Auch nach dem Jahrhundertwechsel folgten viele Soldaten noch ihrem Freiheitsdrang und verabschiedeten sich ohne Gruß von der Armee. Da sich die Werbemethoden für „Ausländer“ nicht gewandelt hatten, war diese Freiheitsdrang auch verständlich. Eine lebendige Schilderung der Zustände hat Johann Gottfried Seume in seiner Autobiografie „Mein Leben“ gegeben. Er wurde ja nach Amerika verkauft, hatte allerdings auch Glück, da er eine Unteroffiziersstelle erhalten hatte.
12. Juli 1803:
Da Se. Königl. Majestät aus den Rapporten höchst mißfällig wahrgenommen, daß die Desertion außerordentlich einreißt und mehrere Deserteurs durchkamen, so soll mit aller Sorgfalt darauf gesehen werden, daß alle Auspassierenden sich bei dem wachthabenden Officier melden und muß es derselbe selbst bestellen, ob er passieren kann oder nicht. Diejenige Schildwache, wo darwider handelt und einen solchen zum Thor hinausgehen läßt, ohne sich gemeldet zu haben, so soll der Gemeine 12mal Spießruthen laufen und der Officier von der Wache soll in Arrest. Diese Ordre soll den Compagnien bekannt gemacht werden, damit sich niemand mit der Unwissenheit entschuldigen kann.
Königlicher Befehl vom 26. November 1803:
Da die Desertionen wiederum häufig einreißen und überhand nehmen, so sollen hinfüro, wenn dergleichen entstehen, sogleich Laufzettel von der Compagnie an die Thore geschickt werden, um womöglich den Deserteur in der Stadt zu bekommen, zugleich aber müssen doch verschiedene Officiere , welche vorher schon dazu kommandiert worden, zu Pferde, und einige Unterofficiere zum Nachsetzen kommandiert werden, um auf den nächsten Grenzorten Alarm zu machen. Die Gerichtsbarkeiten (welche wegen Desertions-Alarm bereits ein Publicandum erhalten haben) müssen die Anstalten treffen, daß die Wege, welche etwa zu passieren, alle mit doppelten Bauernposten besetzt sein. Diejenigen, welche eines Deserteurs habhaft werden und ihn wieder zum Regiment bringen, ist der Compagniechef verbunden, mit 12 Thalern zu bezahlen, wogegen der Deserteur bis in seine Garnison verpflegt werden muß. Wenn er aber in einer Garnison, von den Jägern oder von beurlaubten Soldaten auf dem Lande aufgebracht wird, so werden keine Fangegelder, sondern nur seine Verpflegung, welche er bis in die Garnison erhalten hat, bezahlt, und liegt dieses dem Compagniechef alleine ob. Ingleichen ist er auch verbunden, wenn wegen eines Deserteurs die Alarm-Kanonen abgefeuert werden, an den Inspecteur der Artillerie General-Lieutenant v. Meerkatz 8 Groschen vor einen jeden Schuß zu bezahlen.
Die bisher genannten Maßnahmen waren vordergründig Bezug auf "ausländische" Soldaten. Ich will deshalb noch einen Befehl in Kopie des Originaltextes anfügen, in welchem ganz erstaunt zur Kenntnis genommen wird, dass auch Cantonisten als Deserteure auftauchten. Hier ging es allerdings nicht um die Flucht von der Compagnie, sondern um die Nicht-Rückkehr vom Urlaub. Interessant ist der genannte Grund: Sie wurden übel behandelt, wenn das "Douceur" für die Offiziere nicht ausreichend war. Was es damit auf sich hatte, bedarf einer kurzen Erläuterung. Da die Abfertigung am Tor mit erheblichen Wartezeiten verbunden sein konnte, haben eilige Reisende das Arbeitstempo der Kontrolleure mit einem Trinkgeld zu beschleunigen versucht. Bei dem geringen Sold für Soldaten war das sicher sehr willkommen. Da jedoch die Abfertigung im Teamwork erfolgte (Toraufseher, Torschreiber, der zur Entscheidung verpflichtete Offizier - siehe vorstehenden Befehl), musste das Trinkgeld geteilt werden. Auch hatten es sich die Soldaten angewöhnt, ein solches Trinkgeld von begüterten Reisen abzufordern - was diese nicht immer als berechtigt angesehen haben und deshalb Beschwerde einlegten. Ich werde dazu noch Beispiele bringen. Die Häufigkeit von Befehlen gegen die Trinkgeldforderungen beweist allerdings, dass diese nicht so ernst gemeint waren, wie sie lauteten. Man sollte eben besser aufpassen, gegenüber wem eine solche Bitte angebracht oder wen man eben lieber ohne Trinkgeld passieren lassen sollte. Da die Leutnants ebenso schlecht bezahlt wurden wie die Gemeinen (die Familie der Offiziere war zur Zahlung eines monatlichen Zuschusses verpflichtet), hatten sie in der Trinkgeldeinnahme eine gute Form der Gehaltsaufbesserung entdeckt und versuchten deren Ertrag zu erhöhen. Über die Folgen siehe folgenden Befehl.