Bezugnehmend auf die im Manöverbeitrag abgebildete Stiefel-Reklame möchte ich auf die Probleme der Schuhversorgung in der jüngeren und ferneren Vergangenheit noch einen kleinen Beitrag leisten.
Lederschuhe waren wertvolles Eigentum, das sich nicht jeder leisten konnte. Oft sollten sie ein Leben lang halten und wurden entsprechend geschont. Dass Kinder barfuß gingen, war selbstverständlich; in der schlechteren Jahreszeit und bei der Arbeit waren Holzschuhe üblich. Lediglich beim Militär gab es Schuhe und Stiefel – aber auch sie waren knappes Gut und es war durchaus nicht unüblich, dass sie nach Kampfhandlungen den Gefallenen abgenommen wurden. Meist als Ersatz für die unbrauchbar gewordene oder verlustig gegangene Fußbekleidung der noch Lebenden. Erfrorene Zehen und Füße, wie auch Nasen, Ohren und andere Gliedmaßen, waren ja bei den Russlandfeldzügen nicht unbekannt.
Sieht man sich alte Bilder und Zeichnungen an, so sieht man bei Wanderburschen oder anderem durch die Welt ziehenden Volk oft stark verbrauchtes Schuhwerk und – was verwundert – Stiefel bei den in der Landwirtschaft Tätigen. Letzteres hat eine einfache Erklärung: Wer in Preußen (wahrscheinlich auch in Sachsen, Württemberg, Baden usw.) von der Fahne beurlaubt war, blieb ja meist lebenslang der Militärpflicht unterworfen. Als Zeichen der Zugehörigkeit zum Militärstand waren diese Beurlaubten aber verpflichtet, in der Öffentlichkeit mindestens einen Bestandteil ihrer Montur zu tragen. Neben der Mütze oder Kokarde waren das oftmals Stiefel. Diese gewährten ja eine bestimmte Sonderstellung, da nicht jeder so etwas aufweisen konnte. Eine für den Träger noch wichtigere Eigenschaft war mit dem getragenen Uniformteil verknüpft: Sie waren als Träger des königlichen Rocks zu erkennen und damit der Gerichtsbarkeit und Willkür der Gutsherren entzogen – für sie waren ausschließlich die Militärgerichte zuständig, was auch auf die Frauen und enrollierten Kinder ausgedehnt wurde.
Auch in der Zeit des Nationalsozialismus war Leder knapp und Schuhwerk dementsprechend rar (und teuer). Im ersten Band von „Magdeburg im Nationalsozialismus“ sind dazu eine Reihe von Beispielen genannt. So galt das Fehlen von geeignetem Schuhwerk als legitime Entschuldigung für das Fernbleiben von den HJ-Nachmittagen. Für die Bevölkerung wurden Festlegungen zur Reparatur des Schuhwerkes bei lediglich einem Schuhmacher getroffen. Dieser hatte Kundenlisten zu führen und den Verbrauch des ihm zugeteilten Sohlenleders etc. über diese Listen nachzuweisen. Für die Stiefelproduktion gab es allerdings genügend Leder, wie bei den Militärschuhmachern in der damals so genannten Hasselbach-Kaserne zu sehen war. Der Generalanzeiger berichtet am 14. 12. 1935 über einen Besuch beim Infanterieregiment Nr. 66 (die Minenwerferkompagnie des Regiments war in dieser Kaserne untergebracht). Dabei lernte der Reporter die Hitler-Stiefel kennen: In jedem Stiefel ist ein Stempel, auf dem steht: Dem Führer zum Geburtstag vom deutschen Handwerk.
Und zum Abschluss noch ein Bild aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, das auf die Schuh- (und wohl auch Zaumzeug- sowie Sattel-) Knappheit anspielt.
(Die „Heinricher“ Jungs stammen aus dem Stadtteil Heinrichs in Suhl).
Als Abrundung zum Manöver 1913-Beitrag habe ich noch etwas zu Manövern der alten Armee bzw. des Alten Fritz.
Durch das in der preußischen Armee übliche Beurlaubten- und Freiwächtersystem war die volle Stärke der Einheiten jeweils nur für wenige Wochen im Jahr gegeben. Das war die sogenannte Exerzierzeit, die mit Revuen (Besichtigungen) und Manövern abschloss. Da Friedrich II. an den Revuen und Manövern nach Möglichkeit selbst teilnahm bzw. diese abnahm, gab es einen festen Jahreskalender, der nur durch Campagnen (Feldzüge) außer Kraft gesetzt wurde.
Am 21. März begann die Exerzierzeit in Potsdam (Brandenburgische Truppenteile), die bis zum 17. Mai dauerten.
Am 15., 16. und 17. Mai fanden die Revue4n und Manöver in Potsdam statt.
Am 18. Mai war Manöver in Spandau.
Am 19. Mai waren im Tiergarten Berlin Revue über das Regiment Kovalski (Wachregiment) und Spezialrevue über das Kürassierregiment von Packoff. Am gleichen Tag nahm Friedrich II. die Revue über die Bernauer Landwehr und Spezialrevue bei den nach Berlin rückenden Infanterieregimentern ab.
Nach einem Ruhetag am 20. Mai marschierten die Regimenter aus zwei verschiedenen Toren in die Gegend von Tempelhof und traten dort um 4 Uhr morgens zur Revue vor dem König an. Die Kavallerie erwartete den König um 5 Uhr am Halleschen Tor. Von da aus ging es nach Tempelhof wo verschiedene Übungen in zwei Linien vorgeführt wurden bis beide Linien gegeneinander avancierten. Auf eine Entfernung von 1200-1500 Metern näherten sie sich zunächst im Schritt, dann im Trab und schließlich im Galopp gegeneinander, bis eine Linie haltmachen musste und die Kürassiere gegenüber diesem als geschlagen bezeichneten Teil ein Verfolgungs- und Einkreisungsmanöver simulierte. Zum Teil griff der König selbst in diese Manöver ein. Anschließend trat die Infanterie ebenfalls in zwei Linien gegeneinander an und absolvierte ein umfangreiches Manöverprogramm. Dazu wurde mit Kanonenschüssen das Kommando für die einzelnen Manöverelemente gegeben.
Um die Komplexität dieser Aufgabe zu illustrieren will ich hier die Bedeutung der einzelnen Schüsse folgen lassen: 1. Schuss – Halt und Einschwenken bzw. eine andere Art des Aufmarschierens, 2. Schuss – Chargieren der ersten Linie mit übergesprungenen Bataillonen, 3. Schuss – Chargierung mit Pelotons, 4. Schuss – Linksumkehrtmachung der zweiten Linie, 5. Schuss – Feuern mit Bataillonen, 6. Schuss – Feuern mit Pelotons, 7. Schuss – Frontmachen der zweiten Linie und Vorrücken der Fahnen der ersten Linie, 8. Schuss – Antreten der ersten Linie zum Avancieren, 9. Schuss – Halt der ersten Linie und Chargieren mit Bataillonen, 10. Schuss – Linksumkehrt der ersten Linie und Vortreten der Fahnen, 11. Schuss – Antreten der ersten Linie zum Retirieren und Marsch, 12. Schuss – Antreten der zweiten Linie, 13. Schuss – beim Annähern der ersten Linie an die zweite ging die erste mit Linksum durch die zweite, jeder Zug machte anschließend Front, alles schwenkte links ein, nahm die Gewehre ab und blieb Halten, 14. Schuss – Alles Halt, 15. Schuss – zum Bataillon chargieren, 16. Schuss – zum Peloton chargieren, 17. Schuss – Linksumkehrt, 18. Schuss – Retirieren, 19. Schuss – Durchziehen der zweiten Linie durch die erste, 20. Schuss – Einschwenken, – die Kavallerie setzt sich an den rechten Flügel, 21. Schuss – Infanterie öffnet die Glieder, 22. Schuss – das ganze Korps zum Paradevorbeimarsch.
Die Befehle zum Auslösen der Schüsse gab der König selbst. Sie wurden von einem Adjutanten des Königs durch Vorreiten und Schwenken des Hutes dem Kommandanten, welcher die Signalkanone befehligte, übermittelt. Salutieren vor dem König war während des Vorbeimarschs nicht gestattet – das erfolgte nur vor der Königin.
Am 23. Mai fand ein Großes Manöver statt, zu dem der König am Vorabend die Disposition ausgestellt hatte. Aus Geheimhaltungsgründen und Schutz vor Ausspähung durch fremde Militärvertreter ließ Friedrich der Große dieses Manöver immer an gleicher Stelle und nur mit geringfügiger Modifizierung ausführen. Die Weiterentwicklung von Strategie und Taktik in der Truppe sollte dadurch verschleiert werden.
Am 24. Mai erfolgte die Abreise zu den Preußischen Truppenteilen über Küstrin nach Stargard. Auch hier erfolgten Revuen und Paraden und am 28. Mai fand auf den noch unbestellten Feldern ein Manöver statt. Es begann in aller Regel um 4 Uhr früh. Nach Manöverschluss trat Friedrich II. die Rückreise nach Sanssouci an. Sie folgte nach der Einverleibung Westpreußens auf einer Route über Bromberg und Graudenz, wo der König die Festungsbauarbeiten kontrollierte und wo ebenfalls an drei Tagen Revuen und Manöver abgehalten wurden.
Als Abrundung zum Manöver 1913-Beitrag habe ich noch etwas zu Manövern der alten Armee bzw. des Alten Fritz (Fortsetzung)
Der Alte Fritz zog üblicherweise am 28. Mai von Stargard nach Sanssouci und kam noch am gleichen Tag dort an. Wie sich der spätere Zwischenaufenthalt in Graudenz auswirkte, konnte ich leider nicht feststellen. Doch der ursprüngliche Ablauf gestaltete sich wie folgt.
Am frühen Morgen des 30. Mai zog der König zu den Magdeburger Truppenteilen in sein Hauptquartier bei Pietzpuhl. Er wurde von der dort bereits seit März exerzierenden Infanterie empfangen. Sie wurden einer Spezialrevue unterzogen. Anschließen begab sich der König in das dem Domherrn von Wulfen gehörende Schloss Pietzpuhl zum gemeinsamen Essen mit den Generälen und Obersten. Der Generaladjutant speiste mit den Stabsoffizieren an einer in der Scheune aufgestellten Tafel. Zum Tisch des Königs waren die lokalen (Provinz Sachsen!) Präsidenten und Direktoren beordert. Auch der Ingenieur de la Place der Festung Magdeburg befand sich unter den Gästen. Dieser hatte dem König insbesondere Bericht zu den im vergangenen Jahr abgeschlossenen Bauarbeiten an der Festung und über die Pläne für weitere Maßnahmen Rapport zu erstatten.
Am 31. Mai folgte der erste Revuetag. Er begann mit der Kavallerie, dann folgte die Revue der Infanterie und der gemeinsame Paradevorbeimarsch von Kavallerie und Infanterie. Am 1. Juni manöverierten Kavallerie und Infanterie nacheinander und am 2. Juni folgte das Große Manöver. Dazu wurde aus zwei Grenadierbataillonen, den Überkompletten und dem Regiment Marwitz Kürassiere eine „feindliche“ Gruppierung formiert. In Ausnahmefällen fand dieses Manöver allerdings bereits am 1. Juni statt. Nach dem Manöver ritt Friedrich II. in die Festung Magdeburg. Dort besichtigte er einige Festungswerke, die entweder vervollkommnet waren oder für solche Maßnahmen vorgesehen. Von Magdeburg aus fuhr der König nach Salztalen (Bad Sachsa) zu seiner Schwester zum Essen. Anschließend kehrte er nach Sanssouci zurück.
Im Herbst gab es nochmals Manöver (Abschlussmanöver). Nach deren Ende wurden die offiziellen Beurlaubungen vorgenommen und die neuen Rekruten in die Rangierrollen eingetragen. Da preußische Soldaten ausschließlich nach Körpergröße innerhalb ihrer Einheiten aufgestellt wurden, war in Folge von Neueinstellungen und Beurlaubungen ein komplizierter Prozess des Aus-, Um- und Einrangierens notwendig, um die gewohnte preußische Ordnung zu gewährleisten.