Ukrainski?“ Ich sagte ja und dann gingen sie weiter. Vom Fenster aus beobachtete Hilgenböker, dass viele Soldaten durch Ihlenburg zogen, Mongolen usw., mit abgewetzten Stiefeln, abgerissen und zerlumpten. Auch Panjewagen waren dabei. Kleine Ponnys zogen Granatwerfer und die MG’s. Dann war es wieder ruhig. Gegen 8:00Uhr kamen zwei Russen auf den Hof des Bauern Paul Schmidt in Ihlenburg und fragten: „Deutsche Soldaten?“ Der Bauer verneinte und die verschwanden wieder. Gegen 9:00Uhr kamen drei Russen auf den Hof „Wo Soldat?“ Da keiner hier war gingen sie wieder los. Doch zuvor fragte einer den Bauern noch wie späte es sei. Bauer Schmidt, keine Ahnung im Umgang mit den russischen Soldaten wollte höflich sein und holte die goldene Taschenuhr aus der Hosentasche. Er konnte gar nicht erst zur Uhrzeit schauen, da hatte der Russe sie auch schon in der Hand und ging vom Hof. Gegen 10:00Uhr kamen wieder 3-4 Russen auf den Hof und fragten: „Wo ist Motozickle“? (Motorrad). Hilgenböker antwortete „Nix da Motozizickle!“ Dann gingen sie in die Scheune und fanden dort die unter dem Heu die versteckte Maschine, die einige Tage zuvor Hilgenböker von der Elbe hierher geschoben hatte. Die Deutschen hatten sie dort in einem Graben liegen gelassen. Nur die Zündkerze hatten sie entfernt gehabt. Auf dem Hof setzte sich einer auf die Maschine und die anderen schoben ihn herum, in der Hoffnung das sie anspringen würde. Hilgenböker verdrückte sich, den er hatte die Russen belogen und hatte nun Angst davor, was da kommen würde, zumal sie wohl auch über die Unbrauchbarkeit des Motorrad erzürnt sein würden. Vom Hof des Bauern Schmidt sprang er über die Hofmauer zum Nachbarhof und landete dort zwischen zahllosen Benzinfässern die dort gelagert standen. Die waren noch voll. Neben dem Eingang dieses Hofes saß ein russischer, ein Soldat, ein richtiger „siebirischer Tiger“ mit einem langen Karabiner und typisch langen vierkantigen Bajonet auf der Kiste. Verlegen ging Hilgenböker zu ihm heran um sich in das Nachbarhaus zu mogeln. Doch der Soldat winkte ihm freundlichst zu, redete auf russisch, wovon Hilgenböker aber nichts verstand. Dann drehte er sich eine Zigarette (Machorka). Hilgenböker dachte, ob das wohl gut geht mit den Benzinfässern in der Nähe. Aber es passierte nichts. Dann gab der Russe zu verstehen, das er Malako (Milch) wollte. Hilgenböker ging ins Haus und bekam einen großen Topf Milch. Davon war genug da, da die Kühe ja regelmäßig gemolken werden musste, aber keine Abnehmer mehr da waren. Der Russe trank den ganzen Topf in einem Zuge aus und bedankte sich. Nach dem 5.5.(6. oder 7.5.).Auf einer Weide (Fohlenweide) hatte Bauer Schmidt einen Unterstand, wo sich die Tiere bei schlechtem Wetter unterstellen konnten. Hilgenböker sollte dort nach dem rechten sehen. Als er dort ankam, bemerkte er 20 deutsche Soldaten, die sich in diesem Unterstand, voll bewaffnet, versteckten. Sie hatten wohl den Anschluß verpasst und warteten auf eine günstige Gelegenheit, durch die russischen Linien an der Elbe durchzukommen um doch noch in amerikanische Gefangenschaft zu kommen (über die Elbe). Hilgenböker versprach sie nicht zu verraten, was selbstverständlich auch nicht geschah. Was aus ihnen geworden ist, ob sie es geschafft hatten, weis Hilgenbökler nicht.
E N D E Reinschrift Teddy
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Gedenksteine und Denkmäler in unserer Gegend aus der Zeit der beiden Weltkriege
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg haben viele Gemeinden Kriegerdenkmäler errichtet, um an die Gefallenen aus ihren Orten zu erinnern. Wir finden sie noch erhalten in den Dörfern Parchau, Ihleburg, Güsen, Niegripp, Schermen, Theeßen, Reesen, Detershagen und in Grabow. Meistens befinden sie sich auf dem Kirchengelände. Allerdings bereitet es manchmal Schwierigkeiten, die einzelnen Namen zu erkennen. In Detershagen sind auf der einen Seite des Gedenksteins die Gefallenen von 1870/71 uns auf der anderen Seite die vom Ersten Weltkrieg angegeben. In Reesen hat die Kirchengemeinde das Denkmal wieder in Ordnung gebracht. Auf der Vorderseite ist gut zu lesen „Opfer des Weltkrieges aus der Gemeinde Reesen“. Es folgen darunter die Namen der 18 Gefallenen. Der Text auf der Rückseite lautet „Den Gefallenen zum Gedächtnis – den Lebenden…“ (der Rest konnte nicht mehr lesbar gemacht werden). In Möser, Schartau und Hohenseeden sind keine Denkmäler mehr vorhanden. Manchmal verschwinden sie, wenn spätere Generationen etwas anderes dahin haben wollen. In Parchau wurden in den dreißiger Jahren der Breite Weg gepflastert, dabei verschwand das Kriegerdenkmal 1870/71. In Burg musste die Gedenktafel der Gefallenen des Ersten Weltkrieges weichen, weil die Schwimmhalle erbaut wurde. Die Kriegsdenkmäler von Parchau und Ihleburg sollen hier besonders erwähnt werden, weil sie relativ gut erhalten sind. Außerdem bestehen zwischen den beiden Dörfern enge politische, wirtschaftliche, schulische und nicht zuletzt viele verwandtschaftliche Beziehungen. Das Parchauer Denkmal befindet sich auf dem Gelände der Kirche. Mit dem Text kann man durchaus einverstanden sein, Er heißt hier „Den im Weltkrieg 1914-1918 Gefallenen der Gemeinde Parchau/Blumenthal zum Gedächtnis“ Für das Vaterland starben : (es folgen 54 Namen). Allerdings ließe sich über das damalige Vaterland einige kritische Worte sagen. Das Denkmal für Ihleburg ist am Dorfausgang in Richtung Güsen. Hier heißt es „Zum Gedächtnis der im Weltkrieg Gefallenen“. Es folgen 25 Namen. Auf der Rückseite ist ziemlich deutlich zu lesen „Den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den zukünftigen Geschlechtern zur Nacheiferung“. Mit dem letzten Gedanken kann man wohl nicht einverstanden sein. Er soll aber als Ausgangspunkt dienen, um auf Erscheinungen aufmerksam zu machen, die sich nach dem Ersten Weltkrieg abspielten. Alljährlich fanden im Umfeld der Gedenksteine besondere Feiern statt. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn die Lebenden richtige Erkenntnisse mit auf den Weg geben werden. Leider war das nicht so, denn es wurde behauptet, daß Deutschland hätte den Krieg gewinnen müssen. Nur die Revolution von 1918 verhinderte einen Sieg. Auf diese Weise brachte man die führenden Köpfe der Sozialdemokratie in Misskredit. Die geschichtliche Wahrheit ist aber anders. Ein Gefallener aus Isenburg soll besonders hervorgehoben werden, weil von ihm ein Bild beschafft werden konnte. Es ist noch gut erhalten. Sein Name (Otto Eggert) steht ziemlich am Schluß der Tafel, weil er in den letzten Monaten des Krieges 1918 mit 32 Jahren fiel. Er hatte sich 1908 am Ende seiner Dienstzeit in Magdeburg fotografieren lassen. Das farbige Bild in der Paradeuniform mit der Regimentsnummer war schon vorbereitet, sodas nur noch der fotografierte Kopf passend in das Bild gesetzt werden musste. Es sieht wirklich so aus, als ob er in dieser Uniform beim Fotografen erschienen war. Auf der unteren Hälfte des Bildes ist Kaiser Wilhelm II. mit seiner Frau abgebildet. Dazu gehört folgender Text: „Zur Erinnerung an meine Dienstzeit“. Auf der Rückseite ist eine Kaiserkrone abgebildet mit dem Text: „Allerhöchster Dank und Anerkennung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers Wilhelm II“: Leider war es diesem Ihleburger nicht vergönnt, aus dem Ersten Weltkrieg nach Hause zu kommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte man die bisherigen Traditionen nicht fort. In der Regel wurden keine neuen Kriegsdenkmäler errichtet. Man wusste nicht recht, wie man sich verhalten sollte. Teilweise setzten die Familien an den Gräbern ihrer Toten Gedenktafeln mit den Namen ihrer gefallenen Angehörigen. Trotzdem wurden aber Schritte unternommen, um an diese Toten zu erinnern. In Güsen ist an das alte Kriegerdenkmal eine schlichte Tafel angebracht worden. Sie hat folgende Inschrift: „Unseren Toten 1939 bis 1945“. Jeder weiß, welche Toten damit gemeint sind. In Hohenseeden hat man auf dem Friedhof einen würdigen Gedenkstein errichten lassen, auf der die Namen der Kriegsopfer angegeben sind, sogar die Namen von Verwandten, die erst 1945 nach Hohenseeden kamen. In Reesen hat man vor Jahren von der Kirchengemeinde eine Geldsammlung durchgeführt, um einen Gedenkstein in der Nähe der Kirche zu setzen. Unter der Überschrift: „1939-1945 stehen 41 Namen. Der Gedenkspruch dazu lautet: „Aller Blut schreit zu Dir Herr -Erbarme Dich unserer Not und Schuld -Mach uns zu Boten Deines Friedens“. Dieser Spruch fordert keine Wiederholung, er ermahnt die Lebenden, alles zu tun, um den Frieden zu erhalten. Auch wer sich nicht von christlichen Wertvorstellungen leiten lässt, wird mit diesem Text vollauf einverstanden sein. Ein anderes gutes Beispiel der Ehrung der Opfer beider Weltkriege finden wir in Parchau vor dem Friedhof. Die Gemeinde hat sich in den sechziger Jahren der Mühe unterzogen, einen Gedenkstein zu errichten. Wenn man den Text liest „Den Toten zum Gedenken -den Lebenden zur Mahnung“, werden diese Worte bei jedem Zustimmung finden. Wenn man bedenkt, daß aus Parchau und aus Ihleburg 188 Personen in beiden Weltkriegen ums Leben kamen, hat diese Mahnung volle Berechtigung. In den alten Bundesländern sind auf den Dörfern teilweise auch ähnliche Gedenksteine errichtet worden. In einem Ort in der Nähe der Lüneburger Heide auf einem kleinen Friedhof steht ein Gedenkstein mit folgender Inschrift: „Die Toten mahnen-haltet Frieden“. Alle diese Gedanken finden ihren Niederschlag im Volkstrauertag, der als Feiertag füe die neuen Bundesländer noch ungewohnt ist.
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Im August 1944 sollte meine Lehre bei der Stadtsparkasse Thorn ein schnelles Ende finden. Die allgemeine militärische Lage wurde immer kritischer. Die Sowjetarmee stand kurz vor Warschau. Die Westmächte hatten nach der Landung in Nordfrankreich erfolgreich die zweite Front errichtet. Viele begannen doch zu zweifeln, ob der Krieg noch siegreich beendet werden kann. Aber offen sprach das niemand aus, weil man das nicht wagen durfte. Ich als Jugendlicher spürte das noch nicht, weil die nötige Einsicht fehlte. Nun wurde von der Hitler-Jugend dazu aufgerufen, sich freiwillig für den Bau von Stellungen zu melden. Meine Meldung dazu erfolgte irgendwie nachträglich. Im Artushof in Thorn, der Sparkasse gegenüber, fand im Saal zur Aufmunterung eine Kundgebung statt. Die Kapelle des Stadttheaters spielte zur Aufmunterung volle und flotte Märsche. Ein Angestellter von der Stadtverwaltung hielt eine Rede, daß nun die Heimatstadt Thorn zur Verteidigung vorbereitet wird. Dazu ist auch notwendig, daß Schützengräben gebaut werden müssen. Die ganze Angelegenheit wurde nun von der Hitlerjugend organisiert. Auf der Banndienststelle (Leitung der Hitlerjugend für den Kreis Thorn) fand der Bannführer sogar noch lobende Worte, weil sich sogar ein schwer Behinderter gemeldet hätte. Treffpunkt war der Hauptbahnhof. Dazu wurde ein Zug bestellt. Die Fahrt ging in Richtung Osten. Aber nach der ersten Station hatten wie auszusteigen. Der Ort hatte den Namen Schwarzwalde. Nach einem kurzen Marsch wurden wir in einem leeren Haus untergebracht. Strohballen wurden herangebracht und auf dem Fußboden ausgebreitet. Auf diese Weise war es möglich, recht viele Jugendliche unterzubringen. Ein höherer Offizier ließ mitteilen, daß ihm das Haus gehöre und wir deshalb vorsichtig sein sollten. Wir hatten nun täglich sechs Stunden zu arbeiten. Einige Soldaten markierten die Strecke, wo gegraben werden sollte. Die Aufsicht übernahmen Angehörige der NSKK (eine Naziorganisation). Morgens war ein kurzer Appell, dann marschierten wir zur Arbeit. Die Gräben mussten 1,80m tief sein. Für die Breite hatte man oben 60cm vorgesehen. Die erde wurde planiert und mit Mutterboden abgedeckt. Nach der Arbeitszeit hatten wir Freizeit. Das Mittagessen wurde im Freien eingenommern. Anschließend wurde oft noch Dienst durchgeführt., weil man davon ausging, daß Jugendliche beschäftigt werden müssen. Pro Tag bekamen wir 2 mark. Einmal gab es beim Morgenappell einen unangenehmen Zwischenfall. Unter uns waren viele, die zur Volksliste 3 gehörten. Sie hatten Deutsch zu sprechen, weil sie ja echte Deutsche werden sollten. Spottender Weise sagte man zu ihnen Beutegermanen. Sie hatten sich wohl zu dieser Volksliste gemeldet, weil sie verschiedene Vorteile hatten. Heimlich blieben sie wohl doch Polen. Sie beherrschten die deutsche Sprache, aber am Akzent war zu merken, daß Polnisch ihre Muttersprache war. Im Schlafraum merkte ich doch in der Nacht, wenn jemand im Schlaf Polnisch sprach. Am Tage mußten wohl einige unter sich Polnisch gesprochen haben. Ein anderer hatte es wohl gemeldet. Sie mussten beim Appell vortreten und wurden gefragt, ob sie Polnisch gesprochen haben. Ich wunderte mich, wie der eine ganz offen mit einem gewissen Stolz zugab, sich in der polnischen Sprache bedient zu haben. Sie bekamen daraufhin vor versammelter Mannschaft einige Faustschläge ins Gesicht. Außerdem mussten sie sich noch einige abfällige Bemerkungen über Polen anhören. In unserer Gruppe befanden sich zwei Jugendliche, die als Polen angesehen wurden. Sie sprachen aber genau so gut Deutsch wie die Angehörigen der Volksliste 3. Nach ein paar Tagen wurden sie von uns getrennt. Einmal kam sogar ein Soldat ins Lager und besuchte seinen Bruder. Er muß wohl auch zur Volksliste 3 gehört haben. Mit dem Bruder kam ich ins Gespräch. Er meinte doch, daß sein Bruder in Frankreich, obwohl er die deutsche Soldatenuniform an hatte, sich den Franzosen gegenüber als Pole ausgab, sehr freundlich behandelt wurde. Daran konnte man erkennen, daß die Angehörigen der Volkliste 3 sich immer noch als Polen fühlten. Zur Aufmunterung der Schützengrabenbauer, ließ man von Thorn einige Schauspieler und Schauspielerinnen kommen, die in einer Vorstellung Operettenmelodien sangen. Der Programmgestalter fand noch unterhaltende Worte, die er mit erotischen Anspielungen würzte. Interessant waren auch die Gespräche untereinander. Unter den Jugendlichen befanden sich auch viele so genannte Reichsdeutsche, zu denen auch ich gehörte. Die Eltern hatten in Westpreußen verschiedene Anstellungen in den Verwaltungen. Auch bei denen machten sich verschiedene Zweifel bemerkbar über den Ausgang des Krieges. Im Gespräch teilte mir einer mit, daß er mit seine Eltern verabredet habe, wenn die Russen Warschau erreicht hätten, sollte er sofort nach Hause kommen, damit er gemeinsam mit seinen Eltern flüchten kann. Ich glaubte an diese Möglichkeit nicht, weil bei mir die Nazipropaganda wirkte. Trotzdem kam es einmal vor, daß ich von einem Hitlerjugendführer gefragt wurde, ob ich ein Reichsdeutscher wäre, weil ich nach seiner Meinung keine richtige Haltung zeige. Ich war mit seiner Haltung auch nicht einverstanden, weil nach meiner Meinung ein Hitlerjungführer nicht zu rauchen habe. Mir lag auf der Zunge zu sagen, daß ein rauchender HJ-Führer mir nichts zu sagen hätte. Aber soviel Mut hatte ich auch wieder nicht. Während dieser Zeit sprach sich auch bei uns herum, daß all diejenigen, die am Attentat auf Hitler Mitwisser waren, zum Tode verurteilt wurden. Auch uns war bekannt, daß der ehemalige Oberbürgermeister Goerdeler in Westpreußen von einer ehemaligen (hier fehlt leider eine Zeile) Einige Wochen danach wurde unser Lager abgebrochen. Man transportierte uns mit der Bahn nördlich von Thorn nach dem Ort Senskau. Es war ein kleines Dorf. Dort befand sich schon ein Lager. Als wir dort in den späten Abendstunden eintrafen, tobte gerade ein Unwetter. Wir wurden vom Lagerleiter empfangen. Er fiel gleich unangenehm auf, weil es jeden, der nach seiner Meinung nicht militärisch genug sich verhielt, wurde gleich gründlich angeschnauzt. Es war ein ganz eigenartiger HJ-Führer. Er befand sich nicht im jugendlichen Alter. Er muß wohl um die fünfzig Jahre gewesen sein. Hinzu kam noch, daß sich auf seinen Schulterstücken nur zwei Sterne befanden. Also war er nur bestätigter Scharführer. Vom Zivilberuf war er Lehrer. Rückblickend auf diese Zeit muß ich doch bemerken, das war ein ganz fanatischer Nazi durch und durch. Damals hatte ich aber noch nit die Empfindung. Er machte auf vieler und auch auf mich einen lächerlichen Eindruck. Es war genau so, als wenn in heutiger Zeit ein Fünfzigjähriger zur Disco geht und noch bei ganz jungen Mädchen Eindruck schinden möchte. Er hatte eine kurze Hose an, die nicht dem Modeempfinden entsprach. Am Koppel hatte er eine 08-Pistole, die nicht zur HJ-Uniform gehörte. Rein äußerlich wirkte er durch seine gebaren recht lächerlich. Selbst einige HJ-Führer, die im jugendlichen Alter waren, kamen zu dieser Feststellung und das will was heißen. Alle wurden von ihm angeschnauzt, die sich nicht nach militärischen Geflogenheiten verhielten. Wer ein Anliegen hatte, musste in strammer Haltung vor ihm stehen. In der arbeitsfreien Zeit übte er mit uns das Nazilied ein, „Wo wir stehen, steht die Treue“. Weil er aber dabei lächerlich wirkte, konnten einige sich das Lachen nicht verkneifen. Sie mussten damit rechnen, in Arrest zu kommen. Wer nun das gerade nicht besondere Mittagessen wegkippte, wurde als Kriegsverbrecher tituliert. Man durfte nicht durch das Dorf schlendern, sondern musste immer ordentlich marschieren. Eine größere Kolonne hatte dazu noch ein Lied zu singen. Eine gewisse Opposition muß es aber gegeben haben, weil wir einem Lied einen besonderen Text zugeschoben haben, den ich bis heute nicht vergessen habe. Er soll hier angeführt werden: „Wir wollen aus Senskau raus, wir haben die Schnauze voll, bis oben hin“. Es lässt sich denken, daß dieser Text bald verboten war. Einmal wurde ein bunter Abend/Kameradschaftsabend veranstaltet. Jeder konnte zur Belustigung dazu etwas beitragen. Ich brachte den Mut auf, etwas vorzutragen. Ich wurde auch von meinen Kameraden dazu getrieben, weil ich durch witzige Bemerkungen die Umgebung zum Lachen brachte. Als ich dran kam, trug ich einige Blödeleien vor und leistete mir zum Schluß eine gewagten erotischen Witz, den ich von Schauspielern im ersten Lager aufgeschnappt hatte. Es lachte alles darüber, auch die Mädchen. Einer sagte aber doch zu mir, das dies wohl ein bisschen zu weit ginge. Damit hatte er sogar Recht. Am nächsten Tag ging unser Lagerleiter am Graben entlang und blieb bei mir stehen. Er brachte nun vor, daß solche Sachen wohl nicht der nationalsozialistischen Lebensauffassung entsprächen uns das die Nationalsozialisten schon immer solche Dinge bekämpft hätten. Solche Haltung wäre ein Ausdruck für eine gewisse Verkommenheit. Der Lagerleiter Strehlow erwähnte bei allen Gelegenheiten, daß alle seinen Sohn kennen müssten, weil er von Hitler als Oberleutnant das Eichenlaub zum Ritterkreuz bekommen hatte. Dieser Orden wurde von Hitler persönlich überreicht. Bei dieser Gelegenheit soll er gesagt haben, daß so alle Offiziere sein müssten. Außerdem wurden die Namen der Eichenlaubträger in der Zeitung veröffentlicht. Darauf war der Lagerleiter besonders stolz, einen tapferen Sohn zu haben. Enttäuschend war für ihn, daß keiner sich an seinen Sohn erinnerte. Aber im 5.Kriegsjahr wurden schon sehr viele hohe Orden verteilt. An diesem Tage kam eine Jugendgruppe vom Sender Danzig und hat uns ein Kulturprogramm geboten. Das war eine angenehme Abwechslung. Es gab im Lager auch ungefähr hundert Jugendliche, die als Polen angesehen wurden. Sie hatte man von uns abgesondert. Sie sprachen aber genauso gut Deutsch wie die Angehörigen der Volksliste 3. Schließlich bekamen wir einen anderen Lagerleiter. Beim Abschiedsappell mussten wir noch das Lied singen „Wo wir stehen, steht die Treue“. Als wir wieder Appell hatten, kam unter Bewachung von SS-Leuten eine lange Kolonne von Frauen in grauen Kleidern an uns vorüber. Sie wurden ebenfalls zum Schützengrabenbau eingesetzt. Alle hatten Kopftücher und trugen in Brusthöhe ein Stoffabzeichen, wo „Jude“ draufstand. Sie gingen langsam an uns vorüber. Eine Frau habe ich gut in Erinnerung, weil sie mich ganz eigenartig mit ihren dunklen Augen angesehen hatte. Im Lager gab es auch Mädchen, die in der Küche zu arbeiten hatten. Eine davon gefiel mir ganz besonders. Sie hatte hellblondes Haar und blaue Augen. Sie hat für mich auch das HJ-Hemd gewaschen. Später standen wir im Briefverkehr. Sie muß wohl auch zur Volksliste 3 gehört haben, weil sie nicht aus Thorn flüchtete. Einige Jahre nach dem Kriege ließ sie mir über H. Smiegelski einen Gruß bestellen. Mitte September war auch mein Lageraufenthalt beendet.
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Seit 1943 brauchte man viele Soldaten an der Front. Dabei suchte sie nach Möglichkeiten, Soldaten von den Flakgeschützen wegzuholen. An dieser Stelle sollten dafür sechzehnjährige Oberschüler an den Geschützen ausgebildet werden. Vollständige Schulklassen kamen an die Geschütze. Sie wurden nun Luftwaffenhelfer genannt. Die Lehrer kamen nun in die Flakstellungen und erteilten dort Unterricht. Jeder kann sich denken, daß dabei nicht viel herauskam. Als nun 1944 die Fronten näher kamen, sollten auch Lehrlinge von 15 bis 16 Jahren als Luftwaffenhelfer eingezogen werden. So sollte e nicht ausbleiben, daß nun Flakangehörige zu uns ins Lager kamen, um geeignete Jugendliche auszusuchen. Weil man unter der Hand erzählte, daß man beim Militär sich zu nichts freiwillig meldet, versteckte ich mich in einer Kornkiste im Lager Senskau. Aber das hatte keinen Zweck. Einige wussten Bescheid, wo ich war. Schließlich musste ich vorkommen und wurde ohne lange Befragung als Luftwaffenhelfer vorgesehen. Wir wurden mit einem LKW nach Thorn zur Kaserne gebracht. Auf dem Hof warteten wir auf unsere Verwendung. Einige Offiziere gingen vorbei und meinten, daß wir wohl voller Begeisterung unsere militärische Zukunft betrachten. So ähnlich war auch unsere Stimmung. Das lag aber hauptsächlich an unserer bisherigen Erziehung. Wir wurden zuerst mit Luftwaffenuniformen eingekleidet. Wir waren eigentlich richtig stolz, weil man uns nicht ansah, daß wir Luftwaffenhelfer waren. . Wir fühlten uns als richtige Soldaten. Auf dem Kasernengelände begann nun der Dienst. Wir wurden von Unteroffizieren erst einmal richtig gedrillt und an militärische Umgangsformen gewöhnt. Eigentlich war das nichts Neues mehr, weil wir vom 10. Lebensjahr an in der Hitlerjugend mit solchen Umgangformen vertraut waren. Auf einer Stube befanden sich ungefähr 15 Jugendliche. Wir übten marschieren, Wendungen im Marsch und im Stillstand und verschiedene andere Dinge. Ich muß wohl bei diesen Übungen nicht zackig genug gewesen sein, denn der Unteroffizier sagte zum Feldwebel, der mit der Brille spure nicht richtig. Auch beim Mittagessen fiel ich auf. Ungefähr hundert Luftwaffenhelfer standen beim Essen an. Der diensthabende Unteroffizier ließ sich von jedem die Hände zeigen, ob sie auch sauber waren. Als ich meine Hände zeigte, hieß es nur: „Weg, marsch, marsch.“ Das hatte zu bedeuten, daß ich noch einmal meine Hände waschen müsste. Im Waschraum habe ich mir meine Hände angesehen. Ich fand sie sauber. Ich wusch sie nicht und zeigte sie noch einmal. Die Antwort kam nun: „Warum nicht gleich so“: Also ließ er sich auch überlisten. Allerdings musste ich ganz am Schluß der Schlange stehen. Einmal gab es sogar Fliegeralarm. Wir mussten in die Keller. Flugzeuge flogen über Thorn. Wir bekamen zu erfahren, daß sie Warschau anfliegen werden, um dort den Aufständischen zu helfen. Ob das gestimmt hat, weiß ich nicht. In den Abendstunden passierte allerhand in den Stuben. Bei einer Schlägerei ging meine Brille entzwei. Ich musste nun einige Wochen ohne Brille auskommen. Einige hatten schon Mädchen in die Stube bestellt. An der Wache erzählten sie, es wären ihre Cousinen. Dadurch wurde der Besuch erleichtert und außerdem wohnten die meisten in Thorn. Darunter war auch ein Mädchen, das uns erzählte, daß ihr Vater noch vom Polenfeldzug her als polnischer Offizier in einem deutschen Kriegsgefangenenlager sei. Darüber wat ich sehr verwundert. An einem Sonntag bekamen wir Ausgang. Vorher ließen wir uns voller Stolz fotografieren. Vor dem Ausgang kontrollierte uns ein Unteroffizier, ob wir auch vernünftig aussahen. In der Stadt sah man uns noch gar nicht an, daß wir keine richtigen Soldaten waren. Das Grüßen der Offiziere bereitete keine Schwierigkeiten, weil nach dem 20.Juli nur noch der Nazigruß gültig war. Einige Tage später teilte man uns den einzelnen Flakbatterien zu, die um Thorn standen. Es hatten sich schon Freundschaften gebildet. Infolgedessen wollten verschiedene in die gleiche Batterie kommen. Bei der Aufteilung fragte man, wer Reichsdeutscher wäre, wer zur Volksliste 1, 2 und 3 gehöre. Diese Gruppen sollten gleichmäßig verteilt werden. Die Volksliste 3 war hier in der Mehrzahl. Mit verschiedenen kam ich wieder nach Schwarzwalde, wo ich einige Wochen vorher Schützengräben ausgehoben hatte. Die Batterie bestand aus sechs Geschützen. Sie gehörten zur schweren Flak, 8,8cm. Ich kam mit einigen anderen an das Geschütz A.-Anton. Der Geschützführer war der Unteroffizier Reuthe aus Danzig. Vom Zivilberuf war er Zahnarzt. Mein Freund H. Smiegelski kam an das Geschütz B.-Berta. Unsere Unterkunft wat in Finnenzelten. Sie bestanden aus Sperrholzplatten, die zu Rundzelten aufgebaut werden konnten. In der Rundung standen die Holzbetten. In der Mitte befanden sich zwei Tische und zwei eiserne Öfen. Außerdem lagen noch auf dem Erdboden einige Bohlen. In der Mitte hing noch eine bescheidene elektrische Birne. Die Schreibstube mit dem Hauptwachtmeister (Spieß) befand sich in einem massiven Gebäude. Der Dienst begann gewöhnlich mit einem Appell, an dem der Hauptwachtmeister den Dienstplan verkündete. Die schönste Zeit davon waren die Putz- und Flickstunden, weil man dort machen konnte, was einem gefiel. Alle Geschütze waren so aufgestellt, daß sie in einem gewissen Abstand zueinander standen und sich auf gleicher Höhe befanden. Das hat man mit einem Gerät ausgemessen. Nun doch einige unvollständige Erklärungen, wie damals die Flugabwehr aufgebaut war. Meine Erläuterungen können nur unvollkommen sein, weil es schon so lange her ist und wir nicht alles zu erfahren bekamen. Die Geschütze standen im großen Kreis. In der Mitte befand sich die Befehlsstelle mit großen Fernrohren, die nun die Flugzeuge ausmachten. Anschließend wurde Alarm gegeben. Durch Kopfhörer bekamen die Geschütze zu erfahren, aus welcher Richtung die Flugzeuge anflogen. Der Geschützführer hatte ein Kehlkopfmikrofon und einen Kopfhörer. Ebenso hatten die Kanoniere = K, K1, K2 und K6 Kopfhörer. K1 bekam Höhenrichtwerte, K2 bekam Seitenrichtwerte und der K6 bekam Werte für die Zündeinstellung der Granaten. Wenn die Flugzeuge in die Reichweite der Geschütze kamen, sollte geschossen werden. Nun strebte man danach, daß alle Geschütze zur gleichen Zeit schossen. Das war nur dann möglich, wenn bei allen Geschützen die Zündereinstellungen übereinstimmten, damit die Granaten in gleicher Höhe detonierten, um eine möglichst größere Fläche mit Splittern zu versehen. Außerdem mussten noch folgende Faktoren beachtet werden, der Abnutzungsgrad, der Rohre, die Pulvertemperatur, die Geschwindigkeit und Höhe der Flugzeuge, die Zeitdauer des Ladens und die Geschwindigkeit der Granaten. Das Rohr hatte im Inneren 32 Züge, die man beim offenen Rohr gut erkennen konnte. Alles wurde nun gründlich geübt, bis jeder Handgriff schnell erledigt wurde. Im Ernstfall sollte es nun so sein, daß durch Leitung der Befehlsstelle alle sechs Geschütze mit einem Schlag schießen sollten. Der Geschützführer bekam durch die Leitung den Befehl „Gruppe“. Den wiederholte er bei seiner Geschützbedienung, dann musste der Ladekanonier (K3) schon seine Hand auf der Granate haben. Schließlich ertönte nach drei Sekunden lang die Glocke, das war nun das Signal, die Granate aus dem Zünderstellbecher zu holen und in das Geschütz hinein zuschieben. Hörte das Klingeln auf musste geschossen werden. Wir erlebten keinen Angriff auf Thorn und infolgedessen hatten wir nur für den Ernstfall zu üben. Weil ich nun für mein Alter etwas kräftig beleibt war, sollte es nicht ausbleiben, daß ich als Ladekanonier (K3)
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vorgesehen war. Ich bekam einen Ladehandschuh aus Leder, den ich zum Laden benutzen sollte. Die Granaten hatten ein Gewicht von 15kg, es gehörte schon etwas Kraft dazu, den Ladevorgang richtig zu erledigen. Wir haben auch die Ladehandschuhe in der Freizeit zu Boxkämpfen genommen. Dabei holte ich mir Verletzungen. Die Narbe davon ist bis heute noch zu sehen. Nun einige Ausführungen zur Zusammensetzung in der Batterie. Der Batteriechef war ein Oberleutnant. Er ließ sich kaum sehen. Der Leiter der Befehlsstelle war ein Wachtmeister. Dazu gehörte noch Oberluftwaffenhelfer, die schon über ein Jahr als Luftwaffenhelfer eingesetzt waren. Sie gehörten zu einer Klasse einer Stralsunder Oberschule. Sie fühlten sich uns gegenüber überlegen. So sollte es nicht ausbleiben, daß es zu Schlägereien untereinander kam, die solche Formen annahmen, daß der Oberleutnant eingreifen musste. Mir fiel auf, daß sie recht viel in Urlaub fuhren. Die wenigen Soldaten in unserer Batterie waren schon in Warschau und in Wilna im Einsatz gewesen. Die Soldaten erzählten sich Begebenheiten aus Warschau. Sie meinten doch, daß beim Aufstand der Polen Dinge vorgekommen sind, die mit den Kriegsgesetzen nicht zu vereinbaren sind. Einige sprachen die Befürchtungen aus, daß sich alles bei den Deutschen rächen könnte. Nach einigen Wochen erfolgte ein Stellungswechsel unserer Batterie. Wir kamen näher an Thorn heran. Sie lag nun im Vorort Rudak, wir gehörten nun zu einer Großbatterie, die aus zwölf Geschützen bestand. In unmittelbarer Nähe befand sich eine stillgelegte Ziegelei. Nun ging man dazu über, die Flakstellung besser auszubauen. Man begann damit bei dem Geschütz Anton. Wir bekamen einen Holzbunker, der tief in der Erde vergraben wurde. Darüber befand sich eine dicke Erdschicht von über einem Meter. Darin fühlten wir uns besonders sicher. In unserem Bunker schliefen fünf Luftwaffenhelfer und der Geschützführer. Die Holzbetten waren zweistöckig. Zum Schlafen durften wir nur die Jacken und die Schuhe ausziehen. Unter uns befanden sich auch einige vom Geburtsjahrgang 1929, diese wurden jetzt entlassen. Nun noch einige Ausführungen darüber wie sich unser Alltag abspielte. Täglich gab es nun die gleichen Übungen an den Geschützen. An jedem Morgen vor dem Frühstück fanden Leistungsproben statt, ob alle Zuleitungen zu den Geschützen in Ordnung waren. Das Geschütz musste oft geputzt werden. Ich als K3 hatte den Verschlusskeil herauszunehmen und ordentlich einzuschmieren. Er hatte ein Gewicht von 40kg. Es gab auch Unterricht über einheimische und feindliche Flugzeuge Dabei fiel mir auf, daß es sogar schon Flugzeuge mit Raketenantrieb genannt wurden. Dieser Flugzeugerkennungsdienst war wichtig, weil nicht aus Versehen einheimische Flugzeuge abgeschossen werden sollten. Allmählich lernten wir die gängigen Flugzeugtypen kennen. Da es im Kriege vorkam, daß die Flak 8,8 auch im Erdkampf eingesetzt wurde, lernten wir noch Panzergranaten kennen. Dabei fiel mir auf, daß der Unteroffizier sagte der T34 (sowjetischer Panzer) wäre der beste Panzer der Welt. Er könne auch weiterfahren, wenn eine Kette abgeschossen ist. Außerdem hätte er eine so starke Panzerung, die nicht so ohne weiteres durchschossen werden kann. Diese Panzer waren bei den deutschen Soldaten sehr gefürchtet. In den Abendstunden gab es Verpflegung für den Abend und für den frühen Morgen. Ich hatte am Abend schon meine gesamte Verpflegung aufgegessen. Zum Frühstück hatte ich dann nichts mehr. Erst am Mittag konnte ich wieder etwas essen. Am Wochenende fühlte sich der Batterieführer für den politischen Unterricht verantwortlich. Er muß wohl dazu Anweisungen von höherer Stelle bekommen haben. Die Ausführungen des Oberleutnants Bambecks bezogen sich immer auf die politische Lage und auf die militärische Situation. Dabei wurde oft das Lubiner Komitee erwähnt (dieses Komitee war der Vorläufer für eine polnische Regierung). Er stellte auch Fragen, die nur zögernd beantwortet wurden. Hin und wieder habe ich einige Antworten geben. Auch die Oberluftwaffenhelfer kamen mit einigen Antworten. Er muß aber sehr unzufrieden gewesen sein, denn er gebrauchte oft folgende Formulierungen: „Da habe ich wieder Perlen vor die Säue geworfen“. Jahre später bekam ich zu erfahren, daß er damit die Bibel zitiert hat. Eine Begebenheit im Unterricht fand ich sehr bemerkenswert. Zu unserer Großbatterie gehörte auch ein Funkmessgerät (Fu-mg). Mir diesem Gerät war man in der Lage, anfliegende Flugzeuge auch in der Nacht genau auszumachen. Die Westmächte wussten sich aber zu helfen und ließen Staniolstreifen aus den Flugzeugen fallen, damit die Geräte falsche Werte brachten. An diesen Geräten hatte man intelligente Soldaten eingesetzt. Als Unteroffizier gehörte dazu ein Gymnasiallehrer, der überhaupt keine militärischen Geflogenheiten beachtete. Er trat sehr lässig auf. Die Soldaten von diesem Funkgerät nahmen auch am politischen Unterricht teil. Der eine davon war sogar persönlicher Referent in einer Militärverwaltung in den baltischen Staaten. Er äußerte sich in einem Diskussionsbeitrag seht abfällig über den Kommunismus in Russland. Er meinte dort hätte keiner richtige Lust zum Arbeiten, weil dort keiner Besitz hat. In der Batterie wäre es doch ebenso, wenn wir etwas arbeiten sollen. Unsere Lust wäre doch auch nicht groß. Diese Meinung hatte ich mir doch gut gemerkt. Unserem Oberleutnant wurde auch nachgesagt, daß er mehrere fremde Sprachen beherrschte. Er hatte auch Gelegenheit seine Kenntnisse bei einem Zwischenfall anzuwenden. In unserer Batterie gab es auch einige Kroaten. Die Nazis hatten in Jugoslawien die nationalen Gegensätze ausgenutzt und einen kroatischen Staat als Bundesgenosse der Nazis aufgezogen. Infolgedessen befanden sich auch Kroaten in deutschen Uniformen in unserer Batterie. Nur auf dem Ärmel hatten sie das kroatische Wappen befestigt (einem Schachbrett ähnlich). Da nun die kroatische Sprache der Polnischen sehr ähnlich ist, sollte es nicht ausbleiben, daß sie sich mit den Polen gut verständigen konnten. Auch unsere Luftwaffenhelfer, die zur Volksliste 3 gehörten, bedienten sich hin und wieder der polnischen Sprache. Polnisch durfte aber in der Öffentlichkeit nicht gesprochen werden. Irgendwie gab es eine Messerstecherei, wo Kroaten und polnisch sprechende Zivilisten daran beteiligt waren. Wahrscheinlich ging es um Frauen. Unser Oberleutnant verhörte nun die Beteiligten und konnte dabei seine fremdsprachlichen Kenntnisse anwenden, wie ich es aus der Baracke beim Vorbeigehen hörte. Es soll aber nicht der Eindruck erweckt werden, daß die Kroaten schnell bei solchen Vorfällen dabei waren. Zu unserer Geschützbelegung gehörte auch ein Kroate, der gut Deutsch konnte und sonst einen seht ordentlichen Eindruck machte. Zur Klärung des erwähnten Zwischenfalls wurde als Dolmetscher auch ein Luftwaffenhelfer hinzugezogen. Als ich ihn fragte, woher er so gut Polnisch könne, bekam ich zur Antwort, daß dies seine Muttersprache wäre. Also gehörte er auch zur Volksliste 3. Unser Geschützführer war auch gleichzeitig für die Bekleidung zuständig und verwaltete die Bekleidungskammer. In der Soldatensprache gebrauchte man dazu die Formulierung „Kammerbulle“. Das hatte nun für uns den Vorteil, daß wir gute Übermäntel bekamen, die im Winter schön warm waren. Unser bisheriger Batteriechef wurde abgelöst. Man erzählte sich, daß er wegen seiner guten fremdsprachlichen Kenntnisse für andere Aufgaben vorgesehen war. Unser neuer Oberleutnant stammte aus Königsberg. Er verlangte nun vom „Kammerbullen“ einen anständigen Übermantel. Weil meiner sehr gut aussah und die passende Größe hatte, musste ich meinen hergeben. Ich konnte einen anderen aussuchen, der nicht so gut war. Der Oberleutnant bekam von dieser Sache nichts zu erfahren. Am nächsten Tag sah ich ihn in meinem ehemaligen Mantel. Unser Unteroffizier erzählte etwas aus der Vergangenheit. Weil er aus Danzig stammte, wusste er aus der Zeit 1939 zu berichten. Damals war Danzig entsprechend dem Versailler Friedensvertrag eine so genannte Freie Stadt und gehörte somit nicht zu Deutschland. Diplomatisch wurde es von Polen vertreten. Es gab dort besonderes Geld (Gulden). Ebenso gab es dort eine eigene Verwaltung. Im Hafen befanden sich ein Freihafen und eine Post für Polen. Die Eisenbahn war unter polnischer Kontrolle. Die Bevölkerung war überwiegend deutscher Herkunft. Zur Kontrolle wurde ein Komissar vom Völkerbund eingesetzt. Als in Deutschland die Wehrpflicht eingeführt wurde, ging man dazu über, heimlich Bewohner aus Danzig zum deutschen Militär heranzuziehen. Wenn sie zum Urlaub nach Hause fuhren, hatten sie Zivilsachen an. So hat man auch die Bestimmungen des Versailler Friedens hintergangen. Unser Geschützführer ließ aus Danzig seine Frau kommen. Für sie hatte er ein Zimmer besorgt. Sie konnte sich im Batteriegelände aufhalten. Einige Tage nach ihrer Abreise ließ er seine Freundin aus Hannover kommen. Weil sie nicht sofort untergebracht werden konnte, Sie kam in den späten Abendstunden, schlief sie bei uns im Geschützbunker. Damit es sich nicht so sichtbar war, hatte der Unteroffizier eine Decke über das Bett gehängt. Ein Luftwaffenhelfer musste bei einem anderen unterkriechen. Auch für sie wurde ein Zimmer besorgt. Nun noch einige Worte über meinen Freund Hans Smiegelski. Er betonte immer besonders, daß er zur Volksliste 1 gehöre, er sei in Recklingshausen geboren. Gesprächsweise erwähnten andere Luftwaffenhelfer, daß er auch nur zur Volksliste 3 gehören würde. Da war er äußerst beleidigt. Weil er auch von kräftiger Statur war, konnte er auch Ladekanonier am Geschütz Berta sein. Wir gingen oft gemeinsam aus. Einmal nahm er mich mit zu sich nach Hause. Seine Mutter war sehr freundlich zu mir und gab uns auch etwas zu essen. Er rühmte sich zu mir über seine ersten erotischen Abenteuer, sogar mit seiner Stiefschwester. Ob das alles so stimmte, weiß ich nicht, weil ja viele Jugendliche in diesem Alter stark übertreiben, um als Held angesehen zu werden. An dieser Stelle einen kleinen Vorgriff. Als Thorn eingeschlossen war und wir ausbrechen sollten, war er plötzlich verschwunden. Er trennte sich von der Truppe und wollte in Thorn bleiben. In meinem Wahn wat ich noch so blöd und habe später den „Spieß“ darauf aufmerksam gemacht, daß er verschwunden sei. Dieser nahm das ganz ruhig zur Kenntnis. Er hatte auch einen polnischen Namen und beim Sprechen hörten sich einige seiner Formulierungen recht komisch an. Als wir in Danzig ankamen, war er auch nicht mehr bei uns. Einige Jahre nach Kriegsende nahm ich einmal brieflich Verbindung nach Thorn auf (Torun).Die Adresse schrieb mir Tante Olga, weil sie etwas polnisch konnte. Nach einiger Zeit bekam ich von Hans Smiegelski Antwort. Er nannte sich jetzt Leonhard Smiegelski. Mein Brief hatte viele Umwege machen müssen. Er schrieb noch, daß er bei seinem Heimweg noch einen Steckschuß in sein Bein bekam. Er besuchte jetzt eine Fachschule. Er ließ sogar einige Grüße von einigen Mädchen bestellen, die ich noch kannte. Er betonte nun ganz besonders seine polnische Nationalität. Er schrieb noch einmal, dann war es aus mit dem Briefwechsel. Nun wieder zurück. Die Angehörigen der Volksliste 3 wurden doch von den übrigen Deutschen nicht als vollwertige Deutsche empfunden. Man sagte über sie: :Pole bleibt ein Pole, es sind doch nur Beutegermanen oder eingedeutschte Bürger. Wie weit man sie nötigte, Deutsche zu werden, weiß ich nicht. Auf alle Fälle bekamen sie die gleichen Lebensmittelmarken wie die übrigen Deutschen. Auch beruflich hatten sie die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten. Allerdings durften sie nicht Polnisch sprechen. Das akzentfreie Sprechen bereitete ihnen immer noch Schwierigkeiten. Einmal ließen wir uns hinreißen, einen Luftwaffenhelfer aus dieser Volksliste zu hänseln. Dabei fiel auch das Wort „Polacke“. Das war natürlich ein damals ein grobes Schimpfwort. Er hatte das natürlich dem Batteriechef gemeldet. Nun wurden wir zur Verantwortung gezogen. Es wurde von ihm als große Dummheit angesehen (womit er auch recht hat). Er verglich das auch gleich mit der Behandlung der Elsässer vor dem Ersten Weltkrieg, wo auch so etwas ähnliches vorkam. Der Luftwaffenhelfer bekamen wir einen Sold von 15 Mark im Monat. Die restliche 15 Mark sollten wir bei Kriegsende bekommen. Außerdem gab es noch Kuchenmarken von täglich 10 Gramm, damit wir beim Ausgang im Lokal Kuchen bestellen konnten. Ausgang gab es eigentlich recht oft. Während des Ausganges ging ich dann zur Sparkasse, weil ich ja immer noch Sparkassenlehrling war. Einmal sollten wir sogar zur Berufsschule gehen. Ich nahm am Unterricht einer Klasse teil. Es ging hierbei hauptsächlich um die Bestandteile eines Schecks. Das waren mir nicht mehr unbekannte Dinge, weil ich das noch von der Handelsschule wusste. In dieser Zeit feierte unser Sparkassendirektor sei 40jähriges Berufsjubiläum. Dazu bekam er im Artushof einen großen Raum zur Verfügung gestellt. Es gab dort Geflügelbraten, dafür benötigte man keine Lebensmittelmarken. Als sich alles auflöste, gingen die jüngeren Leute über die Straße zu den Räumen der Sparkasse. Es kamen noch einige Soldaten dazu, davon hatte einer ein Akkordeon. Nun wurde getanzt. Dabei hatte ich ein peinliches Erlebnis. Ich tanzte mit einer Bogdana Ch. Als wir im besten Tanz waren, bekam sie einen epileptischen Anfall und wurde nun ganz steif. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie langsam zu Boden gleiten zu lassen. Sie lag am Boden und alle anderen standen herum. Aber nach wenigen Augenblicken kam sie wieder zu sich. Am Schluß brachte ich sie nach Hause, dabei hätte ich viel lieber eine andere nach Hause gebracht. In den späten Abendstunden kam ich in der Batterie an, man musste ja einige Kilometer laufen. Am anderen Tag fiel ich unangenehm beim Dienst auf, weil ich übermüdet war. Natürlich begann man in dem Alter Interesse für Mädchen aufzubringen. Ich stand mit verschiedenen Mädchen im Briefwechsel. Das war natürlich sehr leicht, weil Feldpostbriefe portofrei waren. Im Oktober 1944 muß es gewesen sein, da fand in Thorn eine große Kundgebung statt, weil der Volkssturm gegründet wurde. Eine Abordnung von Luftwaffenhelfer sollte daran teilnehmen. Ich gehörte dazu. Ein Feldwebel/Wachtmeister hatte uns dorthin zu führen. Für uns war das eine willkommene Angelegenheit, um wieder in der Stadt zu sein. Allerdings mussten wir vorschriftsmäßig mit einer Hakenkreuzbinde und einem Koppel über den Mantel kommen. Es war aber die Tendenz vorhanden, diese beiden Dinge nicht zu tragen. Der Wachtmeister übersah das. Auf dem Kundgebungsplatz sah das ein höherer Offizier und begann das zu bemängeln. Weil der Wachtmeister nicht im schlechten Licht erscheinen wollte, begann er uns pro forma anzuschnauzen. Wir wussten aber, daß es von ihm nicht so gemeint war. Nach der Kundgebung konnten wir uns noch einige Stunden in der Stadt aufhalten. In Thorn befanden sich große Kriegsgefangenenlager. So sollte es nicht ausbleiben, daß bei uns zur Arbeit französische, englische und sowjetische Kriegsgefangene eingesetzt wurden. Während die Engländer und Franzosen sauber und ordentlich aussahen, waren die sowjetischen Kriegsgefangenen wahre Elendsgestalten. Sie kamen langsam anmarschiert, haben langsam gearbeitet und sahen ausgehungert aus. Wahrscheinlich war das ihr passiver Widerstand. Die anderen Kriegsgefangenen sahen so aus, als ob sie sich auf einem Kuraufenthalt befinden. Wenn wir die Schalen von den Pellkartoffeln wegschütteten, stürzten sich die sowjetischen Kriegsgefangenen wie ausgehungerte Hühner darauf. Manchmal gaben einige Luftwaffenhelfer einen Kanten Brot, der dann innerhalb von wenigen Sekunden verschwunden war. Es war nämlich streng untersagt, Lebensmittel zu spenden. Bei ihnen entwickelte sich ein verbotener Schleichhandel. Sie stellten aus Metall Zigarettenetuis her und malten Porträts nach Fotografien. Diese Dinge versuchten sie, gegen Brot zu tauschen. Aus Gesprächen mit ihnen bekamen wir zu erfahren, daß die Hersteller dieser Gegenstände nicht arbeiten konnten. Nur wer zur Arbeit ging, wurde besser verpflegt. So gab es unter ihnen einige mit einem Arm oder mit einem Bein. Die Prothese dazu, hatten sie selbst hergestellt. Die Bewachung bei der Arbeit musste von unserer Batterie gestellt werden. Eines Tages bekam ich sogar den Auftrag, als Bewacher mit einem Karabiner die sowjetischen Kriegsgefangenen zur Arbeit anzutreiben. Ich hatte noch einige Monate bis zu meinem 17. Geburtstag. Wenn das die gefangenen wüßsten? Meine antreibenden Worte halfen aber nicht viel. Nur wenn sich unser Oberwachtmeister sehen ließ, arbeiteten sie ein bisschen schneller. Einige konnten sogar ein bisschen Deutsch und ftagten mich, ob ich ein Pole wäre. In der Mittagspause bekamen sie von unserer Feldküche Verpflegung. Das war vielleicht ein Fraß. Bei dieser Gelegenheit kam eine Frau (vermutlich eine Polin) mit einer Tasche auf sie zu und reichte ihnen ein Brot, daß sofort verschwunden war. Ich unternahm nichts dagegen. Die Frau kam noch auf mich zu und redete ganz freundlich mit mir, daß ich dagegen nichts unternehmen solle. Einmal gab ein Gefangener mir zu verstehen, daß er seitwärts seine Prothese in Ordnung bringen möchte. Sie bestand aus einem primitiven Holzbrett, das nach unten schmaler gemacht worden war. Da kam unser Oberwachtmeister und schnauzte mich an, wie ich so etwas zulassen könnte. Wozu hätte ich einen Karabiner. Ich solle doch auf ihn schießen. Ich tat es nicht und ich habe auch nicht den Zwischenfall mit der Brotspende gemeldet. Gegen sowjetische Kriegsgefangene hatte man eine äußerst schlechte Einstellung, weil immer erzählt wurde, die SU erschießt alle deutschen Kriegsgefangenen. Jahrzehnte später las ich in der Zeitung, daß man in Thorn Massengräber von über 10.000 sowjetischen Kriegsgefangenen gefunden hatte. Heute bin ich noch stolz darauf, daß ich keinen davon auf dem gewissen habe. Es gab auch in unserer Batterie so genannte „Hiwis“ = Hilfsfreiwillige. Das waren sowjetische Kriegsgefangene, die sich bereit gefunden hatten, für die Deutschen zu arbeiten. Sie waren besser gekleidet und günstiger verpflegt. Wenn Fliegeralarm kam, musste ich sie wecken, damit sie auch an den Geschützen stehen sollten. Sie waren aber dabei äußerst mürrisch. Sie konnten sich freier bewegen und hatten keinen Wachposten bei sich. Als die Fronten näher kamen, mussten sie auch bewacht werden. Sie beschwerten sich wohl darüber, weil unter ihnen einer war, der gut Deutsch konnte. Kurz vor Weihnachten 1944 gab es einen tragischen Zwischenfall. Es kam ein junger Leutnant, der den Auftrag hatte, das werfen mit scharfen Handgranaten zu überwachen. Diese Übungswürfe sollten in zwei Gruppen erfolgen. Ich gehörte zur zweiten Gruppe und wir sollten unter Leitung eines Unteroffiziers Ordnungsübungen durchführen. Von weitem hörten wir, wie die Handgranaten explodierten. Plötzlich gab es ein furchtbares Gerschrei, weil man ganz laut nach dem Sanitätsoffizier rief. Was war geschehen? Bei den Handgranaten befand sich im Stiel der Zünder. Der Stiel war hohl. Wenn man die Verschraubung entfernte, fiel eine Schnur mit einer Porzellankugel heraus. Zog man diese Kugel heraus, konnte man noch 21, 22, und 23 zählen, dann musste die Handgranate weggeworfen werden. Das musste genau geübt werden. Schließlich kam es dazu, daß ein Soldat die Handgranate richtig hielt und den Zünder zog, aber nicht rechtzeitig wegwarf. So explodierte sie in der Hand. Die Splitter flogen dem daneben stehenden Leutnant in den Unterleib. Dem Soldaten wurde die Hand schwer verletzt. Beide lagen am Boden. Alle rannten nun hin und der Sanitätsunteroffizier legte schnell verbände an. Kurze Zeit später kam ein Sanitätsauto und holte beide. Der Offizier war bei vollem Bewusstsein. Er sagte immer wieder, daß ihm so etwas kurz vor Weihnachten passieren musste. Ein anderer Unteroffizier sagte uns noch, daß wir jetzt sehen können, wie es ernsthaft im Kriege zugeht. Einige Stunden später kam die Nachricht, daß der junge Offizier die schnelle Operation nicht überlebte. Der Soldat kam mit dem Leben davon. Es kam nun Weihnachten 1944. Es gelang mir, zu diesem Zeitpunkt fünf Tage Urlaub zu bekommen. Hocherfeut bestieg ich den Fronturlauberzug in Richtung Berlin. Diese Fahrt war natürlich umsonst. Als wir in den späten Abendstunden in Berlin ankamen, musste ich feststellen, daß ich erst in den frühen Morgenstunden nach Burg weiterfahren kann. Nun gab es in Berlin Hinweise, wo man sich als Militärangehöriger aufhalten kann. In großen Sälen wurde ein Varite-Programm angeboten. Dorthin musste ich natürlich. Es wurden alkoholische Getränke ausgeschenkt. Schlagersängerinnen und –sänger brachten ein unterhaltsames Programm ohne Unterbrechung. Eine schöne Sängerin habe ich noch in Erinnerung. Sie sang bei entsprechender Bühnenbeleuchtung „Unter der roten Laterne von St.-Pauli“. In den frühen Morgenstunden konnte ich nach Burg weiterfahren. Zu Fuß ging es nach Parchau, das ich Heilihabend erreichte. Nach einem dreiviertel Jahr war ich wieder für einige Tage zu Hause. Es gab hier auch noch einige Begebenheiten. In der Nähe unseres Ackers war eine Messerschmidt-Jagdmaschine notgelandet. Ein Voklssturmmann hatte sie zu bewachen. Ich wollte nun mit einer Brieffreundin in Parchau Verbindung aufnehmen, sie brachte aber für mich kein Interesse auf. Am Parchauer See lernte ich ein Mädchen kennen. Sie war 15 Jahre alt und war wegen des Bombenkrieges zu Besuch in Parchau. Sie wohnte sonst in Magdeburg. Sie gefiel mir ganz gut. Ich schrieb später an sie Briefe. Sie antwortete nur einmal. Bei diesem Brief fiel mir auf, daß sie keine Rechtschreibfehler gemacht hatte. Nach Kriegsende war sie in Parchau. Aber sie wollte von mir nichts mehr wissen, wie das so in diesem Alter oft üblich ist. Mein Urlaub war schnell zu Ende. Am 27.12. musste ich schon wieder zurückfahren. Von Burg fuhr ich mit dem D-Zug nach Berlin. Als Militärangehöriger musste ich mir das von der Bahnhofswache bestätigen lassen. Sie befand sich in dem Kiosk vor dem Bahnhof, wo später Fahrkarten für Busse verkauft wurden. Eine Mutter brachte ihre Tochter zur Bahn. Sie sollte bis Landsberg fahren. Dazu sollte ich sie in Berlin zum richtigen Zug bringen. Das tat ich auch. Von Berlin fuhr ich mit einem Fronturlauberzug bis Thorn. Mitten in der Nacht kam ich in der Batterie an. Vom Bahnhof musste ich ja noch ein gutes Stück laufen. Ich kam eine halbe Stunde zu spät. Die Nachtbewachung verlangte von mir die Parole, die ich natürlich nicht kannte. Er erkannte mich bald und so konnte ich in die Batterie. Am nächsten Morgen, ging ich zur Schreibstube und meldete mich zurück. Der Hauptwachtmeister/Spieß war etwas ungehalten, weil meine Rückmeldung nach seiner Meinung zu spät erfolgte. Der Geschützführer nahm sich die Sache gelassen zur Kenntnis. Man hatte mich sogar am Geschütz Anton für mich selbstgemachte Schweinesülze übriggelassen. Nun kam die Jahreswende 1944/45, die auch in der Batterie den Verhältnissen entsprechend gefeiert wurden. Einige Unteroffiziere hatten dazu ihre Frauen kommen lassen. In einem Finnenzelt wurde sogar bei Akkordeonmusik getanzt. Auch ich brachte es zu einigen Tänzen. Das neue Jahr wurde natürlich auch mit Karabinerschüssen in die Luft begrüßt. Eine gewisse Friedenssehnsucht war vorhanden. Einige sprachen sogar die Hoffnung aus, daß im neuen Jahr endlich Frieden sein wird. Sie hofften aber noch auf einen siegreichen Frieden. Von meinem Weihnachtsurlaub hatte ich eine Illustrierte aus Friedenszeiten mitgebracht. In ihr wurden Bilder aus Wien gezeigt. Diese Zeitung wurde von vielen mit großer Wehmut gelesen. Aus vertrauten Gesprächen der Unteroffiziere war doch zu spüren, daß sie kein siegreiches Ende mehr erwarteten. Aber bei dieser Gelegenheit wurde einer sehr deutlich und gewagt (es war kurz vor Weihnachten). Er meinte doch, wie gut es ein Soldat an der Westfront hätte, er brauchte beim Rückzug im Straßengaben nur sitzen bleiben, bis dann die Amerikaner kämen, dann könnte man in die Gefangenschaft gehen. Das waren aber schon gewagte Worte. Aber wir Luftwaffenhelfer machten uns da noch wenige Gedanken. Aber es war zu spüren, daß die Soldaten furchtbare Angst hatten, in sowjetische Gefangenschaft zu geraten. Nach der Sylvesterfeier ging das Leben in der Batterie seinen gewohnten Gang. Das ging bis zum 12.1.1945. Da kam die Nachricht, daß die Russen eine große Offensive begonnen hätten. Es blieb aber bei uns noch alles ruhig, schließlich waren wir 240km hinter der Front. Am 16.1. wat ich noch in der Stadt und hatte auf mein Postscheckkonto noch Geld eingezahlt. Aber unser Obergefreiter kam doch in den Bunker und sagte uns, daß er schon seinen Rucksack packen werde, weil er auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen an den Rückzug denken musste. Schließlich gab es in der Nacht Feindalarm. Wir standen schnell auf und mussten uns in einem Finnzelt einfinden. Unser Oberleutnant teilte uns mit, daß die russischen Panzerspitze das Dorf Alexandrowo (15km östlich von Thorn) erreicht hätten. Damit begann sich unser Soldatenleben ganz gewaltig zu verändern. Einige Wochen vorher hatten man Panzergräben ausgehoben, das musste die Bevölkerung tun. Der Panzergraben teilte unser Batteriegelände. Über ihn musste ein Holzsteg gebaut werden, damit wir in der Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt wurden. Einige Soldaten kritisierten diesen Zustand. Aber Befehl war Befehl. Der Batterieführer hatte sogar noch Galgenhumor. Seine Erläuterungen im Finnenzelt beendete er mit folgenden Worten: „Sehen wir uns nicht auf dieser Welt, so sehen wir uns in Bitterfeld.“ Die folgenden Ereignisse lassen sich nicht mehr so in der richtigen Reihenfolge darstellen, weil es doch zu lange her ist. Dabei ist auch manches vergessen worden. Wir wurden nun in Alarmbereitschaft versetzt. Die Geschütze waren ständig besetzt. In der Nacht hörten wir die Kolonnen der Militärfahrzeuge und Wagen der Flüchtlinge. Am Tage trat nun erstmalig der Ernstfall ein. Sowjetische Flugzeuge flogen Thorn an und warfen einige Bomben. Wir sollten nun schießen. Vor Aufregung klappte natürlich nichts. Ich weiß noch, daß ich ganz schnell eine Granate in das Rohr schob und in Richtung Stadt abschoß. Ob noch einige Granaten zum Abschuß gebracht wurden, weiß ich nicht mehr. Dann durfte ich nicht mehr schießen, weil es in die falsche Richtung ging. Die sowjetischen Flugzeuge kamen im Tiefangriff und waren schnell wieder verschwunden. Von nun an mussten wir Tag und Nacht mit Ablösung unsere Stellung bewachen. Es war zu spüren, daß die Front immer näher kam. Das Batteriegelände wurde nun beschossen. Es hieß, es wären Granatwerfer. Man hörte keinen Abschuß. Plötzlich begann es in der Luft zu flattern, dann kam auch gleich die Explosion. Einmal konnte ich sogar eine anfliegende Granate mit bloßen Augen verfolgen. Glücklicherweise war es ein Blindgänger. In der Nacht sahen wir brennende Gebäude. Der Turm von Thorner Senders lag am Boden. Schließlich ging das gerücht von Mann zu Mann, daß wir eingekesselt sind. Es kam noch einige Male zu Fliegeralarm. Unser Oberwachtmeister war besonders eifrig. Er legte ganz besonderen Wert darauf, daß einige unserer Geschütze zum Erdkampf eingesetzt werden. Sie waren nicht für den Erdkampf geeignet, weil mit ihnen kein Stellungswechsel vollzogen werden konnte. Sie waren auf Holzbohlen im Erdboden festgeschraubt worden. In einer Nacht kamen Luftwaffenhelfer von der Ablösung aus dem Graben zurück und berichtet, daß von sowjetischer Seiten Lautsprecherwagen in deutscher Sprache zu hören gewesen seien, die zur Aufgabe aufforderten und eine anständige Behandlung in der Kriegsgefangenschaft versprachen. Wenn man nicht bereit dazu wäre, wird in den nächsten Tagen ein Angriff erfolgen. Dazu kam es nicht. Jahre später las ich in einer Darstellung, das man sich von sowjetischer Seite bemüht hätte, keine großen Schäden in der Stadt anzurichten, weil der Stadtkern kulturhistorisch wertvoll war. Es ging auch das Gerücht herum, daß so genannte Seydlitz-Soldaten auf der Seite der Russen kämpfen. Wir wurden von diesen Leuten genannt. Nach dem Kriege erfuhr ich, das dies wohl Angehörige vom Nationalkomitee Freies Deutschland gewesen sein müssten. Schließlich wurde es ruhig. Es fiel kaum noch ein Schuß. Der schon erwähnte Oberfeldwebel unternahm mir einem Soldaten ein Spähtruppunternehmen, dabei wurde er leichtsinnig und wurde von einer MG-Garbe getroffen. Er war sofort tot. In den Abendstunden holte man die Leiche in das Batteriegelände. Ich sah ihn noch in einer Zeltbahn liegend, in der er herangeschleift worden war. Er war der erste Tote. Schon in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg hatte er in Spanien gekämpft. Dafür hatte er verschiedene Orden erhalten. Als ich ihn so vor mir liegen sah, dachte ich noch an eine Begebenheit vor einigen Tagen. Er hatte mich furchtbar angeschnauzt, weil ich es wagte, Bauholz als Brennholz zu verwerten. Zu Weihnachten und Sylvester war er noch von seiner Frau besucht worden. Im Thorner Kessel war es ruhig geworden. Es wurde nicht mehr geschossen. Einige Tage später fand nun die Beerdigung des Oberwachtmeisters statt. Der Sarg wurde auf einen Schlitten gelegt. Die gesamte Batterie nahm an dem Trauerzug teil. Neben der Kirche hatte man vorher ein Grab ausgehoben. Als wir dort ankamen, hielt ein Wachtmeister eine kurze Ansprache. Er beendete sie mit einem Vater unser. Die Kirchentür stand offen und ein Soldat -im Zivilleben ein Musikstudent- spielte auf der Orgel ein passendes Musikstück. Das Grab wurde zugeschaufelt und ein Holzkreuz gesetzt. Ein Luftwaffenhelfer (Volksliste 3) wohnte in unmittelbarer Nähe. Er bekam die Hinweise, daß er ständig auf das Grab achten sollte. Eigenartigerweise hatte er sich nicht abgesetzt. Er blieb nach den Ausbruch bis Leipzig mit uns zusammen (Rückzug). Neben der Kirche befand sich auch die Wohnung des Lehrers. Alle Möbel und Bücherschränke waren allerdings stehen geblieben. Aus dem Bücherschrank sah ich mir ein besonderes Buch an. Es war die Rassenkunde von Günter. Das war nun ein typisches Nazibuch. Einige Ansichtskarten von Thorn nahm ich mit. Ich habe sie bis heute noch. Da viele Wohnungen leer waren, weil alle geflüchtet waren, fanden wir Hinweise, daß Plünderer erschossen werden. Vielleicht doch noch den Hinweis zu Günters Rassenkunde. Er wollte darin den Nachweis führen, daß die Germanen die wertvolle Rasse auf der Erde wäre. Das war natürlich unwissenschaftlich Gequatsche. In einer Wohnung war ein Soldat dabei, Kisten aufzubrechen, in denen Gläser mit eingekochtem Hühnerfleisch fand. Er wollte mir davon etwas abgeben. Ich lehnte das aber ab. Aus seinen Worten konnte ich entnehmen, daß wir doch alles verlassen müssen. Also war bei ihm die Siegeszuversicht auch dahin. Irgendwie gelang es mir doch, Ausgang in die Stadt zu bekommen. Ohne Karabiner durfte man nicht gehen. Auf der Straße sah man überwiegend Militärpersonen. Aber auch sehr viele Polizisten und Zivilisten. Die Zivilisten müssen wohl alle in der Stadt geblieben sein, weil sie annahmen, daß sie als Angehörige der Volksliste 3, sofort wieder Polen sein werden. Bis jetzt sprachen sie noch Deutsch und verhielten sich überwiegend ruhig. Zur Aufmunterung der Bevölkerung erschien noch einmal die „Thorner Freiheit“ mit einem Aufruf des Bürgermeisters, der sich noch in der Stadt befand. Die Bewohner wurden aufgefordert, sich bei der Polizei registrieren zu lassen. Es wurde mit Erschießen gedroht, wenn diese Anweisung nicht befolgt wird. Vor den Polizeirevieren habe ich lange Menschenschlangen beobachtet. Nun ging ich noch einmal schnell zur Kulmer Landstraße 44, wo Tante Olga wohnte, sie war natürlich nicht mehr da. Sie hatte rechtzeitig mit der Oma und ihren beiden Töchtern Thorn verlassen. Die Tür war verrammelt. Schließlich wurde es dunkel und ich beeilte mich, in die Batterie zu kommen. Ich kam an einer Molkerei vorbei, wo ich beobachten konnte, wie eine Frau von einem zurückgebliebenen Mitarbeiter erwartete, daß es doch die Butter herausrücken sollte. Er tat es aber nicht, obwohl er von der Frau mit dem Meistertitel angeredet wurde. Merkwürdig war, daß sie sich auf Deutsch unterhielten. Bei meinem Rückweg zur Batterie musste ich zum Teil über freies Gelände laufen. Als eine Gestalt näher kam, brachte ich mein Gewehr in eine schussbereite Position. Der Entgegenkommende zog seine Pistole. Aber nach einem kurzen Wortwechsel ging jeder seine Wege. In den letzten Januartagen sollte nun doch der Befehl durchsickern, daß wir aus Thorn ausbrechen sollten, um die deutschen Linien zu erreichen. Das war immer noch besser, als bis zum letzten „Blutstropfen“ zu kämpfen, wie damals so die Redewendungen
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waren. Ungewiß war natürlich, wo sich die deutschen Linien befanden. Mir einigen anderen bekam ich den Auftrag, mit einem Kajak (bootsartiger Holzschlitten) Munition heranzuschaffen. Aber diese Stellen hatten auch schon ihre zelte abgebrochen. Wir fanden keinen Soldaten mehr vor. Ais wir zurückkehrten, war schon alles in Aufbruchstimmung. Jeder warf überflüssige weg und zog sich auch zweckmäßig an. Ich behielt meine Luftwaffenhose, eine Soldatenjacke und die leere Gasmaskenbüchse. Darüber zod ich noch eine Schlosserkombination, die ausgefüttert war. Außerdem hatte ich über diese Tracht ein weißes Bettlacken, daß in der Mitte aufgeschlitzt war, damit ich mit dem Kopf durchkam. Koppel und Brotbeutel behielt ich. Das sah natürlich sehr verwegen aus. Mein Stahlhelm war mir weißer Zahnpasta eingeschmiert. In meinem Rucksack befand sich noch Unterwäsche, einige Fleischbüchsen und meine Briefmarkensammlung. In den Abendstunden des 30.1.1945 verließen wir die Batterie. Wir bekamen noch neue ungebrauchte deutsche Karabiner. Ich musste noch eine Panzerfaust nehmen. Im Brotbeutel hatte ich noch drei Eierhandgranaten. Vorher hatte man noch die Geschütze unbrauchbar gemacht. Zuerst ging es zu Fuß über die Weichselbrücke in die Stadt hinein. Hier standen wir in der Graudenzer Straße bis zum frühen Morgen. Unter uns waren Volkssturmleute, die schon den Ersten Weltkrieg mitgemacht hatten. Ihre Redensarten waren nicht sehr optimistisch. Einer sagte noch, daß er in der Nahe seine Wohnung hätte. Eine warme Stube könnte dann auch noch möglich sein. Wie standen draußen in der Kälte. Vorher hörte ich noch, wie mein Freund H. Smigelski mit anderen erzählte, dabei meinte er, daß er noch vor einigen Tagen im Lazarett war und dort lieber geblieben wäre. Kurze Zeit später war er verschwunden. Verschiedene andere haben es so ähnlich gemacht. Es gab keinen mehr, der sie zur Verantwortung ziehen könnte. Es war ja alles unübersichtlich. Irgendwie hatte man für LKWs gesorgt, in denen wir mitfahren sollten. Trotzdem standen wir immer noch in den Straßen von Thorn. Es sprach sich bei dieser Gelegenheit herum, daß in der Nähe ein Verpflegungsdepot wäre. Natürlich ging ich auch dort hin. Es befanden sich darin große Kartons mit Zigaretten und Gebäck. Andere waren auf Zigaretten scharf. Beim Plündern waren Angehörige der Zivilbevölkerung dabei. Ein Soldat wollte sie mit lauter Stimme vertreiben. Sie ließen sich aber nicht verjagen. Am nächsten Morgen 31.1.1945 standen wir immer noch auf der Straße. Es kam dabei zu Gesprächen mit der Zivilbevölkerung. Als ich einem älteren Mann sagte, daß nun bald die Russen kämen, tat er ganz entsetzt. Das wird er wohl und nur vorgespielt haben. Er konnte gut Deutsch und wird wohl ein Pole gewesen sein (ob er nun mal zur Volksliste 3 gehört hatte, weiß ich nicht). Schließlich fuhren wir wieder ein Stückchen. Wahrscheinlich hatte man die Straße für den Ausbruch freigekämpft. Nach einer kurzen Strecke gab es einen heftigen Wortwechsel mit einigen Frauen. Auf der Straße lagen zwei tote deutsche Soldaten. Die Leichen sollten wir mitnehmen. Aber keiner wollte sie mitnehmen. Wahrscheinlich hatten russische Schlachtflugzeuge kleine Bomben auf die Rückzugsstraßen geworfen. Am Stadtrand hielten wir uns noch in einem Fort auf. Dort befanden sich noch Bekleidung und Ausrüstungsgegenstände. Einige waren eifrig dabei, sich andere Uniformstücke anzuziehen. Plötzlich kam der Befehl zum Weitermarsch. Einige lamentierten noch, daß sie nicht so schnell weg könnten. „Wenn ihr nicht fertig seid, müsst ihr hier bleiben,“ bekamen sie als Antwort. Aber ganz schnell waren alle abmatschbereit. Bis in den Abendstunden ging es etappenweise voran. Rechts und links befanden sich große Wälder. Nun kamen einige Soldaten und wollten bei uns einen Verwundeten unterbringen. Unser Wagen war überfüllt. Ein Wachtmeister schrie nun ganz empört, das dies nicht in Frage käme. So unterblieb das. Bei der nächsten kurzen Unterbrechung brachte ich vor, daß doch in unserem LKW völlig sinnlos Panzergranaten transportiert werden. Es dauerte nicht lange, daß alle schnell dabei waren, sie im Wald einfach abzulegen. Danach hatten wir mehr Platz und der Wagen war nicht mehr so belastet. Nun kam die Anweisung, daß wir unseren Wagen verlassen müssten, sie kämen später nach. Wir sollten vorläufig zu Fuß weitergehen. Ich ließ meinen Rucksack mit den Briefmarken zurück. Es befanden sich einige andere Dinge im Rucksack. Das war eine riesen Dummheit von mir. Davon sah ich nichts wieder. Einen Rucksack hätte man immer tragen können. Nun ging es zu Fuß weiter. Hauptsächlich in der Nacht wurde marschiert. Immer wieder gab es Unterbrechungen. Wir sind durch ein Gebiet marschiert, das schon von der Roten Armee besetzt worden war. In jedem Dorf befanden sich einige Rotarmisten, die in den Dörfern lagen und wahrscheinlich die rückwärtigen Wege sichern sollten. Einmal kamen wir an eroberten Geschützen vorbei. Daneben lagen Leichen der gefallenen Rotarmisten. Ich beobachtete auch, wie ein Mann auf dem Haus seines Daches dabei war, sein Haus vor Feuer zu schützen. Wir kamen an einem ausgebrannten Panzer vorbei und fanden einen großen Ballen Käse, der schnell verteilt wurde. Es gab noch andere Zwischenfälle. Meine Angst führte dazu, daß ich unterwegs austreten musste. Weil man einfach weitermarschierte, hatte ich große Schwierigkeiten, den Anschluß wieder zu finden. Bei dieser Gelegenheit muß ich meinen Wehrpass verloren haben. Wenn wir Rast einlegten und wir in der Scheune übernachten konnten, nahm ich meine Brieftasche vor und sah mir Familienfotos an (diese alte Brieftasche besitze ich heute noch). Ich bin kein gläubiger Mensch geworden, aber bei dieser Gelegenheit schickte ich doch einige Bitten zum Himmel, daß ich ja alles überstehe. Wenn es ganz schlimm kam, verzichtete ich auf das Austreten. Mir war das völlig gleich. Einmal bekam ich und einige andere den Auftrag, einen Waldweg zu sichern. Wir lagen im Dunklen und beobachteten den Wald. Der Unteroffizier war betrunken und lallend gab er seine Befehle. Als es wieder weitergehen sollte, musste ich noch einmal austreten und hatte anschließend Mühe, die richtige Richtung in den Waldwegen zu finden. Schließlich fand ich meinen Truppenteil wieder. Der Unteroffizier machte mir noch Vorhaltungen. Einmal Mitten in der Nacht, ging ich einfach beim Marsch in ein Haus hinein. Es war ein offener Fleischerladen. Andere folgten meinem Beispiel. Wir setzten uns einfach wegen Übermüdung hin. Nach einer kurzen Zeit gingen wir schnell auf die Straße, um nicht den Anschluß zu verlieren. Ich wollte mich bei einer Artillerieeinheit auf einen karren setzen, aber die Soldaten trieben mich schnell wieder runter. Endlich war wieder Rast. Nach langem Suchen fand ich die Reste meiner Einheit. Wir sollten in einer Scheune schlafen. Wer einen Karabiner hatte, musste aufpassen, daß er nicht gestohlen wird. Deshalb schob ich mein Bein zwischen Gewehrriemen (Trageriemen), damit ein Diebstahl unmöglich idt. Ein älterer Soldat rief einige Male in der Dunkelheit in die Scheune, ob noch die Heimatbatterie da wäre, weil er Angst hatte, er könne in dem Durcheinander verloren gehen. Einmal gab es in einer Scheune nachts ein großes Geschrei. Es hieß, die Russen befinden sich in der Scheune, man hatte sie sogar sprechen hören. Das traf auch zu. Aber eine andere Einheit habe irgendwie Gefangene gemacht und sie in einem Verschlag eingesperrt. Zuerst war erst einmal die Angst und Aufregung ganz groß. Ich rannte hinaus. Draußen war ein großes durcheinander. Einige schossen einfach in eine Richtung. Ein Soldat schimpfte uns ganz gewaltig aus, weil wir so in Panik geraten waren. Seine Wut richtete sich vor allen Dingen gegen Flaksoldaten. Er konnte natürlich nicht in der Dunkelheit erkennen, daß viele von uns Luftwaffenhelfer waren. Ich rannte aufs freie Feld und suchte eine Furche, um Deckung zu haben. Einige Minuten blieb ich so liegen. Nachdem sich alles beruhigt hatte, stand ich auf und sah in der Nähe ein Pferdefuhrwerk mit Soldaten. Sie sprachen aber nicht Deutsch, wahrscheinlich Russen in deutschen Diensten. Bei denen lud ich meine Panzerfaust ab. Sie fluchten jämmerlich, aber ich war einen überflüssigen Gegenstand los. Nun rannte ich zum Straßengaben und gehörte somit zur Sicherung der Straße. Dabei machte ich darauf aufmerksam, daß wenige Schritte vor mir ein Toter liegt. Schon wurde ich von einem älteren Soldaten angeschnauzt, daß ich nachsehen sollte, ob es ein Deutscher wäre, dann müsste seine Erkennungsmarke abgenommen werden. Jeder Soldat hatte eine Erkennungsmarke aus Leichtmetall, die in der Mitte durchgebrochen werden musste, wenn jemand ums Leben kam. Sie musste an einer Schnur um den hals getragen werden. Die abgebrochene Marke wurde dann weitergereicht, damit die Angehörigen benachrichtigt werden konnten. Die andere Hälfte blieb beim Toten. Trotzdem kam es vor, daß sehr oft das Schicksal vieler Soldaten im Unklaren blieb. Ich ging nun voller Angst auf den Toten zu. Da ich annahm, daß es ein Russe war, ging ich sehr schnell wieder zurück. Dann machte ich darauf aufmerksam, daß sich im Dunklen am Waldrand etwas bewegt. Wieder wurde ich angeschnauzt, daß ich doch schießen möge. Ich tat das und gab einige Schüsse ab. Vielleicht habe ich mir die Bewegung in meiner Angst nur eingebildet. Nun ging der Rückmarsch weiter. An einem Morgen mussten wir alle antreten. Vor uns stand der Hauptwachtmeister und teilte uns mit, daß er die Führung der Batterie übernommen hätte, weil der Oberleutnant den Heldentod gestorben ist. Gleichzeitig erläuterte er uns die neue Aufgabe. Auf einer Anhöhe befindet sich ein Dorf, das müsse unbedingt erobert werden, sonst erreichen wir die deutschen Linien nicht. Zur Unterstützung bekamen wir noch 2cm Flakgeschütze. Bei dieser Gelegenheit musste ich voller schreck feststellen, daß meine Eierhandgranaten im Brotbeutel eine Gefahr für mich waren, denn die Zündschnüre hatten sich gelöst. Schnell warf ich die Dinger voller Angst weg. Nun begann der Angriff auf das schon erwähnte Dorf. Es war ein schrittweises Vorarbeiten. Das ging nun auf folgende Weise vor sich, man lief einige Schritte in gebückter Haltung und suchte dabei eine Vertiefung, um sich wieder hinzulegen zu können. Dann konnte man einige Schüsse abgeben. Ich erkannte sogar einige Gestalten am Dorfrand und schoß dahin. Ein Soldat fluchte dabei, weil die Gewehrmündung nur etwa einen halben Meter von seinem Kopf entfernt war. Ich muß wohl keinen getroffen haben, denn als ich die Stelle erreichte, lag keiner dort. Es müssen wohl sehr wenige Rotarmisten dort gewesen sein, weil sie sich luchtartig aus dem Staub gemacht haben. Wir fanden sogar noch einen toten deutschen Soldaten. Am ausgestreckten Arm befand sich noch eine Armbanduhr, die noch ging. Ehe man sich es versah, war sie verschwunden und auch seine Taschen, in den man noch Briefe und Geldscheine fand, waren schnell durchsucht. Für solche Handlungen konnte ich schon damals kein Verständnis aufbringen. Nun machten einige darauf aufmerksam, daß ein Russe, der verwundet war, über das freie Feld kroch. Nach einigen Augenblicken hörte ich aus dieser Richtung einen Pistolenschuß. Einer aus unserer Einheit hatte den verwundeten Russen den „Todesgnadenschuß“ gegeben. Das war ein eindeutiges Kriegsverbrechen. Als wir das Dorf weiter umgehen wollten, kam von der rechten Seite ein LKW angefahren. Als das Auto in Sichtweite war (ca.100m), drehte der Fahrer schnell das Auto um und fuhr zurück. Vermutlich waren es Rotarmisten, die uns als Deutsche erkannt hatten. Wir kamen gar nicht zu Schießen. Als wir uns alle im Dorf trafen, gab es hier noch einige Bewohner. Als sie gefragt wurden, wo die Russen wären, bekamen wir zur Antwort, daß sie eben erst durch die Gärten geflüchtet wären. Nun kamen einige von uns an und wunderten sich über mich, daß ich noch lebte. Man habe eine Reihe von Toten gefunden und vermutete, daß ich dabei wäre. Aber das war glücklicherweise nicht der Fall. Danach kam ich mit einem Soldaten ins Gespräch, der noch sagte, daß es ihm Leid getan hätte, wenn ich unter den Toten gewesen wäre. Zur Aufmunterung zeigte er mir Bilder von einer nackten Frau in verschiedenen Positionen. Aber in dieser Situation hatte ich dafür kein Verständnis. Jetzt wurde es überall ruhiger, weil der Rückzug etwas langsamer vonstatten ging. In einem Haus verteilte eine Frau belegte Schnitten. Ich holte mir davon auch eine. Einmal kroch ich vor Übermüdung in ein Haus, es war geräumt. Es war am Tage und ich wollte ein bisschen schlafen. Ein Soldat war auch dabei. Plötzlich hörte ich von draußen eine gewaltige Schießerei. Ich rannte nach draußen und sah am Ende des Gartens, daß die Soldaten in eine bestimmte Richtung strömten. Ich rief einen an. Seine Antwort: Die Russen kommen. Ich rannte schnell zurück in die Stube und weckte den Soldaten mit den Worten: „Die Russen kommen“. Er war schneller verschwunden als ich. Plötzlich hörte ich, wie jemand in der Küche um Hilfe rief. Er war verwundet und seine Einheit har ihn nicht mehr daran gedacht, ihn mitzunehmen. Nun bat er mich ich möge seiner Einheit den Bescheid geben, daß er abgeholt werden kann. Draußen war niemand mehr. Also verschwand ich auch. Das war natürlich keine gute Handlung, aber ich hatte selbst furchtbare Angst. Die Rückzugsstraße wurde mit Artillerie beschossen. Ich ging einige hundert Meter parallel neben der Straße. Es kam ein Unteroffizier aus unserer Batterie mir entgegen, er suchte nach einem bestimmten Luftwaffenhelfer, der nach seiner Meinung zurückgeblieben war. Ich sollte mit zurückkommen. Diesmal verweigerte ich den befehl. Weil er sehr energisch war, ging ich doch wieder zurück. Der gesuchte Luftwaffenhelfer kam uns aber schon entgegen, so erübrigte sich auch diese Angelegenheit Endlich erreichten wir an einem Tage die Weichsel. Weil nun seit einigen Tagen Tauwetter eingesetzt hatte, befand sich auf dem Eis Wasser (ca.10cm Höhe). Das Eis hielt noch und trug sogar leichte Fahrzeuge. Auf dem anderen Ufer hatten wir die deutsche Linie erreicht. Ein Offizier kam voller Aufregung angeritten und warnte uns vor Flugzeugangriffen, weil es am tage war. Am Ufer stand ein Flaksoldat, der Recht unbeholfen mit seiner Handgranate herumspielte. Er wollte sie nicht mehr an seinem Körper haben. Weil er große Angst hatte, daß sie losgehen könnte, sah er sich hilfesuchend um und bat mit ängstlichen Worten um Hilfe. Im Zivilleben war er Musikstudent. Ein anderer Soldat kam mutig auf ihn zu, riß ihm die Handgranate aus der Hand und warf die weg. In Schwetz übernachteten wir in den Gebäuden eines Krankenhauses. Im Flur saß eine ältere Frau und fragte uns angstvoll, ob die Russen schon in Bromberg wären. Wir wussten das auch nicht. In aller Frühe mussten wir losmarschieren, weil es hieß, die Russen wären in der Nähe. Nach einem marsch erreichten wir das Dorf Laskowitz. Hier war es schon ruhiger. Hier standen Geschütze, die nach vorn schossen. Wir konnten nun in einer Scheune schlafen. Es war etwas hinter der Front und wir konnten ruhiger atmen. Aber ich sollte bald mit einer unangenehmen Aufgabe betraut werden. Mit einigen anderen bekam ich den Befehl, Gefallene zu beerdigen. Dazu bekam jeder noch einen Spaten Eine fremde Einheit hatte auf einem Pferdewagen zwei Verwundete transportiert. Durch einige Granatsplitter bekamen beide den Rest. Man hatte einfach die Pferde ausgespannt und sich nicht mehr um die Toten gekümmert. Jetzt sollten wir sie beerdigen. Viel Federlesen wollten wir nicht machen und sie gleich an Ort und Stelle beerdigen. Da wurden wir durch einem Offizier angeschnauzt mit dem Hinweis, man wäre jetzt nicht mehr aif einem eiligen Rückzug, es gäbe ja im Dorf einen Friedhof, dort könnte man das erledigen. Nun schoben wir den Wagen zum Friedhof. Er befand sich auf einer Anhöhe. Also mussten wir die Leichen hoch schaffen. Dazu nahmen wir Decken und schleiften sie zur Begräbnisstätte. Der eine Tote sag furchtbar aus. Seine Schädeldecke war aufgeklappt und hing daneben. Als ich ihn auf die Decke legen wollte, musste ich unter den Arm fassen. Plötzlich zuckte ich zurück, denn unter dem Arm war er noch warm. Endlich hatten wir ein Loch gegraben von über einen Meter Tiefe. Unser Grab war noch offen, da kamen noch Soldaten an und brachten noch einen Toten. Sie meinten, daß er gleich mit in unser Grab kommen sollte. Wir weigerten uns, denn drei Leichen in einem Grab wären doch wohl ein bisschen viel. Es war ein Unteroffizier. Die Soldaten erzählten uns, daß er betrunken war und mit anderen eine Art Duell mit einer Panzerfaust veranstaltet hätten, dabei ist er ums Leben gekommen. Nun lag er vor uns. Seine Stiefel hatte sich schon jemand angeeignet. Ein Soldat wollte noch die Hosenträger abnehmen, weil wie nach seiner Meinung gut zu gebrauchen wären. Solche Handlungen fand ich damals auch schon widerlich. Endlich waren wir mit der Beerdigung fertig. Sie sind wie Hunde beerdigt worden. Ohne Gebet oder mit gedenkenden Worten. Wenn das die Angehörigen wüssten. Innerhalb von wenigen Tagen war man roh und abgebrüht. Ich versuchte noch, irgendwo meine Hände zu waschen. Nun wurden noch alle kampffähigen Soldaten ausgesucht, um an die Front zu gehen. Uns Luftwaffenhelfer nahm man glücklicherweise nicht dazu. Ein Obergefreiter aus unserer Einheit sollte auch an die Front. Ich sollte nun von ihm seine Feldmütze in Verwahrung nehmen. Ich tat das auch. Ich habe ihn nie wieder zu sehen bekommen. Später gab ich sie weiter an einen, der keine mehr hatte. Wenn wir durch das Dorf gingen, wurden wir ermahnt, ja nicht auszurücken. Weil ich etwas älter aussah, merkte man nicht, daß ich nur Luftwaffenhelfer war. Andere Soldaten machten sich nützlich, in dem sie russische Feldküchen in Betrieb nahmen und für uns essen kochten. Sie brauchten dann nicht an die vorderste Front zu gehen. Andere gingen in die Häuser und hielten sich dort auf, weil sie dort nicht so leicht gefunden wurden. Man konnte das, weil alle Einheiten versprengt waren. Ein Soldat ging mit einer Pistole in einen Stall und erschoß dort ein Schwein. Eine Frau, die sich noch in der Wohnung befand, nahm das voller Empörung zur Kenntnis. Es war doch gut, daß man immer Verbindung zu seiner Einheit behielt, weil man nicht als Fahnenflüchtiger angesehen wurde. Der Rest unserer Einheit bekam nun den Auftrag, nach Norden zu marschieren, hier war es ruhiger. Wir kamen zu einem Bahnhof. Für uns hatte man eine Lokomotive mit einigen Güterwagen bereitgestellt. In der Nacht nun ging die Fahrt los. Unterwegs wurde noch an verschiedenen Stellen angehalten. Am nächsten Morgen kamen wir in Danzig an. Hier war es noch ganz ruhig. Es waren wohl dort viele Flüchtlinge aus Ostpreußen. Aber die Straßenbahn fuhr noch. Es sah alles noch ganz normal aus. Junge Mädchen gingen noch spazieren, denn es war ja an einem Sonntag. Aus dem Wehrmachtsbericht bekam man zu erfahren, daß die Russen schon in Elbing waren, daß waren nur noch 65km entfernt. Uns brachte man in eine Flakstellung in Danzig-Bürgerwiesen. Dort schliefen wir in Baracken auf dem Fußboden. Nach den Strapazen war das für uns eine Erholung. Wir waren noch 46 Mann aus unserer Batterie. Wo die anderen geblieben sind, war völlig unklar. Wir bekamen auch Hinweise, daß wir jetzt nach Hause schreiben könnten. Von dieser Möglichkeit machten wir auch Gebrauch. Wir durften aber nicht mitteilen, in welcher Stadt wir uns befinden. Später bekam ich zu erfahren, daß mein Brief tatsächlich in Parchau eingetroffen war. Die Reste von mehreren Batterien leitete ein Major. Er gab nun verschiedene Anweisungen. Ein Luftwaffenhelfer, der noch einen Rucksack besaß, hatte diesem dem Major zur Verfügung zu stellen. Das war natürlich kein schöner Zug. Aber er muß sich auch Gedanken über den weitern Verlauf des Krieges gemacht haben. Öffentlich wagte es kaum jemand zu sagen, daß der Krieg verloren ist. Einmal kam ein Feldwebel/Wachtmeister von einer Besprechung zurück und erzählte, daß der Major, Clausewitz zitiert hatte. Er erwähnte den Grundsatz: Was ist der Krieg. Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Damit hatte ich zum ersten Male etwas über Clausewitz gehört. In Danzig sollten wir auch nicht bleiben, weil jetzt Transporte zusammengestellt wurden. Einige Luftwaffenhelfer bemühten sich, Ausgang zu bekommen. Ich gehörte auch dazu. Es wurde ein provisorischer Ausweis ausgestellt (Karteikarte, ohne Vordruck, Handschrift, ohne Dienstsiegel). Nun konnten wir uns die schöne Stadt Danzig ansehen. In unseren bunt zusammen gewürfelten Uniformen mussten wir wohl recht verwehen ausgesehen haben, denn in den Hauptstraßen wurden wir von einer Militärstreife (Kettenhunde) kontrolliert. Unsere Ausweise wurden aber anerkannt. Sie erlaubten sich aber einige Bemerkungen über unser Aussehen. Sie ließen uns aber laufen. Wir gingen auch in ein Lokal und bestellten uns einige Getränke. Einige konnten sogar Zigaretten kaufen, weil sie noch in Thorn die Zigarettenmarken aufgehoben hatten, die dort auf der Straße herumlagen. Aber solche Dinge interessierten mich nicht. In den Abendstunden erreichten wir unser Quartier. Am nächsten Tag kam ich in einen Kaufladen, der sich nicht weit von unserem Quartier befand. Hier unterhielten sich ganz offen zwei Frauen über die aussichtslose Kriegslage. Zum Weitertransport sollte es nach Stolpmünde gehen. Für den Transport waren Güterwagen von der Eisenbahn vorgesehen. Das ging alles recht langsam voran, denn wir standen auf dem großen Güterbahnhof in Gdingen/Gotenhafen und warteten auf die Abfahrt. Unsere Unterkünfte waren Güterwagen. Toiletten gab es nicht, so kann sich jeder vorstellen, wie die Gleise nach kurzer Zeit aussahen. Wir wurden auch dort verpflegt. Es standen eine ganze Reihe von Zügen. Schließlich hatten einige ausfindig gemacht, daß aus einigen Waggons manches zu entwenden war. So kam man mit Sektflaschen, Zucker und reinen Sprit an. Der Sprit bekam Zucker und wurde mit Wasser verdünnt. Andere tranken Sekt. Eine Reihe torkelte durch das Bahnhofgelände. Vom Sekt und vom Sprit bekam ich auch etwas ab. Aber diesen Dingen konnte ich noch keinen rechten Geschmack abgewinnen. Es war für mich eine Enttäuschung. Nun begann die Reise nach Stoplmünde. Wir bekamen auch Marschverpflegung, die aus Fleischbüchsen, Kommissbrot und Butter bestand. Irgendwie bekam ich den Auftrag, die Butter aufzuteilen, denn sie Bestand aus einem großen Klumpen. Zuerst war ich auf mein eigenes Wohl bedacht und schnitt mir ein Stück davon ab und tat es in mein Kochgeschirr. Aber sonst habe ich die Aufgabe zur Zufriedenheit gelöst. Bei einer Angelegenheit muß ich doch wohl einem Unteroffizier unangenehm aufgefallen sein. Wahrscheinlich hatte ich eine dumme Antwort gegeben. Seine Schikanen bestanden darin, mich überall als negatives Beispiel hervorzuheben und bei jeder Gelegenheit mich zu benachteiligen. Als wir in Stolpmünde in einem großen Kasernengelände ankamen. Sahen wir, daß dort viele Flaksoldaten und Luftwaffenhelfer konzentriert waren, die durch den Vormarsch der Russen ihre bisherigen Standorte fluchtartig verlassen mussten. Die Offiziere konnten in einem großen Speisesaal ihr Essen einnehmen. Wir bekamen von einer anderen Stelle unsere Verpflegung. Unsere Unterkunft befand sich in Baracken. Da ich am Körper ein ständiges Jucken verspürte, untersuchte ich mein Unterhemd und musste mit Schrecken feststellen, daß ich 17 Körperläuse vorfand und „knacken“ musste. Jetzt gingen wie alle zur Entlausungsanstalt. Nach der Entlausung waren wir die Plagegeister erst einmal los. Nach einigen Tagen bekamen wir einen Marschbefehl nach Leipzig. Dort befand sich unter Leitung der 14. Flakdivision, zu dieser Division gehörten wir. Man machte sich das sehr einfach, denn ein Luftwaffenoberhelfer bekam einen Marschbefehl für zehn Personen. Er war für alle verantwortlich. Wir wagten es gar nicht, eigene Wege zu gehen. Ohne Papiere wagte man nicht zu reisen. Ob nun alle zehn Namen auf dem Papier standen, weiß ich nicht. Mit welchen Zügen wir fahren sollten, überließ man uns. Nun begann die Reise. Wenn wir Güterwagen sahen, lasen wir die Transportscheine an den Wagen und wussten, ob er für uns in die richtige Richtung fuhr. Teilweise konnten wir sogar Personenzüge benutzen. Gegen Vorlage unseres Marschbefehls bekamen wir Büchsen mit Fleisch und Brot. Außerdem konnten wir auf den Bahnhöfen eine Suppe in Empfang nehmen. Wir mussten schön zusammen bleiben. Auf jedem Bahnhof wurde festgestellt, ob keiner abhanden gekommen war. In Pommern gab es viele Frauen mit Kindern, die aus westdeutschen Städten wegen der Bombardierung hier hergeschickt wurden. Davon trafen wir eine Frau mit ihren Kindern, die sich aus Angst vor den Russen auf den Weg nach Westdeutschland machte. Diese Ängste waren begründet, denn einige Wochen später wurde auch Pommern erobert. Unter uns befanden sich einige Oberluftwaffenhelfer, die aus dem Umfeld von Stralsund stammten. Nun vereinbarten wir, einen Umweg über Stralsund zu nehmen, dort einige Tage zu bleiben, damit die Oberhelfer einige Tage nach Hause fahren konnten. Das klappte eigentlich ganz gut, weil der Vater von Marschbefehlsleiter ein hohes Amt bei der Nazipartei hatte. Er kümmerte sich darum, daß die Nichtstralsunder in einer Scheune beim Ortsbauernführer schlafen konnten. In der Zwischenzeit gingen wir in Stralsund aus und haben uns die Stadt angesehen. Wir gingen in ein Lokal und haben ein markenfreies Essen eingenommen. Eigenartigerweise hat uns niemand kontrolliert. Auf Bitten haben wir sogar dem Ortsbauernführer beim Dreschen geholfen. Dafür gab er uns etwas zu essen. Der Vater von unserem Leiter hatte sogar auch für Mittagessen gesorgt. Diejenigen, die nicht zum Ausgang in der Stadt waren, bekamen in einem Flüchtlingslager ein anständiges Mittagessen. In den Abendstunden hatten wir noch ein Gespräch mit einem Mädchen, das aus Schneidemühl geflüchtet war. Sie schimpfte ganz gewaltig auf die Nazipartei, weil diese Leute alle Vorbereitungen zur Flucht trafen und dann erst die übrige Bevölkerung informierte. Nach zwei Übernachtungen trafen wir uns alle wieder und unsere Reise konnte weitergehen. Der Vater von unserem Leiter kam mit auf den Bahnhof. Sein Sohn äußerte sich ganz pessimistisch über die Flucht aus Westpreußen. Der Vater tat aber so, als ob alles wieder in Ordnung kommen wird. Er glaubte noch an einen Sieg. Bei unserer Reise in Richtung Leipzig kamen wir durch Biederitz. Als einzelner äußerte ich den bescheidenen Wunsch, auch einen Abstecher nach Burg machen zu dürfen. Das aber wurde abgelehnt. Als wir in Leipzig ankamen, mussten wir schnell in die Luftschutzkeller, weil es Fliegeralarm gab. Schließlich kamen wir in der uns zugewiesenen Kasernen an. Dort befanden sich noch mehr Luftwaffenhelfer. Hier sollten wir weitere Befehle abwarten. Das dauerte nun einige Tage. Damit wir nicht untätig herumlungerten, war es beim Militär üblich, daß zur Aufrechterhaltung der Disziplin, Ordnungsübungen durchgeführt wurden. Diese bestanden aus Marschübungen und Exerzieren (Wendeübungen, Grußübungen u.a.m.). Solche Übungen waren natürlich verhasst. Als nun der Befehl kam, daß sich alle hinlegen sollten, ging durch die Marschkolonne der leise Zuruf, sich nicht hinzulegen. Der größte Teil machte das auch. Das war natürlich eine Befehlsverweigerung. Nun kam ein Feldwebel, der uns mit Worten runter machte, wie wir so etwas tun können. Wir fühlten uns als alte Krieger, mit solchen Leuten macht man nicht solche Übungen. Nun begann allmählich die Aufteilung der Luftwaffenhelfer. Diejenigen, die durch die Kriegsumstände ihre Heimat verloren hatten, sollten zum Arbeitsdienst eingezogen werden. Ich war natürlich nicht daran interessiert zu dieser Gruppe zu gehören. Man suchte noch einige dazu, die kräftig und von großer Statur waren. Ich stand in der hinteren Reihe und versuchte mich etwas kleiner zu machen. Ich hatte Glück bei dieser Angelegenheit. Einen Entlassungsschein bekam ich mit der strengen Anweisung, mich unbedingt auf dem Wehrkreiskommando in Burg zu melden, damit ich zum Arbeitsdienst eingezogen werden kann. Nun konnte ich am 24.2.19456 meine Reise nach Parchau antreten. Damit ich vernünftig aussah, ließ ich mir von der Bekleidungskammer einen anständigen Mantel geben. Meine gefütterte Schlosserkombination gab ich ab. Der Magdeburger Hauptbahnhof konnte wegen der starken Zerstörungen nicht angefahren werden, so musste ich in Magdeburg-Neustadt aussteigen. Auf der Bahnhofswache bekam ich eine Suppe und Matschverpflegung. Ein Zivilist wagte es, sich eine Suppe geben zu lassen. Er wurde mit Schimpfworten vertrieben. Auf dem Bahnsteig unterhielt ich mich ganz vernünftig mit einem Offizier. Daneben stand ein Luftwaffenhelfer, der aus Königsberg stammte. Er sagte noch, daß die Umgebung vom Bahnhof so ähnlich aus sieht wie Königsberg. Vom Burger Bahnhof hatte ich zu Fuß nach Parchau zu gehen. Ich hatte Glück, es kam einer, der mir sein Fahrrad anbot, so konnte ich schneller in Etappen wechselnd mit dem Fahrrad fahrend nach Parchau kommen. Zu Hause wurde ich hocherfreut empfangen. Tante Olga mit Hildegard und Irmchen und mit der Oma Dobbelstein waren schon einige Wochen in Parchau. So war unser Haus schön voll. So hatte ich meine Luftwaffenhelferzeit mit der Flicht aus Westpreußen überstanden.
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