um 20:07Uhr erfolgte meine Rückantwort mit einer Anfrage.
Werter Herr Dürrmann, wenn ich Sie richtig verstanden habe, fand die Hinrichtung nicht auf dem marktplatz in dahlenwarsleben statt sondern auf Lüderss Berg? Könnten Sie mir von diesen Hinrichtungsort einige Bilder zukommen lassen(fotographieren) und mir über Mail senden? Mit freundlichen Grüßen Reimund Schulze
Erste Kindheits und Jugenderinnerungen, sowie biographische Aufzeichnungen aus meinem Leben in Dahlenwarsleben
Ich wurde am 26.Oktober 1938 nach meiner vier Jahre älteren Schwester auf den gleichen Tag in Dahlenwarsleben geboren. Es waren die Jahre der Höhepunkte der Nazidiktatur kurz vor beginn des Zweiten Weltkrieges. Die ersten Kriegsjahre waren außer das immer mehr Männer zur Wehrmacht eingezogen wurden und die ersten Gefallenenmeldungen eintrafen, verhältnismäßig ruhig auf den Dörfern. Mein Vater arbeitete als Schlosser in einer Munitionsfabrik in Magdeburg. Vom Wehrdienst war er befreit auf Grund seiner Schwerhörigkeit, musste über an der Heimatfront nebenbei bei der Feuerwehr oder Luftschutzwart tätig sein. Meine wirklichen Erinnerungen habe ich seit 1942 als meine Mutter mich in der Mantel bzw. auf dem Arm bei ersten feindlichen Luftangriffen auf Magdeburg, meist in der Nacht mit in unsren Keller nahm, bis die Sirene im Dorf das Ende des Angriff’s durch ihre bekannten Töne verkündete. Es wurden von den Behörden als Vorsorge Luftschutzmaßnahmen erlassen. So z.B.: Der Ausbau von geeigneten Kellern in Häusern als Luftschutzkeller. Möglichst mit Notausgang. Wir mussten bei Fliegeralarm zwei Häuser weiter in den Keller bei Sattlermeister Rudolf, der selbst zur Wehrmacht auch eingezogen war und dessen Vater die nötigen Arbeiten noch verrichtete. Die Fenster aller Häuser mussten mir Verdunklungsrollos versehen werden, damit bei Luftangriffen nachts kein Licht die Flugzeuge aufklärerisch beeinflussen konnte. Diese Maßnahme wurde durch Nachtrundgänge während eines Alarms kontrolliert. Sogenannte Luftschutzspritzen mit Wassereimern, Sandkästen und Feuerpatschen gegen Brand –und Phosphorbomben mussten in jedem Haus vorhanden sein. Mit fünf Jahren wurde ich 1944 in die Volksschule zu Dahlenwarsleben in der Klasse am Kanterberg eingeschult. Der Lehrer Lindemann, den mein Vater schon als Lehrer hatte verlangte mit Hilfe von Prügel strengste Disziplin Bei Fliegeralarm rannten wir nach hause und anschließend ging der Unterricht weiter. Ein sogenannter Splittergraben auf dem alten Kirchhof, zum Schutz derr Kinder (Pausenplatz) wurde angefangen, aber bis Kriegsende nie fertig gestellt. Nachdem Deutschland eine Niederlager nach der anderen hinnehmen musste und die Fronten immer näher an die deutschen Grenzen heran kam, mussten auch meine Mutter und andere Hausfrauen durch den sogenannten Erlaß des „Totalen Krieges“ verkündet durch den Propagandaminister Goebbels im Berliner Sportpalast, bei einem Bauern auf dem Feld arbeiten. Ich ging eine Zeit in den Kindergarten –Nachmittags nahm mich meine Schwester öfters mit in die Kükengruppe (Kinderorganisation), die immer mit dem Spruch ging: „Hände falten - Köpfchen senken - immer an unseren Führer denken“, hinterher spielten wir Gesellschaftsspiele. Der Führer Adolf Hitler sollte sich auch in guter Erinnerung bei uns Kindern einprägen, denn wenn er Geburtstag hatte am 20.4., merkten wir vorher schon an den wehenden fahnen an den Häusern, mussten wir im Kindergarten antreten und dann ging es zu Pasemann’s-Saal, dort gab es unter den Augen eines großen Hitlerbildes Malzkaffee und Kuchen mit feierlichen Umrahmung. Es gab ja auch nur einen Gruß in der Öffentlichkeit und das war „Heil Hitler“ und wir als heranwachsende kannten das ja nicht anders. Als Erlebnis möchte ich nur mal anführen: Ich ging mit sechs jahren schon allein zum Friseur, der Friseurmeister war ein Herr Spiet aus Hohenwarsleben, der oft mit seiner SA-Uniform unter den weißen Kittel seine Kunden bediente, als ich herein kam ins Geschäft, setzte ich mich hin, da er schon einen anderen Kunden bediente: Ich saß kaum, da kam er und schniß ohne ein Wort wieder raus. Andere Kinder, die draußen waren, wunderten sich und fragten nach einer Weile, hast Du „Heil Hitler“ gesagt? Ich überlegte und dachte wohl nun, da ich von meiner Mutter den Friseurauftrag hatte, versuchte ich es noch einmal und sagte beim Eintritt „Heil Hitler Herr Spiet“ und er sagte setzt dich hin mein Junge. Das war zur damaligen Zeit eine Erziehungsmaßnahme in bestimmtem Sinne. In dieser Zeit kamen auch viele Evakuierte aus dem Rheinland in unsere Dörfer und auch im Herbst 1944 ausgebombte Familien aus Magdeburg (Es gab 2400 Einwohner kurz vor Kriegsende). Für viele Kinder, die es damals gab spielte sich die Freizeit meist auf Straßen und Plätzen oder in der Feldmark ab (Radio, Fernsehen oder Computer gab es damals noch nicht). Die Wohnverhältnisse waren schlecht. Bei uns im haus wohnte eine Familie mit drei Kindern in einem Zimmer und einer Kammer. Wir Kinder hatten immer noch die Gelegenheit in der Feldmark auf etwas essbaren zu stoßen und zu probieren (z.B. Erbsen, Mohrrüben, Kohl, Mohn, Äpfel, Linden-und Akazienblütern usw.). Die Lebensmittelkarten für Familien mit mehreren Kindern waren knapp berechnet. Zur Schule gab es bei uns meistens Schmalzstulle und einen Apfel und Nachmittags, Pflaumenmus oder Marmelade auf’s Brot. Gut waren die dran, die immer noch ein Schwein halten und schlachten konnten und ein paar Pflaumenbäume im garten hatten. Wir hatten auch immer noch Kaninchen und ein paar Ziegen für Milch und selbst hergestellter Butter. Diese Familien bekamen aber durch die Selbstversorgerlebensmittelkarten entsprechend weniger in den Läden zu kaufen. Meine Eltern besaßen ja auch noch zwei Morgen Acker, der noch nebenbei, meist Sonntag’s mit bearbeitet werden musste, aber für die damalige Zeit uns besser weiter half. Wir Kinder wuchsen mit dem immer mehr auf Deutschland konzentrierten Krieg auf. Der Luftkrieg der Alliierten (Engländer, Amerikaner) wurde intensiviert, Fliegerangriffe auf Magdeburg oder überfliegende Flugzeugverbände nach Berlin wurden gehört und beobachtet. Ein paar mal beobachteten wir weiße Flecken am Himmel. Es stellte sich heraus, das dass Fallschirmspringer aus abgeschossenen Flugzeugen waren. Rund um Dahlenwarsleben waren Scheinwerfer-stellungen und eine Eisenbahnflak auf die Lorenbahn stationiert, die aber selten schoss. Die Flaksoldaten pflegten ansonsten aber gute Kontakte zur Dorfbevölkerung, so dass einige nach dem Krieg in den umliegenden Dörfern heimisch wurden. Die deutsche Luftabwehr kann der Übermacht der Alliierten aus der Luft nicht standhalten. Jetzt wurde versucht, Magdeburg als Industriestadt durch andere Maßnahmen zu schützen. In einigen Kilometern westlich zur Stadt auf der B71 und weiter bis Olvenstedt wurden in bestimmten Abständen Nebelfässer stationiert um im Alarmfall die Stadt mit künstlichen Nebel einzuhüllen und den Flugzeugen die Sicht auf die kriegswichtigen betriebe zu nehmen. Wenn wir von unserer Kreuzung vorm Haus in den Telzweg blickten sahen wir im Industriegebiet Magdeburg Rothensee die „Brabag“, ein wichtiger Betrieb der aus Kohlen Benzin herstellte. Über diesen betrieb wurden bei gemeldeten Luftangriffen an Pangen (Stahlseilen) Fessel-ballons aufgelassen, die vor Bombenabwürfe schützen sollten. So wussten wir genau, wenn die Ballons am Himmel standen, mussten wir uns in Richtung nach hause begeben. Der betrieb hatte trotzdem Bombenschäden, wurde immer wieder provisorisch Instand gesetzt und produzierte bis fast vor Kriegsende weiter. Dann kam endlich der Zusammenbruch der Nazidiktatur. Die feindlichen Fronten rückten von West und Ost auf unser gebiet vor. Das Zentrum von Magdeburg wurde am 16.1.1945 durch zwei große Luftangriffe fast völlig zerstört. Es gab unter der Zivilbevölkerung viele Tote und 250.000 Obdachlose. Am Rande unseres Ortes fielen auch Bomben (z.B. in der Nähe des Steinbruches und am Dodeleber Weg). Aber es wurden auch während des Krieges Privatinitiativen unternommen. So fing mein Vater an, auf unseren zwei Morgen Acker, 1944 eine Obstplantage zu errichten, die er nach dem auf einer Fläche von einem Morgen vollendete. Die ersten Bäume holte er mit einem zweirädrigen Mahlerkarren von Malermeister Kühne – kaum zu glauben von Pechau (ca.20km) nach Dahlenwarsleben zu Fuß. Es kam der April 45, die Flaksoldaten mussten Panzerabwehrgruben errichten, wo dann sie selbst, der Volkssturm (Rentnerarmee) oder die HJ mit Panzergeschossen, die Panzer bekämpfen sollten. An der Hohenwarsleber Chaussee und der an der Ausfahrt nach Meitzendorf (Grundstück P. Müller) wurden quer zur Straße mit Steinen mehre Meter breite Panzersperren errichtet in deren Mitte nur eine Durchfahrt von der Breite eines Pferdewagens war. Wir Kinder spielten darauf oft und kletterten daran herum. Es sprach sich herum, dass die ersten amerikanischen Panzer Irxleben erreicht haben und dort schon ein Feldlazarett errichteten. Die Panzersperre im ort wurden mir fahrbaren Straßenwalzen verschlossen. Die Dorfbevölkerung protestierte über den sinnlosen Versuch, damit die Panzer aufhalten zu wollen und einen Beschuß des Dorfes in Kauf zu nehmen beim Ortsgruppenleiter der NSDAP, so dass daraufhin der Bauer Heinrich Deumeland, die Straßenwalzen beiseite fuhr. Am anderen Tag vormittag’s kam der erste amerikanische Panzerverband ungehindert aus Hohenwarsleben in Richtung Meitzendorf durch unseren Ort. Die Panzer waren außer der Besatzung seitlich besetzt mir bewaffneten Soldaten von denen viel schwarze Hautfarbe hatten. Wir als Kinder glaubten, die gab es nur in Afrika. Einige Kinder standen am Straßenrand und winkten den ersten friedlichen vorbeifahrenden Kolonnen zu. Wie standen am Fenster und durften nicht raus, sahen aber genau so gut. Die Panzer kamen aber nur bis zur Meitzendorfer Kreuzung, dann hörten wir Flakfeuer und mit der Ruhe war es vorbei. Anschließend sprach sich herum, dass die Wolmirstedter Flak noch aktiv war und die Amerikaner Verluste hatten. Die drehten mit ihren Panzern um und verschanzten sich bei uns im Ort, besonders im Norden in den Gärten und auf kleinen Plätzen wo die Häuser Schutz boten. Der Flakbeschuß verstummte seltsamer weise schnell, aber die Amerikaner hatten wie zwei oder drei tage im Ort. Vorsorglich wurden wir von den Amerikanern in den Kellern unserer Häuser geschickt, wo wir auch in der Nacht schliefen. Nachmittag’s schossen die Panzer von ihren Stellungen kurze Zeit in Richtung Wolmirstedt und Barleben zurück. Auf unseren Hof (früher garten) stand auch ein Panzer. Die Eier im Hühnerstall brauchten wir dann nicht mehr absuchen. Wir Kinder schlichen uns am Tage oft ins Freie. Manche Soldaten gaben uns Kaugummi, aber die Offiziere schickten uns wieder in die Keller. Sie hatten im Hühnerstall auch ein Gipsei mit gehen lassen, am anderen Tag lag es unter dem Panzer, ich legte es wieder ins Nest und das ganze geschah noch mal. Ja als sechsjähriger Junge hatte man vielleicht nicht das Angstgefühl oder man hatte sich schon an das täglich andere geschehen gewöhnt in mitten der letzten Kriegstage. Die Panzerkampftruppen zogen dann weiter und hatten die Aufgabe, Magdeburg von Norden und Westen anzugreifen. Die Stadt war in einpaar Tagen eingenommen, außer östlich der Elbe mit der Stadthalle. Hier hatte sich die HJ (Hitlerjugend) zurückgezogen und hielt den Beschuss noch einige Tage stand. Bei uns hatte sich ja das schon so eingeprägt, dass die meisten wussten, wie sich ein Abschuss und ein Einschlag anhört. Nun überschlugen sich die Ereignisse. Es gab jeden Tag etwas Neues. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Nitsche wurde festgesetzt und Pastor Paeschke wurde als Bürgermeister von der anrückenden amerikanischen Nachhut, die unseren Ort besetzte eingesetzt. Einen Tag später bekamen wir bescheid, dass wir innerhalb von zwei Stunden, unser Haus und Hof verlassen mussten, wie alle Randgehöfte des Ortes. Mein Vater’s Schwester (Wohsdorfs), die schräg gegenüber wohnten, aber auch schon eine Familie mit drei Kindern aufgenommen hatte, nahm uns auch noch auf. Hinter unserem haus auf einer Anhöhe wurde eine Funkstation aufgebaut, die von unserem Haus coordiniert wurde. Mein Vater durfte jeden Nachmittag rüber um das Vieh zu füttern. Dabei erlebte er einige Sachen mit den amerikanischen Soldaten wie z:B: Sie wollten unseren Hund mitnehmen für eine Kiste Zigarren, oder ein Huhn abgeschossen und auf ein Fahrradvorderrad gegrillt, Messerstechen mit dem Seitengewehr gespielt auf eine Stalltür usw. es wurde aber sonst nicht’s nennenswertes zerstört oder mitgenommen worden in den Tagen. Meine Mutter hatte ja vorher schon alle naziverdächtigen Sachen entsorgt bzw. im Ofen verbrannt, wie den weißen Aufsatzkreis mit dem hakenkreuz auf der Fahne die ja meist jede Familie hatte. Das rote Fahnentuch oder Fallschirmseide waren ja begehrt, oder mein Wehrmachtsalbum mit den Zigarettenschachtelbildern und anderes Kriegsspielzeug, das leider nach 10-15 jahren wieder aktuell wurde. In dieser zeit hörten wir des Nacht’s, bei meiner Tante mit Decken auf den Fußboden schlafend ein Flugzeug in geringer Höhe über uns hinweg fliegen. Am anderen Morgen sprach es sich herum, dass ein deutsches Flugzeug auf unseren Friedhof abgestürzt war. Es handelte sich an diesem 18.april um eine Ju 52, die Munition zu eingeschlossenen deutschen Verbänden im Nordharz bei Quedlinburg bringen sollte. Wegen eventueller amerikanischer Nachtjäger konnte nur eine Flughöhe von maximal 100m gewählt werden. Als letztes Flugzeug, gerät die Ju52 in ein gezieltes Abwehrfeuer der Bodenflak. Eine Feuergarbe von Leuchtspurge-schossen durchschlug das Flugzeug, ein Schuß ging dabei direkt in die Kanzel und traf den Flugzeugführer tödlich am Kopf. Der Copilot übernahm daraufhin das Steuer und versuchte eine Notlandung anzusetzen. Das Fligzeug strich durch die Gärten und setzte hart auf dem Friedhof auf. Die Mauer wurde durchbrochen und einige Bäume abrasiert. Von den drei noch verbliebenen Besatzungsmitgliedern holte der Leichtverletzte für seine Schwerverletzten Kameraden in der Nacht noch Hilfe, in dem er sich den amerikanischen Wachposten stellte und die dann die weitere Hilfe organisierten, so das am Ende alle drei überlebten (Erinnerungen zweier Insassen). Die Besatzer zogen weiter und wir konnten wieder nach ca. einer Woche in unser Haus wieder einziehen. Jetzt begann für uns Kinder eine interessante und abwechslungsreiche Zeit. Der Krieg spielte sich nur noch rund um Berlin ab. Bei uns im Ort und der Umgebung wurden Vorratslager des Reichsamtes für Versorgung entdeckt, die dann größtenteils geplündert wurden: Becker’s-Saal Textilien, Gersdorf Lederjacken, Eichenbarleben Roh-schokolade, oder der Kanalkahn bei Vahldorf mit Tabak, um nur einige zu nennen. Die Raucher gaben ja für Tabak, des es ja seit geraumer Zeit nicht mehr gab ihren letzten Pfennig oder rauchten was Anderes, eir unser Mieter Lukenmacher, (abgefallene Rosenblätter aus dem Garten). Die im Ort vorhandenen Zwangsarbeiter meist Polen, waren nun frei, wurden von der amerikanischen Kommandantur registriert und waren auf einmal verschwunden. Meist vergessene Munition der Alliierten oder Vorräte der Wehrmacht lagen überall herum. Schule war ja gar nicht und wir waren mit großen Jung’s überall zu finden die alles „wissenschaftlich“ unter-suchten und uns einige Sachen vorführten. Es gab aber auch erhebliche Verletzungen unter den größeren Jung’s mit diesem gefährlichen Spielzeug (z.B. Horst Becker mit Dynamit, Günter Meier mit einer Handgranate, Horst Meier mit Stangenpulver). Wir fertigten mit einfachen Mitteln, Knallkörper an, in dem wir Schlüssel mit hohlem Schaft mit Schwarzpulver füllten, einen Bolzen dagegen steckten und beide Seiten mit einem flexiblen Band versehen, an eine Hausecke schlugen oder einen stumpfen Nagel in ein Brettchen steckten und einen größeren Stein darauf warfen. Es knallte an manchen Nachmittagen überall. Den Leuten schien das kaum zu stören, denn in der Nachkriegszeit gab es ja noch keine öffentliche Ordnung. Die Felder um unseren Ort war zum Teil zum Niemandsland erklärt worden, weil die zwei Großbauern nach Abzug der Amerikaner in eine westliche Zone flüchteten. Aufgrund der Festlegung der Alliierten zog im Juli 1945 die Rote Armee in Dahlenwarsleben ein. Sie richteten sich in der Villa des Gutes Wiersdorf ein, der eingesetzte Bürgermeister Paeschke wurde schnell abgelöst und die Bauernwirtschaft Wiersdorf wurde vorerst von den Soldaten bewirtschaftet. Mein Vater arbeitete wieder bei einem Bauunternehmen in Magdeburg und fuhr dorthin jeden Tag mit dem Fahrrad. Die Parteifunktionäre der NSDAP wurden auf einer zentralen Veranstaltung entnazifiziert. Ihnen wurde auch der Schräbergarten weg genommen. Die Sperrstunde ab 18:00Uhr für die Bevölkerung wurde aufgehoben. Auf Befehl der sowjetischen Militäradministration wurden wieder Parteien zugelassen. Die Mitgliederzahlen der SPD und KPD wuchsen mit Hilfe der provisorischen Behörden schnell an. Es soll zu dieser Zeit etwas 600 Evakuierte aus Magdeburg und Umsiedler aus den Ostgebieten im Dorf gewesen sein. Es gab Versammlungen, ein Antifaausschuß wurde gegründet, die Parteien wurden 19456 zusammen geschlossen zur SED. Eine Kinder-vereinigung wurde gegründet und wir trafen uns immer im Sommer auf den im bau befindlichen Sportplatz und im Winter in den Räumen des Kindergartens und spielten Gesellschaftsspiele oder sangen (z.B. Wenn wir schreiten Seit an Seit). Bürgermeister war Otto Allenstein, der mit den größten Problemen wie: Lebensmittel-versorgung, Wohnungen, Brennmaterial wie Holz und Kohle (verschiedene Holzzäune wurden für Brennmaterial gestohlen) aber auch die Wiedereinführung des Schulunterrichts nach der neuen Verordnung, mit seinen Leuten zu tun hatte. Die Geldkonten wurden abgewertet und es gab ein sogenanntes Notgeld, dass so aussah, das auf den Reichmarkenscheinen Wertmarken aufgeklebt waren. Aber viel konnte man sich dafür sowieso nicht kaufen, denn es gab nur alles auf Lebensmittelkarten oder Bezugsscheine für Textilien. Zu den geschilderten Bedingungen, die nach der Besetzung unseres Ortes durch die Rote Armee, da waren, (sie kamen mit LKW, aber meist mit Panjewagen angefahren) ohne kriegerischen Absichten/Handlungen und zogen in die verlassenen Gutshöfe ein. Sie brachten eine große Herde von Pferden und Kühen mit, woher wusste keiner so genau. Frauen aus unserem Dorf, die die Kühe melkten, bekamen dafür Milch, die ja auch knapp war. Sie richteten eine Kommandantur ein, die in den ersten Jahren auch auf kommunaler Ebene ein Mitspracherecht hatte. Aber es bildeten sich unter den Soldaten auch Gruppen zum Teil mit deutscher Beteiligung, die Diebstähle ausführten. Begehrenswert waren Uhren, Fahrräder, aber auch Vieh. Bei uns auf dem Hof spielte sich zum Beispiel folgender Fall ab: Am Tage kamen zwei russische Soldaten auf den Hof und baten um Wasser. Meine Mutter gab jedem ein Glas Wasser, das sie langsam austranken und sich umfassend umschauten. In dieser Nacht wurden wir durch ständiges Bellen (anschlagen) unseres Hundes darauf aufmerksam gemacht, das irgend etwas los war auf dem Hof. Meine Mutter schaute aus dem Fenster und sah drei oder vier Gestalten die sich im dunkeln auf dem Hof zu schaffen machten. Sie waren dabei zwei Schweine aus dem Stall nach draußen zu treiben. Als mein Vater raus wollte und die Haustür aufmachte, rief einer zurück, so dass er die Tür gleich wieder zumachte. Meine Mutter nahm geistig gegenwärtig das Feuerwehrhorn meines Vater’s, der Melder bei der Feuerwehr war und blies von der Hausseite aus dem Fenster Alarm. Da bekamen die Einbrecher Angst und flüchteten vom Hof. Vom Fenster auf der Giebelseite sahen wir dann, wie ein russisches Pferdegespann mit Leuten in Richtung Meitzendorf sich auf und davon machte. Bei Malermeister Kühnes Grundstück gaben sie noch einige Schüsse ab. Die Schweine konnten so noch gerettet werden, aber die vier Gänse hatten sie schon im sack und waren weg. Mein Vater hatte auch mal Glück. Ihm wurde auf offener Landstraße von zwei russischen Soldaten ein Fahrrad mit Vollgummibereifung gestohlen. Daraufhin ging er zur russischen Kommandantur, dort führte man ihn in ein Raum und er konnte sich ein anderes Fahrrad mit normaler Bereifung aussuchen. In den fünfziger Jahren zog sich die Rote Armee in ihre Stützpunkte zurück und es gab nur noch Durchfahrtskolonnen von Panzern und LKW’s meist vom Stützpunkt Hillersleben/Heide zum Herrenkrug/Magdeburg. Im August 1945 fing die Schule wieder an, nach dem neuen Schulgesetz. Von den alten Lehrern wurden nicht mehr alle zugelassen, so dass es da Probleme gab. Wir bekamen in der zweiten Klasse Frl. Gebauer als Lehrerin. Die Prügelstrafe wurde zwar abgeschafft aber manche Lehrer nahmen das am Anfang nicht so genau und der Landkreis war froh, dass er Lehrer hatte. Aus Mangel an Papier nahmen wir noch unsere alte Schiefertafel wobei die Griffel auch knapp wurden. Im Winter konnten die Klassenräume wegen fehlendes Heizmaterial nicht mehr lange beheizt werden, so dass wir wenn wir früh’s in die Schule gingen, wir die Hausaufgaben aufbekommen haben und nach Hause gehen durften um diese zu Hause erledigen sollten. Die Schiefertafel reichte bald nicht mehr aus und uns wurde empfohlen Zeitungspapier oder anderes Papier was zu hause noch aufzutreiben war zu verwenden. Zur dritten Klasse kamen die Neulehrer Lenz, Schlinke und Göpel, die sich in einem Schnellstudium qualifiziert hatten und nach Dahlenwarsleben, hinzu kam der Umsiedler Herr Lachmann der schon älteren Jahrgangs war und immer wenn die Schüler unruhig wurden und nicht mehr hörten seine Frau holen wollte, um für Ordnung zu sorgen. Es begann nun ein normaler Schulbetrieb in allen Fächern. Interessant ist noch, dass jeder Lehrer andere Erziehungsmaßnahmen hatte: Lehrer Heinrichs „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöht das Denkvermögen“. Bei Lehrer Lenz gab es Kopfnüsse oder der Schüler musste sagen „Muh“. Bei Lehrer Schlinke gab es bei schweren Fällen auch Ohrfeigen und der kurzzeitige Schulleiter Göpel verschaffte sich zwar Respekt mit dem Hände vorhalten und mit einem Lineal drauf schlagen, aber gelernt hat man bei Ihm, meiner Meinung nach recht wenig. Beim Geschichtsunterricht von der Antike musste unsere Mitschülerin Inge Wolter aus einem Buch alles an die Tafel schreiben und wir mussten jede Woche in der Geschichtsstunde alles in unsere Hefte abschreiben. Lehrer Göpel saß der weile auf seinen Pult und las Zeitung, die er mit den Fingern duchstieß im durch schauen zu können, ob wir uns brav verhielten. Der Lehrer Göpel verließ bald Dahlenwarsleben und Frau Walter wurde Schulleiterin. Die vier Klasseräume reichten für einen geordneten Schulbetrieb nicht mehr aus zumal die Gersdorfer Schüler mit in Dahlenwarsleben zur Schule gehen mussten. Das Gutshaus Brennecke stand leer und wurde als Zentralschule ausgebaut. Dort ging ich die letzten zwei Jahre noch hin. Die größeren Schülerjahrgänge (7 und 8 Klasse) aus Ebendorf und Meitzendorf kamen noch hinzu, so dass Parallelklassen gebildet werden mussten. Problematisch war es immer im Pflichtfach Russisch, durch den ständigen Wechsel der Lehrer wurde es nicht so richtig akzeptiert und die Ruhe und Ordnung im Unterricht blieb auf der Stelle. Dann bekamen wir den Lehrer im Fach Russisch. Als er das erste Mal das Klassenzimmer betrat in kurzer Lederhose waren seine ersten Worte: Wer lacht raus, als Drohung, aber er konnte auch in dem einen Jahr keine Russen aus uns machen, so das im Abschlusszeugnis das Fach Russisch im allgemeinen negativ ausfiel. Ein Ereignis gab es noch, als ein Schüler von uns am Blitzableiter aus dem ersten Stock herunter kletterte und der damalige Bürgermeister Erich Winter gerade vorbei kam, der daraufhin ins Schulgebäude ging, um den Vorfall auszuwerten. Einen Aufschwung gab es noch einmal mit den neu hinzu gekommenen Lehrer Etterwind und Böker im Fach Gegenwartskunde (Geschichte und Erdkunde). Mit diesen Lehrern fuhren wir auch als Abschluß eine Woche in den Harz nach Blankenburg ins „Anton Seefkow Jugendheim“. Von dort machten wir mal eine bemerkenswerte Tageswanderung über Timmerode nach Thale-Roßtrappe hoch und wieder zurück nach Blankenburg. Außer Blasen an den Füssen haben es alle geschafft. Inzwischen kam die Vorbereitung zur Konfirmation. Zwei Jahre vorher mussten wir immer schon Nachmittag’s jede Woche einmal zum Konfirmationsunterricht, zu der uns der Pastor immer vom alten Kirchhof holen musste, da wir dort Fußball spielten. Die Mädchen saßen vorne und bekamen immer unsere Ablesezettel unter Ihre Jackenkragen geschoben. Manchmal hängten wir auch einen Schweineschwanz an der Lumpe dann schmiss er uns gleich wieder alle raus. Pastor Paeschke erzählte uns immer wieder, als er mit einem Schiff nach Amerika rüber fuhr, gerieten sie in einem großen Sturm-Windstärke 12, das Schiff drohte zu sinken, da setzte er sich hin und betete an Gott und siehe da, der Sturm ließ nach und sie kamen gut an. Da könnt ihr sehen, sagte er dass es einen Gott gibt. Dann spielte er mit sein Harmonium das Schlusslied. Pastor Paeschke verließ auf Grund einiger Vorkommnisse aus vergangener zeit 1948 unseren Ort. Dann zog Pastor Meckelmann mit seiner Familie ins Pfarrhaus ein und gab uns als Konfirmandenanwärter weiter Lehrstunden. Palmsonntag 1952 sollte die Konfirmation sein und eine Woche vorher öffentliche Prüfung in der Kirche. Damit sich keiner blamiert gab es eine Abrede, wer eine Antwort auf die Frage vom Pastor was weiß, meldet sich, und wer sich nicht meldet kommt auch nicht dran. Aber Zeremonien in der Kirche war die eine Sache, viel mehr beschäftigte unseren Eltern, was wir anziehen sollten und wie hinterher die Feier ablief. Einen Anzug von der Stange, die es ja in einigen Geschäften in Magdeburg schon gab, kam für meine Größe nicht in Frage. Ich ging mit meiner Mutter zu Schneidermeister Pickert, der im Ort wohnte Er saß gerade mit seinem Gesellen Franz Böhm auf einen Tisch und nähte, begrüßte uns freudig und nahm gleich Maß. Nachdem wir uns noch den Stoff aussuchten, war die Sache erledigt. Auf Drängen von Erna Fauter ließ sich meine Mutter auch überreden, dass ihr Sohn und ich zur Kirche einen Hut aufsetzen sollten, den wie dann in Magdeburg kauften. Am Tag der Konfirmation versammelten wir uns vorher. Unsere Mütter standen mit den Hüten in der Hand an der Kirche, die wir zögerlich beim Eintritt aufsetzten und beim Verlassen der Kirche unseren Müttern wieder übergaben. Ich glaubte wir waren die einzigen mit Hut. Die Anschließende Konfirmationsfeier verlief dann zu Hause entsprechend den damaligen Verhältnissen mit Verwandten und Freunden in gemütlicher Atmosphäre ab. Aber mein Konfirmationshut machte ca. fünf Jahre später mit Freunden, die den Hut passten und in allen Gaststätten des Ortes seine Runden. In den Jahren bis zum Abschluß der damaligen 8. Kl Volksschule fanden wir Kinder immer etwas womit wir uns beschäftigten. Im Winter waren wir mit dem Schlitten auf dem Mühlenberg oder Felsberg, liefen Schlittschuh auf den Straßen mit festgefahrenen Schnee, denn Auto’s gab es ja kaum, oder auf dem Teich. Im Ort gab es drei bekannte Orte zum Rodeln. Für die „Kleinen“ der Pannegraben am Eichplatz, dann der Kastanienberg in der Mühlstraße, der dann durch zunehmenden Verkehr nicht mehr benutzt werden konnte und der Mühlberg bei Bauer Lauß, an den es an manchen Tagen von Kindern und Erwachsenen nur so wimmelte. Wer dann noch mehr erleben wollte, ging zum 1km entfernten und über 107m hohen Felsberg, wo verschiedene Rodelbahnen und auf der Wische neben an es gute Möglichkeiten gab. Wir fuhren die Strecke manchmal mit Holländerschlittschuhen auf der Straße bis hoch. Als die Ausflugsgaststätte dann Jugendherberge wurde, konnte man auch Ski und Schlitten ausleihen. Dann kam die Zeit zum Maikäfer sammeln. Vom Felsberg wurden bei starkem Aufkommen gleich Säcke voll geholt, die die Hühner gar nicht schafften alle zu fressen. Auf der Dorfstraße lagen immer zahlreiche Pferdeäpfelhaufen an dem sich die Haubenpärchen labten, die man ja heute nicht mehr sieht. Wir spielten schon wieder Krieg vor langer Weile, ein Ortsteil (Westertor gegen Plan), veranstalteten Kastanienschlachten im Park, spielten Schnitzeljagd und Suchen. Als es Geld gab für Kartoffelkäfer und Feldmäuse waren wir Kinder da. In den Furchen liefen oft soviel Mäuse, dass wir die gleich lebendig in einen Sack oder zwischenzeitlich in die Hosentaschen stecken mussten. Ansonsten gingen wir los, um auf den Stoppelfelder Mäuse und Hamster auszugraben. Hamsterfelle oder das Futter was die Hamster in ihren Vorratskammern hatten, wurden wir Kinder ja immer los. Zur Erntezeit mussten viele der Kinder mit zum Ähren sammeln und Kartoffel stoppeln (roden/sammeln). Besonders die Magdeburger kamen mit Fahrräder und Säcken und warteten schon, bis die Bauern das letzte Getreide vom Feld fuhren und die Flächen frei gaben. So was kann sich heute keiner in unsrer Wegwerfgesellschaft mehr vorstellen. 1946 Politisch wurde die verordnete Bodenreform durchgeführt. Die zwei Großbauern (über 100ha) wurden enteignet, davon erhielten 57 Familien, insbesondere Landarbeiter, Umsiedler Industrie- und Bauarbeiter sowie Kleinbauern ca. 6ha Ackerland. Weitere 110 Familien bekamen auf Antrag Flächen zwischen 0,25ha und 0,75ha. Für die entstandenen Neubauern war der Anfang schwer. Der noch vorhandene Viehbestand bei den aufgeteilten Bauern wurde an die Neubauern (Pferde und Ochsen), durch Verlosung verteilt. Wagen und Ackergeräte waren kaum noch vorhanden und als Austausch vergeben. Meine Eltern übernahmen dann in der zweiten Aufteilung (Wiersdorf) auch eine Neubauernstelle. Ein Ochse, eine Kuh mit Kalb und zwei Schafe bekam mein Vater als Tierbestand. Ein Ackerwagen, wo er den Ochsen anspannen konnte, um zum Acker zu fahren, musste er sich mit noch einem Neubauern teilen. Einige Neubauern bekamen einen Baukredit zum bebauen auf einer grüner Wiese. Mein Vater vergrößerte unser Grundstück durch den Kauf eines Gartens vom Nachbarn und baute einen zusätzlichen Stall mit Stroh und Heuboden darauf. Dann ging es langsam bergauf mit Ochsen und Kuhgespanne bis nachher zwei Pferde dazu kamen. Auf dem Feld wurde noch viel mit Handarbeit verrichtet (Rüben verziehen, Rüben und Kartoffeln aufladen, Getreide mähen mit der Sense usw.). Beim Getreide ausdreschen an der Maschine musste ja alles erst einmal hingefahren werden und das Korn, Stroh oder Spreu wieder nach Hause gebracht werden. Das geschah oft abends nach 20:00Uhr weil es ja damals noch Energieengpässe und Sperrzeiten für größere Maschinen gab. Unsere Begeisterung für Feldarbeit hielt sich in Grenzen. Es hieß ja manchmal Sonntagmorgens um 6:00Uhr raus zum Kartoffel aufsuchen oder wenn sich ein Gewitter ankündigte ging es Sonntagmittags mit mehreren Gespannen noch los und wurde Getreide rein geholt. Ich selber absolvierte in Magdeburg im SAG Betrieb „Thälmannwerk“ seit 1952 eine Lehre als Maschinenschlosser. In diesen Jahren war Facharbeitermangel, darum lernte ich schon 1954 aus. Wir gingen Früh nach Meitzendorf zum Bahnhof, 2,5km Bahnfahrt nach Magdeburg/Buckau mussten dann noch mal 2km die Freie Straße bis zum betrieb gelaufen werden und dann lagen noch 1km vor uns bis zur zentralen Lehrwerkstatt und am Abend wieder das gleiche zurück. Ab 1957 fing ich dann beimVEM Barleben an und hatte dadurch eine kürzere Fahrzeit mit der Bahn. In der Landwirtschaft meiner Eltern ging es trotz vorgeschriebener Anbaukulturen und Abgabesoll voran. Einige Neubauern waren nach zwei Jahren schon wieder pleite und haben andere Interessen aufgegeben, um nicht auf eigener Scholle zu verhungern, denn wer sein Soll nicht erfüllte, bekam keinen Schlachtschein um ein Schwein zu schlachten. Meine Eltern bewirtschafteten sich durch zusätzliche Mastverträge von Tieren und pflanzlicher Überproduktion sogenannte „Freie Spitzen“, wo es übliche Marktpreise für gab, z.B.: Raps, Tabak, Mohn usw. Im Winter fuhr mein Vater mit einem Gespann Trümmerschutt in Magdeburg zur Kippe „Berliner Chaussee“. Zur Schlachtzeit im Winter wurde zu einer genehmigten Schweineschlachtung auch gleich ein Kalb mit verarbeitet, da mein Onkel sich als Hausschlachter betätigte. Beim Schlachten mussten wir Kinder als wir größer waren mit zu packen und zur Hand gehen, machten Frühstück mit und kosteten überall wo es nur ging. Die schwerste Arbeit war den Fleischwolf drehen für die Wurst. Bei den zwei Schnäpsen, wenn das Schwein am Haken hing mussten wir noch zuschauen. Ansonsten war nach dem Schlachten und sauber machen immer noch ein kleines Festmahl mit Umtrunk. Für größere Arbeiten auf dem Acker zum Pflügen oder Rübentransport waren im Kreis drei Maschinenausleih-stationen (MAS) gebildet worden, die diese Arbeiten gegen Zahlung einer Gebühr ausführten. Hauptanbau-produkte waren: Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben und für Futter: Futter- und Mohrrüben, Erbsen und Luzerne. So vergingen die Jahre, mein Vater lieferte nach der Kartoffelernte immer Kartoffeln noch nach Magdeburg und hatte in der Halberstädter Straße seine Kunden per Lieferung bis in den Keller. Auf politischer Erwägung und Drängen traten meine Eltern 1960 dann mit den letzten Bauern im Ort in die Landwirtschaftliche Produktions-genossenschaft (LPG) ein. Der Hof wurde leer und der Inventurbeitrag ging in die Genossenschaft ein. Die Genossenschaft vergrößerte sich dann immer mehr, so dass sie dann Ackerflächen von 8 Ortschaften später mit modernen Maschinen bearbeitet werden konnten. Es gab dann eine Teilung zwischen Pflanzen –und Tier-produktion, die zu guten Erträgen führte. Vor 1945 und auch noch bis ca. 1960 gingen die meisten Kinder in den Maiferien zu den Bauern zum Rübenverziehen, dass heißt – in jeder Reihe wo später dann Rüben heran wachsen sollten, wurden vereinzelte Rübensätzlinge beseitigt, um somit den kräftigsten Pflanzen die Möglichkeit zu geben, groß zu werden. Vor 1945 gab es dafür 1,50 RM/pro Tag. Die Jahre danach, gab es etwas mehr Geld, aber wichtiger für uns war es nach dem Krieg die Pausenversorgung. Sonst an den Nachmittagen oder Ferien vertrieben wir uns die Zeit ohne teure Spielsachen, die es ja nicht gab, mit Ball spielen, Murmeln, Hulahop (Reifen um den Bauch drehen lassen) und mit Kreiseln spielen (ein Stock -Peitsche- mit einem nicht allzu sehr starkem Seil, besser noch war ein ca.5mm starker langer Lederstreifen, welches um den Kreisel gewickelt wurde und mit Schwung zum drehen gebracht wurde und durch schlagen mit der Peitsche in Bewegung gehalten wurde), Hinke Kasten, Suchen oder Kriegen -Fangen-) oder wir machten eine Schnitzeljagd. Als sich die Kriegs-und Nachkriegswirren beruhigt hatten, gab es eine interessante Zeit. Viele Kriegsgefangene kamen zurück und waren Erlebnishungrig auf kulturelle Aspekte. Sie bekamen wieder Arbeit und hatten auch das Bedürfnis im Ort kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. In den Gaststätten mit Saal fanden wöchentliche Tanzveranstaltungen statt, es gab Maskenbälle, Kostüm und Kappenbälle, die Vereine und Parteien organisierte wurden. Zwischen-durch traten Schauspiel und Operettenkünstler aus Magdeburg im Dorf auf, weil in der Stadt die Spielstätten zerbombt waren. Es kamen Wanderzirkusse oder Zigeuner auf den Teichplatz und führten ihre Kunststücke vor. Deren Männer handelten mit Pferden und ihre Frauen gingen betteln im Dorf. Dann kam lährlich der Schausteller Richter aus Wolmirstedt, der dann abwechselnd mit Schausteller Haeberling aus unserem Ort am Plan aufbaute und mit ihren Kinderkarussell, Luftschaukel, Schießbude, die Kaspertheatervorstellung von Müller aus Hornhausen, der jährlich im Handzug seinen Kasperwagen von Ort zu Ort zog und meistens zwei Tage seine Mittags und Abendvorstellungen im Freien vortrug. Dabei waren Fußbänke für die Kinder immer mitzubringen, die Erwachsenen standen weiter weg. Vormittags konnte jeder dann noch für einen kleinen Obolus Scheren und Messer zum schleifen hinbringen.
E N D E
Klartext Teddy
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