Also die FH im Herrenkrug ist das ehem. Standortlazarett. In kommenden Monat hab ich die A5 Proschüre im Softcover fertig und kann erworben werden. Wird etwa 70 Seiten umfassen im SW-Drucck, 8,00 €
Bild entfernt (keine Rechte)
Übrigens, zu diesem Film habe ich mit unserem Forum und mit dem russ. Forum gute Vorarbeit für den MdR geleistet
MAGADO-2
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Keine Rechte
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Magado-2, Du bist ja Mal wieder nicht zu bremsen. Diese Geschichtsreise, wenn ich das Mal so zum Ausdruck bringen darf ist sehr interessant.Habe daher auch die für dich in Reinschrift gebrachten Zeitzeugenberichte in einem gesonderten Ordner für mich aufbewahrt. Hoffe Du hast keine Einwände.
Der verheerende 2. Weltkrieg neigte sich auch für Magdeburg seinem Ende zu. Die amerikanischen Einheiten der 2nd Armored Division und der 30th Infantry Division hatten unsere Elbestadt, die zuvor noch zur Festung erklärt wurde, am 17. April 1945 nach hartnäckigen Kämpfen in den Außenbezirken erstürmt. Vom 15. bis 17. April setzten sich noch zahlreiche kampffähige Wehrmachtsgruppen und SS-Trupps über die einzig verbliebene Elbbrücke auf das Ostufer ab. Hier versuchte die Kampfgruppe Adolf Raegener (Kampfkommandant Magdeburgs) infanteristisch und mit wenigen verbliebenen Artilleriewaffen die Elblinie zu halten. Zu diesem Zeitpunkt ahnte aber niemand, dass die Amerikaner an der Elbe stehen blieben und nicht mehr bis Berlin marschierten. Am 16. April 1945 hatte die Berlinoffensive der Sowjetstreitkräfte an der Oder-Neißefront begonnen. Die Sowjettruppen der 1. Belorussischen Front waren am 17./18.April noch weit entfernt von Berlin und der Elbe. Aber wenige Tage später sank der deutsche Widerstand gegenüber einer massenhaften Übermacht sowjetischer Armeen dramatisch mit höchsten Verlusten. Täglich trafen in Magdeburg-Ost Verwundetentransporte aus Richtung Osten in den Lazaretten ein, die ohnehin bereits Wochen vorher mit Verwundeten aus westlichen Rückzugskampfgebieten gefüllt waren. Die medizinische Versorgung der Schwerstverwundeten konnte kaum noch gewährleistet werden. Welche dramatischen Zustände im Standortlazarett am Margarethenhof am Herrenkrug herrschten, schildern nur wenige Berichte. Nur selten gelingt es neue Dokumente aufzufinden, die über die persönlichen Einstellungen und Handlungsweisen amerikanischer Soldaten während der Besatzungszeit Auskunft geben. Für Magdeburg konnten solche Dokumente ausfindig gemacht werden, die nun in Kopie dem Kulturhistorischen Museum übergeben wurden. Dazu gehört der Bericht von Joseph Puma von der D-Kompanie der 82. Aufklärer der 2. US- Panzerdivision und der besonders anschauliche Bericht des Sergeanten Melcom A. Moore, von der K-Kompanie des 117. Infanterie-Regiments, der 30. US Infanterie- Division, welches als Besatzungsmacht bis Ende Mai 1945 fungierte. Außerdem wurden dem Autor die After Action Reports der US-Einheiten und das Unit Journal 117th Infantry, 13 Apr – 29 Apr 1945, aus den USA zur Auswertung übergeben. Sergeant Melcom A. Moore schildert neben vielen anderen Episoden und Einstellungseinblicken, wie der deutsche Generalleutnant Kurt Dittmar einen Rettungsversuch schwerstverwundeter Wehrmachtsoldaten aus dem Standortlazarett zu den Amerikanern unternahm, scheiterte und dann in amerikanische Gefangenschaft ging. Aus dem Unit Journal 117th Infantry, 13 Apr – 29 Apr 1945 erhalten wir erstmals Kenntnis über die Dramatik eines Rettungsversuches durch den Lazarettarzt für etwa 300 Schwerstverwundete zu den Amerikanern, der aber ebenfalls scheiterte. Der einzige Kronzeugenbericht des damals schwerstverwundeten Gerhard Grabowski schildert die Zustände im Standortlazarett am Margarethenhof, als am 5. Mai 1945 Truppen der 370. Schützendivision der 69. russischen Armee Magdeburg-Ost erreichten und das Lazarett übernahmen. Schwesternpersonal, Sanitäter und Verwundete waren der Willkür sowjetischer Soldaten und GPU-Kommissaren ausgesetzt. Zwei große Massengräber auf dem Gelände des Standortlazaretts künden von den schrecklichen Ereignissen und der Hilflosigkeit der Schwerstverwundeten, von denen etwa 300 dem Tode geweiht waren. Es darf allerdings dafür auch nicht unerwähnt bleiben, das es nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 deutsche SS, Mordkommandos und auch Wehrmachtangehörige waren, die bestialische Massenmorde an der sowjetischen Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen begangen. Kein Wunder, das sich Sowjetoffiziere, Soldaten und vor allem GPU-Kommissare nun im Siegesrausch über Hitlerdeutschland, angestachelt durch Ilja Ehrenburgs Aufrufe, "keinen Deutschen zu schonen", zu Wilkürhandlungen gegenüber kriegsgefangenen oder verwundeten Wehrmachtsoldaten und Zivilisten hinreißen ließen. Diese Dokumentation schildert zum Abschluss auch zwei Exhumierungsaktionen der einstigen Massengräber zum Westfriedhof. Der Autor möchte mit dieser Veröffentlichung an das damalige Geschehen im Standortlazarett erinnern und einer weiteren Verklärung der Gesamtsituation entgegenwirken, denn als dieses Thema vor einigen Jahren in einer Ausstellung in Magdeburg dargestellt werden sollte, wurde es mit dem Kommentar abgelehnt: „zu emotional!“ Gibt es denn überhaupt zu den Ereignissen des Kriegsendes in und um Magdeburg Erlebnisdarstellungen ohne Emotionen?
Helmut Menzel
Ein Sittenbild aus der amerikanischen Besatzungszeit Magdeburgs und die dramatischen Rettungsversuche schwerstverwundeter Wehrmachtsoldaten aus dem Standortlazarett
Joseph Puma von der D-Kompanie der 82. Aufklärer der 2. US-Panzerdivision schilderte, wie er über Sudenburg in die Stadt eindrang und Beute machte. Sergeant Moore schilderte darüber hinaus, wie er das Leben in seinem Abschnitt in der Alten Neustadt - Handelshafen - gestaltete. In seinen Aufzeichnungen rechnete er u.a. auch mit seinen eigenen Fehlern und Inkonsequenzen ab. Dieser Bericht stellt ein ehrliches, aber spätes Bekenntnis dar, denn es wurde von ihm erst in den 80er Jahren niedergeschrieben. Der 30. US Infanterie-Division und der 2. US Panzer-Division war die Aufgabe zugedacht, Magdeburg zu erobern. Bereits am 16. April 1945 wurden alle Einheiten nördlich, westlich und südlich vor Magdeburg in ihre Ausgangsstellungen befohlen. Der Angriff erfolgte am 17. April nach einem rollenden Luftangriff der 9. US Luftflotte zweimotoriger Jagdbomber zu 11 Gruppen. Sergeant Moore berichtete: „Die Stadt war bereits bombardiert und schwer zerstört, durch vorherige Luftangriffe und die meisten Bomben wurden über der Mitte des Stadtzentrums abgeworfen. Sie hatten nur geringe Wirkung für uns, weil die meisten Verteidigungsstellungen rund um die Außenbezirke gelegt waren.“ Am 17. April führte auch die D-Kompanie, 82. Aufklärer der 2. Panzer-Division, unter dem Kommando von Kapitain Georg I. Karl ihren Angriff auf Magdeburg durch, zu der Joseph Puma gehörte. J. Puma berichtete: „Wir trafen auf Beschuss aus Handfeuerwaffen und einer unserer Kerle wurde verwundet… Als wir danach die Stadt betraten, wurde mir befohlen die Straßen mit zwei Männern zu erkunden. Ich kontrollierte einige gepanzerte Fahrzeuge usw. und nahm Jerry Hlavnick, er war ein erfahrener Oldtimer und Vincent W. Paulman mit… Nachdem wir einen Wohnblock ohne Zwischenfall passiert hatten, sah ich wie sich etwas in einer Nebenstraße zu meiner Rechten bewegte… und fand dort einen beleibten Zivilisten, der ein weißes Hemd trug. Ich riss ihn an mich, knallte ihn an die Mauer und hielt ihm mein Bajonett unter sein Kinn… Ich sprach ein wenig Deutsch und fragte, wo sich die deutschen Soldaten versteckten. Er sagte, in der Schule an der Ecke (Braunschweiger Straße). Ich stieß ihn vor mir her und trieb ihn vorwärts. Wirklich war dort die Schule… Er sagte mir, dass sie im Keller wären. Sie sollten mit erhobenen Händen herauskommen oder wir würden Handgranaten in die Keller werfen…“ 21 Soldaten kamen heraus, die von Soldat Paulman durchsucht und zum Gefechtsstand gebracht wurden. Joseph Puma weiter: „Ich war in diesen Tagen ein raffinierter Geschäftemacher und dachte, dass noch alle guten Sachen, Dinge die einen guten Preis bringen würden, noch im Keller waren.“ J. Puma durchsuchte nun den Keller auf eigene Faust und fand Pistolen, Karabiner und andere Dinge, die er in seinem Kampfanzug verstaute. „Die Beute würde im Hinterland pro Stück 100 Dollar bringen. In einem Raum befand sich eine große Karte, die mit Nadeln und farbigen Zeichen abgesteckt war. Ich nahm die Karte und ging zum Gefechtsstand zurück. Nachdem ich meine Beute versteckt hatte, ging ich zu Kapitain Karl, unserem kommandierenden Offizier. Er war begeistert, da die Karte alle Befestigungen im Gebiet aufzeigte…“ Diese Karte wurde zum Bataillon geschickt. J. Puma berichtete weiter: „ Er sagte mir, die Karte werde eine Menge Leben bewahren. Puma, ich werde sehen, dass du eine Auszeichnung bekommst!“ Jedoch eine Auszeichnung hatte er danach nicht erhalten. Zum Abschluss seines Berichtes heißt es: „Das Wissen, dass ich durch mein Tun Leben bewahrt hatte, war mir Dank genug.“ Sergeant Moore schilderte seinen Angriff wie folgt: „Wir begannen unseren Angriff 15.15 Uhr. Der Widerstand war nicht mehr stark…“ Die Deutschen verteidigten sich an Straßensperren mit Maschinengewehren und Panzerabwehrgeschützen. Scharfschützen mit Gewehren und Panzerfäusten versteckten sich in den Trümmern. Sergeant Moore weiter: „So eine Stadt von ungefähr 400.000 Einwohnern einzunehmen und vom Feind zu säubern ist schon eine Aufgabe…“ Panzerfahrzeuge konnten sich in den Trümmern nur schwer bewegen, „und so war der Häuserkampf der Infanterie die einzige Antwort… Wir kämpften bis etwa 21.00 Uhr.“ Alle Einheiten hatten zu dieser Zeit die Phaselinie erreicht und bereiteten sich zur Nachtruhe vor. Die eingenommenen Abschnitte wurden gesäubert und gesichert. Sergeant Moore suchte sich ein großes Haus aus und gab der dort wohnenden Familie fünf Minuten Zeit auszuziehen und erlaubte ihnen nicht irgendetwas mitzunehmen. „Ich machte ihnen klar, dem Sieger gehört die Beute!“ Nachdem er seine Männer untergebracht und Wachposten aufgestellt hatte, beschloss er mit Sergeant Shull noch etwas weiter in die Stadt auf eigene Faust einzudringen. Seine Soldaten hatten sich bereits an seine verrückten Aktionen gewöhnt, wie er selber schrieb. Sie trafen einen Deutschen, der sich mit ihnen verständlich machen konnte und nahm sie in einen Luftschutzbunker mit, der unter den Bahnanlagen (Hauptbahnhof, Bahnsteig 5) lag. Dort trafen sie auf viele Zivilisten, die dort unten „wie die Sardinen“ saßen. Die Magdeburger sollen sehr erstaunt gewesen sein, über ihr plötzliches nächtliches erscheinen. „Wir gingen von dort wieder fort und unser nächster Halt führte uns in ein italienisches Bordell… Ich glaubte, dass wir für die Italienerinnen auch eine große Überraschung waren… Ich entschied, dass es Zeit sei zurückzugehen. Wir waren gegen 5.00 Uhr bei unserem Zug und glücklicherweise hatte niemand nach uns gesucht.“
Um 6.00 Uhr des 18. April begann der zweite Angriffstag auf die Innenstadt. Der Widerstand war nur noch schwach. Sergeant Moore berichtete weiter: „Unser größtes Problem waren die Zivilisten, die begonnen hatten die Vorratslager, Speicher und Geschäfte zu plündern… Ein hübsches Fräulein sagte zu Oberstleutnant McDowell (Bataillonskommandeur), dass er wohl auf sie schießen könne, wenn sie das (verhängte) Ausgangsverbot in der Nacht verletze, weil sie gerne mit ihm schlafen wollte. Er war von solcher Natur, anstatt sich mit ihr einzulassen, schoss er ihr durch die Schulter, um ihr zu zeigen, dass er das Geschäft ablehne.“ Schließlich war die Operation im Zentrum Magdeburgs abgeschlossen. Sergeant Moore berichtete weiter: „Wir gingen in einige Wohnungen und dachten einige Tage Ruhe zu haben, um dann weiter nach Berlin vorzustoßen. In der Wohnung traf ich auf ein hübsches Fräulein, Marga Hocht, die eine der hübschesten Mädchen war, die ich je gesehen hatte. Sie war ein ehemaliges Model und die Geliebte eines deutschen Luftwaffengenerals, der sie bestens ausgestattet hatte… Sie sprach gerade genug englisch, dass wir uns unterhalten konnten…“ Am nächsten Tag wurde Sergeant Moore mit seinem Zug in die Alte Neustadt zum Handelshafen verlegt. Gegenüber, auf dem Ostufer der Elbe lagen noch die Deutschen. „Zuerst war ich richtig sauer, weil ich dort wieder an der Front war und der Rest der Kompanie durfte noch in der Stadtmitte bleiben. Auch, weil ich gerade dabei war mich mit Marga Hocht gut zu verstehen.“ Sergeant Moore schlug sein neues Hauptquartier in der Wasserkunststraße Nr.22 auf. Auch hier wurden alle Mieter aus dem Haus gejagt. Er ließ ihnen nur ihre Kleider, die sie an hatten. Moore schrieb: „Ich bin ein Mensch mit gutem Benehmen gewesen, und so ließ ich einem verkrüppelten Mann sein Holzbein mitnehmen… Es dauerte nicht lange, meinen Bereich in der Stadt zu übernehmen… In meinem Abschnitt hatte ich ein großes Lagerhaus, voll mit alkoholischen Getränken, ein Lager mit Fremdarbeiterinnen mit etwa 300 Frauen und Mädchen, Getreidesilos und anderen Lagerhäusern mit Lebens- mitteln (im Handelshafen). Wegen der andauernden Feuergefechte mit den deutschen Truppen, die noch im Herrenkrug lagen, wurde der Handelshafen für alle anderen US-Einheiten gesperrt. Sergeant Moore berichtete weiter: „So war ich hier in einem isolierten Bereich…und da kein Offizier hier war, dem ich Rechenschaft pflichtig war, so war ich nun ein selbstständiger Kommandeur. Den Offizieren der Kompanie waren Eisenhower-Jacken ausgegeben worden, anstelle der Kampfanzüge, und so bekam ich die eine, die für den Zugführer bestimmt war. Auf den ersten Blick konnte ich mit einem Offizier verwechselt werden… So wurde aus dem Sergeant Moore ein Bürgermeister, oder wie wir sagten, ein Major, in diesem Teil Magdeburgs. Neben der Bürgermeisterrolle hatte ich auch die des Polizeichefs, des Richters und des Geschworenen, also die absolute Befehlsgewalt. Ich hätte mir niemals in meinem Leben vorstellen können in eine solche Stellung, wie diese, aufzusteigen… Natürlich hatte ich eine Menge Verantwortung und Entscheidungen zu treffen, die meisten mit Freude…“ In seinem neuen Sektor kontrollierte Moore mit seinem Zug alle Lagerhäuser im Handelshafen und verfügte über deren Lagerbestände nach Belieben. Viele Offiziere, bis zum Oberst, meldeten sich bei Sergeant Moore und bestellten alkoholische Getränke bei ihm. In seinem Büro hatte Moore ein eigenes Lager eingerichtet und einen jungen GI Richards, der einer seiner Lieblinge war, zum Barkeeper gemacht. Sergeant Moore setzte seinen Bericht fort: „Ich ließ ihn die Offiziere bedienen, wenn sie mir gefielen…, dann sogar ganze Wagenladungen zukommen. Wenn ich sie nicht leiden konnte, sagte ich gleich, dass ich es keinem von ihnen erlauben dürfte… Wenn ich so zurück blicke, dann hatte ich auf Soldat Richards wohl keinen guten Einfluss. Ich stellte für uns sofort das deutsche Fräulein Brunhilde als Dienstmädchen in unserer Wohnung ein…“ Sie wohnte in einer Nachbarwohnung und war alleinstehend. Wenn Moore sie brauchte, dann war sie jeder Zeit bereit. „…für die Dienste in der Küche - täglich drei Mahlzeiten - gab ich ihr von Zeit zu Zeit einige amerikanische Zigaretten und brachte Lebensmittel aus einigen Lagerhäusern für sie mit, die sie mit nach Hause nehmen durfte… Ich denke, dass mich Brunhilde dafür wirklich gerne hatte…“ Sergeant Thomas Walker aus Iowa war bei Sergeant Moore Nachrichtenmann und an einer gesprengten Brücke eingesetzt. Da die Brücke nicht vollständig zerstört war konnten Flüchtlinge und deutsche Soldaten vom Herrenkrug aus herüberklettern. Walkers Aufgabe war Gefangene zu machen. Sergeant Moore berichtete darüber: „In den ersten drei Wochen, die wir in Magdeburg waren, machte die Division (30. Infantry Division) 7468 Gefangene (in allen Abschnitten). Ab und zu besuchte ich ihn (Walker) an der Brücke und half Gefangene zu durchsuchen. Ich nahm immer allen die Uhren, Auszeichnungen, Messer usw. ab und in kurzer Zeit war ich beladen mit dieser Kriegsbeute. Sie alle bekamen von mir dafür noch einen Tritt…“ Über seinen Regimentskommandeur urteilte Sergeant Moore: „Dieser war von kleiner Statur, aber streng und anmaßend.“ Einer von Sergeant Walkers Soldaten war, um ein Bad zu nehmen, zur Elbe gegangen. Dazu hatte dieser einige junge Mädchen aus den nahen Zwangsarbeiterinnen-Lager mitgenommen. Das geschah, als der Oberst (des Bataillons) in diesem Bereich unterwegs war und Sergeant Moore musste sich dafür bei ihm verantworten. „Die erste Frage war: Wer ist der Kommandeur des Zuges? Und ich sagte: Ich nehme diese Aufgabe wahr… Das wusste er bereits, aber er war darüber überrascht, dass wir knapp an Offizieren waren. Dann fragte er, ob ich wüsste was meine Truppen tun? Ich antwortete, dass sie jeden Tag in meinem Abschnitt von mir überprüft werden… Erst dann sagte er, er sei unten am Fluss gewesen und hatte dort einen meiner Männer nackt mit einem nackten Fräulein schwimmen gesehen! Ich tat sehr überrascht und stimmte ihm zu, dass es eine der größten Pflichtverletzungen sei, von der ich jemals gehört hätte, auch, weil der Soldat seine Uniform und sein Gewehr am Ufer zurück gelassen hatte.“ Dann antwortete Sergeant Moore: „Ich wüsste nicht, wie er sein Gewehr mit sich in den Fluss hätte nehmen sollen…Er (der Oberst) tobte und wetterte und wünschte den Soldat streng zu bestrafen. Ich bat ihm die Sache zu behandeln…“ Sergeant Moore regelte die Angelegenheit auf seine Art mit einer Ermahnung. In seinem Erinnerungsbericht schilderte Sergeant Moore dann, wie er das Lager der Fremdarbeiterinnen besuchte und durch Soldat Richards zwei hübsche Mädchen aussuchen ließ. Sie wurden in ihr Quartier mitgenommen, wo sie mit ihnen in der Nacht trinken sollten. Danach kamen die zwei nahezu jede Nacht um beim feiern und trinken zu helfen. „Auch Kapitain Abbes kam nun gewöhnlich zur Nacht…, also veranlasste ich, dass Junior ihm einen großen Drink gab, sobald er eintraf, und das sein Glas nie leer blieb…, bis er voll war. So brauchte er dann auf seinem Weg zum Hauptquartier der Kompanie eine volle Stunde.“ Auch Marga Hocht sah Moore weiterhin, die er mit dem Fahrer des Kapitains alle zwei Tage zu seiner Wohnung fahren ließ. An anderer Stelle schilderte Sergeant Moore, dass die Einheit einen 17jährigen russischen Jungen bei sich aufgenommen hatte. Er gehörte vermutlich zu den befreiten russischen Zwangsarbeitern. „Wir nannten ihn Ruskie und besorgten ihm eine Uniform, ein Gewehr und die Ausrüstung eines GI. Er war ein guter Soldat, hasste die Deutschen und hatte für die Russen auch nicht viel übrig. Er stand Wache und machte alles, was die anderen taten, außer englisch sprechen.“ Sergeant Mauch soll ihn dann später in die USA geschmuggelt haben. Noch immer wurde vom Herrenkrug aus über die Elbe geschossen. Ein deutscher Scharfschütze traf einem von Moores Soldaten im Gesicht. Schwer verwundet wurde dieser Soldat in ein Notlazarett gebracht. Augen und Nase wurden ihm förmlich weggeschossen. Auch Sergeant Morgan vom Westabschnitt konsumierte große Mengen Alkohol und brauchte jede Menge Frauen. Sogar einen eleganten deutschen Wagen mit Vorderantrieb besaß dieser Sergeant. Dafür sollte sich Sergeant Moore beim Regimentskommandeur wieder einmal verantworten. Der Kommandeur des 117. Infanterieregiments drohte jedem mit dem Kriegsgericht, der mit einem deutschen Fahrzeug erwischt werden würde. „Ich versicherte, dass ich weiterhin alles tun würde, und dass ich kein Kriegsgericht wünschte. Ich musste Morgans Gruppe den Wagen wegnehmen… Weiter heißt es bei Sergeant Moore: „Sergeant Morgans Gruppe war ein wilder Haufen. Einmal, als ich sie besuchte, hatten sie ein blondes deutsches Fräulein so betrunken gemacht, dass sie ohnmächtig wurde und splitternackt auf einem Bett lag. Ich fragte, was zur Hölle ist hier vorgegangen und sie antworteten, dass sie mit ihnen trinken wollte. So hätten sie ihr eben den Gefallen getan… Ich entschied, angenehmere Rundgänge zu suchen… Zwei Tage lang hatten sie sie ohne Bewusstsein gehalten. Ich bin sicher, dass mehr als einer von den Jungs die günstige Gelegenheit mit ihr genutzt hatten, während sie in dieser Verfassung war.“ Sergeant Moore gestand sich ein, dass er bis dahin eine Verantwortung trug und eine Menge Probleme hatte. Damit rechtfertigte er auch seinen Alkoholkonsum. Durch unsachgemäßen Umgang mit der Schusswaffe seiner Soldaten wurde unten im Hafenbecken ein deutsches Mädchen angeschossen. Auch dafür musste sich Sergeant Moore verantworten. In einer ausgebombten Kirche hatten sich einige italienische Soldaten (ehem. Kriegsgefangene?) eingerichtet. Sie hatten nach Sergeant Moores Ausführungen einige hübsche Mädchen bei sich. „Eine war ein niedliches kleines Ding von 17 Jahren und einer meiner Mannschaft hatte ein Auge auf sie geworfen.“ Sergeant Moore besuchte sogleich diese Kirche mit seinen Soldaten. Er traf dort auch die Italiener und die Mädchen an. Kurzerhand machte er ihnen klar, dass sie innerhalb von 15 Minuten den Bereich zu verlassen hätten. Ob der amerikanische Soldat sein Mädchen bekam, verriet Moore nicht. Der ging wieder zur Tagesordnung über. „Ich trank jeden Tag weiter, kontrollierte die eingebrachten Gefangenen, kümmerte mich um die zivile Verwaltung, schaute in die Lagerhäuser und besonders in das mit den Spirituosen. Im Allgemeinen gab ich das Meiste der Lebensmittel und des Getreides an die Zivilisten und wurde später darüber zur Berichterstattung gerufen.“ Nach und nach wurden die Zwangsverschleppten in ihre Heimat geschickt. Das betraf auch das Lager mit den Zwangsarbeiterinnen am Handelshafen. Am 25.April 1945 wurde Sergeant Moore darüber informiert, dass die Deutschen wieder vom Ostufer der Elbe herüber schossen. So begab er sich in diesen Gefahrenabschnitt und berichtete danach: „Als ich ankam konnte ich die Deutschen sehen, die gerade ein Schlauchboot zu Wasser brachten und hinein stiegen… Dann hissten sie eine weiße Fahne und begannen zu paddeln, um zu unserer Seite herüber zu kommen.“ Sergeant Moore nahm drei seiner Soldaten und ging zum Fluss, um die Deutschen in Empfang zu nehmen. Da stieg der Generalleutnant Kurt Dittmar, der deutsche Wehrmachts- Nachrichtensprecher, sein Adjutant Major Pluskat und Dittmars Sohn von 15 Jahren, aus dem Boot. Er wollte erreichen, dass die vielen verwundeten Soldaten und die zivilen Flüchtlinge, vor dem Eintreffen der Roten Armee über die Elbe gebracht werden könnten. Generalleutnant Dittmar hatte diese Aktion auf eigene Faust, ohne Wissen des Kampfkommandanten Magdeburgs, Adolf Raegener, der sich nun in Königsborn aufhielt, durchgeführt.
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Die Sergeanten Moore und Morgan konnten dem Generalleutnant keine Zusagen machen und so verständigten sie das Bataillonshauptquartier über die Gefangennahme des Generals. Auf dem Weg zum Hauptquartier besorgte Moore noch Wein und lud den Generalleutnant und dessen Anhang in die Jeeps. Sergeant Moore: „Er sagte mir, dass die Deutschen am Ende seien und er wünschte im amerikanischen Sektor zu sein, wenn die Russen kämen… Während der Zeit, als die hohen Tiere erschienen (vom Divisionsstab aus Wolmirstedt), hatten wir bereits eine Menge Wein konsumiert… Schließlich erschienen unser General, die Oberste und die Militärpresseleute und übernahmen die Leitung (der Befragung).“ Generalleutnant Dittmars Bedingungen wurden nicht akzeptiert, aber er entschied sich zu amerikanischen Bedingungen selbst zu kapitulieren. Aus Sergeant Moores Bericht geht hervor, dass die Presseleute und die Militärberichterstatter, Dittmar und seinen Anhang, noch einmal mit dem Boot über die Elbe kommen ließen, um das Szenarium für die Fotografen zu wiederholen. Sergeant Moore berichtete weiter: „Selbstverständlich wurden meine Jungs aus dem Bild genommen und ich hatte gehofft, dass jetzt die Deutschen drüben vom anderen Ufer schießen würden. Das hätte einen Spaß gegeben, die Presse, die Fotografen und die hohen Tiere zu sehen, wie sie zu Boden gingen um Deckung zu suchen! Ich hatte aber noch ein Eisernes Kreuz vom General Dittmar, ein Foto mit Autogramm und einige andere Fotos erhalten… Ich hatte mir so sehr gewünscht, einen deutschen General zu fangen und nun war es geschehen. Von der (9. US) Armee erhielt ich eine Verdienstauszeichnung für die hervorragende Behandlung des gefangenen Generals und seiner Gruppe.“ (General Dittmar war einst in Magdeburg geboren, besuchte hier das Gymnasium und wurde später Offizier. Seine neue Heimat in Ostpreußen hatte er und die Familie auf der Flucht vor der Roten Armee verlassen müssen. Nun war er und sein Sohn über Woltersdorf westlich von Gerwisch, wo er sich einige Tage aufgehalten hatte, zum Standortlazarett gekommen. Sein Versuch, die Verwundeten zu retten war allerdings gescheitert.) Eines Tages brachte die Militärpolizei einen Soldaten aus Sergeant Moores Zug, der bereits seit Braunschweig abtrünnig war. Dort hatte er mit einer ganzen Gruppe Frauen im Bett verbracht. „Ich fragte ihn hier, ob er eine gute Zeit gehabt hatte und er sagte, dass er sicher eine gute Zeit hatte! Ich gab ihm Recht und ich hoffte, dass es das Wert gewesen sei, mehrere Jahre bei harter Arbeit in verschiedenen Gefängnissen zu verbringen, bis zum Ende des Krieges.“ Er wurde dann auch vom Militärgericht als Deserteur verurteilt. Aus dem einst geheimen Kriegstagebuch des 117. Infanterie-Regiments geht für den 29. April 1945 hervor, das Oberst Johnson um 19.30 Uhr dem General Hobbs der 9. US-Armee das Anliegen eines deutschen Arztes meldete. Der Chefarzt des Standortlazaretts am Herrenkrug beabsichtigte die dort befindlichen 1.100 verwundeten deutschen Soldaten den Amerikanern zur medizinischen Versorgung zu übergeben. General Hobbs wies sofort von Braunschweig aus an, die Verwundeten erst dann zu übernehmen, wenn die gesamte Garnison auf der Ostseite der Elbe kapitulierte und die Beschießung des amerikanischen Westsektors der Stadt aufhörte. Weil die Forderung nicht erfüllt wurde, befahl Oberst Johnson um 19.00 Uhr allen drei Bataillonen des 117. Infanterie-Regiments sofort alle Boote am gegenüberliegenden Ufer der Elbe zu zerstören und die Boote auf amerikanischer Seite zu beobachten. Um 19.55 Uhr erhielt der Kommandeur der A-Kompanie des 105. Pionierbataillons den Befehl, alle Brücken im Stadtbereich restlos zu zerstören, da bis zu diesem Zeitpunkt immer noch Einzelpersonen über die Trümmer klettern konnten. Danach war jegliche Elbüberquerung unmöglich. Des Weiteren befahl Oberst Johnson, gemäß dem Befehl von General Hobbs, dass die zwei deutschen Sanitätsoffiziere mit den bereits herüber gebrachten 60 Schwerstverwundeten, wieder auf das Ostufer zurückgebracht werden mussten. (Hier verweise ich bereits auf den Bericht Gerhard Grabowskis, der genau diese Situation aus deutscher Sicht schilderte.) Am 30. April um 8.40 Uhr meldete das 3. Bataillon des 117. Regiments, dass sich etwa 1000 feindliche Soldaten am gegenüberliegenden Elbufer sammelten, um sich den Amerikanern zu ergeben. General Hobbs Befehl, niemand mehr über den Fluss zu lassen, behielt weiter seine Gültigkeit. Stattdessen drängten sich immer mehr Wehrmachtsangehörige und Flüchtlinge auf den östlichen Elbwiesen. Im Lazarett am Margarethenhof des Herrenkrugs spitzte sich die medizinische Versorgungslage der Verwundeten dramatisch zu. Am 5. Mai 1945 trafen sich die Soldaten des 117. US Infanterie-Regiments, wie auch die des 120. Regiments, bei Hohenwarthe, mit Soldaten der Roten Armee, an der Elbe. Sergeant Moore erinnerte sich auch daran: „Ich muss sagen, dass ich lieber die Deutschen auf der anderen Seite der Elbe gehabt hätte. Ich hatte keine guten Gefühle gegenüber den Russen 1945 und sagte zu meinem Zug, dass wir früher oder später große Probleme mit ihnen bekommen würden… Unsere Pioniere, das 105. Pionierbataillon, bauten eine Brücke über die Elbe und da sie in meinem Bereich lag, hatte ich Wachen bei ihr aufzustellen. Um zu zeigen, wie großzügig und leichtsinnig wir waren, ließen wir auf unserer Seite des Flusses die russischen Wachen aufstellen. Das gab ihnen die Kontrolle über die Brücke, die wir gebaut hatten. Es machte mich so verrückt, dass ich nur zur Brücke ging, wenn es absolut notwendig war. Für mich waren die russischen Soldaten schmutzig, arrogant, überheblich und ungehobelte Individuen und ich konnte sie nicht leiden.“ Eines Tages fing Sergeant Moores Zug einen sowjetischen Major und eine Gruppe seiner Soldaten in ihrem Sektor und nahm sie fest. Sie waren sehr aufgebracht, blieben aber im Arrest, bis vom Divisionsstab der Befehl zur Freilassung kam. Sergeant Moore musste die sowjetischen Soldaten und den Major wieder zur Brücke bringen. „Wenn sie einen von unseren Soldaten auf ihrer Seite gefangen genommen hätten, dann hätten wir glücklich sein können, wenn wir von ihnen jemals wieder etwas gehört hätten…“ Zum Abschluss schrieb Malcom A. Moore: „Wir amüsierten uns weiter und verbrauchten all diese Spirituosen und Lebensmittel bevor wir irgendwo hingeschickt wurden… Später hörten wir, dass wir in dem Sektor waren, den die Briten kontrollieren sollten und am 27. Mai 1945 lösten uns die Briten in Magdeburg ab und meine Tage als Bürgermeister kamen zu einem Ende. Sie kamen mit peinlicher Sauberkeit und allem militärischen Quatsch, aber das beeindruckte meine Infanteristen nicht. Wir konnten uns nur wenig um all diesen militärischen Pomp und Disziplin kümmern. Wenn ich auf meinen Aufenthalt als Bürgermeister von Magdeburg zurückblicke, dann waren es die wichtigsten Zeiten meines Lebens. Wenn ich klug gewesen wäre, dann hätte ich diese Spirituosen und Lebensmittel verkauft und ich wäre einer der reichsten Soldaten in Europa gewesen. Aber es war ein viel größeres Vergnügen alles weg zu geben, es zu vertrinken… Ich erlaubte meinem Zug fast alles, was sie tun wollten…“
Die Schilderungen Sergeant Moores vermitteln beispielhaft, was sich in vielen Abschnitten Magdeburgs, wie auch in anderen Städten, während der amerikanischen Besatzungszeit, abgespielt hatte. Darüber hinaus muss auch darauf verwiesen werden, dass die Amerikaner, wie später auch Angehörige der Roten Armee, in den Magdeburger Rüstungsbetrieben noch wertvolle Unterlagen suchten, die Silbervorräte der Reichsbank abtransportierten, Museen und Archive plünderten.
Aus den Erinnerungen von Gerhard Erwin Besler-Grabowski, ein Kronzeugenbericht38
Aufgeschrieben von Anita und Hans-Ludwig Grabowski
Mein Vater erzählte nicht viel vom Krieg, doch die Narben an Körper und Seele waren nicht zu übersehen. Im Herbst 1945 hatte er – aus einem Magdeburger Lazarett und russischer Gefangenschaft entlassen – meine Mutter kennengelernt, die nur wenige Jahre später begonnen hatte, beide Erinnerungen und gemeinsamen Erlebnisse von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre handschriftlich zu verfassen. In mehreren hundert Seiten umfassenden Aufzeichnungen beginnen mit der Niederschrift eines alten Tagebuchs und mit dem Wunsch: „Hoffentlich erreiche ich es noch ein neues Tagebuch zu schreiben, um meinen Kindern es als stete Erinnerung zu widmen. Ich will es meinen Kindern im Gedächtnis erhalten, um dieser furchtbaren Zeit sich stets erinnern zu können.“ Denn Erinnerungen aus Kindheit und Jugend meiner Eltern folgen aus der Zeit des Kriegsendes und der „Stunde Null“ 1945, als sich beider Wege schicksalhaft in einem kleinen thüringischen Städtchen kreuzen sollten – Wege zweier Menschen, die sich ohne Krieg und Niederlage nie begegnet wären. Erst spät begann mein Vater auch mir – seinem Sohn – von Krieg und Leid, von Verzweiflung und Hoffnung, von Tod und Lebenswillen und von einem Magdeburger Lazarett zu erzählen – von einer Zeit der Entmenschlichung des Menschen durch den Menschen. Um des Kampfes gegen das Vergessen Willens und in Andacht zahlloser Schicksale jener Zeit, habe ich versucht, seine Erinnerungen zum Kriegsende in Magdeburg für die Menschen von Heute und Morgen aufzuarbeiten. Als bedeutendste Quelle dienten mir neben den Aufzeichnungen meiner Mutter persönliche Erzählungen meines Vaters. Wenn ich ihn vorstelle und seine Erinnerungen so erzähle, als würde er dies selbst tun’, so nur deshalb, weil ich damit beispielhaft einer ganzen Generation verlorener Jugend eine Stimme leihe, die sich direkt und ohne Umwege an uns wenden kann.
Vorstellung Mein Name war Gerhard Grabowski. Ich wurde am 21. März 1921 als Gerhard Erwin Besler in der Nähe von Bromberg geboren, als dieser Teil Deutschlands nach den Bestimmungen von Versailles schon an das neu entstandene Polen gefallen war. Das Glück meiner Eltern hatte nur einen kurzen Sommer gedauert und mein Vater floh ins Reich, als er wie alle jungen deutschen Männer in die polnische Armee gezwungen werden sollte. Als er von mir erfuhr, suchte er die neu errichtete Grenze zu überwinden und meine Mutter mitsamt dem Kind in ihrem Bauch zu holen. Er kam nie an, war von polnischen Soldaten erschlagen worden. Wenige Monate nach meiner Geburt flüchtete meine Familie nach Ostpreußen. Hier wuchs ich auf und erhielt nach meinem Stiefvater im Alter von acht Jahren den Namen Grabowski. Hier kam ich zum Reichsarbeitsdienst und von hier aus rückte ich 1939 zur Wehrmacht ein – dem Jahr 1939, in dem ein neuer blutiger Weltkrieg beginnen sollte. Ich nahm am Polen- und Frankreichfeldzug teil und kämpfte von 1941 bis zum bitteren Ende in Russland und schließlich in der eigenen Heimat. Unzählige Menschen aus Ost- und Westpreußen waren auf der Flucht vor den heranrückenden russischen Truppen und deren Gräueltaten. Am 11. März 1945 war der Rest unserer Sturmartillerie-Brigade39 in Gotenhafen eingeschlossen und lag unter dem Feuer russischer Granatwerfer. Wir versuchten die Stadt und den Hafen zu halten, um den Flüchtlingen ein Entkommen über See zu ermöglichen. Aus dem Augenwinkel konnte ich noch sehen, wie einem Kameraden neben mir der halbe Kopf weggerissen wurde, nur Augenblicke später wurde ich selbst wie von einem Hammerschlag umgerissen. Mein Rücken war von einigen großen und hunderten kleinen Granatsplittern getroffen. Als ich aus einer tiefen Bewusstlosigkeit erwachte, hörte ich Menschen schreien. Ich lag auf dem Bauch am Kai und eine Krankenschwester übertrug mir ihr Blut, da ich schon viel zu viel von meinem eigenen verloren hatte. Bereits mit einer Trage an Bord gebracht, musste ich wie viele andere Verwundete das Schiff wieder verlassen, um Platz für Frauen und Kinder zu schaffen. Erst das nächste Schiff sollte uns aufnehmen. Es brachte uns sicher nach Kiel, doch die Lazarette der Stadt waren überfüllt. Immerhin war uns das Schicksal der „Wilhelm Gustloff“ erspart geblieben, die von russischen Torpedos getroffen mit tausenden Menschen in der eisigen Ostsee sank. Mit einem Zug ging es von Kiel weiter nach Hannover, doch auch hier konnte man keine Verwundeten mehr aufnehmen und so endete meine Irrfahrt Mitte März 1945 im Wehrmachts-Lazarett in Magdeburg.
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Das Lazarett Das Lazarett befand sich im Magdeburger Stadtteil Herrenkrug in einem Kasernenviertel östlich der Elbe. Es bestand aus einem großen Gebäudekomplex mit Innenhöfen und Nebengebäuden. Auf dem Gelände war ein kleiner Park. Ich lag auf dem Bauch und meine eiternden Wunden, in die viele Haare meiner Kaninchenfelljacke eingedrungen waren, die mich seit Jahren gegen den russischen Winter geschützt hatte, wurden täglich versorgt. Wildes Fleisch, das besonders in einer großen Eintrittswunde im Rücken wucherte, wurde ohne Betäubung immer wieder ausgeätzt, bis sich schließlich eine pergamentene Hautschicht gebildet hatte, die die Hauptwunde bedeckte. Seit einer Woche versuchte ich aufzustehen, konnte mich aber nur qualvoll an zwei Krücken fortbewegen. Dennoch begrüßte ich freudig meine ersten Gehversuche und strahlte voller Glück, noch am Leben zu sein – immer noch. Ich war Optimist und glaubte an das Gute und die Hilfe Gottes. In schweren Zeiten erinnern sich wohl die meisten Menschen an einen Gott. Ich war schon christlich erzogen worden und der Glaube hatte mich trotz aller Gräuel auch im Krieg nicht verlassen. Fast noch ein Junge, hatte man mich an die Ostfront geschickt. Hier sah ich viele Kameraden sterben, Menschen hungern und unschuldige Kinder um Brot betteln. Die Erinnerungen ließen mich nicht mehr los, sie nagten wie ein Krebsgeschwür an mir und in den Nächten voller Erinnerungen fror ich wieder vor Moskau, kämpfte bei Kursk, stand vor der zerstörten Kathedrale von Smolensk und sah in die starren Augen der Toten und die ängstlichen der noch Lebenden.
Der Tod in der Elbe Am 18. April 1945 hatten die Amerikaner ihren Vormarsch an der mit den Russen vereinbarten Elbe-Saale-Linie gestoppt und den Westteil von Magdeburg besetzt. Am 5. Mai rückte dann die russische Armee in den Ostteil der Stadt ein. Ich wickelte mein Soldbuch, meine Schulterstücke, all meine Orden und Auszeichnungen sowie eine Pistole, die mir mehr als einmal mein Leben gerettet hatte, in altes Ölpapier und eine Schwester vergrub alles in die Erde. Auch viele andere Unteroffiziere und Offiziere suchten sich ihrer Rangabzeichen und Orden zu entledigen und sich damit selbst zu einfachen Soldaten zu „degradieren“. So rosteten die Zeugnisse der durchlebten Kriegsjahre über Jahrzehnte im einstigen Lazarett und man glaubte dadurch einem schlimmeren Schicksal zu entgehen. Als sich die Russen dem Herrenkrug näherten und ihr Geschrei immer lauter wurde, brach Panik im Lazarett aus. Mehrere hochrangige Offiziere, darunter ein Ritterkreuz-Träger, sprangen aus Fenstern und ein SS-Offizier schoss sich eine Kugel in den Kopf. Alles, was sich noch fortbewegen konnte – egal ob humpelnd oder kriechend – versuchte zu flüchten und sich auf die amerikanische Seite der Elbe zu retten. Ich konnte an meinen Krücken nur langsam bis an den Fluss folgen. Die Menschen stürzten sich wie eine schwarze Masse in die Fluten, um an das andere Ufer zu gelangen. Viele Kameraden fanden den Tod in der Elbe, weil sie wegen ihrer Verwundungen und qualvoller Schmerzen nicht schwimmen konnten. Am Ufer gegenüber lag amerikanisches Militär, das immer wieder mit verzweifelten Rufen „Help! Help!“ um Hilfe angefleht wurde. Immer mehr Menschen stauten sich am östlichen Flussufer. Das Heranrücken der russischen Truppen schien alles Volk auf die Beine zu bringen. Alles drängte in den Fluss und hinüber zum anderen Ufer. Das Zuschauen allein war schon unerträglich. Die Menschen zogen sich gegenseitig in die Tiefe und ich stand auf meinen Krücken gestützt in der drängenden Menschenmasse. Will denn dieses Bild nie verschwinden? Ich war am Ende meiner Kräfte und der Anblick, der sich mir bot, war entsetzlich. Ein guter Kamerad von mir wälzte sich in einem Menschenknäuel im Wasser. Seine Beinverwundung hinderte ihn daran, sich freizuschwimmen. Er wollte nach Hause, einfach nur nach Hause! Er musste es einfach schaffen, den Fluss zu überwinden und ich rief ihm noch nach: „Komm gut rüber Benno, ich bleibe hier!“ Die Hilferufe aus dem Wasser wurden immer lauter und der Siegestaumel der Russen auf den Straßen schwoll weiter an. Viele verloren nun die Nerven und stürzten sich in die Fluten, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Am furchtbarsten aber war, dass der Amerikaner – statt zu helfen – seine Waffen auf die schwarze Menschenmenge richtete und in sie hineinschoss, sodass viele den Tod in der Elbe fanden und sich der Fluss rot färbte. Also hatte ich es aufgegeben, meine „Freiheit“ beim Amerikaner zu suchen. Kaum hätte ich es auch geschafft ohne Hilfe über die Elbe zu kommen. Schweren Herzens und resigniert humpelte ich zurück ins Lazarett, doch auch hier war alles kopflos geworden. Auch die Schwestern und Ärzte wussten nicht, was tun. Angst lag auf allen Gesichtern und der Feind kam unaufhaltsam näher. Das schreckliche Ende war nicht mehr abzuwenden. Finstere Schatten überzogen den Himmel und langsam breitete sich die Dämmerung aus.
Befreiung Ich schleppte mich zurück in mein Krankenzimmer und quälte mich unter Schmerzen in mein Bett. Ich fühlte mich ohnmächtig, völlig hilflos und Tränen standen mir in den Augen. Jetzt wurde auch das Lazarett von russischen Truppen besetzt. Wie könnte man das Erlebte je vergessen? Grausame Tage voller Angst und Schrecken sollten folgen. Das Interesse der Russen galt zunächst den Offizieren und SS-Angehörigen. Jeder, der sich auf den eigenen Beinen halten konnte, musste vor dem Gebäude antreten. Da sich alle nur als niedere Dienstgrade auswiesen, wurde der russische Kommandant wütend, er brüllte und ließ kurzerhand wahllos Verwundete erschießen. Ich hatte Glück, denn sein Zeigefinger, der einem Todesurteil gleichkam, traf einen Kameraden neben mir. Wir waren ohnmächtig vor Angst. Junge Schwestern, die die Verwundeten betreut hatten, brachten es nicht über sich, die hilflosen Menschen im Stich zu lassen. Auch sie wurden nicht von den Soldaten verschont. Die Befreier vom Nationalsozialismus trieben die Mädchen aus den Krankenzimmern, wo sie Schutz bei den verwundeten deutschen Soldaten gesucht hatten, in die Kellerräume. Was sich dort zutrug, kann sich jeder denkende Mensch vorstellen. Die jungen Frauen schrieen und wurden wieder und wieder von betrunkenen Russen vergewaltigt. Ein Deutscher, der den Frauen zu Hilfe kommen wollte, wurde kaltblütig niedergeschlagen. Die Schreie drangen bis in die Krankenzimmer und an die Ohren der verwundeten deutschen Männer, die hilflos dem schrecklichen Geschehen kein Einhalt gebieten konnten. Auch der Chefarzt und seine Leute konnten nichts weiter unternehmen als das, was sie schon getan hatten. Ein Schrecken löste den anderen ab und jeder Tag brachte neues Grauen. So erlebte ich nun die russische „Befreiung“ inmitten des Vaterlands. Vier Jahre hatte ich an der russischen Front gekämpft und Land und Leute kennen gelernt. Vier Jahre hatte ich ums Überleben gerungen, war dem Todeshagel der Menschenschlachtmaschine entronnen, hatte der Kälte getrotzt und totgesagt die Blutuhr überstanden, hatte meine mageren Rationen mit hungernden Kindern geteilt und mir die Menschlichkeit bewahrt. Jetzt war ich also „befreit“!? Das ganze Lazarett wurde auf den Kopf gestellt und bald schon gab es keinen geheimen Winkel für die Russen mehr. Die Soldaten hatten schließlich ein Grammophon aufgestöbert, auch Platten mit Filmmusik und anderen Aufnahmen. Den ganzen Tag spielte nun das Koffer-Grammophon unter den Fenstern des Lazarettgebäudes sämtliche Platten ab. Alle Köpfe erhoben sich jedoch aus den Kissen, als plötzlich „Deutschland, Deutschland über alles“ und dann auch noch „Die Fahne hoch“ erklang. Wir konnten das Lachen nicht mehr unterdrücken. Anscheinend fanden diese Lieder größeres Gefallen, denn immer wieder spielten die Russen diese Platte ab – einmal die Seite mit dem Deutschlandlied und dann wieder „Die Fahne hoch“. Es herrschte ausgelassene Stimmung im Park und die Russen klatschten den Takt und tanzten wie freudige Kinder. Die Freude hielt an, bis der pockennarbige Lazarett-Kommandant erschien und den kahlgeschorenen Rotarmisten ihr Spielzeug wegnahm. Dabei brüllte er wutentbrannt mit rot angelaufenem Gesicht. Was dann mit den Soldaten geschah, wusste man nicht. Das Grammophon spielte nie wieder im Hof.
Alles verloren Nach und nach gingen russische Offiziere und Soldaten nun auch alle Krankenzimmer ab und durchwühlten die persönliche Habe der Verwundeten, um nach höheren Dienstgraden zu fahnden, aber auch um Wertsachen zu stehlen. Schließlich nahmen sie uns die letzten Habseligkeiten ab und niemand blieb von den Zugriffen verschont. Vor dem Krieg hatte ich den Beruf des Schneiders erlernt und weil ich wenigstens noch einen Teil meines Geldes retten wollte, hatte ich drei Hunderter so geschickt in eine Uniformjacke eingenäht, dass sie selbst bei einer Visite kein Knistern verraten konnte. Meine Rückenwunde war nach Wochen endlich mit einer dünnen Haut überzogen, die bei jeder verkehrten Bewegung reißen konnte und die anderen schwer verwundeten Männer waren nicht besser dran. Die Russen verfuhren jedoch schonungslos mit uns, selbst die Matratzen wurden umgewendet und alles unterste zu oberst gekehrt. Bis auf meine gut versteckten Geldscheine verlor ich aber alles, was ich noch besaß. Man stahl mir meine Armbanduhr, einen goldenen Siegelring und meine Brieftasche – alles Geschenke, die mir viel bedeutet hatten, da sie mit Erinnerungen verknüpft waren. Damit verlor ich auch noch das Letzte, das ich mein eigen nennen konnte, denn als Ostpreuße hatte ich meine Heimat und mein Zuhause ja ohnehin schon verloren. Von meiner Panzerabteilung hatte ich sehr schöne Stiefel bekommen, die mit Lammfell gefüttert waren und die meine Füße an der Ostfront vor dem Erfrieren geschützt hatten. Auch an diesen Stiefeln fanden die Russen Gefallen und sie drohten mit der Faust, weil ich sie so gut vor ihnen versteckt hatte. Nun war ich auch noch meine Stiefel los und musste mich auch damit abfinden. Was half schon alles Jammern, denn Menschlichkeit konnte man von den Russen wohl kaum erwarten. Schließlich fanden sie auch noch meine Fotos und zerrissen sie vor meinen Augen. Es schien, als würde mir Stück für Stück das Herz aus der Brust gerissen. Der GPU-Kommissar sah sich jedes Bild genau an und meine letzte Aufnahme in Uniform missfiel ihm sehr. Seine Augen schienen Funken zu sprühen und es lief mir eiskalt über den Rücken. Es war ein schönes Porträt-Foto gewesen, das mich als Oberfeldwebel in schwarzer Panzeruniform mit hellen Totenköpfen am Kragen zeigte. Der Anblick der Uniform steigerte seine Wut und er schrie: „Du komm! Du Faschist! Du As-As!“ Er zerrte mich aus dem Bett und ich ahnte nichts Gutes. Der herbeigeholte Dolmetscher sollte jedoch meine Rettung sein. Es schien mir wie ein Wunder, dass ich in diesem Moment die richtigen Worte fand, ich sie glaubwürdig und gelassen aussprechen konnte. Ich fragte den Dolmetscher, ob er noch nichts von eineiigen Zwillingen gehört habe, die im Aussehen nicht zu unterscheiden seien. Ich lag am Boden, meine Rückenwunde war aufgeplatzt und ich blutete. Nachdem er übersetzt hatte, zerriss der Kommissar auch noch dieses letzte Foto vor meinen Augen und warf die Schnipsel auf den Boden, bevor er das Zimmer verließ. Lange hatte es gedauert, bis sich das Loch im Rücken geschlossen hatte, nun begann alles Leid und Schmerz von vorn. Wieder musste ich nur auf dem Bauch liegen und geduldig warten, bis sich die Wunde abermals schloss. Ich hatte zwar alles verloren, doch immerhin nicht mein Leben.
Kriegsgefangenschaft im Lazarett Mit der „Befreiung“ durch die Russen waren alle Verwundeten im Lazarett zu Kriegsgefangenen geworden. Alle Deutschen – ausgenommen das Sanitätspersonal – mussten auf den Korridor antreten und ein Friseur wurde gezwungen, ihnen die Köpfe kahl zu scheren. Ich durfte jedoch meine Haare behalten, da Ärzte und Schwestern vorgaben, ich sei Sanitäter. Für die Russen war es verwunderlich, dass es im ganzen Lazarett keine deutschen Offiziere geben sollte. Es gab lediglich Gefreite und Obergefreite, denn ab Unteroffizier nahm man jeden gleich mit. Wer wollte sich schon wegen seines Dienstgrades dieser Ungewissheit über das eigene Schicksal aussetzen? Auch ich war nach eigenen Angaben nur Obergefreiter gewesen. Tatsächlich gab es aber viele Offiziere und auch Ritterkreuzträger im Lazarett, die unbekannt geblieben sind. Soldbücher, Rangabzeichen und Orden waren vergraben und nichts mehr übrig von all dem Glanz und Gloria, von Macht und Herrlichkeit. Arm und hungrig waren wir dem Feind ausgeliefert. Gar mancher ist noch aus dem Lazarett geflohen und konnte wohl glücklich sein, einem schlimmeren Schicksal zu entgehen. Die Kameraden, die zurückgeblieben waren, mussten jedoch dafür büßen. Waren zwei Gefangene geflohen, so gab es zwei Tage nichts zu essen. Grausamkeit und Hass wechselten sich ab. Endlich konnte ich wieder aufstehen und mich an Krücken bewegen, doch meine Wangen waren hohl und der Hunger hatte meinen Körper sehr geschwächt. Alle im Lazarett fürchteten den russischen Kommissar, denn alles hing von ihm ab – auch die Verpflegung, die man den Deutschen gewährte. Die Schwerverwundeten bekamen auch nur ärmliche Mahlzeit und mancher ist noch gestorben, der schon längst über den Berg gewesen ist. Einmal am Tag gab es einen Teller Graupen, Wasser und ein Stück trockenes Brot. Dabei konnte niemand genesen und die Sterbeziffer stieg ständig. Unterdessen verzehrten die Russen die Vorräte, die für die Kranken und Verwundeten bestimmt waren. Viele, die gehen konnten, wagten sich in die Küche um etwas Essbares zu erbetteln. Um die Mittagszeit hielten sich besonders viele Menschen in der Nähe der Küche auf, um Reste zu erwischen, die auf den Tellern der Russen übrig blieben. Die Offiziere füllten sich hier ihre Bäuche und es war ihnen ein besonders vergnügliches Schauspiel, wenn sich ihre deutschen Gefangenen über die Reste auf ihren Tellern stürzten. Hunger tut weh und er erniedrigt zum Tier, dennoch hatte ich mir geschworen lieber zu verhungern, als meinen menschlichen Stolz zu verlieren und die Reste von den Tellern der Russen zu lecken.
Vier Kartoffeln Eines Tages stand auf dem Hof ein Anhänger und ich beobachtete, wie Rotarmisten Kartoffeln abluden. Ich stand auf meinen Krücken gestützt und überlegte, wie ich mir am besten ein paar Kartoffeln nehmen konnte, ohne dass es jemandem auffiel. Die Oberschwester hatte eine kleine Wohnung im Lazarett-Gebäude, vielleicht bestände sogar eine Möglichkeit, die Kartoffeln zu kochen. Auch die Zivilisten litten schließlich Hunger und Kartoffeln waren sehr beliebt zu jener Zeit. Die Menschen zogen aus den Städten aufs Land und gaben ihre letzten Habseligkeiten für ein paar Kartoffeln. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, wartete bis zur Dämmerung und schlich mich an den Kartoffelberg. Unter Schmerzen bückte ich mich und hielt schließlich in jeder Hand zwei Kartoffeln, die mir wie ein großer Besitz vorkamen. Mühevoll erhob ich mich, aber ein kräftiger Tritt streckte mich vollends auf den Kartoffelberg. Schnell kamen einige russische Soldaten und schlugen mich so lange mit ihren Gewehrkolben, bis ich ohnmächtig wurde und mich nicht mehr erheben konnte. Als ich wieder zu mir kam, lag ich blutig geschlagen auf den Kartoffeln. Tränen flossen über mein Gesicht, meine Rückenwunde war wieder aufgeplatzt und ich verfluchte die Russen für den Dank, den sie mir erwiesen für meine Menschlichkeit ihnen gegenüber. Ich erinnerte mich sehr gut an all die Jahre in Russland, an die Familien und Quartiere, in denen ich lebte, an Frauen und Kinder, denen ich Brot und Essen brachte. Ich erinnerte mich an die Pakete aus der Heimat und daran, wie ich mich über die leuchtenden Augen der russischen Kinder freute, wenn ich ihnen Leckereien daraus reichte. Mein Mittagessen aus der Feldküche hatte ich mit ihnen geteilt und holte sogar Nachschlag, nur um sie satt zu wissen. Ich hatte mich nicht einmal vor ihren Rotznasen geekelt, die über mein Kochgeschirr hingen und ließ sie alles auslecken. Hühner, Enten und Gänse hatte ich gestohlen und deckte damit so manchen armen russischen Tisch. Ich erinnerte mich wieder an mein schönstes Weihnachtsfest in Russland, als ich den Menschen zeigen konnte, wie in Deutschland Weihnachten gefeiert wird. Ich bereitete einen Gänsebraten für meine Quartiersfamilie und die Kartoffeln für die Klöße rieb ich auf einem durchlöcherten Blechnapf. Die Schmatzerei und das ewige „Hm“ zeugten davon, dass es allen schmeckte. Wenn ich ein Quartier verlassen musste, gab es Tränen. Die Hände und Füße hatte man mir geküsst und geschworen, dass mich nie eine russische Kugel treffen würde, weil ich ein guter Mensch sei. Doch das russische Blei hatte mich mehr als einmal getroffen und die schwere Verwundung nahe der Heimat ersparte mir immerhin noch größeres Leid, da mir der Weg als Gefangener zurück nach Russland bis jetzt erspart geblieben war.
Die Toten und der Pfarrer Der Hunger nahm immer schlimmere Ausmaße an und viele Kameraden starben vor Hunger. Es wurden Löcher in die Erde gegraben und die Toten endeten als Namenlose im Lazarettpark. Unzählige deutsche Soldaten liegen hier verscharrt und viele Angehörige haben nie von diesen letzten „Ruhestätten“ erfahren und vielleicht noch Jahrzehnte nach den Vermissten gesucht und auf eine Heimkehr gehofft. Alle Aufzeichnungen sind von den Russen verbrannt worden und eine Aufklärung der menschlichen Schicksale scheint wohl für alle Zeiten unmöglich zu sein. (Anmerkung des Buchautors: Es sind doch Namenslisten erhalten geblieben, die in dieser Dokumentation abgebildet sind.) So manche deutsche Frau und Mutter wusste nicht, dass die Gebeine des geliebten Mannes oder Sohnes in deutscher Erde ruhen. Deutsche mussten die Löcher schaufeln und Russen standen mit Gewehren dabei. Täglich standen wir am Fenster und schauten dem letzten Gang von Kameraden zu. Waren sie beklagenswert oder waren wir es? Allein, dass sie wie tote Hunde in die Erde gescharrt wurden, verletzte unseren Stolz. Sah so auch bald unser Ende aus? In den Zimmern beteten die noch Lebenden, doch vermochte bislang niemand die Kraft aufzubringen, den toten Kameraden ein letztes gutes Wort zum Abschied zu sprechen. Unter den Lazarett-Insassen befand sich auch ein Feldpfarrer. Eines Tags ging er ohne zu zaudern mit hoch erhobenem Haupt hinunter in den Park bis vor ein Loch, in das man schon einen toten Kameraden geworfen hatte. Nackt, wie er auf die Welt gekommen war, so lag er in der Grube. Der Pfarrer faltete seine Hände und betete leise. Seine Lippen bewegten sich und seine Augen waren in den Himmel gerichtet. Die Gesichter der Russen waren feindlich, ein Gewehr erhob sich und ein Schuss zerriss die Totenstille. Kopfüber fiel der Pfarrer in die Grube, an deren Rand er gestanden hatte. Man schaufelte das Loch zu, ohne nachzusehen, ob er tot war.
Der Kommissar und die Tänzerin Im Lazarett hatte sich eine russische Tänzerin einquartiert, schon vor der russischen Besetzung. Sie hatte beim Front-Theater und auch in Deutschland vor deutschen Soldaten getanzt. Sie war noch sehr jung und hübsch, doch ihre Auftritte für die Deutschen hätte ihr kein Russe verziehen. Aus Angst um ihr Leben war sie in das Lazarett geflüchtet und man hatte sie aufgenommen und unter das Personal der Küche gemischt. Man meinte wohl, sie wäre dort am sichersten aufgehoben. Jeder Deutsche im Lazarett hätte diesem Mädchen geholfen, wenn es in seiner Macht gestanden hätte. Im Lazarett befand sich aber auch jener Kommissar, der meine Fotos zerriss. Er war als Mensch abstoßend, seine rote Zwiebelnase zeugte von vielen Wodkaflaschen, die er schon in seinem Leben geleert hatte. Er war Jude und es schien, dass Ärzte und Pflegepersonal ihn lieber gehen als kommen sahen. Sie mieden ihn, da er ständig betrunken war. Dieser Kommissar hatte herausbekommen, dass eine Russin unter dem Küchenpersonal war, und so konnte sie ihrem Schicksal nicht mehr entgehen. Russen, die während des Krieges in Deutschland gearbeitet hatten (Zwangsarbeiter), wurden gesammelt, auf Lastautos verladen und abtransportiert. Niemand wusste, welchem Schicksal sie entgegengingen, aber viele ahnten, dass ihnen ein schreckliches Ende bevorstünde. Die russische Tänzerin befand sich aber noch immer im Lazarett und jeden Abend konnte man hören, wie der Kommissar mit ihr umsprang. Sie war in seiner Gewalt und er entschied über ihr Leben und ihren Tod. Sie hatte keine Wahl und musste sich diesem Scheusal beugen. Ständig wurden volle Flaschen mit russischem Wodka in sein Zimmer gebracht, er schien nur zu trinken oder zu toben. War er dann von Alkohol bis zum Hals voll, schrie er wie ein Stier nach seinem Opfer. Weinend und sich wehrend wurde sie dann von Soldaten herangeschleppt und die Tür wurde sogleich wieder verschlossen. Inmitten des Zimmers stand mit rotem, aufgedunsenen Gesicht der russische Jude. In der rechten Hand hielt er eine Lederpeitsche, die er bedrohlich über seinem Kopf kreisen ließ. Nun hörte man seine kreischende Stimme und bittende Wehlaute des Mädchens. Als ihr zarter Körper von Schlägen der Peitsche getroffen wurde, zerrissen Schreie die Stille der Nacht. Ich hatte von meinem Fenster aus gesehen, was dieser Tyrann dem Mädchen antat. Sein Zimmer lag im Vorderbau und sein Fenster ließ einen Lichtschein in den Park fallen – genau gegenüber dem Fenster, hinter dem mein Krankenbett stand. Nackt und mädchenhaft schön stand sie vor diesem abstoßenden Kerl und musste all ihre Scham überwinden. Was er befahl, musste sie tun, wollte sie den Schlägen der Lederpeitsche entgehen. Kaum sahen Deutsche sie noch, denn sie verkroch sich in ihr Kämmerlein und kühlte die Wunden. Narben zeichneten ihr Gesicht und ihre Augen zeugten von bitterlich durchweinten Nächten. Manchmal aber ergab sich, dass sie das Durchlebte einem Deutschen anvertraute und Mitleid und Trost fand. Da sie gut Deutsch sprach, erfuhren ihre Freunde auch, wie man mit den Russen umsprang, die in Deutschland gearbeitet hatten. Auch der Kommissar drohte ihr täglich an sie zu erschießen, wenn sie sich seinem Willen nicht fügen würde. Dem Tode würde sie sowieso nicht entgehen, aber wann der Zeitpunkt gekommen sei, das würde allein er bestimmen. Nach der schrecklichen Nacht, die sie ertragen musste, trug man ihren geschundenen und blutigen Körper ohnmächtig auf einer Bahre in den Operationssaal. Eine Brust war völlig zerkratzt und die andere so zerbissen, dass sie der deutsche Chefarzt bis zur Hälfte abnehmen musste. Es heilte zwar gut ab, doch ihre junge Seele war traurig und trüb geworden. Gebeugt wie eine alte Frau, sah mancher mitfühlende deutsche Soldat sie durch den Park schlürfen. Eines Tages war sie verschwunden und niemand wagte mehr von ihr zu sprechen.
Die Hoffnung Ein Tag war so trostlos wie der andere, doch brachte ein Tag dann auch einen Sonnenstrahl der Hoffnung. Ein französischer und ein englischer Offizier holten Gefangene aus dem Lazarett, die aus dem Elsass waren oder deren Eltern in westdeutschen Gebieten wohnten. Die Glücklichen entgingen dem Schicksal weiterer russischer Gefangenschaft. Ich rang mit mir und überlegte, ob diese Möglichkeit nicht auch für mich etwas Gutes hätte, denn ich hatte nichts mehr zu verlieren. Warum ich mich dann doch anders entschied, ist mir nie recht klar geworden. Ich blieb und harrte der Dinge, die noch kommen sollten. Eine Bekannte aus Ostpreußen hatte sich schon 1935 nach Magdeburg verheiratet und ich versuchte eine Nachricht aus dem Lazarett zu schmuggeln. Zwischenzeitlich hatte man erlaubt, dass Angehörige Besuche machen konnten. Ich hatte großes Glück schon in der folgenden Woche kam mein Besuch und ich freute mich sehr, wieder einmal ein bekanntes Gesicht zu sehen. Unter Bewachung konnten wir uns in einem Raum unterhalten. Ich erkannte sofort die Frau, die ich zuletzt als Kind in der ostpreußischen Heimat gesehen hatte. Viel hatte sich das gute Tantchen nicht verändert, sie war die alte geblieben in ihrer frischen und herzlichen Art. Früher ging sie im Hause meiner Eltern ein und aus und uns Kindern war sie so zur Tante Else geworden. Nun stand sie mit ein paar Habseligkeiten aus ihrem Haushaltsvorrat vor mir, aber für mich waren es Leckerbissen, die ich schon so lange vermissen musste. Es waren ein paar Semmeln, etwas Butter und Marmelade und auch ein kleines Stück Wurst war dabei. Das alles hatte sie von ihrer kargen Ration abgespart, um mir etwas Gutes zu tun. Unsere Begrüßung war herzlich und rührselig. Man hätte meinen können, es wäre meine eigene Mutter. Tante Else hatte mich schon immer besonders ins Herz geschlossen gehabt. Nun erfuhr ich, dass Onkel Karl auch in der zerstörten Stadt wohnte. Er hatte seine Frau schon früher ins Reich geholt und nun lebten sie schon eine ganze Zeit in Magdeburg. Außerdem erfuhr ich auch, dass meine Mutter zusammen mit der Schwester und dem kleinen Bruder aus Ostpreußen geflüchtet waren und ich wollte Verbindung zu ihnen aufnehmen.
Die Räumung Den Besuch meines Onkels konnte ich nicht mehr abwarten. Im August 1945 wurde das Lazarett überstürzt geräumt und nur ein paar Mann hatten das Glück, nach Hause entlassen zu werden. Die meisten deutschen Soldaten wurden auf Autos verfrachtet und traten den Weg in die Gefangenschaft nach Russland an. Sogar Beinamputierte mussten mit, um Russland wieder aufzubauen. Ein russischer Arzt und eine Ärztin nahmen die Untersuchungen vor und schätzten die Arbeitsfähigkeit jedes Einzelnen ein. Ich wagte kaum daran zu denken, was von dieser Entscheidung für mich abhing. Da sagte der Arzt plötzlich: „Du na Doma! Mama! Verstehn?“ Ich hatte es nur zu gut verstanden und hätte diesen russischen Mann am liebsten umarmt. Unter den wenigen Entlassenen war auch ich.
Krankenheim Viktoriaschule Verbliebene deutsche Soldaten aus dem Lazarett wurden Mitte August 1945 in der Magdeburger Viktoriaschule gesammelt. Es sollte aber noch etliche Tage dauern, bis ich alle notwendigen Dokumente erhielt. Am 23. August stellte man mir ein Stück Papier aus, das mich in meine Heimat entließ, doch meine Heimat Ostpreußen sollte ich nie mehr wieder sehen. Nur einen Tag später erhielt ich einen vorläufigen Personalausweis in deutscher und russischer Sprache, da ich selbst keine Papiere mehr hatte, die meine Identität nachweisen konnten. Am 27. August 1945 wurde ich endlich aus dem Krankenheim Viktoriaschule entlassen und mein erster Weg führte mich zu Tante Else, die mich freudig bei sich aufnahm. Sie hatte keine Kinder, aber einen zahmen Fuchs, der mit in der Wohnung lebte wie ein Hund an der Leine ging. Hier erfuhr ich, dass meine Mutter in den kleinen Ort Ottenhausen nach Thüringen evakuiert worden war. Ich blieb einige Tage, doch drängte es mich die eigene Familie wieder zu sehen. Das Tantchen begleitete mich noch zum Bahnhof, da ich an zwei Stöcken nicht gut laufen konnte. Magdeburg war stark zerstört und es zog mich weg von diesem Ort, an dem der Krieg und alles Leid noch immer so nah waren.
Der Abschied Meinen richtigen Vater durfte ich nie kennen lernen. Meine Jugend und Gesundheit habe ich im Krieg gelassen. Meine Heimat habe ich verloren. Mein Leben habe ich in einem geteilten Land verbracht, in dem noch Jahrzehnte russische Soldaten stationiert waren. Meine Mutter und mein Stiefvater ruhen in Magdeburger Erde. Meine Erinnerungen aus dem Lazarett erzählte ich meiner Frau Anita, die ich 1945 in Thüringen kennengelernt und die sie niederschrieb. Mein Sohn Hans-Ludwig hat sie nun für die Leser dieses Buchs bearbeitet und aus meinen Erzählungen ergänzt – eines Buches, das von den Ereignissen des Standortlazaretts vom Mai bis August 1945 in Magdeburg berichtet und dem Verfasser der Dokumentation durch meinen Sohn zur Verfügung gestellt wurde. Ich selbst habe mich vier Jahre nach meiner geliebten Frau Anika am 23. Mai 1999 für immer von dieser Welt verabschiedet. So bleiben denn nur ein paar Fotos, einige vergilbte Dokumente und meine Erinnerungen in diesem Buch übrig, um Menschen zu berichten von einem Lazarett, in dem heute junge Menschen studieren und von einem Park, in dem so viele ihre letzte Ruhe fanden und in dem sich heute Menschen erholen – meine toten Kameraden unter ihren Füßen, denn nicht alle konnten in den 1970er und 1990er Jahren gefunden, exhumiert und in eine würdige Grabanlage des Westfriedhofes gebettet werden. Die Mauern schweigen, das Wasser der Elbe fließt weiter in die See, Wehklagen und Gebete sind verstummt, die letzten Zeugen längst tot. Und wenn die Kameraden immer noch Stimmen hätten, so würden sie Euch vielleicht darum bitten, sie und ihr Leid an diesem Ort nicht zu vergessen. In einem Krieg gibt es keine Täter und Opfer, alle waren wir Täter und Opfer zugleich. Was uns unterschied, waren unsere Uniformen und Sieg oder Niederlage. Nur wer aus der Geschichte lernt, wird die Welt verstehen und eine friedliche Zukunft bauen.
Welche Sowjeteinheiten erreichten am 5. Mai 1945 Magdeburg-Ost und besetzten das Standortlazarett?
Am 5. Mai 1945 erreichten die Einheiten der 69. Armee der 1. Belorussischen Front die Elbe bei Magdeburg. Konkret geben die Kampfjournale der Einheiten aus dem Militärarchiv Podolsk und deren Stabskarten Auskunft. Dem Autor der Dokumentation gelang es erstmalig für Magdeburg diese Dokumente aus diesem Archiv für die Auswertung in Kopie zu erwerben. Die Tagebücher sind dank Herrn Christian Pappenberg bereits übersetzt. Von der 69. Armee erreichte die 370. Schützendivision des 91. Schützenkorps Magdeburg-Ost. Der Divisionsstab logierte sich in Woltersdorf ein. Die Division bestand aus drei Schützenregimentern. Das 1230. Schützenregiment nahm den Raum zwischen Woltersdorf und Königsborn ein. Das 1. Bataillon des 1232. Schützenregiments besetzte den kompletten Kasernenkomplex Brückfeld bis Herrenkrug, so auch das Standortlazarett, während das 2. Bataillon den Bereich von Biederitz bis Königsborn belegte. Das 1. Bataillon des 1234. Schützenregiments besetzte Cracau, Brückfeld und den Werder mit dem Stadtparkbereich. Biederitz selbst besetzte das 2. Bataillon des 1234. Schützenregiments. Im Juni 1945 wurden die Truppen der 69. Armee in die Heimat verlegt und durch Einheiten der 3. Stoßarmee als endgültige Besatzungsmacht abgelöst. Ab 1. Juli 1945 besetzte diese Armee auch alle westelbischen Gebiete bis zur festgelegten Demarkationslinie. Das 7. Schützenkorps besetzte Oschersleben während der Stab der 3. Stoßarmee in Stendal lag (später in Magdeburg). Der Bereich Biederitz wurde nun von der 364. Schützendivision des 7. Schützenkorps besetzt. Deren Regimenter verteilten sich wie folgt: 1212. Schützenregiment Bereich Flugplatz-Ost Berliner Chaussee bis Königsborn, 1214. Schützenregiment Bereich Burg, 1216 Schützenregiment Kasernenkomplexe Brückfeld bis Herrenkrug mit Standortlazarett. Ebenfalls im Kasernenkomplex war die 417. Artilleriebrigade untergebracht. Bis 1946 gab es noch verschiedene Änderungen der Besatzung Magdeburgs und im gesamten Besatzungsgebiet der 3. Stoßarmee.
Umbettungen zweier Massengräber im Standortlazarett 1974 und 1995
Wolfgang Böttger hatte vom Stadtplanungsamt Magdeburg den Auftrag erhalten, eine Dokumentation zu den Magdeburger Friedhöfen zu erarbeiten. Diese wichtige Arbeit konnte durch seinen plötzlichen Tod 1996 nicht abgeschlossen werden. Einzelne Teilarbeiten wurden jedoch zu einem gewissen Abschluss gebracht. Über die Massengrabfelder I und II vom Standortlazarett recherchierte Wolfgang Böttger nachstehende Informationen.
Als 1945 der Krieg nach Deutschland zurückgekehrt war, tobten in den letzten Wochen auch rund um die Stadt und im Stadtgebiet schwere Kämpfe. Das Standortlazarett der Wehrmacht an der Herrenkrugstraße, am „Margarethenhof“, wie es zumeist nach einer früher gegenüberliegenden, bei den Kampfhandlungen zerstörten Ausflugsgaststätte heißt, war seit den Apriltagen völlig überlastet. Die Elbbrücken waren gesprengt, Artilleriebeschuss ließ Wege zu ostelbischen Friedhöfen nicht zu. So fiel die Entscheidung, zunächst ein freies Feld in der Nähe der Mauer zur Straße als Friedhof einzurichten. Als der Platz schon bald nicht mehr ausreichte, wurde ein zweiter Friedhof östlich des eigentlichen Lazarettgebäudes angelegt. Da lagen Hunderte von Menschen, die ein grausames Schicksal noch unmittelbar vor dem so nahen Kriegsende hingerafft hatte. Der Rentner wie der Pimpf, die fast vor der eigenen Haustür als Volkssturmangehörige fielen, wie eben eingezogene oder seit Kriegsanfang dienende Wehrmachtsangehörige, fern ihrer Heimat. Auch Ausländer aus Ost und West gehörten zu den Begrabenen. Die erhaltenen Listen beweisen, dass oft relativ leichte Verwundungen oder harmlose Krankheiten unter den gegebenen Umständen ohne Möglichkeit echter Hilfe den Tod nach sich zogen. Andererseits zeigt die Tatsache, dass bei den Beerdigungen manchem Soldaten die Erkennungsmarke fehlte und wiederum mehrere zerschossene solcher Blechmarken, die keinem der Toten zuzuordnen waren, extra in die Erde verbracht wurden, mit welcher Härte der so genannte Heldentod bis zum bitteren Ende seine Opfer suchte.
Die beiden Teilfriedhöfe (Massengräber), als die sie von Anfang an nach Kriegsende bezeichnet wurden, blieben unversehrt über Jahrzehnte erhalten, obwohl das ganze Gebiet von der Roten Armee sofort besetzt war und als Militäreinrichtungen –Kaserne und Krankenhaus ringsum – zumal in der Zeit des Kalten Krieges als Sperrgebiet galt. Die Gräber wurden von der städtischen Garten- und Landschaftsgestaltung wie von kirchlichen Kreisen betreut. Auch manchmal von weit her angereiste Angehörige bekamen Zutritt, um Blumen niederzulegen. Mehr noch: Es wurden Pläne für eine ehrenvolle Umgestaltung der Anlage mitten in dem sowjetischen Militärbereich ausgearbeitet.
Dahinein kam für die deutschen Behörden völlig unerwartet 1974 die Nachricht, dass das betreffende Gelände für den Ausbau militärischer Anlagen schnellstens gebraucht wird. Die Gräber seien sofort zu beräumen. In einer ersten Blitzaktion wurden die Umbettungen zum Westfriedhof begonnen, aber alle Eile nützte nichts. 170 Opfer konnten nicht mehr erreicht werden, da war der Boden schon Baugelände, betoniert und versperrt. Erst 1995 erfolgte deren Umbettung in einer konzentrierten Aktion des Innenministeriums Sachsen-Anhalt, des Magdeburger Grünflächenamtes, des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge sowie der Bundeswehr. Auch diesmal ging es bei allen durch die damaligen Baumaßnahmen erschwerten Bedingungen um Eile, denn das Gelände wurde wiederum umgestaltet, diesmal zur Fachhochschule.
Inzwischen liegen alle einst auf dem Militärgelände Herrenkrugstraße beerdigten Soldaten und bei den Kämpfen umgekommenen Zivilisten nahe am Soldaten-Ehrenfeld für die Wehrmachtsangehörigen auf dem Westfriedhof. Anlässlich des Volkstrauertages 1995 wurde eine würdige Feierstunde für die Toten gehalten.40
Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Der Zufall wollte es das ich an der Veranstaltung teilnehmen konnte. Der Film... ja nun seht morgen selbst. Ich hab da so meine Zweifel ob er das Zeug hat den Titel "historisch wertvoll" zu erringen. Aber tolle Luftbilder von Magdeburger Paraden.