Prima Informationen. Somit werde ich anhand der Namenslisten mich kundig machen ob noch Hinterbliebene vorhanden sind. Wenn ja, werde ich diese Kontaktieren. Danke Magado2.
Die ersten telefonischen Kontakte wurden zu noch lebenden Zeitzeugen, welche noch in Domersleben leben hergestellt. Anhand der Listen war es mir möglich dieses zu erreichen. Nach vorliegenden Informationen von Zeitzeugin Schröper, Ehefrau von Gerhard Schröper findet am 6.August 2016 wieder ein Treffen aller noch lebenden Zeitzeugen statt. Ein weiterer Zeitzeuge Herr Reimund Linke, damals gerade einmal 7 Jahre alt, hat sich bereiterklärt, über seine Ehefrau mir detaillierte Ereignisse zuschildern. Ich würde abschließend sagen: Der Anfang ist gemacht.
So eben habe ich folgende Information von Frau Renate Renner erhalten. Sie ist wohnhaft in Hausneindorf und hat noch engen Kontakt zu den Personen welche auf der Namensliste stehen. Desweiteren gab Sie mir zu verstehen, das sie über ihre ehemalige Heimat Schlesien monatlich eine in deutscher Sprache eine Zeitung erhält, wie auch alle anderen welche sehr interessante berichte über die alljährlich stattfindenen Treffen in Domersleben ale auch in Polen statt finden berichtet wird. Wenn nötig kann ich diese zugesendet bekommen. Auch hier in Mühlhausen habe ich heute eine Kontaktperson gefunden aus dem raum Niederschlesien. auch sie hat sich bereiterklärt mir die Zeitungen auszuleihen bis auf unbestimmte Zeit. Natürlich werde ich diese Angebot nutzen. In diesem Sinne
Habe soeben eine Mail bekommen vom ZZ Reimund Linke, mit seinem Erlebnisbericht. Werde diesen am Wochenende ins Forum setzen. Demnächst folgt auch noch eine Namensliste von den noch lebenden Zeitzeugen, welche damals in Domersleben eine Neue Heimat fanden. Vorab kann ich aber jetzt schon sagen, das die Zeitzeugen mit welchen ich schon telefonisch Kontakt aufgenommen habe nicht freundlich von der damaligen Bevölkerung aufgenommen worden sind. Also nicht nur im Westen Deutschlands war es so sondern auch hier im heutigen Mitteldeutschen Raum.
Wie bereits angekündigt, hier nun der Zeitzeugenbericht von Herrn Reimund Linke.
Befohlene Umsiedlung aus Wensewitz Kreis Militsch in Schlesien Erinnerungen von Raimund Linke jetzt wohnhaft in 39164 Domersleben Kreis Wanzleben-Börde.
Am 20.01.1945 wurde der Notstand ausgerufen und alle Erwachsenen Bewohner mussten zu einer Beratung am Abend in den Nachbarort erscheinen. Das Erscheinen war Pflicht. Dort wurde noch am selben Abend festgelegt, alles Wichtige zusammenzupacken, um am nächsten Morgen das Haus zu verlassen, da die Russen dieses Gebiet besiedeln wollten. Somit mussten wir vor ihnen flüchten. Nachdem die Russen das Gebiet wieder verlassen hätten, sollten wir wieder zurück in unsere Häuser dürfen. So wurde es uns versprochen. Da die Rückkehr uns in Aussichtgestellt wurde, wurde angeordnet nur Handgepäck mitzunehmen. Meine Mutter versteckte einige Gegenstände vom Haushalt, vor allem das erst kürzlich geschlachtetes Schweinegut in der Scheune unter dem Stroh. Mein Vater war zu dieser Zeit bereits eingezogen und konnte bei der Umsiedlung nicht mithelfen. Von den damaligen Treck-Anführer wurde festgelegt, welche Familien mit welchem Pferdegespann zufahren haben. Kinder unter 10 Jahren durften mit auf dem Pferdewagen platznehmen, Kinder ab 11 Jahren und alle Erwachsenen mussten zu Fuß gehen. Behinderte konnten ebenfalls mit auf dem Wagen platznehmen. Unser Treck bestand aus insgesamt 15 Pferdegespannen. Mein Bruder Hubert und ich saßen auf Futtersäcken, die für die Pferde bestimmt waren. Am 21.01.1945 fuhren wir mit den 15 Pferdegespannen in Richtung Oder los. Wir wollten die Oderbrücke , die ca. 280 km entfernt war, überqueren. Diese Brücke musste in 5 Tagen erreicht und überquert sein, da die SS die Brücke sprengen wollte, um den Vormarsch der Russen aufzuhalten. Wir fuhren Tag und Nacht, nur mit Pausen für die Pferde. Die Übernachtungen fanden auf Heuböden in Scheunen und Ställen statt. Verpflegung war kaum vorhanden, jeder musste für sich allein etwas organisieren. Dadurch haben wir auch für einige Tage unsere Mutter verloren, denn der Treck wurde zwischenzeitlich umgeleitet. Als wir die Oderbrücke überquert hatten, fuhren wir trotzdem zügig weiter und sind am 25.02.1945 in Deuben KreisWurzen Bezirk Leipzig auf Zwischenstation gegangen. Als die Amerikaner und Russen dort einmarschierten suchten wir erst einmal Schutz in den Notunterkünften. Im August 1945 hatte sich die Lage einigermaßen beruhigt und wir bekamen Bescheid, dass der Treck nach Wansleben zufahren hätte, da wir arbeitsmäßig dort gebraucht würden. Als wir in Wansleben ankamen, stellte sich heraus, dass es das falsche Wansleben war. Das richtige sei Wanzleben bei Magdeburg. Wir schlugen dann die neue Richtung ein und kamen am 27.09.1945 in Domersleben bei Wanzleben an.
Ankunft in Domersleben
In Domersleben waren in der Kriegszeit sehr viele polnische Zwangsarbeiter untergebracht, die jedoch nach Kriegsende sofort wieder als freie Bürger nach Polen zurückgegangen sind. Es standen also noch die Getreidemandeln auf dem Acker, die Kartoffeln und die Rüben mussten gerodet werden. So waren wir mit unseren 15 Pferdegespannen und fast alle als Landarbeiter hier am richtigen Ort. Als wir in Domersleben ankamen , wusste niemand wo sie uns unterbringen sollten, nur reichlich Arbeit war vorhanden. Das heutige Kulturhaus früher Lempke wurde als Notunterkunft genutzt. Von einer Dorfgaststätte der Tanzsaal, heute als Sporthalle umgebaut, wurde ebenfalls als Notunterkunft genutzt. Es wurde Stroh auf den Fußboden geschüttet und dies diente für ca. 40 Personen als Schlafstelle. Wir lagen in Reihe und Glied auf dem Fußboden aneinander, denn es gab keine Heizung, kein warmes Wasser und keine Kochmöglichkeit. In der Gemeinde hatten wir einen Verantwortlichen für die Einquartierung, der ab und zu eine Familie in der Bevölkerung unterbrachte. So wurden es in dem Saal immer weniger Leute. Meine Mutter und wir drei Kinder waren die Letzten im Saal. Ca. 4-6- Wochen hielten wir dort aus. Die einheimischen Bürger haben uns als „Pollacken „ beschimpft. Der Verantwortliche für Wohnraumbeschaffung ging mit meiner Mutter und mir eine Wohnung besichtigen. Die Bauersfrau schrie gleich los : „ Gehen Sie mit den Pollacken vom Hof , sonst lasse ich den Hund los. Die holen nur die Eier vom Nest.“ Meine Mutter zog mit mir ganz niedergeschlagen vom Hof und verstand die Welt nicht mehr. Danach wurde uns ein Raum in der Polenkaserne, Gerhard-Hauptmann Str. 103 , zugewiesen. Er war ca. 3,00 x 3,50 m groß. Die Wände und der Fußboden war dreckig, so wie die Polen den Raum verlassen hatten. Es waren jede Menge Flöhe, die gestochen haben, Wanzen, die gebissen haben und nachts kamen die Ratten aus dem Fußboden heraus. Das war eine fürchterliche Zeit. Eine Kochmöglichkeit war auch nicht vorhanden. Meine Mutter hat sich beim Kartoffelroden ca. 15 Kartoffeln in der Kleidung versteckt mitgebracht. Wir Kinder sind dann losgezogen und haben gebettelt, dass uns einer diese Kartoffel kocht, doch ohne Erfolg. Nicht alle hatten Mitleid mit uns, bis wir zu dem ärmsten Mann aus Domersleben kamen.( August Heine) Er sagte :“Ja ich koche die Kartoffeln in meiner Grude, aber dafür möchte ich eine behalten“ denn er hatte auch großen Hunger.
Wohnung Wir wohnten ca. ¼ Jahr in dem einem Raum im Erdgeschoß in der Kaserne Gerhard Hauptmann Str. 103 bei den Ratten. Als eine Frau aus dem Obergeschoß der gegenüberliegenden Kaserne starb, bekamen wir dort einen Raum zugewiesen, der auch nur 4,00 x 4,00 m groß war. Als mein Vater 1947 aus englischer Gefangenschaft kam, bewohnten wir bis 1949 mit fünf Personen diesen Raum ohne Abfluss und fließend Wasser. Toiletten waren Trockenabbords 1 x 3 Sitze, 1 x 4 Sitze in einer Reihe ohne irgendwelche Trennwände in einem Stallgebäude auf dem Hof. Vor dem Toilettenbesuch musste man sich mit einem Knüppel bemerkbar machen. Damit die Ratten sich verzogen.
Schulzeit Wir waren immer bemüht uns zusätzlich Essen zu beschaffen. Wir gingen betteln für eine Schnitte oder etwas Mehl bei den Bauern. Wir gingen auch Rübenverziehen beim Bauer, nachdem wir uns vorher erkundigt hatten, ob es eine oder 1 ½ Schnitte zum Vesper und dafür weniger Geld gibt. Wir haben dann die Stullen vorgezogen und für einen Nachmittag bekamen wir dann nur 1,50 M statt 2,00 M. Mit 8 Jahren habe ich jeden Tag für eine Bäuerin einen Korb mit Brennnesseln für ihre Gänse geholt und dafür bekam ich eine Stulle, diese Stulle steckte ich in die Jackentasche und nahm sie mit nach Hause, um sie mit meinem Bruder zu teilen. Eines Tages fand ich nicht so viel wie immer, der Korb war nur ¾ voll, da hat sie mir die Stulle aus der Tasche gezogen und dem Hund hingeworfen. Wir waren in der Klasse ca. 40 Schüler , Mobbing wie heute gab es nicht. Wir waren aber auch nur 10 einheimische Schüler und ca. 30 Umsiedlerschüler.
Ich möchte sagen, dass ich gern zur Schule ging. Es gab keine Klicken Wirtschaft. Wir hatten auch Umsiedler als Lehrer wie aus Westpreußen Herrn Franz Hahn,, aus Westpreußen Herrn Kurt Stiewe, aus Ostpreußen Herrn Heinz Bury, sowie 2 Lehrer aus Magdeburg, die ausgebombt waren und somit auch das Leid so wie wir miterlebt hatten.
Von den 332 Umsiedlern, welche nach Domersleben kamen und eine Neue Heimat hier fanden Leben noch nachfolgend genannte Personen:
Aus Schlesien:
Bartenstein, Herta 30.5.1942 wohnhaft heute in Wanzleben Barufke, Barbara 20.8.1940 wohnhaft heute in Oschersleben Baselt, Bernd 26.5.1943 Wohnort unbekannt Erbisch, Gerlinde 21.7.1945 wohnhaft heute in Altbranzleben Erbisch, Dieter 26.9.1939 wohnhaft heute in Osterburg Geil, Werber 22.2.1943 wohnhaft heute in Schönebeck Gewinn, Karl-Heinz 25.2.1945 wohnhaft heute in Haldensleben Gruner, Walter 1.9.1939 wohnhaft heute in Gardelegen Linke, Reimund 4.1.1939 wohnhaft heute in Domersleben Mathiebe, Lieselotte 7.7.1939 wohnhaft heute in Domersleben Nitschke, Gerda 10.4.1940 wohnhaft heute in Schleibnitz Nitschke, Reinhard 10.10.1936 wohnhaft heute in Wanzleben Salew, Käthe geb. Eisenblätter 20.2.1921 wohnhaft heute in Domersleben Slawinski, Elisabeth, geb. Gewinn 20.4.1932 wohnhaft heute in Domersleben Sommer, Konrad 13.1.1931 wohnhaft heute in Bottmersdorf Schetschorke, Käthe 14.6.1940 wohnhaft heute in Wanzleben Schie, Horst 11.8.1939 wohnhaft heute in Magdeburg Scholz, Gisela 18.12.1939 wohnhaft heute in Domersleben Schröper, Gerhard 7.8.1936 wohnhaft heute in Domersleben Schulz, Lieselotte geb. Reim 7.8.1936 wohnhaft heute in Bochum Stitz, Gertrud geb. Gewinn 26.6.1934 wohnhaft heute in Domersleben
Aus Ostpreußen:
Krause, Manfred 3.11.1941 wohnhaft heute in Domersleben Nelson, Günter 19.12.1931 wohnhaft heute in Magdeburg Nelson, Christel 14.5.1936 wohnhaft heute in Magdeburg Salzmann, Helga 17.4.1938 wohnhaft heute in Magdeburg Tschierschke, Helmut Siegfried 5.2.1929 wohnhaft heute in Domersleben Tschierschke, Herbert 19.5.1939 wohnhaft heute in Domersleben Tschierschke Brigitte 5.12.1945 wohnhaft heute in Domersleben
Aus dem Sudetengau:
Häupl, Walter 5.6.1941 wohnhaft heute in Magdeburg Hammer, Robert 14.9.1937 wohnhaft heute in Domersleben Hübner, Anton 6.4.1941 wohnhaft heute in Berge Meyer, Elisabeth geb. Richter 12.3.1927 wohnhaft heute in Domersleben
Aus Pommern:
Dubberke, Christa 21.12.1928 wohnhaft heute in Wanzleben Dubberke, Käthe 2.1.1932 wohnhaft heute in Wanzleben Ladwig, Adalbert 29.8.1939 wohnhaft heute in Blumenberg Lawrenz, Ulrike 19.3.1939 wohnhaft heute in Magdeburg Lawrenz, Monika 19.2.1941 wohnhaft heute in Domersleben Wandersee, Anna 23.10.1928 wohnhaft heute in Domersleben
Aus Posen:
Gesin, Burghard 13.1.1932 wohnhaft heute in Domersleben
Aus Brandenburg, jenseits der Oder:
Bartels, Lisette geb. Rose 5.7.1930 wohnhaft heute in Domersleben
Der größte Teil welche auf der Namensliste aufgeführten ehemaligen Flüchtlinge/Vertriebene und Umsiedler ist schon verstorben bzw bei einem geringen Teil der auf der Namensliste aufgeführten Personen (Namensliste welche schon im Forum am Anfang reingestellt wurde ist hier gemeint) sind keine weiteren Angaben bekannt. Möchte mich hier bedanken bei Herrn Reimund Linke uns seiner Schwiegertochter, welche mir den aktuellen Stand der noch lebenden Personen am 4.2.2016 per Post zugesendet hat.
Wie versprochen hier einige Erinnerungen und Erlebnisse unserer Flucht aus Schlesien. Am 19.01.1945 kam die Mitteilung an alle Einwohner unser Zuhause zu verlassen. Meine Eltern hatten eine Landwirtschaft. Folgedessen ging es am nächsten Tag bei 20 Grad Minus los. Die Großeltern, meine Mutter und wir drei Kinder. Mutter war im 9 Monat schwanger. Mein Vater mit fast 50 Jahren musste zu Hause bleiben um im ganzen Ort das Vieh zu versorgen. Wir fuhren mit denn Pferdewagen im Treck in Richtung Bunzlau, Liegnitz. Nach einer Woche zerbrach ein Wagenrad, so das wir zurückbleiben mussten, um das Rad zu reparieren. Dann ging es weiter in Richtung Dresden immer im unendlichen Treck, Wagen an Wagen. Die Wagen auf der Straße Richtung Westen, in Gegenrichtung des Volkssturms und die Soldaten in Richtung Osten. Von Zeit zu Zeit kam der Beschuss von Tieffliegern so das wir im Straßengraben Ängste ausgestanden haben. Nachtquartiere waren meistens in Scheunen oder Viehställen. Am Vormittag in Dresden angekommen, erlebten wir die darauf folgende Nacht etwa 20km hinter Dresden die Vernichtung der Stadt. Da wir Selbstversorger waren und somit keine Lebensmittelkarten hatten, gingen wir in Ortschaften oftmals betteln, aber hungern brauchten wir nie. Am 20.02.1945 sind wir in Oelgschau Kreis Borna (unser Ziel) angekommen, fünf Tage später wurde mein Bruder geboren. Im Herbst 1945 kam dann mein Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft. Im Oktober 1947 ist die gesamte Familie mit Pferd und Wagen nach Domersleben gezogen. Hier war schon die Bodenreform vollzogen. Die Eltern bekamen ca. 5ha Ackerland. Zu dieser Zeit besaßen wir weder Bett noch Tisch oder Stühle. Wie überall waren wir nur Geduldete, wer gibt schon freiwillig etwas ab. Mit der Zeit hart sich das geändert, wir gehörten dann dazu. Sollten Sie etwas von meinen Ausführungen in Ihrem Vorhaben verwenden, dann bitte ohne meinen Namen zu erwähnen.