Zwangsarbeiter im Dritten Reich in Haldensleben 1939-1945
Von Sieglinde Bandoly, Haldensleben
Einleitung
Sowohl die aufstrebende Industrie als auch die Landwirtschaft in Deutschland hatten schon zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen großen Bedarf an Arbeitskräften, der teils durch Zuzug oder speziell in der Landwirtschaft durch ausländische Saisonarbeiter - vorwiegend aus Polen – gedeckt wurden. Diese Arbeits-kräfte kamen freiwillig, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, was in ihrer angestammten Heimat nicht immer möglich war. Im Jahre 1939 gab es in Deutschland einen Fehlbestand an Arbeitskräften von 1 Million, deshalb erfolgte zunehmend der Rückgriff auf ausländische Arbeitskräfte. Anfangs wurden Freiwillige sowohl aus West- als auch aus Osteuropa angeworben. Als diese Anwerbung nicht ausreichte, gingen die Nationalsozialisten ab 1942 zur Zwangsrekrutierung in immer größerem Umfang über. Seit Beginn des 2. Weltkrieges erfolgte der Ein-satz von Zwangsarbeitern vor dem Hintergrund einer totalen Kriegswirtschaft. Die Rekrutierungen erfassten alle besetzten Gebiete. Neben Zivilarbeitern und - arbeiterinnen kamen zunehmend Kriegsgefangene zum Einsatz, die mit den dienstverpflichteten deutschen Frauen die zum Militärdienst eingezogenen und schon in großer Zahl gefallenen deutschen Männer ersetzen mussten. Am 21. März 1942 wurde Fritz Sauckel, damaliger Gauleiter von Thüringen zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt. 1945 befanden sich ca. 8,5 Mil-lionen Zwangsarbeiter (Männer und Frauen) in Deutschland. Sie wurden nach Kriegsende von der Hilfsorganisa-tion der UNO betreut und millionenfach repatriiert. 800 000 von ihnen wanderten nach Übersee aus. Zahlreiche Verschleppte verweigerten die Rückkehr in ihre nunmehr unter sowjetischem Einfluss stehenden Länder und wurden daraufhin in Lagern interniert.
Quelle: Chronik der Deutschen, Augsburg 1996, S. 912 und 929
Gesetze, Verordnungen, Erlasse
Wie alle Lebensbereiche war selbstverständlich auch der Einsatz dieser ausländischen Arbeitskräfte durch ent-sprechende Verordnungen genauestens geregelt. So gab es u.a. eine „Verordnung über die Einsatzbedingun-gen der Ostarbeiter“ vom 30. Juni 1942, mit Gesetzeskraft erlassen vom Ministerrat für die Reichsverteidi-gung. Darin wird unter § 1 der Begriff des Ostarbeiters wie folgt definiert: „Ostarbeiter sind diejenigen Arbeitskräfte nichtdeutscher Volkszugehörigkeit, die im Reichskommissariat Ukraine, im Generalkom-missariat Weißruthenien oder in Gebieten, die östlich an diese Gebiete und an die früheren Freistaaten Lettland und Estland angrenzen, erfaßt und nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht in das Deutsche reich einschließlich des Protektorats Böhmen und Mähren gebracht und hier eingesetzt werden“.
Quelle: Rep. VI 769- Allgemeine Bestimmungen über den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, 1942-44 (Archivalien – Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben)
Diese Verordnung regelte Arbeitsentgelte, Sachleistungen, Zahlungen im Krankheitsfall und anderes. Danach er-hielten die Ostarbeiter ein nach Leistung abgestuftes Arbeitsentgelt nach den Lohnsätzen vergleichbarer deut-scher Arbeiter. Vom Lohn abgezogen wurden pro Tag 1,50 RM für Unterkunft und Verpflegung. Sonstige Sach-leistungen wie Bekleidung, Schuhwerk und dergl. waren zu angemessenen Preise zu verrechnen. Im Krankheits-fall waren vom Arbeitgeber nur freie Unterkunft und Verpflegung zu stellen. Eine beigefügte Lohntabelle umfas-ste Tagelöhne zwischen 1,60 und 4,45 RM (für deutsche Arbeiter zwischen 1,40 und 13,00 RM). Festgelegt war ebenso, die sogenannte Ostarbeiterabgabe, das heißt, je nach Höhe des Lohnes hatten die Arbeitgeber eine fest-gelegte Summe an den Staat abzuführen. Als Beispiel: Bei einem täglichen Lohn von 2,70 RM erhielt der Arbeiter abzüglich 1,50 RM für Unterkunft und Verpflegung 1,20 RM ausgezahlt. Die Ostarbeiterabgabe betrug in diesem Fall 1,95 RM. Bei einem Tagelohn von z.B. 4,45 RM betrug die Ostarbeiterabgabe 8,25 RM. Land-wirtschaftliche Arbeitgeber hatten jeweils nur die Hälfte dieser Abgaben zu zahlen. Außer dem Arbeitgeber „verdiente“ also der Staat an die Beschäftigten kräftig mit. In einem „ Merkblatt über die allgemeinen Grund-sätze für die Behandlung der im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte“ vom 15. April 1943 heißt es u.a.: „Dem Ziel, den Krieg siegreich zu beenden, hat sich alles unterzuordnen. Die im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte sind daher so zu behandeln, dass ihre Zuverlässigkeit erhalten und gefördert wird… Ungerechtigkeiten, Kränkungen, Schikanen, Misshandlungen usw. müssen unterbleiben. Die Anwendung der Prügelstrafe ist verboten…“ Folgende Weisungen wurden erlassen:
a) Jeder ausländische Arbeiter wird nach Möglichkeit an dem Arbeitsplatz eingesetzt, an dem er gemäß seiner Vorbildung und bisherigen Tätigkeit die höchsten Leistungen vollbringen kann.
b) Die Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte erfolgt in der Regel lagermäßig. Die Unter-künfte müssen hinsichtlich Ordnung, Sauberkeit und der Hygiene vorbildlich mit allen Notwen-digen ausgestattet sein. Gefängnismäßige Absperrungen und Stacheldraht sind verboten. Ent-scheidender Wert wird darauf gelegt, dass in der Unterbringung den nationalen Gewohnheiten der ausländischen Arbeiter und Arbeiterinnen weitestgehend entsprechend der kriegsbedingten Möglichkeiten Rechnung getragen wird. Die Ausländer sind, soweit irgendmöglich, nach Volks-gruppen getrennt und in sich geschlossen untergebracht. Die Mitwirkung der ausländischen Ar-beitskräfte bei der Verwaltung der Lager und der Aufrechterhaltung der Lagerordnung ist sichergestellt. Für alle Lager bestehen Lagerordnungen, in denen insbesondere auch die Pflichten und Rechte der Lager- und Betriebsführer umrissen sind.
c) Die ausländischen Arbeitskräfte werden bei der Anwerbung angehalten, Kleidung und Schuh-werk mit nach Deutschland zu nehmen. Soweit dies nicht möglich ist und soweit Ersatz für un-brauchbar gewordene Kleidungsstücke notwendig geworden ist, werden diese unter Berücksich-tigung der kriegsbedingten Einschränkung mit Kleidung und Schuhwerk ausgestattet, dass der zur Gesunderhaltung notwendige Schutz vor Witterungseinflüssen gewährleistet ist.
d) Die ausländischen Arbeiter erhalten die vom Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in Anlehnung an die Verpflegung vergleichbarer deutscher Arbeiter festgelegten Verplegungs-sätze. Auf landesübliche Kost wird hierbei nach Möglichkeiten Rücksicht genommen. Es wird Sorge getragen, dass den ausländischen Arbeitskräften die Verpflegung entsprechend den für sie zur Verfügung gestellten Mengen verabreicht wird. Unterschlagungen, Wucherpreise usw. durch Aufsichtstellen oder Ausführungsorganen werden so geahndet, als wäre die Tat Deutschen gegen-über begangen.
e) Jeder ausländische Arbeiter hat Anrecht auf eine wirksame gesundheitliche Betreuung. Die Vor-schriften zur Verhütung von Seuchen und übertragbaren Krankheiten finden uneingeschränkte Anwendung. Die ärztliche Versorgung ist je nach den örtlichen Gegebenheiten durch Lager-, Re-vier- oder Kassenärzte sichergestellt. Für die stationäre Revier- oder Krankenhausbehandlung ist die erforderliche Bettenzahl in geeigneter Weise bereitzuhalten. Für die Pflege und Versorgung sind nach Möglichkeit volkseigene Pflegekräfte, u. U. volkseigene Ärzte und Feldschere heranzu-ziehen. Für schwangere Arbeiterinnen sind die notwendigen Entbindungsmöglichkeiten vorzu-sehen, auch sind Stilleinrichtungen und Kleinkinderstätten im erforderlichen Umfang zu schaf-fen. Zur Betreuung ist auf weibliche Angehörige des betr. Volkstums zurückzugreifen. Rückbe-förderungen von schwangeren Arbeiterinnen finden nur in besonderen Ausnahmefällen auf deren Wunsch statt.
f) Die seelische Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte ist zur Erhaltung der Arbeitskraft und Arbeitsfreude von größter Bedeutung. Unterhaltende Veranstaltungen, Freizeitgestaltung, Sport usw. sind in erster Linie im Lager selbst durch lagereigene Kräfte durchzuführen. Darüber hin-aus werden besondere Künstler- und Volkstumsgruppen der verschiedenen Nationalitäten zur weiteren Ausgestaltung der seelischen Betreuung herangezogen. Ferner kommen, soweit möglich, Heimatfilme zur Vorführung. Außerdem sollen jedem Lager in die einzelnen Fremdsprachen übersetzte Bücher, Zeitschriften und Zeitungen zugänglich sein. Sprachkurse sollen die Ver-ständigung am Arbeitsplatz fördern. Für die einzelnen Nationen werden Spezialwörterbücher be-arbeitet und herausgebracht. Im Übrigen haben auch die Ostarbeiter grundsätzlich mindestens am arbeitsfreien Tag die Möglichkeit auszugehen.
g) Sämtlichen ausländischen Arbeitskräften ist eine seelsorgerische Betreuung ermöglicht, soweit diese gewünscht wird. Für Angehörige der besetzten Ostgebiete kommt zunächst nur eine Be-treuung durch Laienpriester in Betracht. Die Betreuung durch russische und ukrainische Emi-granten ist verboten. Im Todesfall werden Ausländer auf den öffentlichen Friedhöfen beigesetzt.
h) Die politische Beeinflussung soll in erster Linie die Kräfte gegen den Bolschewismus wecken und ist entsprechend zu gestalten.
Quellen: 15 Rep. VI 769 Allgemeine Bestimmungen über den Einsatz ausländischer Kräfte, 1942-1944 ( Archivalien – Stadt – und Kreisarchiv Haldensleben)
Mit dem 14. Juli 1943 trat eine „Verordnung über die lagermäßige Unterbringung von Arbeitskräften währ-end der Dauer des Krieges (Lagerverordnung)“ in Kraft, erlassen vom Reichsarbeitsminister Franz Seldte. Ausgenommen von dieser Verordnung waren Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft und Kriegsge-fangene. Festgelegt wurden Bau und Gestaltung der Unterkunft hinsichtlich der Schlaf- und Tagesräume, der Verwaltungs-, Wasch-, Trocken- und Plätträume sowie von Handwerksstuben und Vorratsräumen. So-weit es die Kriegsverhältnisse zuließen, sollten „zweckmäßige Ausgestaltung und Verschönerung dafür sor-gen, dass den Arbeitskräften der Aufenthalt in den Unterkünften in jeder nur möglichen Weise erleichtert wird, um die Beschwernisse des Lagerlebens zu mildern und die Arbeitsfreude zu erhalten. Geregelt wurden auch Belegung und Einrichtung der Schlafräume einschließlich ihrer Beheizung in der kalten Jahreszeit, An-lage der Wasch- und Brausegelegenheiten sowie der Aborte. Ebenso war tägliche Reinigung der Räume vor-geschrieben. Berücksichtigt wurden gleichfalls ärztliche Betreuung, Krankenstube, erste Hilfe und der Feuerschutz. Die Kontrolle über die Durchführung dieser Verordnung hatten die Gewerbeaufsichtsämter. Eine erneute „Verordnung über die Einsatzbedingungen für Ostarbeiter“ vom 25. März 1944 erfuhr in-sofern einige Veränderungen gegenüber der Verordnung aus dem Jahre 1942 als nunmehr die Ostarbeiter lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig wurden. Es sollten nun nach zwölfmonatiger Arbeit 6 Tage Ur-laub gewährt werden, in denen Heimfahrt gestattet war. Neu war ferner eine `Sozialausgleichabgabe` in Höhe von 15% des Arbeitslohnes, die der Betriebsführer an das Finanzamt abzuführen hatte. Auch sollten die Ostarbeiter im Gegensatz zu den Vorjahren Entgeltabrechnungen erhalten. Außerdem sollten Ausfallver-gütungen (bei Fliegeralarm, Einsatz im Luftschutz oder bei betrieblichen Schulungsmaßnahmen und ungün-stiger Witterung) und Weihnachtsgratifikationen gezahlt werden. Unter anderem wurden Entgeltzahlungen im Krankheitsfall neu geregelt.
Quellen: VI 749 Verordnung über die lagermäßige Unterbringung von Arbeitskräften während der Dauer des Krieges (Lager-verordnung) vom 14. Juli 1943 und VI 769 Allgemeine Bestimmungen über den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, 1942-44 (Archivalien - Stadt- und Kreisarchiv Haldensleben)
Alle diese Festlegungen zeugen davon, dass man seitens der Staatsführung davon ausging, dass sich die be-stehende Herrschaft sobald nicht ändern würde, vielmehr noch die Verhältnisse entsprechend gefestigt wer-den sollten.
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Kriegsgefangene und zivile Fremdarbeiter in Haldensleben
Ihren Anfang nahm die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in der Stadt Haldensleben mit einer Anforder-ung beim Arbeitsamt Magdeburg und der hiesigen Nebenstelle für die Stadtforst Haldensleben. Dort waren sofort mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 alle jüngeren Forstarbeiter zum Wehrdienst eingezogen worden, so dass der geforderte Holzeinschlag mit eigenen Kräften nicht mehr bewältigt werden konnte. Daraufhin wurden der Forst am 18. November des gleichen Jahres 20 polnische Kriegsgefangene aus dem Stammlager Mühlberg an der Elbe zugeteilt und je 10 Mann in den Revieren Oberholz und Lübberitz eingesetzt. Ihre Unter-bringung erfolgte wegen der Nähe zu den Arbeitsplätzen bis zum Frühjahr 1940 in einem Raum der Schule in Satuelle, die zeitweilig als Ernte-Kindergarten genutzt wurde. Auch die beiden Wachmänner waren dort einquar-tiert. Weitere polnische Kriegsgefangene aus dem Stammlager Altengrabow waren gleichzeitig in bäuerlichen Betrieben in Satuelle beschäftigt und hatten dort Unterkunft und Verpflegung. Die Gefangenen erhielten einen wöchentlichen Teillohn von 1,50 bis 2,00 RM und zwar in Form von Lagergeld, um eventuelle Fluchten zu er-schweren. Ihre Verlegung nach Haldensleben, Lange Straße 43 (ehemalige Werkstatt in einem Hinterhof-gebäude), erfolgte am 1. April 1940. Am 23. Juni 1940 wurden durch Erlass Adolf Hitlers alle Polen aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und als sogenannte `Zivilpolen` weiter beschäftigt. Sie unterstanden nun nicht mehr der Wehrmacht, sondern der Deutschen Arbeitsfront/DAF, dass heißt dem Arbeitsamt, das sie ab 4. Juli 1940 in der Landwirtschaft bei hiesigen Bauern und in Nachbardörfern einsetzte. Die Stadtforst musste sich da-raufhin erneut um Arbeitskräfte bemühen. So trafen am 17. August 1940 58 französische Kriegsgefangene in der Stadt ein. Für diese wurde im Grundstück Süplinger Straße 18 ein großer Lagerraum der Lebensmittelfirma Paul Berger gemietet und als entsprechendes Quartier mit Küche und Vorratsraum eingerichtet. Die Männer wurden folgenden Betrieben zugeteilt: Stadtforst 18, Stadtbauamt 6, Stadtgärtnerei 4, Stadtwerke 2, Fa. J. Busse 4, Fa. C. Dannenberg 4, Fa. Ewert & Schwenke 10, Fa. Rau & Helmecke 3, Fa. Krause & Co. 4 und Seifenfabrik Landgraf 3 Mann.
Am 14. Oktober wurden alle 30 Franzosen, die bei oben genannten städtischen Einrichtungen tätig waren zur Arbeit in die Zuckerfabrik Ackendorf abkommandiert, von wo sie nach Beendigung der Kampagne wieder nach Haldensleben zurückkehren sollten. Das geschah jedoch nicht, obwohl inzwischen 30 holländische Zivilarbeiter nach Ackendorf geschickt worden waren. Die 30 französischen Gefangenen wurden nach Magdeburg in die Rüstungsindustrie beordert. Auf dringlichste Anforderung seitens der Stadtverwaltung wurden Ende Oktober 30 Kriegsgefangene vom Lager Altengrabow zugeteilt. 20 von ihnen wurden für den Holzeinschlag ausgewählt und eingearbeitet. Der damalige strenge Winter mit hoher Schneelage, mangelhaftes Schuhwerk und geringe Wider-standskraft der Männer führte zu häufigen Erkrankungen und am 10. Februar 1941 wurden die bei der Stadt be-schäftigten Gefangenen wiederum abgezogen. Daraufhin verhandelte man mit den Vlinderco-Werken (Herstel-ler von Halbkonserven) und erhielt am 5. März von dort leihweise 15 Gefangene. Diese blieben im Lager der ge-nannten Fabrik und wurden auch von dort verpflegt. Mit Eintreffen des ersten Frischgemüses nahmen sie dort wieder ihre Arbeit auf. Am 7. April 1941 wurden der Stadt 21 Kriegsgefangene überwiesen und wieder in den Forstrevieren Oberholz und Lübberitz eingesetzt. Von diesen kamen darauf 5 ins Lazarett nach Magdeburg, 8 Mann mussten am 6. Juli an die Vlinderco-Werke abgegeben werden, 8 Mann wurden am 17. Juli zum Ernteeinsatz nach Wedringen abkommandiert.
Quellen: VI 774 Kriegsgefangenen-Stadtlager, 1939-41 (Archivalien – Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben)
Es ergab sich also die Lage, dass die städtische Forstverwaltung das Lager in der Süplinger Straße, das mit durchschnittlich 52 Gefangenen belegt war, zu betreuen hatte, d.h. Lohnlisten waren zu führen, Verpflegung und Bekleidung zu sichern, ohne selbst eine Arbeitskraft für den Holzeinschlag zur Verfügung zu haben. Von den 52 Gefangenen waren nämlich 7 bei Landwirten der Stadt, 2 in den Stadtwerken, 1 bei der Friedhofsverwaltung und 42 in Industrie- und Handwerksbetrieben eingesetzt. Bei den Handwerksbetrieben wurden in erster Linie Bäcker, Fleischer, Schuhmacher und Friseure berücksichtigt. Im Herbst des Jahres 1941 erfolgte seitens des Magdebur-ger Arbeitsamtes ein Austausch der französischen Kriegsgefangenen (sie sollten entlassen werden) gegen ukrai-nische Zivilarbeiter aus Galizien. So trafen am 4. November 1941 49 Ukrainer in Haldensleben ein. Es waren zum Teil 16-17-jährige, zum teil alte und fast arbeitsunfähige Männer, die ins Lager Süplinger Straße kamen. An Unkosten für die Beschaffung der Arbeitskräfte, Transportkosten usw. mussten an das Arbeitsamt Magdeburg je Ausländer 49.- RM gezahlt werden. Eine große Misere war ihre völlig unzureichende Bekleidung. Den Ukrai-nern war laut ihrer Aussage bei der Anwerbung in ihrer Heimat versprochen worden, in ihrer zukünftigen Arbeitsstätte entsprechend ausgestattet zu werden. Das traf natürlich nicht zu, war in Deutschland doch in-zwischen alles bewirtschaftet. Es kostete große Mühe, bei den Wirtschaftsämtern wenigstens niedrige Holz-schuhe zu erhalten. Sie waren weder für den langen Anmarsch in die Forstreviere noch für die Arbeit im winter-lichen Wald geeignet und hatten bald zahlreiche Fußkranke zur Folge. Handschuhe mussten aus Stoffresten ge-fertigt werden und die städtischen Forstbeamten suchten aus ihren Altbeständen noch leidlich brauchbare Klei-dungsstücke zusammen. Schließlich entschlossen sich die Stadtverwaltung und hiesigen Betriebe zum Ankauf von gebrauchten Wehrmachtsuniformen, die entsprechend „entmilitarisiert“ und ausgebessert wurden. Durch verschiedene personelle Veränderungen (z.B. Versetzung zu leichteren Arbeiten oder in die Landwirtschaft, Ge-fängnisstrafe wegen Diebstahls an Kameraden, einen Todesfall durch Tbc) blieben der Forst von ursprünglich 10 Mann nur noch 4 übrig, die in die Lange Straße 9 in einem Privatquartier untergebracht wurden. 2 bei den Stadt-werken beschäftigte Männer fanden in der „Herberge zur Heimat“ im Gärhof 7 Aufnahme. Im Lager Süplinger Straße befanden sich im Juni 1942 nur noch 32 Arbeiter der Industriebetriebe.
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Inzwischen war man seitens der Stadtverwaltung zu der Auffassung gekommen, dass es im Interesse der gewerb-lichen kriegswichtigen Wirtschaft und aus polizeilichen Gründen nötig sei, ein Arbeitslager zur gemeinschaft-lichen Unterbringung aller ausländischen Arbeitskräfte, die in den Haldensleber Mittel,- Klein- und handwerks-betrieben beschäftigt sind, einzurichten.Als einzig dafür geeignet kam ein Gebäude der ehemaligen Hefefabrik, Werderstraße 20, infrage. So wurde im November 1942 mit der Norddeutschen Hefeindustrie AG in Berlin-Schmargendorf verhandelt und man kam überein, dass die Stadt ein Gebäude mit insgesamt 1188 Quadratmeter Fläche für jährlich 1254,51 RM mieten und als sogenanntes ‚Stadtlager` einrichten konnte. Die Kosten waren mit 18.000,- RM veranschlagt.
Quellen: VI 773 Stadtlager 1942/43, Verhandlungen mit der Norddeutschen Hefeindustrie (Archivalien – Kreis und Stadtarchiv Haldensleben)
Das Gebäude war für 150 Personen vorgesehen, konnte maximal 180 Personen aufnehmen und erhielt folgende Raumaufteilung: Erdgeschoss: 8 Räume a’ 6 Mann, 1 Raum a’ 18 Mann, 1 Krankenzimmer, 1 Waschraum, 1 Küche, 1 Vorrats- Raum, 1 Raum für den Lagerführer. Obergeschoss: 2 Räume a’ 12 Mann, 2 Räume a’ 20 Mann, 2 Räume a’ 6 Mann, 2 Räume a’ 4 Mann, 1 Wasch- Raum, 1 Krankenzimmer.
Am 31. Mai 1943 wurde das Lager in Betrieb genommen und von einem städtischen Angestellten verwaltet. Gleichzeitig wurde das Lager in der Süplinger Straße aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch 76 aus-ländische Arbeitskräfte in Privatquartieren der Stadt. Zwecks Wohnraumgewinnung sollten auch sie mit im La-ger untergebracht werden. Gegen Hinterlegung von 5,- RM erhielt jeder Lagerbewohner 2 Wolldecken, 1 Stroh-sack mit Kopfpolster, 1 Handtuch, 1 Essgeschirr und sonstige Gebrauchsgegenstände. Im August 1943 befanden sich im Lager: 13 Franzosen, 23 Belgier, 9 Holländer, 4 Tschechen, 11 Polen, 29 Ukrainer und 23 Ostarbeiter. Ab Oktober 1943 waren 27 sowjetische Kriegsgefangene im Lager, im März 1945 waren es noch 15. Für die Unterbringung ihrer Arbeitskräfte im Stadtlager hatten die Betriebe pro Person einmalig 300,- RM an die Stadt zu zahlen.
Quellen: VI 771 Stadtlager 1943 (Archivalien – Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben)
Waren im Juni 1943 77 ausländische Arbeitskräfte in 14 Firmen der Stadt tätig, so steigerte sich die Zahl bis zum Jahresende auf 144 Personen in 28 Firmen und hatte ihren Höchststand im März 1945 mit 132 Personen in 41 Betrieben, Die Verpflegung der Lagerbewohner sah folgendermaßen aus: Im Sommer 1943 standen für den täglichen warmen Eintopf pro Person 40g Fleisch, 500g Gemüse (Wirsing, Karotten, Bohnen) oder Nudeln und 1000g Kartoffeln zur Verfügung. Für das Frühstück gab es pro Person wöchentlich 250g Marmelade, für das Abend-brot wochentags für Normalarbeiter wechselweise 50g Wurst oder Käse, 62g Butter oder 70g Margarine, Halb-schwerarbeiter erhielten entweder 83g Wurst, 80g Margarine oder 62g Butter oder 62g Käse und 25g Schmalz. Schwerarbeiter bekamen entweder 110g Wurst oder Butter, 90g Margarine oder 62g Butter oder 62g Käse und 50g Schmalz. Sonntags erhielten alle 62g Butter, 100g Speisequark und 100g Zucker. Als Getränk gab es Malz-kaffee, sonntags am Abend Pfefferminztee. Die wöchentliche Brotration betrug pro Normalverbraucher 3000g, für Halbschwerarbeiter 3350g und für Schwerarbeiter 3700g. Im Zuge der insgesamt schlechter werdenden Versorgung verringerte sich auch die Zuteilungen für das Haldens-leber Stadtlager. Es mussten z.B. 1944 die täglichen Kartoffelmengen auf 700g gekürzt werden, es gab auch wöchentlich einen fleischlosen Eintopf, dafür wöchentlich 3 Brötchen und 1 Becher Milch. Ebenso wurden die wöchentlichen Brotrationen um durchschnittlich 100g gekürzt. Im April 1945 gab es dann nur noch 2500g Brot wöchentlich bzw. 2900g für Schwerarbeiter und nur 1x wöchentlich 50g Butter, an den übrigen Tagen 50g Wurst oder 62g Käse. Für Kriegsgefangene und Ostarbeiter waren die Rationen in den einzelnen Positionen nie-driger als für die übrigen ausländischen Zivilarbeiter. Sie erhielten z.B. im Dezember 1944 nur 2175g Brot wöchentlich für Normalarbeiter, 2850g für Halbschwerarbeiter und 3100g für Schwerarbeiter. Für die Mittagszeit wurden Pferde- oder Freibankfleisch verarbeitet und es gab neben Marmelade nur 104g Margarine (keine Butter) als Brotaufstrich neben 200g Wurst und 62g Käse wöchentlich. Andererseits erhielten die west-ukrainischen Arbeitskräfte seitens der DAF im Mai 1944 eine einmalige Sonderzuteilung von pro Kopf je 500g Weizenmehl, 50g Fett, 185g Zucker und 50g Fleisch. Der Lagerleitung blieb überlassen, ob sie Reisemarken ausgeben oder eine gemeinsame Feier veranstalten wollte. Im hiesiegen Falle wurden Kartoffelsalat, Würstchen und Brötchen zubereitet, aber mit Rücksicht auf alle übrigen Nationalitäten nicht gemeinsam verzehrt. Über die Durchführung einer Weihnachtsfeier im Lager und den Speisezettel an diesen Tagen gibt ein Bericht des Lager-verwalters an die DAF in Magdeburg vom 10. Dezember 1943 Auskunft. Es heißt darin: „Im Stadtlager sind bei einer Gesamtbelegungsstärke von 155 Mann Angehörige von 9 Nationalitäten vertreten, so dass es un-möglich ist, Ihrem Vorschlage, jeder Gruppe das Nationalgericht vorzusetzen, zu entsprechen. Es ist vor-gesehen, in den mit Weihnachtsfichten geschmückten zwei Gemeinschaftsräumen zwei getrennte Feiern zu veranstalten und zwar eine für die Teilnehmer an der Gemeinschaftsverpflegung (Franzosen, Flamen, Holländer, Wallonen, Polen, Ukrainer und Tschechen) und die andere für Ostarbeiter. Ferner findet in der Kriegsgefangenen-Abteilung des Lagers eine besondere Feier statt und selbstverständlich eine solche für das deutsche Lagerpersonal, da diese infolge der an den Feiertagen besonders stark anfallenden Küchen- usw.- Arbeiten eine Feier im Familienkreise nicht begehen kann. Durch langwöchige Einspar-ungen und durch einmalige Verwendung der wöchentlichen Schwerarbeiter-Fettrationen zur allgemeinen Mittagskost konnte eine nicht unbedeutende Fleischmenge zurückgestellt werden und ich bin in der Lage, zu den Weihnachtsfeiertagen folgenden Speisezettel aufzustellen:
Dazu pro Mann zu Weihnachten: 1 zweipfündige Weihnachsstolle 500g Kunsthonig 125g Markenbutter 62g Schmelzkäse 2 gekochte Eier ¼ Liter Trinkbranntwein (für Männer über 18 Jahre) Schabefleisch Normalverpflegung 50g Halbschwerarbeiter 80g Schwerarbeiter 110g
Küche II (Ostarbeiter): 24.12. Heiligabend Erbsensuppe aus Maggierzeugnissen mit 10g Fett pro Person 25.12. 1. Feiertag Reissuppe Gulasch (Rossfleisch) Salzkartoffeln Vanillepudding, Fruchtsoße 26.12. 2. Feiertag Blumenkohlsuppe Hackbraten (Rossfleisch) Salzkartoffeln Rot- bzw. Sauerkraut
Dazu pro Mann zu Weihnachten: 3-4 Honigkuchen 250g Kunsthonig 1 gekochtes Ei Margarine: 55g für Langarbeiter 80g für Schwerarbeiter Wurst: 50g für Langarbeiter 60g für Schwerarbeiter
Küche III (Kriegsgefangene): Wie zu II, jedoch ohne Eier-Zuteilung. Auf Zubereitung des Festtagsessen wird durch vorübergehende Vermehrung des Küchenpersonals erhöhte Sorgfalt verwendet und die Zuteilung wird quantitativ größer sein. Durch die Vielzahl der im Stadtlager untergebrachten Nationalitäten ist eine geschlossene unterhaltende Veranstaltung innerhalb des Lagers nicht möglich, so dass die Gastarbeiter lediglich auf den Besuch der Lichtspieltheater ange-wiesen sind. Ich hoffe hiermit alles getan zu haben, um den Lagerbewohnern ein angenehmes Weih-nachtsfest zu gestalten. Beurlaubung von Lagerpersonal findet nicht statt.“
Über die Weihnachtsfeier 1944 liegt ein ähnlich lautender bericht vor. Darüber hinaus heißt es darin: „ Am Weihnachtsabend beabsichtige ich die Lagerbewohner durch folgende auf lange Tische aufgebaute Lebens- und Genussmittel sowie Gebrauchsgegenstände zu erfreuen: Gemeinschaftsverpflegung: 60 Zigaretten (für Polen 1 Paket Tabak) 1 Schachtel Streichhölzer 500g Kunsthonig 1 Weihnachtsstolle, 750g 1 Steingutschale mit 150g Speisequark 125g Markenbutter 125g Hack mit Zwiebeln Seifenerzeugnisse für einen Monat
Ostarbeiter: 1 Paket Tabak 1 Schachtel Streichhölzer 500g Kunsthonig 1 Weißbrot, 500g 1 Schale mit 150g Speisequark 100g Margarine 100g Hack mit Zwiebeln Seifenerzeugnisse für einen Monat
… Ferner wurden eingegangene Kleidungsstücke und vom Lagerschneider gefertigte Hemden und Unterhosen an bedürftige Lagerbewohner verteilt.“
Quellen: VI 1006 Stadtlager, 1942-44, Anordnungen der DAF (Archivalien – Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben)
Überhaupt wurde die Versorgung mit zweckmäßiger Kleidung immer schwieriger, zumal auch für die Zivil-bevölkerung Textilien aller Art einschließlich Nähgarn und dergleichen sowie Schuhe nur auf die sogenannte `Reichkleiderkarte`, nach einem knapp bemessenen Punktesystem zu haben waren. Immer wieder wurden von der Stadverwaltung Anträge an das Kreiswirtschaftsamt gestellt, um wenigstens Hosen- und Hemdenflickstoff zu erhalten, da neue Kleidungsstücke für Ausländer „vorläufig nicht zur Verfügung stehen“. Zur notdürftigen Besserung der Lage war nach Rücksprache mit dem Vertrauensarzt und mit Erlaubnis des Arbeitsamtes im No-vember 1944 ein magenkranker ukrainischer Schneider, der in der Fa. Carstens, wo er bislang tätig war, keine leichtere Arbeit erhalten konnte, für entsprechende Reparaturarbeiten im Stadtlager eingesetzt worden. Er erhielt 60 Pfennig Stundenlohn, die die Lagerbewohner bei Inanspruchnahme direkt an ihn zahlten. Im Januar 1945 konnten von einem Kaufhaus in Sangerhausen 5 Männer-Arbeitshemden a’ 6,85 RM und 5 Männer- Unterjacken a’ 5,30 RM gekauft und zum Selbstkostenpreis an die Lagerbewohner abgegeben werden. Im März 1945 erhielt das Lager 21 wattegefütterte Joppen, 21 Arbeitshosen, 21 Paar Socken, 21 Paar Handschuhe, 16 Mützen, 15 Westen, 10 Hemden, 10 Unterhosen und 5 Pullover zugeteilt. Bei der Zahl der im Lager befindlichen Männer war das natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein und es konnten nur die Bedürftigsten das eine oder an-dere Kleidungsstück erhalten. Für die Versorgung im Krankheitsfalle standen im Lager 2 Krankenstuben zur Verfügung und Sanitätsrat Krause war neben seiner Praxis für alle medizinischen Fälle im Lager zuständig. Ihm zur Seite stand der städtische Oberbademeister. Beide waren auch für die regelmäßige Desinfektionen und die Bekämpfung von Ungeziefer verantwortlich. Kosten für medizinische Behandlung und Medikamente trug die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), bei der die ausländischen Arbeiter versichert waren. Auf dem Grundstück Werder Straße 20 befand sich ebenso die Tuberkulose-Station des hiesigen Krankenhauses, eine Baracke mit 6 Räumen und einem Bad. Sie wurde ab 6. April 1944 mit kranken Ostarbeitern aus Magdeburger Rüstungsbetrie-ben belegt und hatte zu Beginn 17 erwachsene Patienten und 1 Kleinkind, 1 Pflegerin und 1 kranke bettlägerige Ärztin. Bereits zu Beginn starben 2 Patienten, bis August gab es 12 Todesfälle. Die Belegung war auf 28 Patien-ten und 2 Pflegerinnen angewachsen. Wegen der Nähe zum städtischen Ausländerlager und der großen Ansteck-ungsgefahr mahnte dessen Verwalter mehrfach die Unterbringung der offenen Tuberkulosekranken in einer bes-ser isolierten Station an, was aber nicht erfolgte. Am 22. Juli 1944 fand die Heirat zweier Ostarbeiter statt. Der Mann war bei der Central-Ankaufstelle beschäftigt, die Frau als Reinigungskraft in der Tbc-Station. Sie hatten einen 1 ¼ jährigen Jungen. Die Eheschließung fand in würdiger Weise im Büro des Stadtinspektors statt. Es gab dafür auch eine Sonderzuteilung an Lebensmitteln.
Quellen: VI 768 Stadtlager, Eheschließung von Fremdarbeitern, 1944 (Archivalien – Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben)
Zur geistig-kulturellen und propagandistischen Betreuung der Lagerbewohner fanden von Zeit zu Zeit in `Her-zogs Festsälen` an der Masche oder im Gemeinschaftsraum der Fa. Carstens Variete- und ähnliche Unterhal-tungsveranstaltungen statt, die auf freiwilliger Basis besucht werden konnten und auch gern angenommen wur-den. Dabei waren die Darsteller vielfach Osteuropäer, wie z.B. die „Kleine Bühne Lemberg“, die am 27. Januar 1945 laut Bericht mit erstklassigem musikalisch-tänzerischen Darbietungen auftrat. Ebenso wurden mehrfach Rundfunkansprachen ehemaliger sowjetischer Offiziere für Ostarbeiter seitens der Deutschen Arbeitsfront ange-kündigt und deren Gemeinschaftsempfang angeordnet. Der Fremdsprachendienst Gau Magdeburg-Anhalt bot Sprachführer, insbesondere für Landwirtschaft und Industrie an, in Russisch-Deutsch und umgekehrt, um ein Mindestmaß an Verständigung zu erreichen. Dazu dienten auch Bilder-Wörterbücher für Ostarbeiter. Ebenso waren verschiedene Zeitungen zum Bezug zugelassen. So wurden im Stadtlager je 2 Zeitungen für Franzosen, Italiener, Holländer und Ukrainer gehalten und von den Lagerbewohnern selbst gezahlt.
Quellen: VI 1006/1007 Stadtlager, 1942-44, Anordnungen der DAF und Fremdsprachendienst Gau Magdeburg-Anhalt, 1944 (Archivalien – Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben)
Ausgang hatten die Lagerbewohner im Sommer bis 22 Uhr, im Winter bis 21 Uhr. Ostarbeiter und Polen jeweils 1 Stunde kürzer.
Mit dem Kriegsende und der Einnahme der Stadt und des Kreises Haldensleben durch die Amerikaner am 13. April 1945 hatte die Zwangsarbeit ein Ende. Alle Ausländer des Kreises wurden nunmehr vor der Rückführung in ihre Heimatländer in der Stadt konzentriert und vorübergehend in mehreren Auffanglager untergebracht. Da-rüber hinaus bestanden noch Lager in Hillersleben und Beendorf. Neben Barackerlagern der Betriebe Carstens, Hubbe, Fanta & Dreßler, Rutz, den Vlinderco-Werken und der Zuckerfabrik, die durch die neue Situation alle er-heblich erweitert werden mussten, wurden Lager eingerichtet in Althaldensleben in der Gastwirtschaft Oelze für 100 Personen, im Gasthaus Schulz für 111 Personen (dort wurde auch eine Küche eingerichtet), im Kinosaal Peters für 100 Personen und in der Fabrik Breitenstein, Metallwarenfabrik und Stanzwerk, für 250 Personen. Das Stadtlager Werderstraße wurde am 17. April 1945 geräumt und die Bewohner in das Außenlager `Flora- Papen-berg` verlegt, wo sich insgesamt 400 Personen aufhielten. Die ganze schwierige Organisation oblag einem Dr. Volker Heine, Beauftragter für das städtische Ausländerwesen. Zur Verpflegung aller in den Lagern befindlichen Ausländer hatte am 16. Mai 1945 der amerikanische Kommandant Major Sanders die Inbetriebsetzung einer Großküche in Neuenhofe verfügt, in der täglich bis zu 2000 Liter Mittagessen gekocht wurden. Mit der Leitung dieser Großküche wurde der ehemalige Verwalter der Stadtlager beauftragt. Die Tagesrationen betrugen zu die-ser Zeit für Frühstück und Abendbrot 250g Fleisch, 50g Butter, 25g Öl und 400g Brot. Für das Mittagessen son-ntags 100g Fleisch, wochentags 50g Fleisch sowie entsprechend Kartoffeln und Gemüse bzw. Nährmittel. Die Küche bestand auch im Juni unter englischer Besatzung weiter. Die hohen Belastungen, die die Stadt im Früh-jahr 1945 zu tragen hatte, gehen aus Aktennotiz des damaligen Stadtinspektors vom 2. Juni 1945 hervor. Darin heißt es: „Es ist natürlich eine unbillige Härte, die enormen Kosten für Verpflegung, Unterhaltung und teilweise auch Bekleidung für viele tausend Ausländer vorwiegend der Kreisstadt aufzuerlegen, weil durch den Sitz der Militär-Regierung in Haldensleben der stehts zur Hand befindliche Bürgermeister der Stadt kurzerhand mit der Beschaffung von Einrichtungsgegenständen usw. beauftragt wurde. Wenn die städtischen Finanzen nicht erschüttert werden sollen, müssen die Kosten auf breitere Schultern verteilt werden, wobei doch die Tatsache nicht zu übersehen ist, dass die Stadt Haldensleben durch die starke Be-satzungstruppe schon große Kosten aufzubringen hat, während manche Orte des Kreises keinerlei Be-satzungskosten zu tragen haben und darüber hinaus ihre im Ort beschäftigt gewesenen Ausländer an die großen Lager abgeben konnten. Dem Vorschlage des Herrn Dr. Heine, dass die Kosten für diese Gegen-stände vom Herrn Landrat übernommen werden, muß deshalb voll beigetreten werden. Es wird empfoh-len, den Vorschlag auch auf Tabakwaren, die nicht als Nahrung sondern als Genussmittel anzusehen sind auszudehnen. Gleichfalls wäre zu erwirken, dass die Krankenkassen, obgleich die Ausländer infolge der Besatzung nicht mehr arbeiten und dadurch aus der Krankenversicherung ausscheiden, trotzdem wäh-rend des weiteren Aufenthalts in Deutschland für Krankenhausaufenthalt und eventuell Beerdigungs-kosten aufzukommen haben.
Quellen: VI 788 Ausländerlager Haldensleben I und II, 1945 ( Archivalien – Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben)
Bis Juli 1945 waren die meisten Ausländer abtransportiert und die restlichen Lagerbewohner wurden bis zu ihrer Heimkehr in kleineren Unterkünften zusammengefasst und mehrfach verlegt, so z.B. 6 Ungarn in die Kegelbahn des Restaurants „Deutsches Haus“. Sie sollten nach Hillersleben gebracht werden, um von dort gemeinsam mit ungarischen Juden nach Hause zurückzukehren. Im Lager Flora-Papenberg befanden sich im Juli 1945 bereits 40 sowjetische Soldaten. Die Stadt stand nach Abzug der Amerikaner vom 1.-30 Juni 1945 unter englischer, ab 1. Juli unter sowjetischer Besatzung. Nach Rückkehr der Ausländer hatten die Lager in der Stadt jedoch noch län-gere Zeit kein Ende, strömten doch nun Millionen Vertriebene aus den ostdeutschen Privinzen nach Mittel- und Westdeutschland, von denen die Stadt Haldensleben 2800-3000 aufnehmen und lagermäßig versorgen musste, ehe sie weiterzogen oder den Umständen entsprechend nach und nach in der Stadt und den Dörfern unterge-bracht werden konnten. Aber das ist ein anderes trauriges Kapitel.
Niederschrift der Wiedergabe von Teddy aus Jahresschrift der Museen des Ohrekreises Haldensleben und Wolmirstedt, Band 8 (41) Haldensleben-Wolmirstedt 2001
Persönliche Anmerkungen: Die namentlich erfassten Opferlisten aus dem Stadtlager Haldensleben werden im Kapitel 7 des von mir erstellten Gedenkbuch Landkreis Börde veröffentlicht. Weitere persönliche Recherchen zum Stadtlager Haldensleben werden 2016 fortgesetzt. Ich würde es begrüßen, wenn vereinzelte Mitglieder des Forums der Fachgruppe für Militär- und Garnisionsgeschichte Magdeburg welche aus dem Landkreis Börde kommen, mich bei diesem neuen Forschungsprojekt unterstützen würden.
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Haldensleber Firmen und Handwerksbetriebe, denen ausländische Arbeitskräfte zugeteilt waren:
Carsten-Uffrecht KG, Central-Ankaufstelle für landwirtschaftliche Maschinen, Ewert & Schwenke, Fanta & Dreßler, Klavehn & Fabricius, Krause & Co, Seifenfabrik Landgraf, Güternahverkehr des Land-kreises, Vlinderco-Werke, Wasserstraßenamt, Stadtbauamt, Stadtforst, Stadtwerke, Deutsche Reichspost.
Jeweils 1 oder 2 ausländische Arbeitskräfte waren tätig in: 2 Bäckereien, 1 Fleischerei, 4 Schuhmachereien, 2 Friseurgeschäften, 4 Sägewerken und Zimmereien, 3 Gelbgießer- und Schlossereien, 1 Auto-Werkstatt, 1 Stellmacherrei, 1 Korbmacherei, 1 Käserei, 1 Spedition, 1 Baubetrieb, 1 Ofensetzerei, 1 Getreidehandlung, 1 Kohlehandlung, 6 landwirtschaftliche Betrieben.
Raumbelegung im Stadtlager 1943
Stube 1 = 3 Mann 5 = 6 Franzosen und Armenier 6 = 7 Holländer und Belgier 7 = 6 Franzosen 8 = 8 Ukrainer 9 = 8 Ukrainer 10 = 8 Ukrainer 11 = 8 Ukrainer 12 = Familie Miroschnitschenko (Ehepaar mit 1 Kind). Es handelt sich dabei um das Paar, das im Juli 1944 in Haldensleben geheiratet hat. 13 = 6 Ostarbeiter 14 = 5 Italiener und Franzosen 15 = 6 Italiener 16 = 16-21 Ostarbeiter 17 = 17 Polen
Quellen: VI 782 Verzeichnis der Lagerbewohner 1943
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Interessant dies alles aus meiner Heimatstadt zu erfahren. Ich sehe dass das Barackenlager fast genau an der Gartengrenze meiner Oma/Urgroßeltern gewesen ist, also in unmittelbarer Nähe. Schade dass ich jetzt meine Oma nicht mehr dazu befragen kann....
(Zur Info, das Werk hieß Katro und nicht Karto - Wollt nur drauf hinweisen)
Hab meine andere Oma gefragt, sie hat ja das Kriegsende in HDL mitgemacht, aber irgendwie weiß sie darüber nicht allzu viel zu berichten. Leider hat sie dazu große Erinnerungslücken... Auch zu den Zwangsarbeitern gefragt - "das hat man damals alles gar nicht so mitbekommen..."
ostheer, Du wirst erstaunt sein,ich persönlich habe auch erst etwas von dem Stadtlager Haldensleben erfahren durch meine Arbeit am gedenkbuch für den Landkreis Börde. Selbst in der Chronik 1000 Jahre Haldensleben findet man darüber keinerlei Informationen. Ich werde den Verdacht nicht los das es ein Tabuthema war. Selbst im Geschichts- und Staatsbürgerkunde-unterricht wurde keine Silbe darüber gesprochen. Hier sollten wir aktiver werden. Ich bin mir sicher wenn man in den Schulen die Frage stellen würde wer kennt das Stadtlager oder wer kann was zu der Gruppe Schmidt und Genossen sagen, würde still ruht der See herschen. Gruß Teddy
bekam am Freitag eine Antwort auf meine Anfrage an Fanta & Dreßler ob es Unterlagen gibt (Namenslistensten und Schriftverkehr) über den Einsatz von Fremdarbeitern. Ergebnis negativ. Nach Aussage eines gewissen Herren Dollmann gab es keierlei Einsatz von Fremdarbeitern in dieser Firma (heute besserbekannt unter Fantaholz) in der Hafenstraße in Haldensleben. Ich bleibe aber am Ball in Sachen Stadtlager Haldensleben. Mal sehen was meine Anfrage an Landeshauptarchiv Magdeburg (Fr. Dombrowski) ergibt. Die Antwort steht noch aus. Wenn alle Stricke reißen habe ich noch zwei Opsionen offen. Gruß Teddy
habe heute die Antwort des Landeshauptarchiv Magdeburg (Fr. Dombrowski) bekommen. Die Recherchen ergaben leider keine Eintragungen über die Firma Fanta & Dreßler in Fragen des Einsatzes von Fremd- Ost oder Kriegsgefangene. Lediglich ein Eintrag von 1970 über die durchgeführte Verstaatlichung des Betriebes. Über die Gründergeschichte der Firma gibt es auch keinerlei schriftliche Aufzeichnungen. Nächste Option meinerseits ist jetzt eine Anfrage an das Heimatmuseum Haldensleben. Ich bleibe am Ball. Gruß Teddy
ergänzend zu den hier im Forum veröffentlichen Bilder, geht es mir darum, falls es noch alte Bildaufnahmen von den mir auf #5 genannten Firmen geben sollte diese mir zukommen zulassen und eine genaue Standortbenennug zu geben (Straße usw.) und eventuell Foto's wie es dort heute aussieht. Nach mir vorliegenden Informationen ist vom ehemaligen Stadtlager und dem damaligen Barackenlager nicht's mehr zusehen (war zwar schon zu DDR-Zeit so), in unserer heutigen Zeit wurden und werden dort neue Einfamilienhäuser errichtet. Gruß Teddy