Zu Spurensuchers Frage will ich erst einmal nur ein Zitat aus Jörg Friedrichs Buch "Der Brand" zitieren (Seite 427 f.):
Weil alle Rettung eine Frage der Zeit war, benutzte Bomber Command Zeitzünder, einstellbar auf 36, 72 oder 144 Stunden nach Abwurf. Damit waren die Hilfskräfte auf Abstand gehalten und die Vernichtungskräfte unbehindert. Der Feuerwerker kann solch eine Waffe nicht entschärfen wie einen Blindgänger. Mit Haushaltsmitteln wie Papier- oder Torfballen und Astbündeln wurde umständlich experimentiert, doch blieb nichts Besseres übrig, als das umgebende Gebiet abzuriegeln und Bergungsaktionen dort auszusetzen. Für die Demontage des Blindgängers riskierte der Feuerwerker sein Leben. »Oft mußten wir«, schreibt der damals sechsundzwanzigjährige Sprengmeister Karl Nakel aus München, »an den Füßen aufgehängt, mit dem Kopf nach unten, Bomben entschärfen. Dann gab es Lehmgebiete, da ging die Bombe vier Meter hinunter, da mußten wir im Finstern die Bombe entschärfen. Man war schon im Grab drin. Bei jeder Bombe machte man die Erkennungsmarke und den Ehering ab und ließ alles im Auto. Dann ging es an die Bombe, es war ein bewußtes Sterben.« Man kann das Sterben aufteilen, die unerhört gefährliche Arbeit machten die zuständigen Wehrmachtsfeuerwerker nicht allein. »Wir hatten bei unserer Arbeit KZ-Häftlinge. Wenn ich in der Früh ins Konzentrationslager Dachau kam und sagte, daß ich zwölf Häftlinge brauche, sind hundert aus der Reihe getreten. Ich galt als Feuerwerker, dem nichts passiert.« Die Städte warben daneben Gefängnisinsassen als Freiwillige an, »durch tapfere Tat die Freiheit zu erwerben«. In Siegen kam man mit geringerer Prämie aus. Die Feuerwehr nahm zwanzig Zuchthäusler aus Werl, ließ sie unter Aufsicht eines Polizisten fünfunddreißig Tonnen Blindgänger entschärfen. Zum Lohn dafür wohnten sie im Untersuchungsgefängnis. Dort hat die Feuerwehr sie morgens abgeholt und abends eingeliefert.
Zu den Quellen der Blindgänger habe ich noch zwei Informationen.
1. Die Analyse des englischen Historikers Geoffrey Regan zur Kriegsvorbereitung Großbritanniens (WKII): Bild entfernt (keine Rechte)
2. Deutsche Bomberpiloten hatten die Anweisung, bei erforderlichen Notabwürfen die Bomben über eigenem Territorium nicht scharf abzuwerfen. Über feindlichem Territorium waren sie selbstverständlich scharf zu schalten, bevor sie ausgelöst wurden.
Und zu den Feuerwerkern, die die Blindgänger entschärfen mussten, ein kurzer Bericht:
Oberleutnant Schmidt aus dem Heereswaffenamt geht einer Arbeit nach, die lebensgefährlich ist. Er beseitigt Blindgänger in Berlin. Vom 11. Januar bis zum 23. Juli 1944 entschärft er 118 Fliegerbomben, zuletzt in Neukölln auf dem Jerusalemer Friedhof. Die Bombe liegt zwischen zwei Gräbern. Er legt sie in fünf Meter Tiefe frei, dann schraubt er aus der Deckung mit Hilfe eines Bindfadens den Zünder heraus, wobei er zufrieden darüber ist, dass die Ausbausperre in der Bombe nicht anspringt.
Interessant ist die eigenartige Technik mit dem Bindfaden. Da ich keine Ahnung habe, kann ich mir darunter überhaupt nichts vorstellen.
Zu #98 noch etwas. In der Liste werden für den 20.6.44 Brabag 48 Todesopfer genannt. Wo der ZZ aus Rothensee die Zahlen her hat ist unbekannt. Selbst die Bezeichnung 8 U.S ist abenteuerlich. Soll aber heißen 8. USAF
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Das Luftbild soll Anfang 1945 gemacht sein (also wohl 16.1.1945) und ist in Davis, Richard G. - Carl A. Spaatz and the air war in Europe veröffentlicht
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Originalunterschrift lautet: The Magdeburg synthetic oil plant shows the effects of repeated American attacks by early 1945.
Konnte ich mir auch nicht erklären, man muss wohl auch bei Originalamerikanischen Quellen recht kritisch sein. Der Autor arbeitet immerhin bei der US-Army in der Historischen Kommission (Center for Air Force History, Bolling AFB, DC 20332-6098), in deren Namen das Buch auch veröffentlicht wurde.
In den US-Archiven sind so einige Bilder und sogar Karten falsch beschriftet. Habe ich bei meinen 20jährigen Recherchen einigemale festgestellt. Wenn dann viele Jahre später solche Werke entstehen benutzt man die Fotos mit falschen Titeln weiter. Sehr oft werden Bilder anderer Orte verwendet, die den gleichen Namen tragen aber ganz wo anders zu suchen sind. Verballhornungen machen das Chaos dann noch perfekt. Was mir auch öfters auffiel, das Koordinaten-Nennungen falsch sind. Zahlendreher.Deshalb benutze ich stets die Karten mit den US-Koordinaten zum Abgleich. Vertrauen ist gut---Kontrolle ist besser!
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Trotz vorkommender Fehler gibt es aber noch genug Informationen, die ausgewertet werden können. So habe ich in dem oben genannten Buch noch einen Angriff auf die Brabag am 4. Februar 1945 ausgemacht, der nur so "nebenher" angewiesen wurde. Im Original lautet der Text (hier meine Übersetzung):
Die Achte griff Berlin mit mehr als 1.000 B-17 an. Von diesen warfen 932, die hauptsächlich visuelle Methoden anwandten, aber durch die Notwendigkeit heftiger Ausweichmanöver, um der starken Flak auszuweichen, behindert wurden, 2.279 Tonnen Bomben ab (250 Tonnen davon Brandbomben), wobei sie 23 von ihnen durch Flak und keine durch deutsche Jäger verloren. Die 1st Air Division, die den Angriff anführte, bombardierte im Sichtflug. Die nachfolgende 3d Air Division bombardierte visuell mit H2X-Unterstützung. Die Fotoaufklärung nach dem Angriff zeigte schwere Schäden am Anhalter Bahnhof und mäßige Schäden am Rangierbahnhof Tempelhof und dem Schlesischen Bahnhof (sekundäre Zielpunkte auf der THUNDERCLAP Ziel-Liste). Im Zentrum der Stadt erlitten Industrie- und Wohngebäude schwere Schäden, während Regierungsstellen entlang der Wilhelmstraße, darunter das Luftfahrtministerium, die Reichskanzlei, das Auswärtige Amt und das Gestapo-Hauptquartier (primäre Zielpunkte auf der THUNDERCLAP-Zielliste), zahlreiche Treffer erhielten. Viele Bomben verfehlten ihre Zielpunkte und fielen in Wohngebiete der Stadt. Zum zehnten und letzten Mal hatte die Achte das zivile und militärische Regierungsgebiet Berlins bombardiert. Aber Doolittle setzte nur seine B-17 ein; die anfälligeren B-24 gingen, gemäß Spaatz' mündlicher Anweisung, mindestens 400 Bomber gegen Öl zu schicken, wann immer es möglich war, zur Bombardierung der Magdeburger synthetischen Ölanlage. Von den 434 abgestellten B-24 bombardierten 116 das Ölwerk. Die meisten anderen bombardierten den Magdeburger Rangierbahnhof mit H2X, wenn Wolken das Primärziel verdeckten.
Das war mit 116 B-24 ja auch noch ein beachtenswerter Angriff und der Rest auf den Rangierbahnhof (Rothensee?) war auch nicht ohne. Leider ist das umfangreiche Buch komplett englisch und der Aufwand beim Durchsuchen entsprechend hoch.
Ich bin zu dem Schluss gekommen,das wohl ein Schreibfehler vorliegen muss. In der US-Liste wird tatsächlich der 3.2.45 als dieser Angriff angeführt. Das wird an anderer Stelle ebenfalls bestätigt: Bild entfernt (keine Rechte)
Bild entfernt (keine Rechte) Q: Friedrich Kowalke und Freeman, da gab es sogar 2 Angriffe auf MD