Das fünfte Kriegsjahr hatte im August 1918 begonnen. Mutlosigkeit und Depressionen machten sich immer mehr in Magdeburg breit. Die militärisch aussichtslose Lage an der Westfront, die hohen Opferzahlen der Soldaten sowie Hunger, Krankheiten und soziale Not in der Heimat ließen den Ruf nach einem schnellen Ende des Krieges von Tag zu Tag lauter werden, denn der Kaiser und seine militärischen Ratgeber zögerten noch immer den längst überfälligen Waffenstillstand nachzusuchen. Auch die Zusammenarbeit der Militärbehörden mit den sozialdemokratischen Führern konnte das Anwachsen der revolutionären Krise nicht verhindern. Abgeschreckt durch die Januarauseinandersetzungen und Streiks trafen die Herrschenden Vorkehrungen, um künftige Erhebungen der Arbeiter mit Waffengewalt niederzuschlagen. Sie gerieten dabei gemeinsam mit den kaiserlichen Generälen militärischen Niederlage an der Front, fiel es ihnen immer schwerer, Truppen für die Niederwerfung der Arbeiter von der Front freizumachen, obwohl sie mit einem verstärkten Kampf der Arbeiterschaft im Innern des Landes rechnen mussten.
Am 03. November 1918 erhoben sich revolutionäre Matrosen in Kiel. Sie weigerten sich nochmals gegen den Feind auszulaufen, entwaffneten die Offiziere und verbündeten sich mit den Arbeitern. Mit diesen Aktionen entzündeten sie die Flamme der Revolution. Der Matrose Karl Artelt aus Magdeburg stand an der Spitze der Bewegung in Kiel und wurde Vorsitzender des Soldatenrates. Bekannt wurde er unter den Spitznamen „Roter Admiral“. Die SPD-Führung in Magdeburg rief am gleichen Tage, unter dem Druck der Volksmassen und Mitglieder der eigenen Partei gezwungen, um 11:00 Uhr zur Massenkundgebung auf dem Rotehorngelände auf. Obwohl Demonstrationsverbot bestand, bewegten sich von 09:00 Uhr an 50.000 Menschen, unter ihnen viele Solda-ten der Magdeburger Garnisontruppen, zum Kundgebungsgelände. Diese Kundgebung stand unter der Losung „Schluss mit dem Weltkrieg“. Unzufrieden über die vorgeschlagenen Maßnahmen der SPD-Führung und gegen deren Willen, wurde Demonstration zur Innenstadt unternommen. Während beim Anmarsch der Demonstranten die Straßen noch voller Polizei waren, hatten sie sich beim Herannahen der riesigen Reviere zurückgezogen. Die Arbeiter und Soldaten beherrschten an diesem Tag die Straßen der Elbestadt. Hervorgerufen durch die schändliche Tat eines kaiserlichen Offiziers, steigerte sich am 07. November in Magdeburg die revolutionäre Stimmung der Arbeiter auf den Siedepunkt. Auf dem Hauptbahnhof war eine aus Kiel kommende Gruppe revolutionärer Matrosen angekommen. Als sie von den Soldaten der Bahnhofswache, die noch mit kaiserlichen Emblemen ausgestattet waren, kontrolliert werden sollten, weigerten sich diese und forderten ihrerseits diese auf, die schwarz-weiß-roten Kokarden und Bänder abzulegen. Der Diensthabende Offizier, ein Oberleutnant, befahl den jungen Soldaten, in den Zug zu schießen. Diese weigerten sich jedoch. In seiner Wut zog er selbst die Pistole und traf einen der Matrosen am Kopf. Nach dieser feigen Tat flüchtete der Offizier, wurde aber am nächsten Tag verhaftet. Die Kunde von diesem Mordanschlag verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Elbestadt und rief eine große Empörung hervor. In den Morgenstunden des 08.11. hatten sich einige hundert bewaffnete Soldaten zur Durchsetzung ihrer Forderungen nach Beendigung des Krieges und Beseitigung des reaktionären Regimes, von der Enckekaserne aus, Richtung Stadtmitte in Bewegung gesetzt. Weitere Soldaten der Garnison und viele Arbeiter schlossen sich diesem Zug an, so dass er auf mehrere tausend anstieg. „Vier Jahre Hunger, vier Jahre unsere Männer im Felde und alles nur für die Dickköppe, Schluss damit!“ Mit diesen Worten brachten Fabrikarbei-terinnen, die sich der Demonstration angeschlossen hatten, ihre Empörung zum Ausdruck. Diese Demonstration wurde der Auftakt zu den kommenden Aktionen in Magdeburg. Mit Soldaten anderer Kasernen und Arbeitern setzten sich jetzt Verbindungsleute der revolutionären Soldaten der Enckekaserne in Verbindung und forderten sie auf, ihrem Beispiel zu folgen. Gegen Mittag standen die Betrieb still und eine Menschenschlange bevölkerte die Innenstadt. Eine Gruppe von Arbeiter und Soldaten drang in das Rathaus ein und hisste hier die rote Fahne der Revolution. Das Bezirkskommando, in welchem eine Anzahl Arrestanten inhaftiert war, wurde gestürmt, die Offiziere und Beamte hinausgejagt und die Arrestanten befreit. Im Militärgerichtsgebäude geschah das gleiche, wo die Volksmenge eine Sitzung des Militärgerichts unterbrach und befreite ebenfalls die Gefangenen. Die Akten des Militärgerichts wurden auf die Straße geworfen. Viele Soldaten entfernten sich aus ihren Kasernen, um in ihre Heimat zu fahren. Zur Verhinderung dessen wollte der reaktionäre kaiserliche Beamte, der Bahnhofsvor-steher des Magdeburger Hauptbahnhofes, die Abfahrt des Zuges nach Stendal nicht freigeben. Nachdem er von den Soldaten Prügel bezogen hatte, zog er es vor, das Feld zu räumen.
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Nachdem bekannt wurde, dass sich eine größere Anzahl Offiziere im Generalkommando verschanzt hatte, bewegte sich ein Zug revolutionärer Soldaten, zum Teil mit Beilen bewaffnet, dorthin, um die Offiziere zum Verlassen des Dienstgebäudes zu zwingen. Da die Türen verschlossen waren, wurden sie mit Gewalt geöffnet. Die Soldaten ergossen sich in die Korridore und Büro. Alles Sträuben half nichts. Sie wurden entwaffnet und alle kaiserlichen Rangabzeichen wurden ihnen abgerissen. Eine weitere große Gruppe revolutionärer Soldaten besetzt die Haftanstalt am Justizpalast, wo ebenfalls alle politischen Gefangenen befreit werden sollten. Die Initiatoren waren Albert Grosse und Albert Stark, ein Feldwebel des Infanterie-Regiments Fürst Leopold von Anhalt-Dessau (1. Magdeburgisches) Nr. 26. Als die ersten Demonstrationszüge die Stadt durchzogen, führte Grosse die revolutionären Soldaten zur Haftanstalt, wo kaum Widerstand geleistet wurde. Nachdem noch in der Zitadelle die Gefangenen befreit waren, wurde in den Mittagsstunden des 08. November kein sichtbarer Widerstand mehr entgegengesetzt. Der weitere Verlauf der Revolution zeigte aber, dass die Führung der beiden Arbeiterpartein, SPD und USPD, nicht bereit waren die Revolution zum Sieg zu führen. Ihr Ziel lag darin, die erfolgreichen Aktionen abzuwürgen. Deshalb vertrat sie die Parole: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.“ In Magdeburg war die Führung der SPD von den Ereignissen völlig überrannt worden. Der nachstehende Aufruf sollte dazu beitragen, den Kampf abzuwürgen. „Aufruf an die Bevölkerung Magdeburgs, an die Soldaten! Wahret die Ruhe und Besonnenheit, es darf zu keinen Blutvergießen kommen. Polizei und Militärverwaltung haben Befehl gegeben, dass nicht auf die Bevölkerung geschossen werden darf. Haltet die Kinder und alle halbwüchsigen Burschen und Mädchen zu Hause. Sie steigern durch ihre Lärmlust unnötigerweise die Erregung. Geht nicht selbst unnötigerweise auf die Straße, schließt die Fenster. Plünderungen und Gewalttätigkeiten müssen unter allen Umständen vermieden werden. Um 03:00 Uhr Versammlung aller Bürger und Soldaten auf dem Domplatz zu dem Zweck, Ordnung in die Bewegung zu bringen. Der Ausschuss zur Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates. Wittmaack, Vorsitzender des Sozialdemokratischen Vereins, Magdeburg, Große Münzstraße 3“
Dieser Aufruf verriet bereits eine konterrevolutionäre Haltung der SPD-Führung. Obwohl die Volksmassen die Straßen erobert hatten, den kaiserlichen Polizei- und Militärapparat ausgeschaltet hatten, hatte die SPD-Führung nichts besseres zu tun, als mit den alten Machtorganen des gestürzten Regimes zu verhandeln, um weitere Aktionen zu verhindern. Der Polizeipräsident berichtete am 08. November 1918 an den Oberpräsident der Provinz Sachsen in Magdeburg, Graf von der Schulenburg, dass die Unruhen in Magdeburg durch die Soldaten begonnen haben. Er habe sich sofort mit der sozialdemokratischen Parteileitung in Verbindung gesetzt und dass daraufhin von dort versichert wurde, die Leute zur Ruhe zu ermahnen. Zwischen der Parteileitung und dem Polizeipräsidenten wurde vereinbart, dass auf Kundgebungen und durch Handzettel zur Besonnenheit und Ruhe aufgefordert werden sollte. Dem Bericht des Polizeipräsidenten ist weiter zu entnehmen, dass in den Abendstunden im Generalkommando eine Besprechung stattgefunden hatte, an welcher unter anderem die sozialdemokratischen Führungskräfte teilnahmen um hinter dem Rücken der revolutionären Massen mit den Reaktionären zu verhandeln. Die für den 08. November 1918 nachmittags 15:00 Uhr angesetzte Kundgebung auf dem Domplatz wurde vom Ausschuss zur Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates einberufen. Die Benutzung des Domplatzes für Friedensdemonstrationen war noch vor wenigen Tagen vom Generalkommando verweigert worden. Zehntausende erschienen jetzt. Die Redner sprachen darüber, dass das alte Regime gestürzt sei und eine soziale Volksrepublik gegründet werde, und ein Arbeiter- und Soldatenrat zu bilden sei, der die Gewalt in seine Hän-de nehmen soll. Dafür bekamen sie großen Beifall. Zur Bildung des Soldatenrates war es erforderlich, dass in jeder Truppeneinheit Abgeordnete zu wählen seien. Je eine Kompanie bzw. Batterie sollte einen Vertreter wählen. In den Fabriken sollten auf je 250 Beschäftigte ein Vertreter für den Arbeiterrat gewählt werden. Des weiteren verwies man darauf, ein Blutvergießen unbedingt zu verhindern. Der Arbeiter- und Soldatenrat sollte die Forderungen des Volkes formulieren und eine Delegation diese dann den zuständigen Stellen des alten Regimes unterbreiten. Zum Abschluss der Kundgebung kamen die Forderungen der Magdeburger Arbeiter und Soldaten zur Verlesung. Sie wurden zu einer Entschließung zusammengefasst und von den Massen gebilligt. In der Entschließung hieß es: „Die Versammlung erhebt die Forderungen der beiden sozialdemokratischen Parteien, vor allem die Einführung der sozialen Republik und der völligen, unverzüglichen Demokratisierung Deutschlands und der Bundesstaaten, zu den ihrigen und erklärt, dass der Arbeiter- und Soldatenrat die Sorge für die Aufrechterhaltung der Ordnung in Magdeburg übernimmt. Im einzelnen fordert der Soldatenrat: 1. Anerkennung des Soldatenrates, der sich aus Vertrauensleuten der Truppenteile zusammensetzt. 2. Die Vereidigung der Armee auf die Verfassung. 3. Freilassung sämtlicher Inhaftierten und Gefangenen, die nicht wegen gemeiner Vergehen festgenommen sind. 4. Vollständige Rede- und Pressefreiheit. 5. Aufhebung der Briefzensur. 6. Einwandfreie Behandlung der Mannschaften durch die Vorgesetzten. 7. Jegliche Schutzmaßnahmen mit Blutvergießen haben zu unterbleiben. 8. Zurückziehung sämtlicher nicht zur Garnison gehörender Truppen. 9. Alle Maßnahmen zum Schutz des Privateigentums werden sofort vom Arbeiter- und Soldatenrat festgesetzt. 10. Es gibt außer Dienst keine Vorgesetzten mehr. 11. Unbeschränkte persönliche Freiheit jedes Mannes nach Beendigung des Dienstes bis zum Beginn des nächsten Dienstes. 12. Offiziere, die sich mit den Maßnahmen des jetzt bestehenden Soldatenrates einverstanden erklären, begrüßen wir in unserer Mitte. 13. Jeder Angehörige des Soldatenrates ist von jeglichen Diensten befreit. 14. Sämtliche in Zukunft zu treffenden allgemeinen militärischen Maßnahmen sind nur mit Zustimmung des Soldatenrates zu treffen. 15. Rücktritt des Garnisonsältesten Hartwig. Verpflegung erhält jeder Soldat in seiner Kaserne. Die Kameraden haben nach wie vor ihre Posten zu versehen, die Pferde zu pflegen, die Ausrüstung der Stuben und Ställe zu schonen, die Bestände an Nahrungs- und Futtermittel gut zu bewahren. Den Vorgesetzten ist Gehorsam zu leisten. Sonst kann er nicht gehen. Es muss unser Stolz sein, diese größte Bewegung der Weltgeschichte ohne Blutvergießen zu En-de zu führen.“ (Magdeburger Volksstimme vom 10.11.1918)
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Die Forderungen zeigten, dass es sich vor allem um solche handelte, die von den Soldaten erhoben wurden. Abgesehen von den Forderungen nach Rede- und Pressefreiheit waren nicht solche enthalten, die auf De-mokratisierung des gesamten Staats- und Wirtschaftslebens, auf die Erringung der Macht der Arbeiterklasse hinlenkten. Die Zusammenkunft der Beauftragten des Arbeiter- und Soldatenrates mit dem Generalkommando fand am Abend des 08. November statt. Die Forderungen hierbei waren schon erheblich erschränkt. Die Punkte 1, 5, 6, 7 und 13 wurden durch das Generalkommando bewilligt. Weiter sah sich das Generalkommando gezwungen, den stockreaktionären General Hartwig zu beurlauben. Das Programm des Arbeiter- und Soldatenrates kam durch den Einfluss der SPD-Führung den Forderungen der Volksmasse nur soweit entgegen, wie diese für die Führungsschicht ungefährlich waren. Die Aufgabe des Arbeiter- und Soldatenrates wäre es gewesen, die volle Regierungsgewalt über die Stadt zu übernehmen, dafür zu sorgen, dass die gesamte Polizei, alle Offiziere und Generäle der Armee entwaffnet werden. Alle Bestände der Waffen und Munition hätte der Kontrolle des Arbeiter- und Soldatenrates unterliegen müssen, damit dieser die Möglichkeit hätte, die revolutionären Arbeiter in den Magdeburger Betrieben für den Kampf gegen die Konterrevolution zu bewaffnen. Die SPD-Führung hasste die Revolution und tat alles, diese abzuwürgen. Sie tat dies mit Hilfe des Arbeiter- und Soldatenrates, durch eine Flut von Aufrufen und Bekanntmachungen. Man fürchtete, dass die Waffen in Arbeiterhänden gelangen würden. Viele Magdeburger waren enttäuscht, als sie am 10. November einen Aufruf in den Straßen der Stadt angeschlagen fanden: „Bekanntmachung des Arbeiter- und Soldatenrates Aufruf Bürger, Arbeiter und Soldaten von Magdeburg! Es erfüllt uns mit besonderem Stolz, dass die Revolution in Magdeburg bis jetzt ohne Blutvergießen durchgeführt worden ist. Dass wir dies erreichen konnten, verdanken wir der zielbewussten Führung der Bewegung und besonders der musterhaften Haltung der Einwohnerschaft sowie der Soldaten. Die Führer waren von Anfang an bemüht und sind entschlossen, auch weiterhin ohne Waffen und Blut die große Bewegung weiterführen. Gewaltige Aufgaben sind noch zu lösen, ungeheure Hemmnisse zu überwinden. Helft durch weiteres ruhiges Verhalten die noch bevorstehende, schwere Arbeit zu erleichtern. Es hat sich nicht verhindern lassen, dass in den ersten Stunden der Revolution Waffenkammern erbrochen und geplündert wurden und das in vielen Fällen auch von Zivilpersonen Waffen und Munition genommen wurden. Wir brauchen keine Waffen, wir haben gezeigt, dass wir ohne diese Hilfsmittel zum Ziel gelangen können. Um jedes Unheil zu verhüten, reichtet der Herr Kommandeur im Verein mit dem Arbeiter- und Soldatenbund an alle Bürger, Arbeiter und Angestellte die Aufforderung, sämtliche sich zu Unrecht angeeigneten Waffen sofort wieder zurückzugeben. Wir erwarten bestimmt, dass jedermann, der sich im Besitz von Waffen und Munition befindet, dieser Aufforderung nachkommt. In den Wachstuben aller Kasernen werden die Waffen angenommen, ohne das den Anlieferern Unannehmlichkeiten bereitet werden. Also noch einmal: legt die Waffen nieder! Es ist angeordnet, dass der Sicherheitsdienst der Polizei heute in beschränkten Maße wieder aufgenommen wird. Die Organe der Polizei werden mit entsprechender Legitimation versehen werden. Der Arbeiter- und Soldatenrat Wittmaack-Brandes-Brößling“
Bereits kurze Zeit später buhlten die sozialdemokratischen Führungskräfte wieder um die Gunst der Kaiserlichen Führungsschicht, anstatt auf die Forderungen des Volkes einzugehen. Die Magdeburger Volksstimme wagte bereits am 14. November 1918 die Magdeburger Bevölkerung aufzufordern, keimkehrende Soldaten aus dem Kriege, durch schmücken der Häuser und Straßen mit den Stadtfarben Grün-Rot, sowie den Kaiserreichsfarben Schwarz-Weiß-Rot, zu empfangen. Die Magdeburger Arbeiter reagierten aber auf ihre Weise auf diese Provokation. Auf Grund der Tatsache, das die Stadt, vor allem auf dem Breiten Weg, der Hauptgeschäftsstraße, schwarz-weiß-rote Fahnen gehisst hatte, ist es am 26. November zu einem Streik im Krupp-Gruson-Werk gekommen. Die Arbeiter zogen zum Domplatz und führten dort eine Protestkundgebung gegen das Hissen der Embleme des Kaiserlichen Deutschlands durch. Durch die Streikenden und Demonstranten wurden auf dem Breiten Weg Fahnen gewaltsam entfernt. Daraufhin zog die Stadt den Rest der Fahnen schleunigst wieder ein, wobei sich die SPD-Führung sich nicht mit der Aktion der Magdeburger Arbeiter einverstanden erklärte. Die erste Vollsitzung des Arbeiter- und Soldatenrates Magdeburg fand an 09. Dezember 1918 in der Pauluskirche statt. Hunderte von Zuhörern finden sich zur öffentlichen Sitzung ein. Im Rechenschaftsbericht wurde auch darüber gesprochen, dass einigen Offizieren nahegelegt wurde, ihre Stellen zu verlassen, und dass der Polizeipräsident in Magdeburg seinen Dienst quittieren werde. Weitere Ausführungen ließen den Verzicht des Streiks als Kampfmittel gegen das erschütterte und wankende kapitalistische System durchblicken.
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Die städtischen Körperschaften (Magistrat und Stadtverordnetenversammlung) blieben von den Novemberereignissen 1918 weitgehend unberührt. Wie gehabt nahmen Oberbürgermeister Reimarus und die Ratsherren ihre Amtsgeschäfte wahr. Die Stadtverordnetenversammlung setzte ebenfalls ohne personelle Veränderungen die Arbeit fort. Nach Einschätzung einer Zeitung verlief die Beratung am 28. November „trotz völlig veränderter Zustände in gewohnter Weise“. Vor dem Magistrat und Stadtparlament türmten sich jedoch kaum zu bewältigende finanzielle und soziale Probleme auf, die ein unverzügliches Handeln verlangten. Der Krieg hatte nicht nur die Reichsfinanzen, sondern auch die Budgets der Kommune zerrüttet. Auf Grund der sich bereits seit dem Kriege beschleunigten Geldentwertung verlangten die städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter, um die steigenden Lebenshaltungskosten etwas auszugleichen, Teuerungszulagen. Die Bürgerwehr musste bezahlt werden. Die Arbeitslosenzahlen bereiteten jedoch die größten Sorgen. Ende 1918 hatte Magdeburg 28,3 Millionen Mark Schulden. Um die dringendsten Ausgaben bestreiten zu können, ließ der Magistrat für 22 Millionen Mark Notgeld ausgeben. Im Januar 1919 wurde von der Stadtverordnetenversammlung dem Vorschlag des Oberbürgermeisters zugestimmt, eine Anleihe von 39 Millionen Mark aufzunehmen. War die Revolution an Magdeburg nahezu spurlos vorübergegangen, so flammte seit Anfang 1919, im Vorfeld der Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung, Unruhen und Gewalttätigkeiten auf. Soziale Not und Arbeitslosigkeit der untersten Volksschichten, berufliche Existenzsorgen eines Teiles der Soldaten der Garnison ließen Unzufriedenheit um sich greifen. Während die Mehrheit der Arbeiter und der in Magdeburg stationierten Soldaten hinter der MSPD standen, nahm auf Grund der sich von Tag zu Tag weiter verschlechternden Lage die politische Radikalisierung einer Minderheit schnell zu, denn man glaubte, seit November 1918 keine gesellschaftlichen Veränderungen festzustellen. Deshalb machte man zunehmend Front gegen die Repräsentanten der Besitzenden und die Führer der Mehrheitssozialisten. Ende Dezember 1918 war es zur Gründung der Kommunistischen Partei in Magdeburg gekommen. Viele revolutionäre Kräfte waren mit den Ergebnissen der Novemberrevolution nicht im entferntesten zufrieden und ließen sich durch keinerlei Drohungen schrecken. Die zweite Vollsitzung des Arbeiter – und Soldatenrates fand am 3. Januar 1919 in der Pauluskirche statt. An diesem Tage wurden auf Veranlassung von Beims und Wittmaack auf dem Alten Markt, auf dem Hauptbahnhof und an anderen Stellen der Stadt Maschinengewehre und leichte Geschütze in Stellung gebracht, um revolutionären Aktionen mit Waffengewalt zu unterdrücken. Auf der Veranstaltung in der Pauluskirche wurde Beims mit dem Ruf :“Beims, Bluthund – raus!“ empfangen. Lediglich Brandes konnte einen kurzen Bericht erstatten. Dann wurde die 2. Vollsitzung des Arbeiter – und Soldatenrates aufgelöst. Anschließend formierte sich ein Demonstrationszug gegen die arbeiterfeindliche Berichterstattung des SPD-Organs, der Magdeburger Volksstimme in der Grossen Münzstrasse. Inzwischen hatte die SPD-Führung eine große Anzahl ihrer Anhänger für eine Gegendemonstration gewinnen können. Ein Teil dieser Demonstration zog zur Wohnung des Stadtrates Beims, zur Kaiserstrasse, wo die von ihn in der Pauluskirche verhinderten Rede gehalten wurde, die nichts anderes beinhaltete, als den Aufruf, am 19. Januar 1919, an dem die Wahl zur Nationalversammlung stattfinden sollte, die Stimme der SPD zu geben. Des weiteren rief er nochmals auf, mit dem Spartakusbund Schluss zu machen, der sich in Magdeburg formiert hatte.
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Die Nachricht von der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburg bewegte die Magdeburger Arbeiter. Erbitttert gingen sie nun erst recht daran, auch in Magdeburg eine Ortsgruppe der KPD zu gründen. Ließen die Aufgepuschten Anfang Januar noch ihren Unwillen von der Empore der Pauluskirche an der Vollsitzung des Arbeiter – und Soldatenrates aus, in dem sie dessen Vorsitzenden Wittmaack nieder schrieen und Hermann Beims verunglimpften, so kam es einen Monat später zu Gewalttätigkeiten und Plünderungen in der Innenstadt. In der Nacht vom 3./4. Februar versuchten 60 bis 80 bewaffnete Matrosen und Soldaten aus dem Gerichtsgefängnis die Inhaftierten zu befreien. Den Plünderungen von Kaufhäusern und Geschäften auf dem Breiten Weg , an denen 300 Personen beteiligt waren, konnte das Wachregiment nur unter Anwendung der Waffen Einhalt gebieten. Es gab Tote und Verletzte. Es wurde der „Kleine Belagerungszustand“ verhängt. Ab 21.00 Uhr mussten Lokale und Vergnügungsstätten schließen und nachts herrschte Ausgangssperre. Trotz der Schwere der Überwindung der Folgen des Krieges führten Spekulanten und Schieber auf Kosten der Bevölkerung ein recht üppiges Leben. Teile der Bevölkerung, welche sich von der Losung „Die Sozialisierung marschiert“ nicht mehr vertrösten lassen w0ollten, versuchten ihre schlechte Lebenslage auf eigene Faust zu lösen. Für die in die Heimat zurück gekehrten Frontsoldaten gab e auch vielfach keine Arbeit, was ebenfalls beträchtlich zur Unzufriedenheit beitrug. Stark unabhängig gesonnen war der Zentralsoldatenrat des IV. Armeekorps unter der Führung des Unabhängigen Bork. Er hatte sich zwar in den ersten Umsturztagen vor sehr verdient gemacht, in dem er große Heeresbestände vor Plünderung sicherte. Im Übrigen war er aber durchaus regierungsfeindlich. Die Kommandoverfügung vom 9.Januar hatte er mit offener Auflehnung beant-wortet. Eine Umbildung auf Grund dieser Verordnung war selbstverständlich nicht erfolgt, obwohl in dem Zentralsoldatenrat Leute saßen, die längst keine Soldaten mehr waren. Die Macht des Soldatenrates stützte sich auf das Wachregiment, in dem sich eine Menge Leute befanden, die „interessante Persönlichkeiten für den Strafrichter“ waren. Von geordnetem Dienstbetrieb war beim Regiment, das natürlich keine Offiziere in seinen Reihen hatte, keine Rede. Am 21. August 1919 kam es in Magdeburg vor dem Rathaus auf dem Alten Markt zu einer großen Arbeitslosendemonstration. Der Oberbürgermeister Reimarus wurde gezwungen mit einer Delegation von Arbeitslosen über die Erhöhung von Unterstützungen zu verhandeln. Nach einigen Ausflüchten gab dieser zu verstehen, dass über solche Fragen nur der Regierungspräsident entscheiden könne. Die Volksmasse zog nun zum Sitz des Regierungspräsidenten am Domplatz und besetzten sofort das ge-samte Regierungsgebäude. Der Regierungspräsident wurde gezwungen sich die Beschwerden der Arbeitslosen, dicht umringt, anzuhören. Ihm wurde das Versprechen abgerungen, keine Polizei zu alarmieren. Kurz darauf äußerte sich der Regierungspräsident gegenüber dem Oberpräsident, dass auch in Magdeburg mit einem Umschwung zugunsten der unabhängigen Spartakusleute zu rechnen sei und das man dieser „Gefahr“ begegnen müsse. Sein Versprechen, die Polizei nicht einzuschalten, hat er nicht gehalten. Die Polizei, die auf dem Domplatz zum Eingreifen erschien, wurde jedoch von der Menge entwaffnet. Das daraufhin von dem Polizeipräsidenten gerufene Wachregiment weigerte sich gegen die Demonstranten vorzugehen und verließ die Kaserne nicht. Generalkommando und Garnisonkommando waren beim Mangel an regierungstreuen Truppen ausgeschaltet. Sie mussten friedlich auszukommen versuchen. Doch hat beim Generalkommando auch der entschiedene Wille gefehlt, die der Regierung seit dem Februar zur Verfügung stehenden Machtmittel anzufordern und sie auch einzusetzen, um in die militärischen Verhältnisse des Korpsbereiches Ordnung zu bringen.
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In der zweiten Hälfte des Februars 1919 breitete sich von Halle aus ein Generalstreik über weite Gebiete Mitteldeutschlands aus. Der rechtsgerichtete Sozialist Noske schickte zur Niederschlagung den reaktionären General Maercker mit einem starken Truppenaufgebot nach Halle, wo zwischen diesem und den streikenden Arbeitern heftige Kämpfe stattfanden. Während sich in Halle die USPD an die Seite der Streikenden stellte, bezog sie in Magdeburg eine entgegengesetzte Einstellung und desorientierte die streikenden Arbeiter. Dennoch führten die Magdeburger Arbeiter am 27. Februar 1919 auf dem Hauptbahnhof einen Sympathiestreik der Eisenbahner durch. Im Krupp-Gruson-Werk kam es ebenfalls zu Arbeitsniederlegungen. Daraufhin wurde das Werk an diesem Tag durch Garnisonstruppen militärisch besetzt. Auf verschiedenen Veranstaltungen riefen SPD und USPD-Führer zur Mäßigung auf. Dafür wurden sie von der Menge beschimpft. Nach den Wahlen im März 1919 war der Einfluss der KPD und der revolutionären Kräfte der USPD gewachsen. Mit Besorgnis wurde diese Entwicklung verfolgt. Deshalb sahn man Anfang April die Zeit für gekommen, gegen die Revolutionäre der Magdeburger Arbeiterbewegung loszuschlagen. Dieser Zeitpunkt stand auch im Zusammenhang mit der politischen Lage in ganz Deutschland, mit dem Kampf der Konterrevolution. Am Mittwoch, dem 2. April, tagte im Generalkommando der Exekutivausschuss des Arbeiter – und Soldatenrates. Anschließend wurde noch eine Sondersitzung gehalten. Hier wurde die Mitteilung gegeben, dass von Soldatenräten des 21. und 16. Armeekorps der Vorschlag gemacht wurde, alle Offiziere und Verwaltungsbehörden abzusetzen und die Räterepublik auszurufen, was die SPD-Führung in höchste Erregung versetzte. Sie ließen sofort Flugblätter an die Bevölkerung verteilen, worin sie kategorisch die Räterepublik ablehnten. Magdeburger SPD-Funktionäre fuhren am 3. April nach Berlin, um dort mit dem Parteivorstand und mit Noske die Lage in Magdeburg zu besprechen. Auch Hermann Beims war dabei. Noske verhandelte daraufhin mit dem Likörfabrikanten, dem späteren Stahlhelmführer Seldte, zum Zwecke der Liquidierung der Magdeburger Bürgerwehr, in der die Arbeiter bewaffnet waren und der Schaffung einer Einwohnerwehr, in der die konterrevolutionären Elemente bewaffnet werden sollten. Von Noske erhielt Seldte eine Vollmacht für die Schaffung einer solchen Einwohnerwehr, die militärisch in die Garde-Kavallerie-Schützendivision ausgegliedert wurde. Noske sagte auch für den Notfall Unterstützung und Schützenhilfe durch Regierungstruppen zu. Die Stimmung unter den Soldaten Magdeburgs hatte sich gegen die Regierung und die SPD gewendet. Vor allem waren die Soldaten über den immer stärker werdenden Einfluss reaktionärer Elemente in der Armee beunruhigt.
[ Editiert von Administrator MAGADO-2 am 08.04.12 12:13 ]
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Am 5. April 1919 fand eine Konferenz der Delegierten der Soldatenräte des in Magdeburg stationierten 4., 16. und 21. Armeekorps statt. Die hier angenommene Entschließung kennzeichnete die Stimmung unter den Soldaten. Sie hatte folgenden Wortlaut: „Die heute in der Bürgerhalle zu Magdeburg versammelten Vertreter des 4., 16. und 21. Armeekorps sprechen sämtliche Offiziere, mit Ausnahme der Feldwebel und Leutnants und anderen aus dem Mannschaftsstande hervorgegangenen Offiziere (nicht Einjährige) und Oberbeamten das Vertrauen ab und fordern die restlose Entlassung dieser Personen. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass durch das Anwachsen der Freiwilligenverbände, in deren Reihen häufig die von ihren alten Truppen abgelehnten Offiziere Aufnahme gefunden haben, sowie durch die Bildung der neuen Reichswehr, in der diese abgelehnten Offiziere ebenfalls ein Unterkommen finden, die Reaktion der Reichsparteien in besorgniserregender Weise gefördert wird, während auf der anderen Seite durch Entlassung der Mannschaften, durch die Auflösung der Volks – und Sicherheitswehren die Träger der Revolution mehr und mehr Einfluss verliert.. Hierzu kommt noch, dass man die Reaktion durch die Bildung von soge-nannten Einwohnerwehren organisierte und bewaffnete, aber das Proletariat waffenlos blieb.“ Von der SPD-Führung wurde diese ernsthafte Kritik völlig missachtet. Sie dachten nicht im geringsten daran, die von den Soldatenräten aufgezeigten Missstände zu beseitigen, denn eine derartige Entwicklung lag nicht in ihrem Interesse. Kaum waren die SPD-Abgeordneten aus Berlin zurück, startete Noske eine ungeheure Provokation. Am A-bend des 6. April wurde Brandes, der Vorsitzende der Magdeburger USPD und Vorsitzende des Metallarbeiterverbandes, von zwei Beauftragten der Regierungstruppen verhaftet und nach Berlin gebracht. Auch die Vertreter de Soldatenrates des IV. Armeekorps Kegel und Felke wurden verhaftet. Diese Verhaftungen lösten in Magdeburg einen großen Proteststurm aus. Flugblätter riefen in der Nacht vom 6. zum 7. April zum großen Protest auf dem Domplatz auf. Vor vielen Betrieben nahmen bewaffnete Arbeiter Aufstellung. Tausende Arbeiter versammelten sich um 9.00 Uhr auf dem Domplatz. Forderungen zur Freilassung der Verhafteten wurden ausgerufen. Es sollte solange gestreikt werden bis diese freigelassen seien. In vielen Betrieben wurden weitere Streiks durchgeführt und in der ganzen Stadt herrschte eine Spannung und revolutionäre Stimmung wie in den Novembertagen 1918. Während der Kundgebung auf dem Domplatz, am 7. April 1919, wurde bekannt, das der Reichs-Justizminister Landsberg in Magdeburg sei, dem man Mithilfe bei der Verhaftung des USPD-Führers und der Soldatenräte vorwarf. Kurz darauf wurden als Geiseln für Brandes und Felke der kommandierende General v. Kleist und mehrere reaktionäre Offiziere und Bürger festgenommen. Die Offiziere und Bürger wurden aber am nächsten Tag wieder aus der Garnisonarrestanstalt freigelassen, da inzwischen bewaffnete Soldaten Minister Landsberg als Geisel festnehmen konnten. Landsberg wurde mittags, als er zum Bahnhof ging um zu einer Kabinettssitzung nach Berlin zu fahren, von Soldaten bemerkt. Ein Angehöriger des Wachregiments in Matrosenuniform verhaftete ihn, obgleich er auf seine Unantastbarkeit als Abgeordneter aufmerksam machte. Er wurde durch die ihn beschimpfende Menge hindurch zuerst zur Kaserne Ravensberg gebracht und dann zum Generalkommando geschafft, wo er dem Exekutivausschuss vorgeführt wurde. Vor der Kaserne wurde es von den versammelten Soldaten ebenfalls beschimpft, bespuckt und auch tätlich bedroht. Ein Soldat legte sein Gewehr auf ihn an und schoss nur deshalb nicht los, weil im zugerufen wurde, er könne auch Unschuldige verletzen. Im Generalkommando gab es erregte Auseinandersetzungen. Der nach der Verhaftung von Brandes dem Exekutivausschuss vorliegende mehrheitssozialistische Parteisekretär Hähnsen wollte die Freilassung des Ministers anordnen, obgleich die Mitglieder des Arbeiter –und Soldatenrates Vater und Steinbrück ihm dringend empfahlen, diesen in Haft zu behalten bis die Verhaftung des Brandes aufgehoben sei. Darauf erklärte Dühring, wenn der Minister freikäme, würde der Exekutivausschuss nicht mehr anerkannt werden. In diese Besprechung hinein platzte das Gerücht, es seien Truppen im Anmarsch, um den Minister zu befrei-en. Daraufhin wurde der Gedanke gefasst, diesen sofort fortzuschaffen. Der Plan wurde besonders von dem Unabhängigen Vater in Erwägung gezogen, der auch zugleich Mitglied des Arbeiter –und Soldatenrates, des Exekutivausschusses und Beigeordneter des Polizeipräsidenten war. Er hatte sich im Januar den Ruhm erworben durch seine Schilderung, wie man das Frontheer im Kriege planmäßig „verseucht“ habe. Er fragte den Minister, ob er seinen Einfluss als Justizminister geltend machen wolle, dass die Verhaftung Brandes aufgehoben würde. Als der Minister ihm erklärte, dass er nicht einen Finger rühren würde, da darüber nur der zuständige Richter zu befinden habe, gab Vater den Befehl, den Minister so schnell als möglich über die preußische Grenze nach Braunschweig zu schaffen. Eine Panne, welche der den Minister entführende Kraftwagen in Olvenstedt hatte, verschaffte seinen Freunden die Zeit, Maßnahmen zu seiner Befreiung zu treffen. Es wurde nach Helmstedt telegrafiert, wo die Polizei eine Straßensperre errichtete, den Kraftwagen anhielt, den Minister befreite und dessen Magdeburger Begleiter festsetzte.
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Durch die Maßnahmen wurde die Unzufriedenheit an der SPD-Führung in Magdeburg noch erhöht. Unzählige improvisierte Kundgebungen in Magdeburg und vor allem in der Innenstadt bestimmten das Bild. „Wagte die Regierung mit Nosketruppen die revolutionäre Bewegung niederzuschlagen?“ Vor der Volksstimmereaktion in der Grossen Münzstraße kam es zu Tumulten. Zeitungen wurden zerrissen, ganze Zeitungsballen wurden vernichtet. Sogar das Gebäude der Volksstimme wurde demoliert. Danach zog die Menge zur Hauptpost, gegenüber der sich die Ausgabestelle, der am 1. April erschienen USPD-Zeitung befand und brachte ihren festen Willen zum Ausdruck, den Streik, der sich bereits zum Generalstreik entwickelte, bis zur Befreiung Brandes und für die Verbesserung der politischen und ökonomischen Rechte der Arbeiter weiterzuführen. Die militärischen Verhältnisse in Magdeburg waren soweit gesunken, das einzelne Formationen bereits als regierungsfeindlich galten. Nur beim Infantrie-Regiment Nr. 26 hatte sich unter Hauptmann Hube eine Freiwilligenkompanie von 150 Mann gebildet um Widerstand zu leisten. Am Abend des 7. April und in der Nacht kam es in vielen Orten Magdeburgs zu Kämpfen zwischen revolutionären Arbeitern und Soldaten und regierungstreuen Gruppen von Soldaten und Polizeieinheiten. Ebenfalls am Abend des 7. April entbrannte der Kampf um die Zitadelle und die Waffenmagazine auf dem Kommandantenwerder. Nach anfänglichem Widerstand gaben die Wachmannschaften des Wachregiments diesen auf und die Menge setzte sich dort in den Besitz von etwa 800 Gewehren, die allerdings zum Teil durch fehlende Schlagbolzen unbrauchbar waren. Auf dem städtischen Packhof und im Hafengelände Alte Neustadt befanden sich große Lebensmittelvorräte des Heeres, zu deren Bewachung eine große Wachtruppe aufgeboten war. Inzwischen hatten sich tatkräftige, aktive Unteroffiziere der Garnison zusammengetan. Sie besetzten am 8. April nachmittags die Zitadelle, aus der am Vormittag wieder Waffen entwendet waren sowie die Hauptpost und den Hauptbahnhof. Kurz darauf versuchten die revolutionären Arbeiter und Soldaten die Zitadelle zu stürzen. Der Angriff wurde durch Feuer aus Maschinengewehren und durch Handgranaten mit Verlusten abgewiesen und dann durch einen Ausfall der Unteroffiziere zerstreut. Ebenso wurde das Gebäude der Volksstimme durch aktive Unterof-fiziere verteidigt. Es kam hierbei zu heftigen Kämpfen. Mehrere revolutionäre Angreifer wurden niedergeschossen. Was an zuverlässigen Soldaten in Magdeburg vorhanden war, besonders Fußartilleristen , wurde nun in de Dienst der öffentlichen Sicherheit gestellt. Es waren aber nur wenige. Der Regimenter der 26er und 66er waren zu revolutionär eingestellt, dass sie für den Schutz der Regierung nicht in Fragen kamen. Hatten doch Mannschaften dieser Regimenter offen erklärt, den Minister Landsberg lünchen zu wollen. Auch die nur aus Unabhängigen bestehende 300 Mann starke Bürgerwehr kam nicht in Betracht. In der Nacht vom 7. zum 8. April wurden die Lager des Neuen Packhofes wiederum geplündert und zwar diesmal unter Beihilfe der Wachmannschaften des Wachregimentes. Es fielen ihnen größere Mengen Schokolade, Kakao, Tee und Reis in die Hände, die vom Ausland beschafft, in den nächsten Tagen an die Kinder und Greise der unbemittelten Bevölkerung verteilt werden sollten. Die Polizei war nicht in der Lage zu verhin-dern, dass die gestohlenen Genussmittel zu Wucherpreisen auf offener Strasse weiter verschoben wurden. Die härtesten Kämpfe gab es am Polizeipräsidium in der Halberstädter Strasse in der Nacht vom 7. zum 8. Aprik, als sich die Arbeiter des Gebäudes bemächtigen wollten. Hier war ein starkes Polizeiaufgebot und reaktionäre Soldaten, meist Unteroffiziere, aufgezogen. Die Arbeiter gingen mit Handgranaten und Gewehrfeuer vor. Die Nosketruppen waren jedoch in einer solchen Übermacht und bekamen ständig Verstärkung, so dass in den frühen Morgenstunden der Sturm abgebrochen wurde.
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Die bewaffneten Aktionen der Magdeburger Arbeiter hatten damit im Allgemeinen ihr Ende gefunden. Der Streik ging jedoch weiter und verschärfte sich am 8. April noch. Am 9. April sollte eine weitere Protestkundgebung durchgeführt werden. Nun schlossen sich der Streikbewegung auch viele „Mehrheitssozialisten“ an. Die SPD-Mitglieder des Exekutivausschusses des Magdeburger Arbeiter –und Soldatenrates führten am 8. April eine separate Sitzung durch. Hier wurde u. a. berichtet, dass eine Deputation am 7. April bei der Regierung gewesen sei und von dieser die Zustimmung erhalten habe, mit allen Mitteln der Gewalt die revolutionäre Bewegung in Magdeburg niederzuschlagen. Kreise um Beims und Wittmaack, die Macht des Proletariats fürchtend, sammelten regierungstreue Truppen, Polizeibeamte und Teile der con Seldte im Aufbau begriffenen Einwohnerwehr um sich und ließen durch den immer mehr in den Sumpf des Verrats geratenen Arbeiter –und Soldatenrat, den Belagerungszustand verhängen. In einem Aufruf hieß es u. a. : „Wir ordnen an, dass alle Öffentlichen Lokale, Theater usw. von heute (8. April) um 9.00 Uhr abends zu schließen sind. Wer nach 10.00 Uhr abends bis morgens 4.00 Uhr ohne schriftliche Erlaubnis auf der Strasse angetroffen wird, hat seine Festnahme zu gewärtigen. Mit der Durchführung dieser Anordnung sind die öffent-lichen Sicherheitsorgane (militärische Wachen, Patrouillen, Polizei und Bürgerwehr) beauftragt worden. In dringenden Fällen werden auf Grund ausreichender Unterlagen für das Passieren der Strassen während der Sperrstunden Berechtigungsscheine ausgegeben. Die Anträge werden in der Aula des Generalkomman-dos, Fürst-Leopold-Strasse, bis 6.00 Uhr und nach 6.00 Uhr im Generalkommando, Augusta Strasse 42 ausgegeben.“ Während öffentliche Lokale, Theater, Kinos usw. dem Aufruf Folge leisteten, ließen sich die Magdeburger Arbeiter das Recht der Strasse nicht nehmen, wenn es auch in der Nacht nicht zu größeren Aktionen kam. Die Polizei und regierungstreue Truppenteile wagten es nicht, Verhaftungen vorzunehmen, obwohl es in den späten Abendstunden erneut zu größeren Auseinandersetzungen gekommen war. Die örtlichen Machthaber fühlten sich nicht stark genug. Noske hatte in aller Eile alles unternommen, um die von seinen Parteifreunden Beims, Wittmaack, Hähnsen usw. dringend geforderte Unterstützung im Kampf gegen die Arbeiter zu gewährleisten. Der reaktionäre preußische General Maercker hatte von der Ebert-Scheidemann-Regierung über Noske den Befehl erhalten, den Kampf und Streik in Magdeburg mit allen Mitteln niederzuschlagen. Maercker hatte sich bereits in der Nacht vom 8. zum 9. April 1919, aus dem Raum Halle kommend, mit seinen 9000 Mann starken, schwer bewaffneten freiwilligen Landjägerkorps der Stadt Magdeburg genähert. Maercker selbst berichtete später: „In Berlin traf die Nachricht von der Verhaftung des kommandierenden Generals und des Reichsjustizminis-ters am 7. April nachmittags ein. Die Reichsregierung richtete an den Magdeburger Arbeiterrat eine Drohnote, in der sie die Freilassung der Verhafteten forderte; zugleich gab sie mir den Befehl, mit Truppen des Landjägerkorps baldig in Magdeburg einzurücken um die Ordnung wieder herzustellen. Im Besonderen hatte ich folgende Aufgaben zu lösen:
1. Befreiung des Ministers und der Offiziere des Generalkommandos 2. Entwaffnung der Bürgerwehr 3. Umbildung des Machtregimes und Auflösung der Matrosenabteilung 4. Durchführung der kriegsministeriellen Verordnung vom 19.1.1919 5. Verhaftung der Personen, die an der Festnahme des Ministers und der Offiziere beteiligt waren, sowie der Unruheführer und Verbrecher
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Die in aller Eile vorgenommene Erkundung über die militärischen Verhältnisse in Magdeburg ergab wenig Erfreuliches. Als zuverlässig galt nur das Fußartillerie-Regiment 4, das seine Kaserne im westlichen Vorort Wilhelmstadt hatte. Ganz verwildert sollte das Infanterie-Regiment 66 in der Kaserne Ravensberg sein. Beim Infanterie-Regiment 26 in der neuen Kaserne jenseits der Elbe hatte sich unter Leutnant Elste eine Freiwilli-genkompanie von 150 Mann gebildet. Als Revolutionstruppe war eine Wachregiment von 1500 Mann, einge-teilt in 2 Bataillone, entstanden, das in der Kaserne „Mark“ untergebracht war. Es hatte den Minister Landsberg festgenommen und Angehörige des Regiments hatten sich auch an den Plünderungen der letzten Tage beteiligt. Das ganze Regiment musste als regierungsfeindlich angesprochen werden. Ein Blick in die Karte ergab, dass die innere Stadt gegen Osten durch Besetzen der Elbbrücken leicht mit geringen Kräften zu schützen ist. Im Westen wird sie durch die hochgelegene Eisenbahn von den westlichen Vororten getrennt. Durch die Besetzung der Bahnunterführungen kann die Sicherung auch nach dieser Seite leicht bewerkstelligt werden. Etwas schwieriger ist der Schutz im Süden gegen die Arbeitervorstadt Buckau mit den Riesenwerkstätten von Krupp und Wolff. Noch von Berlin aus bestellte ich mir den ersten Generalstabsoffizier und die Brigadekommandeure nach Halle, wo ich am 8. April den Befehl für die Unternehmung ausgab. Es standen mir, da Weimar und Halle gesichert bleiben mussten, nur die II. und V. Abteilung zur Verfügung. Aus der 2. schweren Batterie, der 5. Kavallerie-Abteilung und der technischen Abteilung wurde eine besondere Abteilung unter dem Befehl des Majors Hasper gebildet. Das Generalkommando Lüttwitz stellte den Panzerzug 3 zur Verfügung.“ Die Truppen wurden in der Nacht zum 9. April nach Magdeburg befördert. Dort traf der Jägerstab mit der II. und V. Abteilung in den ersten Morgenstunden auf den von regierungstreuen Truppen besetzten Hauptbahnhof ein, wo die Ausladung ohne Störung von sich ging. Die Abteilung Hasper kam erst am Nachmittag in Magdeburg an. Sie hatte durch eine Eisenbahnbetriebsstörung eine erhebliche Verspätung. Den Abteilungen waren zur Besetzung folgende Abschnitte zugewiesen: • der II. Abteilung der Südteil der Stadt mit Sternwiese, Domplatz und Friedrich-Wilhelm-Garten • der V. Abteilung der mittlere Teil der Stadt bis zur Wilhelmstrasse, der alten Ulrichstrasse, Berliner Strasse, Strombrücke einschließlich, außerdem der Werder und das Kasernenviertel östlich der alten Elbe, • der Abteilung Hasper der Norden der Stadt bis zur Königstrasse und Königsbrücke einschließlich. Während die Truppen ausgeladen wurden und nach ihren Abschnitten marschierten, begab sich General Maercker in ein Beratungszimmer des Bahnhofes, wo sich zu seiner Unterrichtung eine Anzahl Führer der Mehrheitssozialdemokratischen Partei versammelt hatten; mit denen er sich auf Befehl des Kriegsministers schon vorher in Verbindung gesetzt hatte. Die Besprechung verlief in ruhiger Form. Die Herren hatten Bedenken gegen die Verhängung des Belagerungszustandes, beruhigten sich aber als sie vernahmen, dass bei der Durchführung alle Wünsche der Bevölkerung berücksichtigt werden sollten. Sie baten, dass die Truppen noch vom Einmarsch in die Stadt zurück gehalten werden sollten, da um 8.00 Uhr morgens eine große Versammlung auf dem Domplatz angesetzt war. Dieser Wunsch konnte aber seitens General Maercker nicht erfüllt werden, da der Einmarsch bereits im Gange war. Maercker sprach seine Überzeugung aus, dass es zu keinen Schwierigkeiten kommen würde, wenn die Truppen nicht angegriffen würden. Diese seien ausdrücklich zur Ruhe und Zurückhaltung angehalten. Die Besprechung nahm auch einen ruhigen Verlauf als die Nachricht eintraf, dass es auf dem Domplatz doch zu blutigen Zusammenstössen gekommen war. Die Truppen hatte Befehl, sofort nach dem Eintreffen in ihren Abschnitten unter Trommelschlag den Belage-rungszustand zu verkünden.
[ Editiert von Administrator MAGADO-2 am 08.04.12 12:14 ]
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Zur Bekräftigung seines Befehls ließ Maercker in den Strassen auch Zettel mit den Worten: „Nicht stehen bleiben, sonst wird scharf geschossen“ anbringen. Die II. Abteilung, welcher der Panzerzug 3 unterstellt wurde, hatte den Hauptbahnhof und den Südteil der Stadt zu besetzen, indem besonders die Post, das Generalkommando und die Regierung am Domplatz zu sichern waren. Die Hauptpost wurde durch die. 4. Kompanie unter Hauptmann Maas, das Generalkommando durch Hauptmann Metscher mit der 2. Batterie und der 2. MG-Kompanie besetzt. Obwohl der örtliche Machtapparat bereits am 8. April den Belagerungszustand verkündet hatte und trotz des Maerckerschen Versammlungs –und Demonstrationsverbotes strömten am 9. April Tausende von Streikenden zu der um 9.00 Uhr auf dem Domplatz einberufenen Streikveranstaltung. Kurz vor Beginn der Veranstaltung besetzte eine schwerbewaffnete Kompanie die südliche Begrenzung des Domplatzes. Als der Rest der II. Abteilung unter Major Mayernitz den Domplatz erreichte, stieß er dort auf eine Streikversammlung von 5000 – 6000 Menschen. „Sie empfingen die Truppe sofort mit den rohesten Beschimpfungen und bedrängten sie derart, dass Major Mayernitz die Maschinengewehre zum Schuss fertig machen ließ“, wie Maercker berichtete. Sie feuerten eine Drohsalve ab. Doch dadurch ließen sich die Versammelten nicht erschrecken und verblieben auf dem Platz. Der Kommandeur verlangte die Auflösung der Veranstaltung, was von der Streikleitung aber abgelehnt wurde. Daraufhin gab er den Streikenden den Belagerungszustand bekannt und erlaubte dann den Versammlungsleitern, die Veranstaltung zu Ende zu führen, bat aber, sich kurz zu fassen. Angesichts der entschlossenen Haltung der Volksmenge wagten die Maercker-Söldner nicht, die Versammlung mit Gewalt aufzulösen und mussten sich damit abfinden. Die Massen strömten zur Mitte des Platzes. Dort teilten der „Rote Admiral“ Artelt, der Führer des Kieler Matrosenaufstandes, ihnen mit, dass nach Beschluss der Vertrauensmännerversammlung im Streik zu verharren sei, bis Brandes frei wäre- Dann zerstreute sich die Menge bis auf etwa 1000 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, die sich erneut gegen die Truppe wandten und sie dicht umringten und beschimpften. Die Kompanie der Landjäger wurde aufgefordert die Waffen niederzulegen. Den Landjägern gelang es schließlich, den Hof des Regierungsgebäudes zu erreichen. Maercker schildert weiter: „Als etwa 100 der wüstesten Schreier auch dorthin nachdrängten und gegen die Soldaten tätlich wurden, war die Geduld zu Ende. Major Mayernitz ließ aufpflanzen und angreifen. Als es dabei zum Handgemenge kam, feuerten ohne Befehl einige, durch die lange Anspannung und Beschimpfung überreizte Soldaten in die Menge hinein. Im Augenblick war der Platz geräumt“. Ein Toter und mehrere Schwerverletzte waren hier zu beklagen. Die zurück gehende Menge wurde von den in der Hauptpost befindlichen Landjäger mit Maschinengewehren empfangen. Fast gleichzeitig hatte die 4. Kompanie bei der nahen Post einen Zusammenstoß. Auch dort wurde die Truppe arg beschimpft und bedroht. Maercker äußerte sich: „Als einige Hauptschreier festgenommen und in das Postgebäude gebracht wurden, versuchte die Menge, unter der sich Leute mit roten Armbinden und Bewaffnete befanden, die Tore zu brechen. Als dann aus einem gegenüber liegendem Hause auf die Posten geschossen wurde, ließ Hauptmann Maas das Feuer erwidern. Darauf wurde die Strasse frei“. Hier gab es zwei Todesopfer und viele Schwerverletzte. Weitere Maercker-Truppen waren in der Zwischenzeit erschienen. Mit Handgranaten und Gewehrfeuer räumten die auf Kampf gegen die Arbeiter gedrillten Soldaten dann die gesamte Innenstadt leer. In den Tagen vom 7. – 9. April 1919 hat es während der Kämpfe auf der Seite der Arbeiter zwölf Tote und neununddreißig Schwerverletzte gegeben, von denen in der Folgezeit noch einige ihren Verletzungen erla-gen.
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Die Truppen wurden nun auf die einzelnen Stadtteile verteilt und hatten vor allem den Handelshafen und die großen Lebensmittellager zu schützen. Den Landesjägerkorps wurde noch eine Flottille bewaffneter Motor-boote unterstellt, die den Schutz des Handelshafens und der Lebensmitteltransporte auf der Elbe übernahmen. Diese Truppe stellte den Anfang des künftigen Reichswasserschutzes dar. Noske hatte davon gesprochen, dass durch die Verhaftung Brandes ein Bürgerkrieg verhindert werden sollte. Seinen Hass gegen die revolutionären Arbeiter hat diesen jedoch geradezu provoziert und seine Helfershelfer waren dabei in der Magdeburger SPD-Führung zu suchen. Maercker befahl, das Wachregiment und die Bürgerwehr unverzüglich aufzulösen und zu entwaffnen. Den Offizieren des Freikorps Görlitz übertrug er die Polizeigewalt. Die Maercker-Truppen wurden auch zur Entwaffnung der mit den Arbeitern sympathisierenden Magdeburger Garnisonstruppen eingesetzt. Das traf besonders für die Truppenteile der Kaserne Ravensberg zu, dort, wo Landsberg um sein Leben gezittert hatte. Im Auftrag Noskes übernahm Maercker die Kommandogewalt in Magdeburg. Die V. Abteilung, die den Mittelteil der Stadt zu sichern hatte, sandte während der Ausladung dem Wachregiment die Aufforderung, sämtliche Waffen abzulegen und die Kaserne bis 10.00 Uhr zu räumen. Es wurde kein Widerstand geleistet. Um 11.00 Uhr bezog die Infanterie der Abteilung die Kaserne; die Batterie wurde in die Kaserne Magdeburg, die Schwadron in den Zirkus gelegt. Der verspätet eingetroffenen Abteilung Hasper war der Nordteil der Stadt zugewiesen worden. Sie hatte vor allem den Handelshafen und die Lebensmittella-ger zu sichern. Noch am Nachmittag dieses Tages erhielt Maercker vom Generalkommando Lüttwitz bedeutende Verstärkungen. Es war vor allem das „ausgezeichnete“ Freikorps Görlitz unter seinem, in drei Erdteilen als Generalstabsoffizier bewährten Kommandeur, Oberstleutnant Faupel. Das Freikorps war 100 Offiziere und 1400 Mann stark und bestand aus 3 Bataillonen Infanterie unter Major Bruns, 2 Pionierkompanien, einer Minenwerferkompanie, 3 Feldbatterien und einer Kampfwagenstaffel. Maercker nahm sofort eine Neueinteilung der Abschnitte vor, indem er den Freikorps Görlitz den Nordteil, dazu den Zentralbahnhof zuteilte und die Abteilung Hasper in die Kaserne jenseits der Elbe legte. Sie hatten dort den Ostteil Magdeburgs zu sichern. Schließlich wurde General Maercker noch eine Flottille bewaffneter Motorboote, bestehend aus 5 Schnellbooten und 1 Dampfer, unterstellt, die ebenfalls zusätzlich den Schutz des Handelshafens und der Lebensmittelgebiete auf der Elbe übernahmen. Noch am 9. April wurden die Befehle für die neu aufzustellenden militärischen Verbände ausgefertigt. Im Anschluss an die von Maercker getroffene Dreiteilung der Stadt stellte das Generalkommando ein aus 3 Bataillonen bestehendes „Regiment Magdeburg“ und eine Einwohnerwehr zu 3 Abteilungen auf, deren Führer mit den Abschnittskommandeuren eng zusammen zu arbeiten hatten. Auf Anordnung der preußischen Regierung ernannte Maercker den mehrheitssozialistischen Arbeitersekretär und Stadtverordneten Krüger einstweilen zum Polizeipräsidenten. Um sich von seiner Persönlichkeit ein Bild zu machen, unternahm Maercker mit ihm einen nächtlichen Rundgang durch die Stadt. Im Allgemeinen herrschte Ruhe. Nur am Alten Markt hatten abends Ansammlungen stattgefunden. Es war zu einer Schiesserei gekommen, bei der einige Einwohner verwundet wurden. Erstmalig seit mehreren Tagen hatten sich keine Plünderungen mehr zugetragen. Die bürgerliche Einwohnerschaft Magdeburgs fügte sich Maerckers Anordnungen. „Einige halbwüchsige Radaubrüder aber mussten energisch darüber belehrt werden, dass der Belagerungszustand eine sehr erste Maßnahme ist“, so Maercker.
[ Editiert von Administrator MAGADO-2 am 08.04.12 12:05 ]
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Noch am 9. April führte dieser eine Pressekonferenz durch und gab seine Ziele bekannt, deren Verwirklichung er als einen Auftrag bezeichnete , welchen er von Noske bekommen hätte, dass hieß einen Auftrag, der auf Drängen der reformistischen SPD-Führung in Magdeburg zurückzuführen ist. Auf Anraten der Magdeburger SPD-Führung wurde das Wachregiment, das sich wiederholt auf die Seite der Arbeiter gestellt hatte, bereits am 9. April aufgelöst. Die Bürgerwehr erklärte Maercker ebenfalls als aufgelöst und befahl die Bildung einer Einwohnerwehr, die bereits vom Likörfabrikant Seldte vorbereitet war. Weiter erklärte Maercker , dass der Arbeiter –und Soldatenrat, der erst wenige Wochen vorher gewählt worden war, aufgelöst werde , da dessen Existenz den Gesetzlichen Bestimmungen widerspräche. Arbeiter –und Soldatenräte sollten laut Maercker getrennt existieren. Am 11. April lud der General die Repräsentanten „der Behörden und Berufskreise“ in den Rathaussaal ein. In einer Rede, die mehrfach von Beifall unterbrochen wurde, verlangte Maercker unnachsichtiges Vorgehen gegen alle Aufrührer und Plünderer und die Wiederherstellung von Recht und Ordnung. Für ein Freiwilligenregiment „Magdeburg“ sollten regierungstreue und zuverlässige Männer aus allen Bevölkerungsschichten, die die Bevölkerung vor Gewalttätigkeiten unlauterer Elemente schützen wollen, angeworben werde. Dass der Aufruf zum Eintritt in das Freiwilligenregiment wiederholt in der Presse abgedruckt werden musste, belegt die personellen Schwierigkeiten beim Aufbau der neuen Einwohnerwehr. Am 12. April bekam des Landesjägerkorps den Befehl nach Braunschweig abzurücken, was am 15. April dann auch erfolgte. Mit den von der Westfront heimgekehrten Truppen strömten dem Gründungskreis des „Stahlhelms“, der als Einwohnerwehr fungieren sollte, seit Jahresende weitere Mitglieder und Anhänger, vor allem Offiziere, zu. So besuchten bereits eine Zusammenkunft am 6. Januar 1919 im „Walhalla-Theater“ 1000 Frontsoldaten. Redner forderten schon damals die Behörden auf, mehr für die heimgekehrten „Feldgrauen“ zu tun und boten Hilfe der Versammelten bei der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in Magdeburg an. Eine Entschließung enthielt „schärfsten Protest gegen die verbrecherischen Bestrebungen kleinerer Minderheiten, ganz gleich ob links oder rechts“. Eine Woche später beschloss die erste Mitgliederversammlung, den Arbeiter –und Soldatenrat kampferprobte Männer für den Aufbau eines Wachregiments anzubieten, welches bereits am 9. April wieder aufgelöst wurde, weil es sich auf die Seite der Arbeiter gestellt hatte. Ab Sommer 1919 begann der Stahlhelm mit der Gründung von Ortsgruppen in ganz Deutschland. Bereits am 10. April konnte Maercker die Sperrzeit, die der Befehl über den Belagerungszustand für die Zeit von 7.00 Uhr abends bis 5.00 Uhr morgens festsetzte, auf die Zeit von 10.15 Uhr bis 4.00 Uhr morgens verringern und dem Polizeipräsidenten die Ermächtigung erteilen, Erlaubnisscheine zum Betreten der Strassen und während dieser Zeit auszustellen. An diesem Vormittag warf eine neue Aufgabe für das Landesjägerkorps ihre Schatten voraus. Über der Stadt erschienen zwei braunschweigische Flieger und warfen Flugblätter mit der Aufforderung zum Generalstreik ab. Zugleich kamen aus mehreren braunschweigischen Ort dringende Bitten um Hilfe gegen „spartakistische Umtrieb“ und die Misshandlungen von Arbeitswilligen. Maerckers Stab erkundete die Verhältnisse in Braunschweig. Wieder gärte es überall in Mitteldeutschland. Am 12. April war der sächsische, mehrheitssozialistische Minister für Militärwesen Neuring von Kriegsbeschädigten in Dresden ermordet worden. Das Freikorps Görlitz wurde am 13. April dorthin abgefördert. Am 12. April bekam General Maercker Befehl, in Braunschweig einzurücken. Er konnte Magdeburg jetzt verlassen. Die Aufstellung des Regiments Magdeburg machte Fortschritte, Die Einwohnerwehr wurde ihm angegliedert. Über ihre Aufstellung hatte er sich am 11. April in einer Besprechung mit den staatlichen und städtischen Behörden und den Parteien geeinigt. Wachregiment und Bürgerwehr waren aufgelöst. Die Neubildung des Korpssoldatenrates war in die Wege geleitet, und das Generalkommando hatte in Oberstleutnant Bürkner einen neuen Chef des Generalstabes erhalten. Am 14 April veranstaltete Maercker einen Vorbeimarsch seiner Truppen vor dem Kommandierenden General des IV. Armee-Korps, Exzellens v. Kleist, vor dem alten Generalkommando. Am nächstenTag rollten die ersten Truppen gegen Braunschweig. Abschließend bemerkte General Maercker: „Auch in Magdeburg gab die Einwohnerschaft ihrem Danke für unser Eingreifen Ausdruck. Sie überwies mir als Liebesgabe die Summe von 11200 Mark, von der ich einen namhaften Teil der Hinterbliebenen –und Verwundetenstiftung des Landjägerkorps zuführte“. Gedakt hattes es ihm die reaktionären Kräfte in Magdeburg.
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Die ersten Nachkriegsjahre hatten die unterschiedlichen Standpunkte einzelner politischer Lager immer deutlicher werden lassen. Auch in Magdeburg bröckelte der Ende 1918/Anfang 1919 zwischen SPD und bürgerli-chen Parteien bestehender Konsens. Die drückenden Bestimmungen des Versailler Vertrages, das Verhalten der Siegermächte gegenüber Deutschlands, Rheinlandbesetzung und Reparationen polarisierten die Anhänger der Weimarer Republik. Artikel 160 des Versailler Vertrages verfügte die Reduzierung des deutschen Heeres 100000 Berufssoldaten und die Auflösung der aus Freiwilligen bestehenden Freikorps. Putschbestrebungen frustrierten und von der Entlassung bedrohter Freikorpsoffiziere trafen mit Umsturzplänen der im Oktober 1919 gegründeten Nationalen Vereinigung, einer Nachfolgeorganisation der Deutschen Vaterlandspartei, zusammen. Einer der führenden Köpfe des gegen die Weimarer Republik gerichteten rechtsextremen Verschwörerkreises war der ostpreußische Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp, der intensiven Kontakt zum ranghöchsten General der Reichswehr, Walther v. Lüttwitz, unterhielt. Einer Anweisung der internationalen Militärkontrollkommission folgend, löste Reichswehrminister Gustav Noske am 29. Februar 1920 die 6000 Mann starke Marinebrigade von Hermann Erhardt und das Freikorps Loewenfeld auf. Dem widersetzte sich Reichswehrgeneral von Lüttwitz, der am frühen Morgen des 13. März an der Spitze der ihm unterstehenden Marinebrigade Erhardt, deren Angehörigen als Ausdruck ihrer völkischen Gesinnung ein Hakenkreuz auf dem Stahlhelm trugen, das Berliner Regierungsviertel besetzte und Kapp zum Reichskanzler ernannte. Da die Reichswehr nicht bereit war, gegen die Putschisten militärisch vorzugehen, floh die Mehrzahl der Minister mit Reichskanzler Gustav Bauer und dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert aus Berlin. Noch im Laufe des 13. März erschien in allen größeren Städten ein von den sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern und vom Parteivorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Otto Wels unterzeichneter Aufruf zum Generalstreik, der insbesondere in der Reichswehr so starke Irritationen auslöste, dass die Reichsregierung sich umgehend von diesem Aufruf distanzierte. In Magdeburg wurde der in den frühen Morgenstunden des 13. März 1920 in Berlin begonnene Militärputsch Kapp-Lüttwitz im Laufe des Vormittags bekannt. Ein Sieg hätte die Beseitigung aller fortschrittlichen Errungenschaften der Novemberrevolution, die Niederschlagung der Arbeiterklasse bedeutet. Unruhe bemächtigte sich der Elbestädter, als bekannt wurde, dass eine Freikorpseinheit von Altengrabow auf Magdeburg marschiere. Unter dem Eindruck der sich überstürzenden Ereignisse traten am 13. März Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um die Lage zu beraten. Die Vertreter der Rechtsparteien machten keine Hehl aus ihrer Haltung zur Republik. Generalmajor von Golddeck, der Standortkommandant Magdeburgs, ließ zunächst offen, für wen er mit allen Mitteln Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten gedachte. In der hitzigen Debatte gestand er später ein, dass die Richtschnur seines Handelns der Eid sei, den er dem Kaiser geleistet hatte. Andererseits verlangten Arbeiterabordnungen Waffen, um die Republik zu verteidigen. Oberbürgermeister Beims verstand, in der ihm eigenen Art, zu vermitteln und die streitenden Parteien an einen Tisch zu bringen. Er betonte, dass sich die städtischen Behörden aus den Vorgängen heraushalten wollten und ihre Aufgabe darin sehen, die Bevölkerung vor wirtschaftlichen Schäden zu bewahren. Beims nahm Generalmajor v. Golddeck in Schutz und riet sowohl von einem Generalstreik als auch von der Bewaffnung der Arbeiter ab. Die Teilnehmer der Beratung distanzierten sich nicht eindeutig von den Putschisten. Die reaktionäre Magdeburgische Zeitung verleumdete in ihrer Mittagsausgabe vom 13. März in überschwänglicher Weise, dass die bisherige Reichsregierung aufgehört habe zu bestehen und der Generallandschaftsdirektor Kapp als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident die Staatsgewalt übernommen habe, Reichswehrminister sei General Lüttwitz. Eine neue Regierung der Ordnung, Freiheit und der Tat, schrieb das Blatt, wurde gebildet.
[ Editiert von Administrator MAGADO-2 am 08.04.12 12:17 ]
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Die Arbeiterschaft Magdeburgs stellte sich, wie in vielen Städten, in einer einmütigen Geschlossenheit gegen den Kapp-Putsch. Als der Putsch am Vormittag in Magdeburg bekannt wurde, traten sofort Bevollmächtigte der Arbeiterparteien KPD, USPD und SPD zusammen, um Maßnahmen gegen diesen zu beschließen. Es wurde der Generalstreik ausgerufen. Die Streikbeteiligung im Verlaufe mehrerer Tage belief sich auf 95%. Der Oberbürgermeister Beims verlangte Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Der Standortkommandant der Reichswehr v. Groddeck erklärte, dass er als Vertreter des Generals Maercker seine Aufgaben in der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sehe und gegen Ruhestörungen gleich von welcher Seite, vorgehen werde. Am 14. März 1920, Sonntags, wurde auf dem Domplatz zu einer öffentlichen Versammlung aufgerufen. In den frühen Morgenstunden hatte der Generalmajor von Groddeck an den Plakatsäulen und Häuserwänden große rote Plakate anschlagen lassen, auf denen er sich auf eine Befehl General Maerckers berufend, die Kundgebung auf dem Domplatz verbot. Die Plakate wurden aber abgerissen. Groddeck hatte den Domplatz durch stärkere Reichswehrabteilungen, die mit Maschinengewehren ausgerüstet waren, abriegeln lassen. Weiterhin waren alle öffentlichen Gebäude militärisch besetzt. Trotz des Versammlungs –und Demonstrationsverbotes waren aber Tausende von Arbeitern in der Umge-bung des Domplatzes erschienen. Der Provokation des Reichswehrgenerals ausweichend, wurden anstatt der Kundgebung auf dem Domplatz zwei große Versammlungen im Zirkusgebäude und im „Hofjäger“ durchgeführt. Vertreter der KPD und USPD forderten nachdrücklich die Bewaffnung der Arbeiter, die aber von Ver-tretern der SPD kategorisch abgelehnt wurde. Einmütig wurde aber die Durchführung des Generalstreiks zur Unterstützung der sozialdemokratischen Reichsregierung bestätigt. Am 16. März verschärfte sich plötzlich die Situation in Magdeburg. General v. Groddeck zeigte endgültig sei-ne reaktionäre Haltung offen. An diesem Tag erschienen schwarz-weiß-rot umrahmte Aufrufe an den Haus-wänden, womit der General bekannt gab, dass er und das gesamte Offizierskorps sich auf die Kapp-Lüttwitz-Seite gestellt haben. Von Flugzeugen wurden Flugblätter mit gleichem Inhalt abgeworfen. Das Zeitfreiwilligen-regiment in der Angerkaserne, wo am 14. Mai bereits schwarz-weiß-rote und schwarz-weiße Fahnen gehisst wurden, erklärte sich ebenfalls für die Putschisten. Innerhalb weniger Stunden wurden jedoch diese Verbände von der Sicherheitswehr entwaffnet, und damit war das Offizierskorps ohne bewaffnete Truppe. Die in der Zitadelle befindlichen Pioniereinheiten hatten sich von Anfang an gegen Kapp und für die rechtmäßige Regie-rung erklärt. Die Zeitfreiwilligenverbände sollten überhaupt die Stoßkraft der Putschisten darstellen. In der Encke-Kaserne befanden sich eine große Zahl dieser Soldaten. Zwischen diesen und den regulären Reichswehrtruppen bestand durch die Bevorzugung der Zeitfreiwilligen schon immer ein gespanntes Verhältnis. Es gelang einer Gruppe von Agitatoren in der Encke-Kaserne die regulären Truppen von den Zeitfreiwilligen zu trennen. Am 17. März stürmten die Arbeiter die Encke-Kaserne und entwaffneten die sich dort befindliche Freiwilligen. Nachdem von der Sicherheitswehr das von den Zeitfreiwilligen besetzte Generalkommando als deren letzter Stützpunkt besetzt wurde, konnte festgestellt werden, dass der Versuch, mit militärischen Mitteln Kapp-Lüttwitz zu unterstützen, in Magdeburg gescheitert war. Die Putschisten General v. Groddeck, Oberstleutnant Füßlein und Major Zielberg wurden verhaftet. Im Laufe des Tages wurden von Gruppen von Arbeitern die Wohnungen dieser Personen nach Waffen durchsucht in denen 40 Karabiner, 2 Maschinengewehre, 500 Schuss Munition und Handgranaten, sowie Seitengewehre beschlagnahmt. Eine besonders aktive Rolle bei der Niederschlagung des Kapp-Putsches in Magdeburg spielten die organi-sierten Kampfgruppen der Magdeburger Arbeiter. Sie waren an allen Brennpunkten zu finden. So vor allem bei der Entwaffnung der Zeitfreiwilligen in der Encke-Kaserne. Vorläufer dieser Kampfgruppen entstanden bereits nach der Novemberrevolution 1918 als „Roter Soldaten-Bund“ (RSB) mit ca. 1200 Mitgliedern. Der RSB war in 6 große Gruppen und 24 kleine Gruppen gegliedert. Wie sehr der RSB gefürchtet war, geht aus einem Schreiben des Generalkommandos an den Regierungspräsidenten und Oberpräsidenten vom August 1919 hervor. Die Geschäftsstelle des Bundes befand sich im Cafe Südstern in der Halberstädter Strasse. Sie wurde ständig beobachtet. Der RSB war Bestandteil der KPD. Der hier berichtende Chef des Generalstabs, Oberstleutnant Brückner versicherte, dass sobald ernste Anzeichen für Unruhen oder Aktivitäten des RSB zu erkennen seien, sofort der Belagerungszustand verkündet würde. Die mit der Reaktion verbundenen neuen Machthaber wussten also sehr wohl, von welcher Seite ihrem Regime Gefahr drohen konnte. Im Herbst 1919 löste sich der RSB auf, da inzwischen viele Soldaten aus dem Heeresdienst entlassen waren. Danach wurde die Organisation der Organisation der Roten Hundertschaften (Rote Revolutionsarmee) gegründet in welche 32 ehemalige RSB-Mitglieder eintraten. Im Dezember 1919 waren 164 Neuauf-nahmen zu verzeichnen. Diese Truppe wurde auch militärisch ausgebildet. Zur Zeit des Kapp-Putsches ge-hörten dem „Roten Arbeiterbund“ 131 weibliche und 711 männliche Kampfgruppen-Mitglieder an, zu denen später noch Gruppen der Arbeitersamariter kamen.
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