Anhang zu einem CIOS-Report, in diesem enthalten die Übersetzung dieses Dokuments über eine Dienstreise zu den V-2 Abschussstellungen, leider ohne Namensnennung des Verfassers:
O.U, den 13.1.1945
Bericht über die Dienstreise zur Gruppe Nord
Auftrag: Orientierung über Transport, Umschlag und Betankung.
1. Allgemeines: Die Fahrt begann am 26.12.44 und führte über Berlin, Hannover, Hamm, nach Münster. Infolge schlechter Verbindung Weiterfahrt von Münster mit angehaltenem Kraftfahrzeug nach Burgsteinfurt zur Gruppe Nord. Dort Meldung bei Hptm. Harm am 27.12.44. Es erfolgte eine kurze Einweisung über die derzeitige Gliederung der Gruppe Nord. Danach befanden sich
im Raum Den Haag die Battr. 444 (Hptm. Böhm).
im Raum Hoog v. Holland die 1./485 (Hptm. Salomon) und
im Raum Geldern die SS-Battr.500.
Umschlagplatz für Geräte war in Holland für 444 und 1./485 Leiden (15 km ostwärts Den Haag, für Treibstoffe die sogenannte Emma-Klinik, 4 - 5 km nordwärts der Feuerstellung von 444, in de Haag selbst. Im Raum Burgsteinfurt befanden sich 2. u. 3./485 mit Umschlagplatz für Geräte (14 km ostwärts Burgsteinfurt) und für Treibstoffe in Billek bei Burgsteinfurt.
Weiterfahrt nach Den Haag um 17.30 Uhr. (Mit Hptm. Harm hatte ich auf sein Anraten vereinbart, daß ich 2 Tage in Holland (Den Haag), 1 tag in Utrecht (Stützpunkt Ursula) und drei Tage in Burgsteinfurt verbringen sollte, um die in den jeweiligen Räumen befindlichen Umschlagplätze für Geräte und Treibstoffe zu besuchen.) Nach passieren der Reichsgrensze sehr dicht werdender Nebel, der den Fahrer zwingt, in der Dunkelheit langsam zu fahren. Vor Utrecht wird die Weiterfahrt unmöglich, da Straßen vereist sind und der Nebel ein Weiterfahren bei Nacht unterbindet. Erst um 2 Uhr eintreffen in Utrecht bei Stützpunkt Ursula. Weiterfahrt am 28.12.44 nach Den Haag. Völlig vereiste Straßen machen Fahren fast unmöglich. Ein Aufklären des Wetters bringt gegen 10.00 Uhr bessere Fahrtmöglichkeiten und damit die ersten Jagdbomber. Allmählich wird die Strecke eisfrei und ermöglicht höhere Geschwindigkeiten. Zwei Kilometer vor dem Ziel überschlägt sich der Wagen durch Unvorsichtigkeit des Fahrers und die Insassen werden teilweise herausgeschleudert oder darunter begraben. Ergebnis des Unfalls: Wagen stark beschädigt, aber trotz allem fahrbereit (Volkswagen). Nach kurzer Wiederinstandsetzung des Wagens und Weiterfahrt kann ich mich bei der Battr. 444, Herrn Hptm. Böhm, melden. Gleich nach Eintreffen wurde mir allerdings mitgeteilt, daß infolge regen Fliegertätigkeit bei Tage weder in den Feuerstellungen noch an den Umschlagplätzen gearbeitet wird. Also mußte ich meine Tätigkeit auf die Nachtstunden verlegen.
Eine Besprechung über den Einsatz der Battr. 444 mit Herrn Hptm. Böhm ergab folgendes Bild: Die Battr. ist nach der alten KStN gegliedert. Sie enthält drei Schießzüge mit einer Abschußstelle. Diese befinden sich im Raum Den Haag (2) und H.v.Holland (1). Dazu kommt ein weiterer Schießzug mit einer Abschußstelle von 2./485 ebenfalls in H.v.Holland, ferner eine Sicherungsbatterie, bestehend aus Flak und Absperrmannschaften, eine Techn.Batterie (unter gebracht in einer Filmstadt und anschließenden Parkanlagen)(the so-called Film-Studio was situated in the restricted area near to Clingendael, near Park Oosterbeek, AOB), ferner Teile der Kraftfahr-Abteilung 900.
Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Einheiten ist gut und geht wie folgt vor sich:
An den Umschlagplätzen werden von Umschlagtrupps die Geräte verladen und von Teilen der Kraftfahrabt.900 zur Techn.Battr. gefahren, dort abgestellt, und von der T,B. in den Filmhallen geprüft, nach erfolgter Spitzenmontage. Die Batterie holt die Geräte bei der Technische Batterie ab und bringt sie selbst in die Feuerstellungen.
Die T.B. versorgt sämtliche Abschußstellen von 1/485, 444, sowie die 1 Abschußstelle von 2/485. Sie arbeitet auch nachts.
Der Umschlag von A-Stoff und den anderen Treibstoffen erfolgt bei der sogenannten Emmaklinik sofort nach Eintreffen eines Transportes. Größe des Transportes: Im Durchschnitt 4 LKW für A-Stoff und 4-6 LKW für B-Stoff. Um die Verdampfungsverluste für A-Stoff möglichst niedrig zu halten, sind die Betankungstrupps der Batterien schon Stunden vorher abholbereit, um rechtzeitig A-Stoff umschlagen zu können. Der Umschlag erfolgt sehr rasch, Dauer etwa 40 Minuten. Sämtliche eingetroffenen LKW werden gleichzeitig enttankt, sowohl für A-als auch für B-Stoff.
Verdampfungsverluste für A-Stoff sind so, daß aus einem LKW 3 bis 4 Kesselwagen betankt werden können. Der A-Stoff kommt vom Umschlagplatz sofort zur Feuerstellung und wird dort getankt. Das Umtanken von B-Stoff erfolgt in 30-40 Minuten.
Da in der folgenden Nacht, trotz Voranmeldung, kein A-Stoff eingetroffen war, konnte erst nach Eintreffen desselben in den Morgenstunden geschossen werden. Wetter erst diesig, später rasch aufklärend. Betankung des Geräts erfolgte in der üblichen Weise. Die beiden Schüsse wurden nach Hellwerden abgegeben, davon war ein Schuß einwandfrei, der zweite ging als Steilschuß (Programm trat nicht in Tätigkeit) ab und traf in 20 km Entfernung Richtung Scheveningen auf. Die Detonation war hörbar nach Ablauf von 7 Minuten.
Der Vormittag brachte eine Besichtigung der T.B. in der Filmstadt. Die Batterie ist hervorragend getarnt und in teilweise bombensicheren Bunkern und kleine Forts untergebracht. Prüf- und Kompressorwagen stehen in den beiden Filmhallen, woselbst die Geräte geprüft werden. Die Arbeitsweise der Batterie konnte nicht festgestellt werden, doch ergab sich aus Besprechung mit den Zugführern, daß durchschnittlich in 1 bis 1 ½ Std. 1 Gerät geprüft werden kann. Das ergibt bei zwei Prüfstellen etwa 8 bis 12 Geräte in einer Nacht. Die Hallen ermöglichen ein Arbeiten bei vollem Licht.
Am Nachmittag orientierte ich mich über die Unterbringung der Battr. 444, Anlage der Sperrbezirke und Flakstellungen. Demnach ist die Battr. gut untergebracht, die Bevölkerung im Sperrbezirk evakuiert. Die Absperrung ist großzügig durchgeführt und lückenlos. Ohne Sonderausweis kein Einlaß. Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt der Dienst der Schießzüge, die die Geräte klarmachen je nach Eintreffen der Geräte-sowie A-Stoff Transporte. Die Flak ist dicht hinter dem Battr.-Gefechtsstand zusammengefaßt in Stellung gebracht und bekämpft mit Erfolg angreifende Tiefflieger, meistens gelingt ein Abdrängen derselben.
2. Beobachtung über den technischen Einsatz bei Transport und Umschlag.
Ein Besuch des Umschlagplatzes Leiden erbrachte folgendes:
Der Transport der Geräte erfolgte in FR-Zugen zu 10 Gruppen, wobei 1 Gruppe 2 Geräte enthält. Diese lagern auf R-Wagen, die in der Mitte einen O-Wagen haben, mit den Spitzen in den O-Wagen hereinragend. Auf diesen O-Wagen werden die beiden Spitzen in Elefanten transportiert, ferner Strahlruder, Schießzubehör zu den beiden Geräten und Z-Stoffbehälter.
Die Tarnung wird mittels Planen und Muni-Körben durchgeführt. Der ganze Transport ist durch Anlage von Sprengmitteln zum Sprengen vorbereitet. Die Sprengkapseln sind beim Transportführer, in der Regel ein Uffz., der die Sprengung in einer Minute vorbereiten und durchführen kann.
Die Geräte sind mit Mittel- und Heckplanen versehen und werden ohne Spitze transportiert. Die Papiere der Geräte befinden sich im Geräteraum. Dort ist auch eine Nummer eingeschlagen, die mit der Nummer in den Papieren übereinstimmen muß. Eine zweite Gerätenummer befindet sich als kleines Schild außen an der Mittelplane. Es kommt öfter vor, daß dieses Schild fehlt. Eine weitere Nummer befindet sich am Deckel, die ebenfalls mit den Papieren übereinstimmen muß. Durch Fahrlässigkeit werden oft Deckel mit falscher Nummer auf den Geräten befestigt, die dann an anderen Umschlagplätze großes Durcheinander und Zeitverlust hervorrufen
Zum Umschlag steht ein Krantrupp mit Strabo-Kran in Stärke von 1:8 und ein Planentrupp in Stärke von 1:8 zur Verfügung. Die Leute sind ausgezeichnet eingearbeitet und schlagen in 5 Stunden 29 Geräte um. Dabei ist die Verplanung der Transportgruppen nicht eingerechnet.
Der Strabo-Kran bewährt sich gut, die Hubhöhe reicht nicht aus um Geräte über die Rumgen zu heben. Daher wird der Kran aufgebockt auf starke Holzunterlagen. Das Bewegen der Laufkatze durch zwei Züge beschleunigt das Umschlagen. Leider fehlt dem Kran ein Schnellgang zum Senken des Kackens. Der Antrieb ist von Hand und elektrisch möglich (Stromaggregat). Sehr gut bewährt sich ein Planen-Windschutz für die Bedienung des Krans.
Durch sachgemäßes Rangieren seitens der Bahnbeamten wird viel Zeit gewonnen. Die Verhältnisse sind in Leiden so, daß wohl An- und Abfahrtwege vorhanden sind, aber durch die Bahnanlagen durchschnitten werden. Die Transporte werden daher in der Mitte getrennt. Folgen sind Zeitverlust und Kraftverbrauch.
Der Umschlag selbst geht rasch vor sich. Die Transportanhänger sind im Augenblick der Transportankunft zur Stelle.
Der von mir besuchte zweite Umschlagplatz bei Burgsteinfurt zeigte das Arbeiten mit der Ardelt- oder Pionierkran, der ähnliche praktische Zeiten wie der Strabo-Kran aufzuweisen hat. Nur erfordert bei dieser Konstruktion das Bewegen der Laufkatze vielmehr Kraft, da dies nur durch einen Mann durchgeführt werden kann. Besonders vorteilhaft ist der Schnellgang zum Senken des Hakens (Zeitersparnis). An diesem Umschlagplatz werden unklare Geräte, Elefanten, Schrott usw. verladen und die von der T.B. in Holland wieder hergestellten Geräte ausgeladen. Das Arbeiten macht erhebliche Schwierigkeiten, da die Wagenfolge gewöhnlich nicht stimmt. Die Gruppen sind teilweise zerrissen, die Nummern der brauchbaren Geräte stimmen nicht mit den Papieren überein. Bei Dunkelheit und ohne Licht ist ein Klären solcher Angelegenheiten fast unmöglich. Daher sollte auch beim verladen von Schrott und unklarer Geräte, ferner beim Zusammenstellen der Transporte, die Richtung Heimat gehen, Überlagerung und Rücksicht am Platze sein.
Ferner hat sich gezeigt, daß die Planen bei herrschender Kälte hart und unhandlich werden, zeitweise brechen und schwierig abzunehmen sind.
1. Beobachtungen über den taktischen Einsatz des Transportwesens:
Bei der Reglung des Einlaufs der Transporte nach Holland hat sich der Stützpunkt "Ursula" in Utrecht sehr gut bewährt. Er ist in der lage, je nach Witterungsverhältnissen bei Tage Transporte bis zum Zielbahnhof weiterzuleiten und damit Zeit einzusparen. Zu den Transporten selbst ist zu sagen, daß sie unter einem Transportführer (Uffz. oder Wachtmeister) laufen. Gesteuert werden die Transporte von höherer Stelle (von wo konnte nicht in Erfahrung gebracht werden). Die Klärung dieser Frage ist bei der infrage kommenden Stelle dringend erforderlich.
Abschließend kann gesagt werden, daß zum Besuch von Umschlagplätzen, die derart weit auseinanderliegen, wie es hier der fall ist, 6 Tage nicht ausreichen, um alle Fragen restlos zu klären, besonders dann nicht, wenn 1. der Betrieb bei Nacht erfolgt und 2. der Betrieb unter Feindeinwirkung stattfinden muß.