Ein unschönes Thema aber auch das hat es in Magdeburg gegeben. Im Artikel von Klaus Falk "Deserteure der Wehrmacht 1939 - 1945 in und aus Hannover" fand ich folgendes: Gerber August Geb.: 24.01.1911 Leinhausen /Hannover Gefreiter Vollstreckung: 10.11.1942 in Magdeburg durch Erschießen Ehefrau wohnhaft Hannover, verh., bestattet auf Westfriedhof Magdeburg
Eben nicht Helmut, hiermit ist erstmal nur bestätigt das in MD hingerichtet wurde. Sicherlich von einem Militärgericht (wegen Fahnenflucht) "rechtmäßig" verurteilt. Wer und wo hingerichtet wurde geht nicht daraus hervor. Für Hannover schreibt der Autor:Die Erschießungen wurden auf dem Garnisonsschießstand in Hannover Vahrenheide, dem Gelände der Emmich-Cambrai-Kaserne, ehem. Offizierschule des Heeres vollstreckt. Ähnlich wird es sich in MD zugetragen haben.
Zur Frage der Vollstreckung von Todesurteilen im Hitlerreich habe ich noch ein paar Hintergrundinformationen zusammengestellt. Danach dürfte die Suche nach „Hinrichtungsstätten für den Vollzug militärgerichtlicher Urteile“ nur selten zum Erfolg führen. Es ist also kein Versagen der Forscher, wenn sie dazu keinen durchgängigen Kenntnisstand vermitteln können.
Nationalsozialismus, Militärstrafrecht, Vollzug der Todesstrafe Am 20. Juni 1872 wurde ein Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich beschlossen und mit Wirkung vom 1. Oktober desselben Jahres in Kraft gesetzt. Mit verschiedenen Änderungen und Anpassungen blieb es bis zum August 1939 in Kraft. Allerdings gab es hinsichtlich der neueren Auffassungen von Krieg und Kriegsführung Anpassungsbedarf. Diesen nutzte die nationalsozialistische Führung, um ihre politischen Ziele in eine Neufassung des Gesetzes integrieren zu können. Schwierigkeiten bereitete allerdings, dass vor allem ein nationalsozialistisch ausgerichtetes Strafgesetzbuch als Grundlage für dessen militärischen Ableger noch fehlte. Dieser lag bereits seit langer Zeit in der Schublade, konnte aber wegen seiner notwendigen Bezüge zum (noch fehlenden) Allgemeinen Strafgesetzbuch nicht beschlossen werden. Einen Notbehelf schaffte man mit der „Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz (Kriegssonderstrafrechtsverordnung – KSSVO)“ vom 17. 8. 1938, mit der gleichzeitig die „Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz (Kriegsstrafverfahrensordnung – KStVO)“ beschlossen wurde. Beide Verordnungen sind allerdings erst 1939 (26. August) im Reichsgesetzblatt veröffentlicht worden. Ebenso noch rechtzeitig vor Kriegsbeginn die ersten Durchführungsverordnungen.
Das als Grundlage der Verordnungen benötigte Militärstrafgesetzbuch ist durch Verordnung vom 10. Oktober 1940 geschaffen und mit Wirkung vom 1. Dezember 1940 in Kraft gesetzt. In einem Kommentar zum Militärstrafrecht vom November 1940 heißt es: „Die Neufassung tritt am 1. Dezember 1940 in Kraft. Sie beseitigt Begriffe, die durch die neuzeitlichen Form en der Kriegführung überholt sind, und die übertriebene Kasuistik, die sich bisher bei einzelnen Strafschärfungsgründen und in vielen Strafdrohungen fand. Die Vorschriften über die militärischen Ehrenstrafen, die so verwickelt, kasuistisch und unübersichtlich waren, daß sich selbst der geschulte Wehrmachtrichter in ihnen nur schwer zurechtfinden konnte, sind geändert und vereinfacht. Die Strafdrohungen für unerlaubte Entfernung, Fahnenflucht, Feigheit, Drohung und Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten, militärischen Aufruhr, Verabsäumung der Aufsichtspflicht und Nichtmeldung der Straftat eines Untergebenen, die teilweise schon durch die Kriegssonderstrafrechtsverordnung den Feldverhältnissen angepaßt worden waren, sind erhöht und in Vorschriften eingearbeitet worden, die auch für den Frieden eine angemessene Bestrafung gewährleisten. Im übrigen sieht die Neufassung des Militärstrafgesetzbuchs bewußt davon ab, zu den großen grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen, deren Lösung der allgemeinen Strafrechtserneuerung und der endgültigen Gestaltung des Strafrechts der Wehrmacht vorbehalten bleiben soll. „Diese Beschränkung auf das Notwendigste verbietet", wie die Begründung hervorhebt, „den von der Rechtsprechung gelegentlich gezogenen Schluß, daß der Gesetzgeber die gesamte, zu den nicht geänderten Vorschriften vorhandene Rechtsprechung billige. E s b l e i b t d i e P f l i c h t d e s R i c h t e r s , a u c h d i e a l t e n V o r s c h r i f t e n i m G e i s t d e r n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n R e c h t s e r n e u e r u n g a u s z u l e g e n u n d f o r t z u b i l d e n "“. Auf gut Deutsch bedeutete dies, dass die Militärjuristen praktisch unbegrenzte Möglichkeiten hatten, um gegen ‚innere und äußere Feinde‘ vorzugehen.
Dem Militärstrafrecht waren alle Militärangehörigen und Wehrpflichtigen unterworfen. Selbst für Wehrmachtshelferinnen wurde es zur Grundlage strafrechtlicher Verfahren gemacht. Gerichtsherr war immer ein militärischer Vorgesetzter – selbst der Volksgerichtshof konnte nur auf Anforderung dieses militärischen Gerichtsherren ein Verfahren übernehmen, wenn dieser meinte, dass militärische Aspekte nur in unerheblichem Umfang tangiert werden. Im Falle der Attentäter des 20. Juli 1944 darf man nicht vergessen, dass diese ja zuvor aus der Wehrmacht ausgestoßen waren und außerdem der oberste Gerichtsherr, Adolf Hitler, seine „Bitte“ zur Übernahme des Verfahrens durch den Volksgerichtshof auf gesetzlicher Grundlage äußern durfte – es handelte sich ja um ehrlose Zivilisten, die abzuurteilen waren und die militärischen Aspekte traten gegenüber dem Schutzbedürfnis von Volk und Reich zurück. Überdies dürfte das ohnehin vorhandene Misstrauen des „Führers“ gegenüber der Militärführung noch wesentlich verstärkt gewesen sein. Das galt dann auch für Militär- und Standgerichte sowie das neben den Feld- und Bordgerichten bestehende Reichskriegsgericht. Da war Freisler wohl eher aus dem rechten Holz geschnitzt.
Der Vollzug der Todesstrafe wurde im § 103 der KStVO wie folgt bestimmt: „Vollzug der Todesstrafe (1) Die Todesstrafe wird durch Erschießen, bei Frauen grundsätzlich durch Enthaupten vollzogen. (2) An Geisteskranken oder Schwangeren darf ein Todesurteil nicht vollzogen werden. (3) Der Gerichtsherr hat eine durch Erschießen zu vollziehende Todesstrafe — vorbehaltlich der Sonderbestimmungen für Kriegsgefangene (§75 Abs. 3) — unverzüglich nach Bestätigung des Urteils vollziehen zu lassen; Ort und Zeit werden nur den Stellen mitgeteilt, die mitzuwirken haben. (4) Zum Vollzug wird eine Abteilung von mindestens Zugstärke gestellt. Ob noch weitere Gruppen teilnehmen sollen, bestimmt der Gerichtsherr. (5) Ein Offizier, wenn möglich ein Stabsoffizier, leitet das Verfahren. Er bestimmt, wie der Ver-urteilte zum Richtplatz gebracht werden soll, ob er zu fesseln ist und ob ihm demnächst die Augen verbunden werden sollen. Er sorgt auch dafür, daß ihn, wenn dies möglich ist, ein Geistlicher seines Bekenntnisses begleitet. Auf dem Richtplatz liest, während die Abteilung mit „Gewehr über" stillsteht, ein richterlicher Militärjustizbeamter oder ein Offizier dem Verurteilten Urteilsformel und Bestätigungsverfügung, notfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers, vor. (6) Nachdem der Geistliche ein letztes Mal Gelegenheit zum Zuspruch erhalten hat, führen zehn Mannschaften, die in zwei Gliedern fünf Schritte vom Verurteilten entfernt aufzustellen sind, das Urteil auf Kommando oder Wink aus. Ein Sanitätsoffizier stellt den Tod fest. Der richterliche Militärjustizbeamte oder sein Stellvertreter nimmt über den Vorgang eine Niederschrift auf. (7) Soweit möglich, werden die Angehörigen des Verurteilten unverzüglich vom Vollzug benachrichtigt; auf Verlangen kann ihnen die Leiche zum Beerdigen freigegeben werden. (8) An Bord eines Kriegsschiffes leitet der Kommandant oder ein von ihm bestimmter Offizier das Verfahren. Er beachtet dabei, soweit die Verhältnisse es gestatten, die vorstehenden Bestimmungen über den Vollzug an Land. Die Leiche ist sofort ins Meer zu versenken.“
Da es für militärische Richtstätten keine technisch zu schaffenden Voraussetzungen gab, konnte die Vollstreckung der Todesstrafe an jedem beliebigen, dafür in irgendeiner Weise geeigneten Ort, stattfinden. Das Problem der Vollstreckung an weiblichen Verurteilten löste man dadurch, dass man in der 7. Durchführungsverordnung vom 18. Mai 1940 (RGBl. I, S. 787) die ausschließliche Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit für Wehrkraftzersetzung einschränkte und der Gerichtsherr andere Behörden „besonders bei Zivilpersonen“ um Übernahme der Strafvollstreckung ersuchen konnte. In der Folge wurden bei Todesurteilen dann Oberstaatsanwaltschaften um Übernahme der Strafvollstreckung ersucht, in deren Richtstätten die Enthauptungen vorgenommen wurden. Ab Ende 1942 wurden erstmals kriegsgerichtlich verurteilte Militärpersonen am Galgen getötet.
Für das Fehlen von Ortsangaben bei der Vollstreckung militärjustizlich veranlasster Todesurteile gibt es also zwei Gründe: - In der in § 103 Absatz 3 festgelegten Geheimhaltung und - der im gleichen § Absatz 5 nicht näher bestimmten Örtlichkeit des „Richtplatzes“, der sich, wie in Absatz 8 ausgeführt, ja auch an Bord eines in See befindlichen Kriegsschiffes befinden konnte.
Interessant wäre es für mich zu wissen, ob es Nachweise gibt, wieviele Wehrmachtsangehörige/Wehrmachtshelferinnen zum Tode im Einzugsbereich Magdeburg verurteilt und wieviele Urteile vollstreckt worden sind. Gerade auch über die Standgerichtsurteile zu Kriegsende würde ich gern mehr wissen, sofern bekannt. Wobei da sicherlich die Faktenlage sehr dünn sein wird. MfG Wirbelwind
Zur Vollstreckung der Todesstrafe habe ich eine interessante Information. In Bremen ist bis auf wenige Ausnahmen der komplette Aktenbestand über die Tätigkeit des dort seit 1940 tätigen Sondergerichts erhalten geblieben. Diese 536 Akten sind in einer Dokumentation publiziert: Der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.), Strafjustiz im totalen Krieg. Aus den Akten des Sondergerichts Bremen 1940 bis 1945. Bearbeitet von Hans Wrobel und Henning MaulBacker unter Mitarbeit von Ilka Renken. 3 Bände. Bremen 1989 – 1993. In 55 Fällen hatte das Sondergericht die Todesstrafe verhängt. 43 dieser Todesurteile wurden vollstreckt. 4 der Verurteilten verdankten ihr Leben einem Gnadenakt des Reichsjustizministers. Bei 5 Verurteilten verhinderte das Kriegsende die Vollstreckung, 2 Verurteilte nahmen sich das Leben. Ein Todesurteil wurde im Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben. Festgestellt werden muss, dass es bei den Verurteilten in keinem Fall um Wehrmachtsangehörige ging, da diese dem Militärrecht unterlagen (Kriegs- bzw. Standgerichte). Demnach wurde auch keine Hinrichtung durch Erschießen vollzogen. Und nun das Interessante: Die Todesurteile des Bremer Sondergerichts wurden regelmäßig in der U-Haftanstalt in Hamburg vollstreckt, gelegentlich auch in Bützow-Dreibergen, Wolfenbüttel oder Magdeburg. Die Leichname übergab man der Anatomie. Die Totenscheine wurden ordnungsgemäß in die Vollstreckungshefte eingeheftet. Es gab also in Magdeburg eine Hinrichtunsstätte mit einem Fallbeil.
Gut möglich und sehr wahrscheinlich. Es wurde ja keine besondere Baulichkeit gefordert. Wie man in der Broschüre über Rudolf Gerngroß auf Seite 106 sehen kann, stand so ein Ding im Freien auf dem Hof.
Hallo, interessant, Hugo, was Du da schon mal wieder ausgebuddelt hast. Auch wenn es sich nicht um Militärpersonen handelt, so wäre es doch auch wissenswert, wieviele Todesurteile per Fallbeil während der Kriegszeit in Magdeburg vollstreckt wurden. In Wolfenbüttel wurde 1946 übrigens das Todesurteil gegen den ,,Hauptmann" Willi Herold vollstreckt. MfG Wirbelwind
Habe da nochmal ein bißchen was gefunden: Zunächst die Kriegssonderstrafrechtsverordnung vom August 1938 (!) in einer späteren Fassung von 1940. Hiermit wird das Militärstrafgesetzbuch von 1898 ersetzt.
Die Kriegsereignisse, auch das Ende des Blitzkrieges und Niederlagen machten nicht unbedingt die Moral in der Truppe besser. Also mußte per Gesetz nachgebessert werden.