Immer mehr Flüchtlinge kamen von feindlichen Truppen vertrieben oder flüchtenf über die Elbe und aus dem Osten. Die Flüchtlinge waren überwiegend Frauen, ältere Männer und Kinder. Alles was sie von zu hause retten konnten, hatten sie auf dem wagen oder Kinderwagen geladen, oder sie tragen ihre Habseligkeiten. Unter den Flüchtlingen waren Soldaten aufgeriebener Einheiten der deutschen Wehrmacht, Soldaten, die die Verbindung zu ihrer Einheit verloren hatten, Kranke und Verwundete. Der Großteil der Flüchtlinge zog durch Schartau……Durch den Ort zogen auch eine Gruppe von Häftlingen. Sie wurden durch Schartau getrieben in Richtung Burg, begleitet durch schwerbewaffnete Männer mit Hunden. Die Hunde wurden genutzt, um zurückbleibende Häftlinge wieder an die Gruppe heranzubringen. Die Häftlinge sahen krank und abgemargert aus. Zur Verteidigung gegen Bombenflugzeuge hatten die deutsche Wehrmacht Fliegerabwehrgeschütze in der Gemarkung „Scharfberg“ links der Chaussee nach Rogätz stationiert. Ein Flugzeug stürzte hinter dem Elbdeich am Haken ab, ein anderes in der Gemarkung Oberste Rade. Die Besatzung konnte sich mit dem fallschirmen retten und wurde gefangen genommen. Am 13.April 45 drangen amerikanische truppen bis an die Elbe vor und besetzten Rogätz. Der Flüchtlingsstau aus dem Westen bis an die Elbe wurde gestoppt. Einige Personen versuchten, trotz des kalten Wassers die Elbe zu durchschwimmen und so eventuell den Heimatort oder den vermeindlichen sicheren Ort zu erreichen. Hin und wieder trieb eine Leiche in der Elbe. Am Elbufer lagen oder standen hunderte Fahrzeuge. Auto’s, Motorräder und Fahrräder über Fahrräder. Die Fahrzeuge waren von denen zurückgelassen worden, die vor den Russen geflohen waren und die sich zum Ami über die Elbe abgesetzt hatten. In der Elbe bei Rogätz und bei Blumenthal lagen vollbeladene Kähne vor Anker, deren Besatzung von Bord gegangen war. Die Ladung der Kähne bestand aus Waren, die die Bevölkerung lange entbehren musste, wie Wurstbüchsen, Fässer mit Magarine und Marmelader, Spirituosen, Tischen, Stühle, Briefpapier, Hausschuhe und vieles mehr.Die amerikanischen Soldaten behinderten die Leute nicht, die sich an Bord der Kähne mit allem „Nötigen“ eindeckten. Auf den Kähnen entstand ein heilloses durcheinander. Viele, die an Bord kamen, rafften zusammen, was sie ergattern und tragen konnten. So kam es vor, dass jemand nur linke Schuhe nach Hause trug und ein anderer den rechten. Alle nicht für den eigenen Bedarf benötigten Waren wurden als Tauschobjekte eingesetzt. Die Versorgungslage der Bevölkerung war katastrophal. Das wenige, was es zu kaufen gab, erhielt man nur über Lebensmittelkarten und Kleiderkarten. Gegessen wurde alles, was bekömmlich war. Neue Lebensmittelrezepte wurden erfunden, wie Streckefett, Kaffeekuchen, Honig aus Buttermilch oder Mohrrübenmus. Aus Rübensaft und auch Malasse wurde Brotaufstrich. Aus den Fäden der Zuckersäcke wurden Pullover gestrickt. Am Elbdeich hatte eine Einheit der deutschen Wehrmacht Stellung bezogen. Es gab Schusswechsel der US-Armee jenseits der Elbe. Am 14.4. wurde Schartau durch die Amerikaner beschossen. Bei dem Beschuß wurde ein junges Mädchen schwer verletzt, einige Häuser wurden beschädigt und ein Pferd getötet. Inzwischen war auch schon Gefechtslärm aus dem Osten zu hören. Der Gefechtslärm und damit auch die Rote Armee kamen täglich näher. Auch den letzten Zweiflern wurde klar, der Krieg ist für Deutschland verloren. Die von der NS-Propaganda vielgepriesene Wunderwaffe, die noch zur Rettung eingesetzt werden sollte, kam nicht (gab es nicht). Die Einheit der deutschen Wehrmacht am Elbdeich wurde abgezogen in Richtung Ferchland-Fischbeck verlegt, wo noch Kampfhandlungen stattfanden. Zu dieser Zeit wurden an den Dorfeingängen Baumstämme abgeladen. Aus den Baumstämmen musste die Dorfbevölkerung Panzersperren errichten. Wenige Tage später traf die Vorhut der Roten Armee ein. Die Bevölkerung wurde angewiesen, die Panzersperren wegzuräumen. Am 5.Mai 45 wurde Schartau durch die Russen vollständig besetzt. Die Rote Armee kam mir Pferd und Wagen. Unter gebracht wurden die Tiere bei den Bauern, in der Ziegelei und auf den Koppeln. Die Offiziere bekamen Privatunterkünfte bei Familien des Dorfes. Für die Mannschaften gab es Unterkunft in den Trocknungsschuppen der Ziegelei und in Zelten. An den Ein-und Ausgängen des Dorfes wurden Posten aufgestellt. Man konnte nur mit dem Passierschein das Dorf verlassen oder hineinkommen. Jeder Dorfbesucher der eine Stich- und Schusswaffe besaß, musste sie abgeben. Bei Nichtbefolgung der Anweisung wurden Strafen angedroht. Alle Radioapparate des Dorfes mußten abgegeben werden. Die Sieger hatten Arbeit für alle: Die Frauen mussten unter Bewachung Straßen fegen oder auf den Elbwiesen Heu für die Pferde bereiten. Die Männer wurden zum Waffenreinigen herangezogen. Bei einer Reihe von Bauern waren politische Fremdarbeiter tätig. Auf Befehl des Standortkommandanten der Roten Armee mussten alle Polen ihre Sachen packen und zu einem festgelegten Termin den Ort verlassen. Einige der Polen wären gerne geblieben, sie wussten nicht, was sie in der Heimat erwartet. Der Krieg hatte auch hier seine unheilvollen Spuren hinterlassen. So ernst die Lage auch war, es gab auch einiges, was an den Besatzern zu bestaunen, zu bewundern und zu belächeln war. Die mitgeführten Kanonen waren zum Teil mit Matratzen, Federbetten und Auflegern u.a. beladen. In großen überdachten Wagen wurden Polstermöbel, Teppiche, Stoffballen aus Samt, Kleider, Anzug-und Gardinenstoffe, Musikinstrumente, Radios, Plattenspieler und vieles andere. Einige der Sowjetsoldaten trugen den Arm vom Schultergelenk bis zum Handgelenk voller Armbanduhren. Beliebt bei den Besatzern waren Fahrräder. Diejenigen, die mit dem Fahrrad nicht fahren konnten, schoben es nebenher. Einige Offiziere ließen ihr Fahrrad durch ihre Burschen hinter sich herschieben. Die Besatzer durchsuchten zunächst viele Gebäude. Was ihnen gefiel, wurde mitgenommen. Großes Interesse zeigten sie auch gegenüber Bildern und Gemälden. Später sorgten Offiziere dafür, dass Plünderungen im Dorf aufhörten. Nun flogen keine Bomber mehr Richtung Osten, der Geschützlärm war verstummt. Der letzte Widerstand war gebrochen und Waffenstillstand unterzeichnet. Am 8.Mai fand auf dem Paradeplatz in Burg ein Treffen zwischen Angehörigen der US-Armee und der Roten Armee anlässlich des Sieges statt. Bis zur Ernte blieben die Soldaten der Roten Armee in Schartau. Am letzten Tag vor dem Abmarsch nahmen die Mannschaften und Offiziere mit ihren Geschützen und Pferden auf dem Sportplatz Aufstellung. Es waren viele Soldaten, Menschen anderer Völker mit anderen Mentalitäten. Sie hatten in ihrer Heimat viel Leid erfahren und über Deutschland auch viel Leid gebracht. In Schartau gab es keine Familie, die in diesen unsinnigen Krieg keinen nahen Angehörigen gelassen hatte. Als die Truppen abzogen, fand man in einer Hütte auf einer Koppel des Flurstücks Oberste Rade einen Toten in Wehrmachtsuniform. Der Tote stammte aus Erlangen und wurde auf dem Friedhof beigesetzt. Es ist zu hoffen, dass weltweit die Erkenntnis wächst, dass Probleme zwischen den Völkern nicht durch Krieg und Gewalt zu lösen sind.
Literaturhinweis: Informationen zu dieser Niederschrift gibt es auch unter den Buchtitel: „Das Kriegsende in Rogätz 1945, (2005)
Klartext von Teddy
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