Zum Leben in einer Garnisons- und Festungsstadt vor 1806
Aufgaben der Garnisonseinheiten: speziell Wachdienste
Die militärischen Kräfte erreichten innerhalb der Festungen eine beachtliche Stärke. 1666 beherbergte Magdeburg neben 7.000 Zivilisten 1.200 Soldaten zuzüglich 700 Soldatenweiber und 1.500 Soldatenkinder. Ein Drittel der Bewohner waren also Militärpersonen mit besonderem Rechtsstatus. Die Zahl der Soldaten steigerte sich bis 1682 auf 1.424 und 1683 auf 1.563. Nun muss dabei berücksichtigt werden, dass zu Beginn der brandenburgischen Herrschaft noch eine Art von Besatzungsstatus gewirkt hat und die Truppenpräsenz auch einen Ordnungscharakter nach Innen besaß. Mit der Stationierung von Regimentern im ehemaligen Herzogtum Magdeburg, im Halberstädtischen usw. verringerte sich der dafür notwendige Bedarf und sank 1693 auf 686 Soldaten in der Stadt, 1712 gar auf 672. Aber bereits 1731 waren es nach dem Beschluss des Königs zum Ausbau der Festung Magdeburg wieder 1.975 Soldaten und 1778 mussten 1.300 Soldatenfrauen mit ihren Kindern (Zahlen habe ich für die Kinder nicht gefunden) von der Stadt versorgt werden, weil die Männer zu Übungen ausgezogen waren. 1798 zählte die Stadt 20.542 Einwohner und 6.782 Militärpersonen. Ein Viertel der Einwohner gehörte also zum Bereich der Garnison. Das ist allerdings noch nicht der Weisheit letzter Schluss, da es in der brandenburgisch-preußischen Armee ein ausgeklügeltes Urlaubssystem gab. Ein Teil der Soldaten wurde über mehrere Monate beurlaubt, erhielt in dieser Zeit keinen Sold und lag dem zuständigen Regimentschef nicht auf der Tasche (der durfte den eingesparten Sold nämlich privat verwenden, wenn er die Werbung bezahlte, um den vorgeschriebenen Personalbestand zu sichern). 1739 handelte es sich bei den Beurlaubten der Magdeburger Garnison immerhin um 880 Soldaten (20 Offiziere, 48 Unteroffiziere, 12 Tambours, 800 Gemeine), die nur zu einer dreimonatigen Übung in die Stadt kamen.
Bei derart hohem Personalbestand fragt man sich unwillkürlich, wozu dieser Aufwand notwendig war. Ich will versuchen etwas Licht ins Dunkel zu bringen, indem ich die Rolle des Wachdienstes erläutere, woraus sich weitere Erkenntnisse ableiten lassen.
Neben dem Exerzieren war der Wachdienst die wichtigste Aufgabe im Friedensdienst der Armee. Seine Bedeutung hängt eng mit der Verlegung der Mehrzahl der Truppenteile vom platten Land in die Städte zusammen. Dieser Prozess vollzog sich am Ende des 17. Jahrhunderts und stellte dann für lange Zeit den Normalzustand dar. Mit Ausnahme der Festungsstädte hatte die Befestigungsanlagen der Städte ihre militärische Bedeutung weitgehend verloren. Die Abwehr militärischer Angriffe auf einzelne Städte war nicht mehr Aufgabe der Städte selbst, sondern wurde vom Staat übernommen. Die Mauern schlossen jetzt nicht mehr aus, sondern sie stellten eine Barriere für die Eingeschlossenen dar. Das war sowohl für den zivilen Bereich, als auch für die militärischen Besatzungen zu verstehen. Für den Staat war es wichtig, seine Einnahmen aus Steuern und Akzisen zu sichern, die Städte waren auf Toreinnahmen und Wege- sowie Brückgelder angewiesen und das Heer musste die damals hohe Desertionsrate möglichst klein halten. Da waren abschließbare Städte mit eingesperrten Soldaten ein wichtiger Teil der verfügbaren Mittel. Im Fall der Festungen, die der staatlichen Verteidigungsstrategie unterworfen waren, kamen dazu natürlich noch die besonderen Bewachungsaufgaben für Grenzen, strategisch wichtige Flussübergänge, Gebirgspässe, Handels- und Militärstraßen sowie von Depots und Nachschubplätzen sowie deren Verteidigung im Kriegsfall.
Der Aufgabenkreis der Wachen erstreckte sich aber auch auf Alarmierung bei Feuer- und sonstiger Gefahr und auf das Einleiten erster Gegenmaßnahmen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen waren die Aufgaben des Objekt- und Personenschutzes sowie weitere polizeiliche Pflichten.
Träger dieser Aufgaben waren zunächst die Schildwachen. Das waren Einzelwachen, die im Aufgabenkreis übergeordneter Wachen (Wachbereiche) ihren Dienst verrichteten. Neben den allgemeinen Wachen gab es die Wachen auf dem Wall, die Torwachen für die Kontrolle des Zu- und Ausgangs der Stadt, die Posten vor den Wohnungen hochgestellter Gäste, die Posten vor den königlichen Ämtern, vor Artillerie- und Proviantgebäuden, die Bewachung von Arrestanten und „Büßern“ und letztendlich die Schildwachen, die vor den Wachlokalen darauf achteten, bei vorgeschriebenem Anlass die gesamte Wache herauszurufen. Die Garnison war in verschiedene Wachbereiche mit jeweils einer Wache gegliedert. Im Zentrum der Stadt (am Alten Markt in Magdeburg) befand sich die Hauptwache. Von hier aus wurde der gesamte Wachbetrieb koordiniert und kontrolliert.
Die umfangreiche und verantwortungsvolle Aufgabe des Wachdienstes erforderte einen relativ hohen Personalaufwand. Das Reglement von 1743 legte fest, dass pro Kompanie zwei Unteroffiziere und 18 Gemeine – für Magdeburg nach 1806 wären das mit 50-60 Kompanien rund 1000 Mann!!, beim damaligen Regiment Nr. 5 waren es natürlich nur etwa 100 – dazu kamen aber noch ein Kapitän und 8 Subalternoffiziere, Pfeifer und Tambours.
Für den Beginn, die Übernahme der Wache und deren Durchführung gab es ein ausgefeiltes System förmlicher Vorschriften. Zunächst begann ca. 2 Stunden vor der Wachparade eine Exerzierausbildung der eingeteilten Wachmannschaft. Zur Wachparade selbst mussten alle verfügbaren Unteroffiziere erscheinen. Zwischen 10.00 und 10.30 Uhr trat die gesamte Wachmannschaft, als Wachparade, auf dem großen Platz an. Dort wurde sie vergattert und auf die einzelnen Wachen aufgeteilt. Nicht jede Wache konnte mit einem Offizier besetzt werden, so dass auch Unteroffiziere als Wachhabende Dienst tun mussten. Die Stärke der einzelnen Wache war von deren Aufgabenbereich und der Zahl der zu stellenden Posten abhängig und nicht speziell vorgegeben. Nach der Vergatterung wurde die Parole ausgegeben. Die Zeit für die Prozedur vom Antritt der Wachparade (nach der Exerzierzeit) bis zur Ausgabe der Parole dauerte ein bis zwei Stunden. Die Wachhabenden übernahmen dann ihre Parade und führten sie in den festgelegten Wachbereich.
Im festgelegten Wachbereich angekommen, informierte sich der neue Wachhabende beim Abzulösenden. Ein Unteroffizier der neuen Wache visitierte inzwischen die Wachräume und kontrollierte die Arrestanten. Bei der Verteilung der Postenbereiche musste der Wachhabende darauf achten, dass „unsichere“ Wachsoldaten nahe dem Wachlokal und unter Aufsicht des Gefreiten aufgestellt wurden. Aufgabe des vom Wachestehenden befreiten, des Gefreiten, war es im Übrigen, die Schildwachen aufzuführen, die alten Posten abzulösen, deren Berichte entgegen zu nehmen und die neuen Posten einzuweisen. Dabei wurde auf die Besonderheiten der einzelnen Postenbereiche hingewiesen. Ab sechs Schildwachen erfolgte die Posteneinweisung durch einen Unteroffizier.
Bei der Torwache war für die Posteneinweisung besondere Gründlichkeit gefordert, war doch das Tor Grenze zwischen dem platten Land und der Stadt und mögliche Steuervergehen nur bei der Passage des Tores möglich. Dabei war der ausgehende Verkehr gleichermaßen unter Kontrolle zu halten wie der einkommende. Für die Armee selbst war die Bekämpfung der Dauerkrankheit Desertation ebenfalls von eminenter Bedeutung – auch sie musste am Tor mit besonderer Aufmerksamkeit erfolgen. Mit der Aufstellung der Posten war die Übernahme der Wache vollzogen.
In Ermanglung Magdeburger Urkunden sollen zur Illustration des Problems zwei Gouvernementsbefehle für die Berliner Wache zitiert werden.
13. Februar 1803: Die wachthabenden Officiere und Unterofficiere sollen sehr genau acht haben, daß sie, da die Desertion jetzt mehr als zuviel überhand nimmt, keine Leute von der Größe eines Soldaten aus dem Thore zu lassen. Dieses hat blos auf Handwerksburschen und nicht auf sonstige Kutscher und Bediente der Officiere Bezug … 12. Juli 1803:Da Se. Königl. Majestät aus den Rapporten höchst mißfällig wahrgenommen, daß die Desertion außerordentlich einreißt und mehrere Deserteurs durchkamen, so soll mit aller Sorgfalt darauf gesehen werden, daß alle Auspassierenden sich bei dem wachthabenden Officier melden und muß es derselbe selbst bestellen, ob er passieren kann oder nicht. Diejenige Schildwache, wo darwider handelt und einen solchen zum Thor herausgehen läßt, ohne sich gemeldet zu haben, so soll der Gemeine 12mal Spießruthen laufen und der Officier von der Wache soll in Arrest. Diese Ordre soll den Compagnien bekannt gemacht werden, damit sich niemand mit der Unwissenheit entschuldigen kann.
Andere Befehle verweisen auf die beliebte Methode zur Desertation Frauenkleider anzuziehen, um so der Aufmerksamkeit der Schildwachen zu entgehen.
Bis zur Ablösung durch die nachfolgende Wache vergingen nun 24 Stunden, so dass ein Wachzyklus ohne den vorausgehenden Exerzierdienst etwa 27 Stunden dauerte. Ich will versuchen den Tagesablauf der Wache im Rahmen des gesamten Dienstgeschehens des Regiments zu schildern. Dazu beginne ich mit dem allgemeinen täglichen Dienstbeginn am Morgen. Er begann auch für die Wachmannschaft mit dem Wecken.
Mit anbrechender Dämmerung wurde für den Standort Reveille (fanzösisch: das Wecken) geschlagen. Der wachhabende Unteroffizier „scheuchte die Kerls von den Schwitzbänken (Schlafstellen im Wachlokal) auf“, ließ die Lagerstätten aufschlagen und überwachte das Waschen, Kämmen und Herrichten der Montur. Anschließen erfolgte das Heraustreten und die Kontrolle der Ordnung. Kurze Zeit später erschien die Visitierronde unter Führung eines Offiziers. Diese wurde mit militärischen Formen unter Teilnahme der gesamten Wachmannschaft (mit Ausnahme der Schildwachen) empfangen. Im Anschluss wurde der Rapportzettel mit der Stärke ausgefüllt und zusammen mit dem Patrouillestock durch einen Melder zur Hauptwache gebracht.
Der nachfolgende Tagesablauf erfolgte nach Routine und wurde nur durch die Wachablösung gegen 13.00 Uhr unterbrochen.
Offizieren und Unteroffizieren war das Verlassen ihres Wachbereiches verboten. Gemeine konnten hingegen einzeln bis zu einer halben Stunde beurlaubt werden. Da haben sie auch Aufträge für die „Chargierten“ auszuführen gehabt, die ja weder in militärische noch in zivile Einrichtungen z. B. zum Essen gehen konnten.
In den Wachräumen führte ein Unteroffizier das Kommando und sorgte für die geforderte Ordnung sowie für die pünktliche Ablösung der Posten. Alle vom normalen Ablauf auftretende Abweichungen waren sofort der Hauptwache zu melden. Eintreffende Arrestanten mussten übernommen und die angeordneten Maßnahmen durchgeführt werden. Die Entlassung erfolgte auf besondere Weisung des Wachhabenden.
Kamen Offiziere oder hochgestellte Personen zum Tor, musste die gesamte Wachmannschaft „ins Gewehr gehen“, d. h. raustreten und Ehre bezeugen. Das war eine der strapaziösten Pflichten der Torwache. Für Säumnisse bei der Erfüllung dieser Pflicht drohten empfindliche Strafen. Der diensthabende Unteroffizier tat also gut daran, wenn er sich viel vor dem Wachlokal aufhielt, um selbst auf das Erscheinen von Offizieren achten zu können.
Die Öffnung der Tore erfolgte in Anwesenheit der von einem Offizier geleiteten Torwache durch einen Unteroffizier der Hauptwache. Dieser hatte den Torschlüssel und öffnete das Tor gemeinsam mit einem Unteroffizier der Wachmannschaft. Dann begann die Kontrolltätigkeit. Jeder Einreisende wurde durch einen Unteroffizier kontrolliert und bei auftretenden Problemen dem wachhabenden Offizier gemeldet. Dieser veranlasste deren Weiterleitung zur Hauptwache, wohin auch alle ankommenden Soldaten gebracht werden mussten. Daraus ergibt sich für Magdeburg mit fünf Toren, dass die reglementsmäßige Stärke der Wache nicht ausreichte, da neben den Toren auch weitere Wachbereiche mit Unteroffizieren ausgestattet werden mussten. In Ausnahmefällen waren für nachgeordnete Bereiche auch Gefreite als Wachhabende zugelassen.
Nach der Pass- und Personenkontrolle folgten der Torschreiber und Toraufseher, die die staatliche Steuerhoheit vertraten. Sie sollten von der Wachmannschaft, insbesondere bei der Verweigerung der Warenkontrolle, jederzeit unterstützt werden, wie die Toraufseher allgemein, die ja auch am Jakobsförder, Petriförder, Wassertor und anderen Punkten tätig waren, wo es Grenzen steuerlicher Art gab (Mahl- und Mehlsteuer an den Schiffsmühlen). Mit Schild- und Nachtwachen waren diese Schlupflöcher möglicher Deserteure ohnehin besetzt. Über den in die Stadt kommenden Verkehr wurden Rapportbücher geführt.
Diejenigen, die aus der Stadt hinauswollten, kontrollierte der Gefreite am Schlagbaum. Hier waren andere Kenntnisse erforderlich, insbesondere das Lesen und eine gewisse Menschenkenntnis sowie sportliche Fitness. Galt es doch gefälschte Urlaubsscheine zu erkennen, Verkleidungen zu durchschauen oder auch mal schnell einem Ausreißer hinterherzulaufen.
Je nach Jahreszeit gab es am Abend zwischen 20.00 und 22.00 Uhr den Zapfenstreich und die Tore wurden durch den Unteroffizier von der Hauptwache geschlossen. Eine kleine Pforte blieb allerdings über Nacht geöffnet. Wenn dann später Ankommende Einlass begehrten, wurden diese von einem Unteroffizier sorgfältig kontrolliert. Musste das Tor geöffnet werden, um einem Wagen Durchlass zu gewähren, musste zunächst die gesamte Wache heraustreten und der Unteroffizier mit dem Torschlüssel von der Hauptwache geholt werden. Je nach Anlage der Torwege waren noch weitere Prozeduren erforderlich. So wurde zunächst nur die Zugbrücke herabgelassen und der Wagen auf den Abschnitt zwischen der Zugbrücke und dem Tor (oder einer weiteren Zugbrücke) geleitet. Anschließend wurde die Zugbrücke wieder gehoben und der Wagen nach dem gleichen Verfahren bis vor das Tor gebracht. Erst nachdem die letzte Zugbrücke wieder gehoben war, erfolgte die Toröffnung und Passage des Wagens. Diese Sonderabfertigung war mit der Pflicht der Einreisenden verbunden, einen besonderen Obulus zu entrichten, der in einer Büchse am jeweiligen Tor gesammelt wurde. Der Ertrag aus der Büchse am Ulrichstor wurde beispielsweise zur Finanzierung der Garnisonsschule verwendet. 1789 waren das z. B. 23 Taler 15 Groschen und 19 Pfennige.
Zum Nachtdienst der Wache werde ich im nächsten Beitrag berichten
Der Nachtdienst begann nach dem Zapfenstreich und Torschluss. Für die Wachhabenden war es eine Zeit doppelter, wenn nicht dreifacher Kontrollen. Zunächst war es das feste Wachregime mit seinen festgelegten Schildwachen, Ronden und Patrouillen. Zweitens waren es die zusätzlichen Polizeiaufgaben mit denen die Wachen hinsichtlich des Erhalts von Ruhe und Ordnung in der Stadt sowie zum Schutz vor Feuer und Wasser sowie weiteren Naturereignissen auferlegt war. Und Drittens war es die Überwachung des Wachpersonals selbst, das immer wieder mit nachlassender Pflichterfüllung, Disziplinschwierigkeiten, wenn nicht gar mit Desertion Probleme verursachte. Offiziere nicht ausgenommen.
Mit Beginn des Nachtdienstes setzten die Kontrollgänge der Patrouillen ein. Ein Unteroffizier oder Gefreiter und zwei Soldaten bildeten eine Patrouille, wobei Gefreite nicht ausschließlich an Stelle von Unteroffizieren eingesetzt werden durften. Die Patrouillen unterschieden sich selbst in drei Arten.
Bereits vor Zapfenstreich gingen die ersten Patrouillen durch die Straßen ihres Bereiches und sorgten nach Art der Polizei für Ruhe und Sicherheit. Nach dem Zapfenstreich folgten Straßenpatrouillen, die unter dem Namen Bierpatrouillen bekannt waren. Für ihre Führung kamen ausschließlich Unteroffiziere in Betracht. Sie gingen in alle Wirtshäuser und forderten erstmalig die Biergäste, insbesondere die Soldaten, zum Verlassen der Lokale auf. Später noch angetroffene Soldaten wurden in Arrest genommen. War der Unteroffizier nachlässig, wurde ihm mit Arrest und zweimonatiger Schildwache bei Soldabzug gedroht. Die normale Patrouille erfolgte über die gesamte Nacht und diente der Kontrolle der Schildwachen, der Überwachung der Straßen und ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch der Überprüfung der Kasernen auf Verschluss und Beleuchtung.
Alle halbe Stunde sandte die Hauptwache eine Patrouille zu einer anderen Wache. Dort wurde daraufhin eine andere Patrouille zu einer anderen Wache abgeschickt bis alle Posten überprüft waren und sich der Kreis an der Hauptwache geschlossen hat. Zur Überprüfung führte jede Patrouille einen Patrouillenstock mit, auf dem die Patrouillengänge verzeichnet waren. Nach dem Nebeneinanderlegen der Patrouillenstöcke der Patrouille und der angelaufenen Wache wurde über beide Stöcke ein Bleistiftstrich gezogen. Nach der letzten Patrouille der Nacht wurden alle Patrouillenstöcke zur Hauptwache gebracht und dort auf Übereinstimmung der Bleistiftstriche geprüft. Richtigkeit und Vollständigkeit der durchgeführten Kontrollen ließen sich damit auf einfache Weise feststellen.
Neben den Patrouillen gab es die Ronde. Sie wurde von einem Offizier geführt und von einem Unteroffizier und zwei Gemeinen begleitet. Die Ronde kontrollierte in der Hauptsache die einzelnen Wachen sowie deren Wachhabende. Die erste Ronde führte der Major du Jour. In der Nacht erfolgten sie je nach jahreszeitlicher Dauer der Dunkelheit drei- bis fünfmal durch einen Wachoffizier. Die letzte Ronde war die Visitierronde, die den Tagesdienst einleitete. Die begleitenden Unteroffiziere und Soldaten wurden in diesem Zuge von Wache zu Wache ausgewechselt.
Bei der Ronde, deren Erscheinen im Gegensatz zur Patrouille nicht berechenbar war, musste die Wachmannschaft beim Erscheinen heraustreten. Eine durchgehende längere Ruheperiode war den Wachen nicht vergönnt. Schnelligkeit und Akkuratesse waren jederzeit gefordert. Nachlässigkeiten und Fehler wurden als Wachvergehen besonders hart geahndet.
Meldete eine Schildwache Feuer, so musste der Unteroffizier von der Wache hineilen, um die Gefahrensituation zu erfassen. Bestand akute Gefahr, hatte er die Hauptwache zu alarmieren, die Brandalarm schlug. In der Zwischenzeit mussten er und ein Unteroffizier der Nachbarwache die Straßen sperren und mit den Wachsoldaten die ersten Löscharbeiten einleiten, bis genügend Bürger zur Verfügung standen.
Ein anderes Verfahren galt bei festgestellten Desertationen. In solchen Fällen war lediglich die Hauptwache zu informieren. Deren Wachhabender setzte die Garnison in Kenntnis, die Suchkommandos aus den Kompanien zusammenstellte und einsetzte.
Zum letzten Überwachungskomplex – dem der eigenen Kräfte – berichte ich in einem gesonderten Schlussteil.
Durch den vorhergehenden Beitrag angeregt, folgt eine kleine Zwischenbetrachtung. Wenn ich hierbei auf Zeugnisse aus der Zeit nach 1815 zurückgreife, bitte ich um Entschuldigung, da mir frühere Urkunden aus Magdeburg nicht zugänglich waren. Die Grundzüge der Verhältnisse waren jedoch weitgehend vergleichbar.
Zunächst an Magado vielen Dank für die Erinnerung an den Plan der Schildwachen an der Elbefront. Ich möchte sie mit ein paar Bemerkungen versehen – als Ergänzung zu den schon erwähnten Steuergrenzen zwischen Stadt und plattem Land.
Fiskalisch galt die Elbe als plattes Land und die darauf liegenden (Schiffs-)Mühlen waren steuerpflichtig. Die Mahlsteuer wurde ebenso erhoben, wie die Mehlakzise, wenn dieses von den Mühlen zurück in die Stadt gebracht wurde. Dafür waren Steueroffizianten zuständig, die später (so ab 1830) ihr Büro auf dem Gelände der Wasserkunst hatten, welche räumlich mit der ebenfalls überwachten Dampfmühle verbunden war. Neben den Zugängen zu den Schiffsmühlen gab es noch zwei Tore zum Petriförder und das Jakobwassertor am Fischerufer. Beide Stellen waren allerdings nicht jederzeit und auch nicht komplikationslos zu erreichen. Dafür sorgten die Bestimmungen der preußischen Steuerbehörden, die auf einen hermetischen Stadtverschluss achteten, um die Einnahmen aus der Mahl- und Schlachtsteuer für Staat und Stadt zu sichern. Deshalb war der Zugang zur Elbe mit Zäunen (Stacketen) versperrt und nur über Tore erreichbar. Ein aufgestelltes Schilderhaus mit dem Wachtposten war bestimmt, dass nichts Unzulässiges passierte und am Abend wurde abgeschlossen. Dann gab es auch bei hellem Mondenschein an der Elbe nichts zu suchen, auch kein Wasser. Die Tore wurden oft, bei Hochwasser immer, beschädigt und mussten ständig instandgesetzt werden, was zu einem regen Schriftwechsel zwischen dem Provinzial-Steueramt und dem Magistrat führte. Da die Stadt mit 1/3 an den Steuereinnahmen beteiligt war, das waren 1852/54 immerhin 114 368 Taler, 2 Silbergroschen und 9 Pfennige im Jahresdurchschnitt, musste sie auch einen ähnlichen Anteil an den Reparaturkosten der Tore übernehmen. Wie in dem Falle, als behufs des nächtlichen Verschlusses der zum Schutz der Mahl- und Schlachtsteuer am Petriförder befindlichen Barriere zwei neue Vorlegeschlösser beschafft worden sind ... Der von der Stadt zu tragende Kostenanteil belief sich auf 2 Tlr. 7 Sgr. 3 Pf. (Stadtarchiv Magdeburg Rep. A II, F 22 Bd. 2 Bl. 35 vom 10.5.1867; in Bd. 1-3 viele weitere Belege für das gesamte 19. Jahrhundert).
Oder hier der Brief eines Magistratsbeamten an Oberbürgermeister Francke, Stadtarchiv Magdeburg, Rep. A II. F 22 Bd. 1 Bl. 140:
Aus den Anlagen wollen Euer Hochwohlgebohren gefälligst entnehmen, daß der Herr Provinzial Steuerdirector 2 Thlr. Kosten für das Aufeisen [die Entfernung des Eises, um die festgefrorenen Tore bewegen zu können] am Jacobs und Petersförder nicht anweisen will, weil dies eine policeiliche Angelegenheit sei. So viel ist gewiß, daß die Steuer-Verwaltung dabei kein Interesse hat, wenn die Förder zur Winters-Zeit, wenn die Schiffsmühlen nicht in Gange sind, geöffnet werden, viel mehr durch das Verschlossenbleiben derselben zu dieser Zeit den Steuern mehr Sicherheit verschafft wird. Für die Einwohner der Stadt, die sich auch zur Winterzeit aus der Elbe mit Wasser versehen, sowie für die Schiffer und Müller, welche nach ihrem Eigenthum sehen müssen, bleibt aber die Oeffnung der Förder und die Passage durch dieselben nothwendig, weshalb bei Euer Hochwohlgebohren ich hiermit ganz ergebenst anfrage, ob Hochdieselben die liquidierten 2 Thlr. für diesmal sowie dergleichen Kosten für die Zukunft anweisen wollen. Magdeburg, den 15. März 1826 gez. Unterschrift
Zu diesem Brief ist zu bemerken, dass der Verschluss der Tore an der Elbefront nicht dazu führte, dass die Schildwachen nicht aufziehen brauchten. Die Beobachtung des Vorfeldes der Festung und der Elbe war nach wie vor zu gewährleisten und, was wichtiger war: die Verhinderung der Desertation.
Die Wachbereiche (Wachen) gliederten sich in den Großen Posten von Bastion Cleve und die Wachen am Brücktor, am Holzhof, am Petriförder und am Fischerufer. Letztere wurden nicht von Offizieren geführt, sondern hatte einen Unteroffizier als Wachhabenden für 12 Gemeine (eventuell auch Gefreite).
Es ist schon eine größere Zahl, denn die Posten mussten zueinander in Rufweite stehen. Das waren im Durchschnitt 42 Meter. Auf den Wällen war es nicht anders, so dass sich die Größe der notwendigen Wachmannschaften ermessen lässt.
Die Schildwachen mussten drei bis fünfmal in der Nacht kontrolliert werden. Dafür waren die Patrouillen zuständig. Die Wachen mussten ebensooft durch eine Offizierspatrouille (Ronde) visitiert werden. Dafür war vom Großen Kurfürsten bereits ein detailliertes Prozedere vorgeschrieben. Da sich allerdings im Laufe der Zeit in der disziplinierten preußischen Armee der Schlendrian breit machte, wurde dieses, wie andere Vorschriften auch, immer weniger beachtet und es musste an sie und die vorgeschriebene Zahl der Kontrollgänge immer mal wieder erinnert werden. Die angedrohten Strafen für Wachvergehen waren, wie bereits erwähnt, besonders streng.
Ich beginne die Schilderung zu den Schwierigkeiten, welche die Angehörigen der preußischen Armee ihren Feldherren machten, mit einem Bericht aus dem Jahr 1851 – der Einfachheit halber in direkter Kopie.
Bild entfernt (keine Rechte)
(der erwähnte Kommandant ist nicht der in Magdeburg, sondern in diesem Falle der Berliner, was aber keinen großen Unterschied ausmachen dürfte.)
Nach diesen Bemerkungen werde ich zu den Disziplinarproblemen einzelne Sachverhalte in Unterkapiteln getrennt behandeln.
Deserteure waren die Hauptkrankheit der stehenden Heere. Das war keine Besonderheit oder Spezialität der preußischen Armee – aber eben auch ihr Problem. Ehre gab es lediglich bei den Offizieren. Es war das Erbe der Ritterzeit – die ritterliche Ehre, die nichts kostete. Aber da zogen ja auch noch Kaiser, Könige, Herzöge, weltliche und geistliche Fürsten mit in den Kampf und opferten dort auch ihr Leben. In den Söldnerheeren verkaufte man sich an den Meistbietenden und wenn es bessere Angebote gab, dann war man unter Umständen beim nächsten Feldzug auf der Gegenseite. Das war normal und nicht ehrenrührig.
So, das war´s!?
Nein.
Das galt für die Obristen. Für die Heerführer.
Für die Söldner gab es andere Regeln. Sie wurden geworben, überredet, überlistet oder einfach mit Gewalt irgendeinem der Söldnerführer verpflichtet. Da sie ein Handgeld erhielten, waren sie natürlich eine Kapitalanlage, die sich rentieren sollte. Kapitalverlust wurde durch Kapitalverbrechen verursacht und war schlimm – ganz schlimm.
Nationalbewusstsein gab es noch nicht. Virtuelle Werte waren unbekannt – sie sollten sich erst später als nützlich erweisen.
Ja – so war es bestellt, als sich die stehenden Heere herausbildeten. Obwohl die Werbemethoden zunächst dieselben blieben, war Seitenwechsel plötzlich (moralisch) gar nicht mehr erlaubt. In der Regel wurden dafür Lebensstrafen verhängt. Aber, es gab noch ein Problem. Bei den gegebenen Aussichten wollten ja wirklich nur noch diejenigen zum Militär, die nichts mehr zu verlieren hatten oder eben, wie man damals sagte, Lumpen, Gesindel, Gottlose – aus der Gesellschaft Ausgestoßene waren. Damit waren schlagkräftige Truppen natürlich nicht aufzubauen, sodass man sich weiterhin mit Versprechungen und Verlockungen und allerlei Tricks auch besseres „Personal“ zu verschaffen versuchte. Die Methoden waren zum Teil sehr robust (um es vornehm auszudrücken) und führten nicht selten zu diplomatischen Verwicklungen zwischen den „deutschen“ Staaten – die ja außer der Reichszugehörigkeit zum Heiligen Römischen Reich sonst oft nichts Gemeinsames hatten. Dass das Herzogtum Preußen nicht zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehörte, war ja überhaupt nur der Grund, dass sich Friedrich III. zum König in Preußen erklären konnte. Dort konnte er machen, was ER wollte.
In den einzelnen Staaten bemühte man sich natürlicherweise zur Stabilisierung der Mannschaftsstärke geeignete Rekrutierungsmethoden zu entwickeln. In Preußen sollte das Kantonierungssystem so eine Art Vorläufer der allgemeinen Wehrpflicht werden. Auf „ausländische“ Soldaten wollte man hingegen nicht verzichten, um die eigenen „Landeskinder“ als Arbeitskräfte nicht zu verlieren. Dass Soldaten die Lust am Kriegspielen verloren, wenn es Ernst wurde, war unter solchen Voraussetzungen nicht außergewöhnlich. Auch in der Wehrmacht des Tausendjährigen Dritten Reiches wurde „Feigheit vor dem Feind“ – noch nicht einmal Weglaufen, Fahnenflucht, Desertation – mit der Todesstrafe bedroht. Nur damit sich die Landser nicht Augen und Ohren verschlossen und dem Feind den Rücken zukehrten.
Für die ganz Großen galten andere Maßstäbe. So für den preußischen König, der drei Tage nach der verlorenen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 17. Oktober 1806 nach Magdeburg kam – nicht um hier seine Truppen wieder zu sammeln, nein, sondern um auf die Nachricht hin, dass die Feinde bereits bei Dessau den Elbübergang vollziehen, erklärte er das rechte Oderufer zur Dislokationslinie und rettete sich bei Tangermünde ohne Gefolge über die Elbe. Der Fürst von Hohenlohe sollte die versprengten preußischen Truppen reorganisieren.
Nachdem bereits 1805/06 die preußische Armee bei der Mobilmachung 3539 "Ausländer" durch Desertation verloren hatte, befürchtete der Magdeburger Gouverneur, General von Kleist, bei einem Ausfall der Verteidiger eine Massendesertation und vergab damit einen möglichen Erfolg gegen die zahlenmäßig schwachen und unzulänglich ausgerüsteten Belagerer unter Marschall Ney. Diese Angst vor der Desertation der Mannschaften war lange herangezüchtet, indem immer wieder Maßnahmen zur Vermeidung der Desertation, zum Wiederergreifen der Deserteure und zu deren harter Bestrafung formuliert wurden. Auch die Strafandrohungen gegen diejenigen, die Desertionen nicht verhinderten oder gar unterstützten, wurden immer wieder drastisch verschärft. Es war eine Art Panikmache, die an den Folgen, nicht an den Ursachen, ansetzte.
Ich lasse nun Beispiele folgen, die zunächst Parolebefehle aus der Zeit des „Alten Fritz“ und dann aus den letzten Jahren der „alten“ preußischen Armee 1803-1805 zur Grundlage haben.
Unter Parolebefehl ist die Belehrung zu verstehen, die jeweils bei der Vergatterung der Wachmannschaft erfolgte. Ihre Ausgabe wurde nach strengem Reglement vollzogen. Jeweils vier „Fähndriche“ an den Ecken der im Karree aufgestellten Wachmannschaft (bei größeren Wachen in Kompanieform) mussten darauf achten, dass sich niemand während der Verlesung des Parolebefehls auf Hörnähe an die Mannschaft annäherte. Parolebefehle waren sowohl zentral vorgegebene Anweisungen (sogenannte Königsbefehle), als auch örtlich variierte Forderungen (sogenannte Gouvernementsbefehle).
Der Überlieferungsbestand ist außerordentlich gering. Für Magdeburg habe ich kein konkretes Beispiel finden können. Königsbefehle können aber in jedem Fall als übertragbar gelten und Gouvernementsbefehle sind zumindest in analoger Form sehr wahrscheinlich in der preußischen Armee vielfach entstanden.
Wer da wiederbringt den Deserteur, Dreißig Preuß´sche Thaler sein Douceur.
Das war das Versprechen.
23. April 1783:
Die fremden Regimenters, so zur Revue in Berlin waren, können nach ihrer Commodité wieder abmarschieren, die Wachen müssen aber sich in Acht nehmen, daß sich k e i n e r herausschleicht.
4. Januar 1751:
Bei diesem trüben Wetter soll gute Wacht gehalten werden, damit sich keiner zum Thor herausschleiche.
6. Januar 1751:
Die Wachen an denen Landwehren [Tore] geben wohl Acht, auf denen Bauerwagens, daß sich auf selbigen kein Soldat herausschleicht, der keinen Paß hat.
7. Januar 1752:
Ihro Majestät der König lassen befehlen, daß wenn zukünftig Leute aus der garnison desertieren und sie wieder bekommen werden, so sollen sie anzeigen, wo sie übergestiegen sein, und soll der Offizier, wo selbige übergestiegen, 4 Wochen in Arrest sitzen, die nächste Schildwache aber Gassenlaufen, weshalb die Offiziers und Unteroffiziers ihre Wachen sehr allart halten müssen und sollen fleißig patrouillieren lassen. Dieser Befehl galt wohl insbesondere für mit Ringmauern umgebene Städte. Aus Festungen kam man durch Übersteigen wohl nicht so einfach heraus.
28. Januar 1752:
Wenn Handwerksburschen oder gemeine Brut aus denen Landwehren gehen und ungefähr die Größe oder ungefähr etwas von Soldatenwesen an sich haben, soll der Gefreite einen solchen examinieren, wo er hin will, was vor Profession er hat, und wenn was Verdächtiges gefunden wird, so sollen sie angehalten werden. Da fast täglich Desertationen oder Versuche dazu vorkamen, war eine Meldeordnung festgelegt.
12. November 1751:
Wenn ein Kerl von der Wacht desertiert, soll allzeit gemeldet werden, ob er sein Gewehr mit hat, auch, wann er eine Frau hat, ob selbige mit ist, von was vor Kompagnie derselbe, wie groß, wo er zu Hause gehört und wie lange er gedient hat. Wenn Gefreite-Corporals oder Cadetts sich auf der Straße nach dem Zapfenstreich finden lassen, sollen die Patrouillen selbige arretieren. Bei diesem schlechten Wetter soll nach dem Gewehr wohl gesehen werden. Der Garnison wurden Desertationen bekanntgemacht.
16. Juli 1751:
Es hat sich ein Grenadier verstochen vom Schwerinschen Regiment Cap. V. Schlieben’s Compagnie, 7¾ Zoll groß, pockennarbig und schwarz in’s Gesichte, ist dabei breitschultrig und hat eine Schürze vor. Wer ihn ansichtig wird, möchte ihn arretieren.
26. November 1751:
Es ist ein Kadett aus dem Kadettenhause gelaufen namens v. Knobelsdorff, spricht nichts als polnisch, hat einen weißgrauen Rock an, eine grüne Pelzmütze auf. Wer solchen ansichtig wird, möchte ihn doch wieder nach dem Kadettenhaus schicken.
24. Januar 1754:
Es wird befohlen, daß, wenn Soldaten zum Thore herausgehen, soll allemal ein Unteroffizier mitgehen.
22. Dezember 1754:
Von denen Guardes zu Fuß sollen keine zum Thor herausgelassen werden, so nicht einen Paß von Ihro Königs Majestät eigenhändigen Unterschrift vorzeigen. Auch soll kein Garde du Corps ohne Paß vom Major v. Blumenthal herausgelassen werden.
Wachen, denen ein Deserteur durchgegangen war, hatten mit einer Menge von Schwierigkeiten zu rechnen. Sie „revanchierten“ sich mit einer Vielzahl von Schikanen, indem sie beispielsweise Bürger unter dem Vorwand sie seien verkleidete Soldaten anhielten oder von den Toren abwiesen. Dafür zeugt ein Befehl vom
12. November 1754:
Es ist abermals Klage beim Gouvernement eingelaufen, daß Reisende und Leute von Condition nach 9 Uhr nicht sein hereingelassen worden zum Thor. Dieses aber ist ein Mißverständnis und gehet nur gemeinen Leuten und liederliches Gesindel an, die ihren Plaisirs in denen vor den Thoren gelegenen Gasthöfen und Wirthshäusern nachlaufen; selbige sollen, wenn sie sich verspätet, nicht hereingelassen werden.
27. Januar 1781:
Da heute Klage von einem Juden gekommen, der noch lange nicht 5 Fuß hat, daß ihn der Offizier am Thor, weil er ihm verdächtig erschienen, nicht herein hat lassen wollen, auch andere Leute, die keinen Soldaten ähnlich sehen, sich darüber beschweren, so wird aufs Schärfste verboten, dergleichen Chicanes nicht zu machen, und sonderlich sollen die wachthabenden allen Leuten höflich begegnen, weil ein solches übles Betragen Alles gegen das Militair aufbringt und Unordnung und nicht Ordnung anzeigt.
Üblicherweise wurden die Kompagnie-Chefs für die Desertationen in ihrer Kompagnie verantwortlich gemacht. Sie wurden genötigt, wenn ihnen eine Schuld zuerkannt wurde, den Deserteur zu ersetzen. Das bedeutete, dass sie das Werbegeld für einen neuen Soldaten ersetzen mussten.
4. März 1780:
Der Herr General befehlen, daß die Kapitains und Kommandeurs der Kompagnien ihre Leute des Abends und Morgens genau visitiren lassen, besonders die Offizier-Burschen, wenn der Offizier auf Wacht ist, damit sie Abends und Morgens und des Nachts zu Hause seind, und sollten hierüber Excesse geschehen, kommt der Capitain oder Kommandeur der Kompagnie in Arrest. Die Wachen sollen alles an den Staabs-Offzier du jour, was auf ihren Wachen vorfällt, auch die allergeringste Kleinigkeit, besonders wenn Pallisaden umgefallen, melden lassen. Wenn die Offiziers ihre Burschen anders kleiden wie sichs gehört, nehmlich außer Uniform setzen, und selbiger läuft weg, so soll der Offizier einen solchen Kerl ersetzen.
13. Juli 1781:
Die Herren Chefs der Kompagnie sollen vorsichtiger mit ihren Leuten umgehen, so sie den Herrn Offiziers zur Bedienung geben, widrigenfalls, wenn ein solcher Kerl wegläuft, sollen sie nicht allein den Kerl bezahlen, sondern auch das, was der Kerl seinen Offizier mitgenommen. Bittet sich ein Offizier einen Kerl besonders aus und beharret auf seinen Vorsatz, so muß er sich auch reserviren, daß er vor alles steht, und der Chef ist außer Schuld.
13. Juli 1783:
Vom Regiment Thüna und Bornstädt werden von dem Regiment, so die Wacht giebt, täglich 2 Offiziers zum Nachsetzen commandiret und sobald eine Schildwacht desertiret, so reitet der eine Offizier zum Frankfurter Thore heraus, längs der Spree bis Cöpnick, macht dort Lärm, und als dann schlägt er sich links gegen die Oder und reitet vor die Mecklenburger Grenze, der zweite Offizier reitet zum Oranienburger Thor heraus, dort gleichfalls längs der Spree, macht Lärm auf der Charlottenburger Brücke und alsdann geht er rechts herum gleichfalls vor die Mecklenburger Grenze. Diese beiden Offiziers kommen nicht gleich wieder zurück, wenn sie Lärm gemacht haben auf denen Dörfern, sondern sehen sie auch danach, daß die Dörfer Wachten aussetzen und allart sein, und falls sie etwas von den Deserteurs erfahren, müssen sie die Dorfschaften in Bewegung setzen und Wälder und Korn durch visitiren lassen. Der Major du jour muß diese beiden Offiziers bei der Parol instruiren, wohin jeder zu reiten hat, und dieserhalb melden sie sich bei der Parole bei ihm.
Ich setze die Wiedergabe der mir zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgefallenen Parolebefehle im nächsten Beitrag fort.