handgeschriebene Zeugenbefragung von Magado #14 bis 20 in niedergeschriebene Reinschrift in einer Seite komplett als Nirderschrift wiedergegeben.
Zeitzeugen: Frau Elisabeth Weigelt, geb. Mewes, Jg. 1927 Domersleben Frau Siegrid Kramer – G. Hauptmann – Str. 16 39164 D.
Domersleben Gespräch in der Heimatstube 25.3.13 mit H. Menzel
Zum politisch-gesellsch. Leben in Domersleben: E.W. Jg.27 war damals überhaupt nicht richtig polit. Organisiert (nicht in der Kückengruppe), da die Familie (Großvater) eine große Landwirtschaft besaß, war immer viel zu tun und auch für uns Kinder. Da war für die NS-Org. eigentlich keine Zeit. Meine Mutter arbeitete dort und mein Vater war Maurer. Wir wohnten auch von 1926-1933 beim Großvater auf dem Hof. Aber es kam zu Spannungen zwischen meinem Großvater und meinem Vater. So zogen wir bei ihm aus. In Domersleben war ein Viehhändler gestorben und mein Vater übernahm dort die Schweinehandlung. So war ich als Kind immer zu Hause. Auch bin ich in keinen Kindergarten gegangen. Erst später trat ich in die Org. Jungmädel ein. Das ließ sich nicht vermeiden. Das war so 1937, als ich 10 Jahre war. Die Hauptbeschäftigung war da Singen und Sport, und wenn mal jemand vom Bund aus Wanzleben kam, dann wurden auch mal politische Themen, gut kaschiert, besprochen. Im Ort wurden auch oft Spenden gesammelt, Winterhilfsdienst usw. Siegrid Kramer: Mein Vater hatte über die NSDAP mit Frau Köhne, Kleider für Winterhilfswerk gesammelt, auch Sachspenden aller Art. Es wurden auch Geldspenden mit der Sammelbüchse gesammelt in Domersleben fast jeden Samstag. Dafür gab’s kleine Ansteckblumen oder zu Weihnachten solchen Schmuck. Meist kosteten diese kleinen Dinge 20 Pfennige (Spende). E.W.: Mein Vater kassierte Beiträge im Ort Domersleben. Unsere Familie wohnte immer am Ortsrand Domersleben, zuerst Unter den Linden, dann neben Dieter Braune im vorletzten Haus und heute im allerletzten Haus. Da bekam man als Kind eigentlich nicht mit vom politischen Leben Domersleben. Bei den Jungmädels bekam ich Elisabeth Weigelt (Mewes damals) dann noch die Funktion einer Schaftsführerin. Aber ich nahm das nie sogenau und wurde dafür öfters kritisiert. Meine Mutter war krank und Vater wurde 1941 Soldat, da hatte ich oft keine Zeit, musste ja viel helfen. Schließlich hatten wir 16 Morgen Acker zu bewirtschaften. Und ein Pferd musste auch noch versorgt werden. Hier in Domersleben war von der Flak nur ein Scheinwerfer. (E:W: und S:Kr.). Oben beim Scheinwerfer und bei uns in der Sandkuhle ist mal einige Bomben gefallen. Die Kirche war durch einen Bombensplitter getroffen worden, richtete kaum Schaden an. Flakgeschütze gab’s dann bei Schleibnitz. Wenn MD oder Berlin angeflogen wurde, zogen Bomberverbände auch über Domersleben hinweg. (S:Kr.) Wir standen auf dem Hof und schauten über die Scheune hinweg und sehen über MD die Weihnachtsbäume stehen in der Nacht. (E.W.) Ein richtiger Luftschutzbunker stand bei uns vor der Tür in der Graube, wo Siewbaks jetzt wohnen. Der war ausgegraben worden (Splitterschutzgraben mit Holzverbau). Unser Kriegsgefangener Franzose musste da mit helfen beim Bau. Wie gingen da bei Fliegeralarm nie rein. Wir saßen unten auf der Treppe im Haus. Von Domersleben war auch das Inferno MD 16.1.45 zu sehen. Der ganze Himmel war rot über MD und flackerte. Vorher suchten Scheinwerfer nach den Bombern und kurz darauf schwebten auch schon die Weihnachtsbäume herunter. Bei Domersleben war dann das Krachen der Bomben zu hören. (S. Kr.) Mein Opa z.B. ist an dem tag nach MD gegangen mit Handwagen, wir hatten hier in Domersleben einen Kolonialwarenladen. Er wollte Ware holen. Der kam aus MD nicht mehr zurück. Er ist dort nach dem 16.1.45 spurlos verschwunden. Später stellte man aber ein Totenschein aus, ohne ihn je gefunden zu haben. (E.W.) Von Feldmanns die Schwägerin ist auch in MD in dieser Schreckensnacht ums Leben gekommen. 11.4.45 Feindalarm auch in D. Die Amerikaner rückten an. (S. Kr.) Wir waren mitten in der Plantage und arbeiteten dort. Da kam aus D. einer gelaufen und rief: schnell nach Hause, über den Seeberg kommen schon die amerikanischen Panzer. Das war am 12.4.45. Also rannten alle nach Hause, rein in die Keller und abwarten was da kam. (E.W.) Wir wohnten ja genau an der Straße in die, die Amerikaner ins Dorf kamen. So wurden am Ortsrand die Häuser von den Amerikanern besetzt. Auch unser Haus. Wir mussten die Stube räumen. Neben an in der Stube wohnten bei uns damals bereits Flüchtlinge. Sie zogen mit auf den Heuboden. Wir nehmen all das nötigste mit hoch, was man so brauchte. Heimlich bin ich dann immer in den Keller gegangen, wo wir eine Grube und einen Herd hatten um was zum Essen zu kochen. Die Amis konnten das nicht sehen. Die Amis wohnten in der Stube. Unser franz. Kriegsgefangene bekam von seiner Frau übers Rote Kreuz immer Pakete. So auch zu dieser Zeit. Immer wenn er ein Paket bekam, versorgte er im Stall erst das Pferd und dann packte er erst das Paket aus. Das machte er meist oben bei uns, denn er aß bei uns am Tisch. (S. Kr.) Auch wir hatten drei Polen (Fremdarbeiter), für die mussten wir extra eine Küche oben einrichten. Die sollte sich alleine bekochen. Auch die aßen bei uns unten weiterhin in unserer Küche. Aber es musste (Vorschrift) getrennt geschehen. (E. W.) Es muß Ende 1943 gewesen sein, wir waren bereits fertig mit Essen, Mama und ich, (der Franzose war noch beim essen da klopfte es draußen an der Tür. Mama nahm unsere Teller und stellte sie schnell ins Nachbarzimmer (Stube) auf den Tisch. Da stand Fritz Graßhoff vor der Tür (Bürgermeister) und einer in Uniform. Mutter öffnete und beide gingen in die Küche und sprachen mit dem Franzosen. Der ließ sich nicht stören und aß weiter. Fritz Graßhoff sagte zum uniformierten (NSDAP): dass ist ein Franzose, der versteht Sie nicht… Antwort: „Was, der sitzt bei Ihnen am Tisch?!“ Geistesgegenwärtig sagte Mama, nein, wir haben doch vorher allein gegessen. –Na guckense, ich hab doch das Geschirr noch in der Stube stehen. -Dann gingen die wieder los. Als die Amis dann in D. waren, waren wir natürlich erstaunt als wir zum erste Mal einen schwarzen sahen. Die waren aber sehr Kinderlieb und verteilten Schokolade, Bonbons, Kaugummi. (S. Kr.) Die Kommandantur befand sich im alten Kindergarten D. gegenüber Oas. (E.W.) Unser Franzose hatte in unserer Stube unter dem Sofa seine Pakete, die er von seiner Frau bekam, zu stehen. Als dann die Amis in unserer Stube waren, fanden sie die Pakete. Die haben dann die dicken Bisquits raus genommen und aufgegessen. Stattdessen legten sie getrocknete Pflaumen von ihrer Marschverpflegung in die Pakete. (S. Kr.) Die Amis haben um Domersleben bald das ganze Wild abgeschossen um sich selber damit zu versorgen. (E. W.) An dem Tag, als die Amis kamen (12.4.) sind die Panzer durch Domersleben gefahren. Das waren aber nicht viele. Die kamen über den Seeberg. Als die ersten Amerikaner am Ortsrand auf unser Grundstück kamen und hielten (ehem. Regenwasserbassin), hatten Sie ein Zeichen gemalt (Hier soll Besatzung rein). Und als die ersten wieder weg waren, da hat unser Franzose Paul einen Ackerwagen raus geschoben und genau vor dieses Zeichen gestellt, so dass, das nicht mehr für die anderen Amis sichtbar war. Die ersten Russen sahen wir vom Hause aus durch Domersl. Mit Panjewagen und Viehherden durchziehen (1.7.45). Ich hatte nach dem 1.7.45 eine Ausbildung in der landwirtsch. Schule Wanzleben begonnen. Das waren zwei Winterhalbjahre. Ich war gerade 40 Wochen dort. Da haben die Russen wieder Leute einkassiert (NKWD). Ich war aber zu der Zeit in Domersleben und bekam Bescheid, zu Lases haus zu kommen. Da waren bereits einige Leute aus D. dort wie z.B. Konrad Wasserthal usw. Die wurden bereits von russ. Offz. Verhört. Mädels waren wir nur zwei dorthin bestellt, Brigitte und ich. Nach einer Weile war nur noch ich übrig. Da die anderen bereits weg waren, wurde ich als letzte festgehalten und zum Fabrikhof ins Büro gebracht (Lömpkes Hof –Großgrundbesitzer-). Herr Lömpke kam ins Büro und fragte, ob er noch was für mich machen könne. Ich zuckte nur mit den Schultern, denn ich wusste noch immer nicht, was ich da sollte. Da ich nicht nach Hause konnte, brachte meine Mutter mir noch einen Mantel. Am nächsten Morgen ging’s dann los zu Fuß, 8-10 Leute aus Domersleben, Richtung Oschersleben unter Bewachung. Dort wurden wir in der Bodeta-Fabrik untergebracht. Wieder war Warten angesagt…..Im Keller waren Holzgestelle -Doppelstockbetten- aufgebaut worden, wo wir übernachteten. Am nächsten tag kam ein Russe runter rief: „Fräulein komm!“
Der brachte mich quer durch den angrenzenden garten zu einer mauer. Da standen dann meine Mutter und der Großvater. Die waren mit Pferd und Wagen hinterher gefahren Die hatten Zigaretten und Schnaps mitgebracht, die hat mama dem Russen gegeben. Aber ich durfte trotzdem nicht nach Hause. Später hieß es alle raustreten. In der Fabrik war nur eine Sammelstelle. Wir wurden auf einen offenen LKW verladen. Und dann ging’s los. Werni Freke, der in Ottersleben beim Bäcker arbeitete, der hat mich noch auf dem LKW gesehen. Die Fahrt ging dann nach Tangermünde und worden oben auf der Burg untergebracht. An Männern waren da auch Herbert Peine dabei. Am anderen Morgen kann ein Russe und teilte mich zum sauer machen ein. Ich machte im Zimmer des Dolmetschers sauber. Und der fragte mich, weshalb ich hier sei. Wenn ich das wüsste? Haben Sie einen Posten bei den Nazi’s gehabt? Nee, ich war bei den Jungmädels nur Schaftsführerin für Mädchen ab 10 Jahre. Na Kommandant kommt gleich! Es dauerte auch nicht lange, da kam der Offz. Der mich dann auch befragte. Was haben Sie bei den Jungmädels gemacht? Ich sagte ihm, dass wir nur Sport betrieben und sonst nicht’s. Habt Ihr da auch gesungen „Ruski Schweinehund“? Ich sagte, solche Lieder kenne ich nicht. Er kramte in meinen Papieren rum und fragte dann: Ist das ihr Ausweis? (Das war der Ausweis als ich Rotkreuzhelferin war).Bitte schön… gab mir den Ausweis und die 2 Mark die ich noch hatte, zurück. „Sie sind entlassen!“ Schließlich bin ich von Tangermünde mit dem Zug nach MD gefahren. Leute haben mir noch 5 Mark gegeben um mir einen Fahrschein zu kaufen. Die polnischen Fremdarbeiter in Domersleben waren in den Schnitterkasernen untergebracht (in der heutigen G. Hauptmann Str. Gut Lömpkes) und in der Wanzlebener Straße (Gut Köhne). Die waren dort untergebracht, arbeiten mussten sie aber auf den Bauernhöfen. Die Fremdarbeiter beider Unterkünfte bestahlen sich gelegentlich gegenseitig (Wäsche usw.). beaufsichtigt wurden die Polen durch die polnische Familie Sachon (von Lömpkes eingestellt). Als der Krieg aus war, wurden die Fremdarbeiter mit dem Trecker auf einen Hänger nach MD gefahren zu einem Zug, der Sie in ihre Heimat bringen sollte.