Eine Truppenschau unter Friedrich dem Großen auf dem Pietzpuhler Felde bei Burg Von Friedrich Kausch
Im Jahre 1848 verstarb auf seiner Besitzung Carwe bei Ruppin der Generalfeldmarschall von dem Knesebeck. Wer kennt heute noch den Namen! Und doch verdient dieser Mann es, nicht ganz vergessen zu werden. Auf s e i n e Veranlassung wurde Scharnhorst zum preußischen Heer berufen, s e i n e Denkschrift vom Jahre 1803 über die Bildung einer Landwehr wurde der späteren Heeresreform zugrunde gelegt. Er war es vor allem aber, der den Plan zur Vernichtung Napoleons in Russland im Jahre 1812 entwarf und dem Kaiser Alexander dazu bewegte, die Pläne seiner eigenen Generäle beiseite zu legen und nach Knesebecks Vorschlag zu verfahren. Knesebeck ist es also gewesen, der den Grund zu Napoleons Niedergang und Europas Befreiung legte. In seinen Lebenserinnerungen erzählt nun der Achtzigjährige, wie er als kleiner Fahnenjunker auf der Pietzpuhler Heide vierzehnjährig den Großen König sah: Die Inspektion des General von Saldern, der zugleich Gouverneur von Magdeburg war, bestand, wie Knesebeck berichtet, aus sechs Infanterieregimentern und vier Kavallerieregimentern. „Diese Truppen bezogen jedes Frühjahr ein Lager der unweit der Dörfer Pietzpuhl und Körbelitz … gelegene Heide, und Friedrich hielt Revue über sie… Sein Quartier nahm er in einem kleinen Häuschen am Nordwestrande des Dorfes Körbelitz. Gegen die Zeit, da er ankam mussten die Truppen … aufmarschiert stehen und ihn erwarten. … Es war ein herrlicher Frühlingstag, die weite Heide mit Zuschauern zu Wagen und zu Pferde überdeckt… Da sah man eine dicke Staubwolke in der Ferne, die sich uns nahete – und stiller ward es, je näher sie kam. Es war Friedrichs Wagen; bei Körbelitz angelangt, hielt er. Der König stieg zu Pferde. Es war ein ungeheuer großer Schimmel, ein Engländer, den er dies Jahr noch ritt. So wie er zu Pferde war, setzte er es gleich in Galopp, sodaß bei dem weitausgreifenden Tier das ganze Gefolge hinter ihm Carriere ritt. So kam der 70jährige Greis. Ungefähr 30 Schritt vor der Linie parierte er zum Schritt, nahm das Augenglas, sah die Linie von weitem hinunter, ob Alles gut gerichtet war, - und es hielt dicht vor uns Junkern ein kleiner alter Mann mit ungeheuer großen Augen und durchdringendem Blicke. Den Krückstock auf den rechten Fuß im Steigbügel gestemmt, frug er nun jeden Fahnenjunker… Zu dem Ersten: „Wie heißt Er?“ – „Hilitan , Ew. Majestät!“ … Der Zweite hieß Hauteville… Der Dritte hieß Brösike. Als der König seinen Namen hörte, sagte er bloß: „Er ist aus der Mark“ und gleich zum folgenden: „Wie heißt er?“ – „Suhm, Ew. Majestät“. Der König: „Sein Vater ist der Postmeister?“ – „Ja, Ew. Majestät.“ – Der König: „Wenn sein Vater nicht 4000 Taler hat, soll er an mich schreiben.“ Der Vater des Suhm war nämlich schwer blessiert, wenn ich nicht irre, hatte er beide Beine verloren, hatte die Stelle als Versorgung erhallten…Nun kam die Reihe an mich. „Wie heißt er?“ – „Knesebeck, Ew. Majestät.“ – Was ist Sein Vater gewesen?“ – „Lieutnant bei Ew. Majestät Garde.“ Der König: „Ach d e r Knesebeck!“ und mit ganz veränderter, teilnehmender Stimme, gleich zwei Fragen hintereinander an mich richtend, fuhr er fort: „Wie geht es Seinem Vater? Schmerzen ihn seine Blessuren noch?“ Mein Vater war nämlich bei Kollin schwer blessiert und quer durch den Leib und Arm geschossen. „Grüß Er doch Seinen Vater von mir!“ Und als er sich schon wenden wollte, noch einmal sich umsehend, und den Zeigefinger der rechten Hand, an welcher der Stock baumelte, emporhebend und mich noch einmal ansehend, sagte er mit gnädiger Stimme: „Vergesse Er es mir auch nicht!“ Seitdem sind 65 Jahre verflossen und ich habe diesen Gruß, der gleich bestellt wurde und noch weniger die Stimme vergessen, mit welcher er gesprochen wurde… Als nun am zweiten Revue-Tage wie gewöhnlich die Retraite en echecquier gemacht wurde, ereignete sich bei unserem Bataillon…, welches Oberst von Kleist zu Fuß führte, folgende höchst charakteristische Szene. Das zweite Treffen hatte sich durch unseres durchgezogen, als ein Adjutant des Königs … in Carriere vorbeigejagt kam und Kleist im Vorbeisagen zurief, auf der Hut zu sein, er brächte der ganzen Cavallerie den Befehl, sein Bataillon sogleich anzugreifen. Ihm folgte bald darauf der König selbst um den Flügel des Bataillons herumreitend nach der Mitte des dritten Gliedes, wo wir Fahnenjunker bei der Retraite zwölf Schritt vor der Linie im Rückmarsch begriffen waren. Ein Cavallerie -Regiment machte einen wüthenden Choc auf uns. „Bataillon, Halt! – Front! – Cavallerie – Feuer!“ Der zweite und vierte Zug wurden attaquirt. Kaum war wieder geladen, so wurden andere Züge angegriffen. Die Vertheidigung geschah ebenso. Der König, der hinter der Front stand, observierte mit dem Augenglas Alles scharf und sagte nichts. Kleist glaubend, der Angriff sei abgeschlagen, commandierte: „Kehrt! - Marsch! -“ um den Rückzug fortzusetzen. Wie waren noch nicht fünf Schritt marschiert, so war die Cavallerie wieder da. „Front! – Cavallerie – Feuer!“ Alles ging in größter Ordnung und Friedrich sagte nichts. Als wir den Rückzug fortsetzen wollten, kam die Cavallerie noch in größeren Massen. Es wurden nun nicht mehr einzelne Züge sondern das ganze Bataillon auf einmal angegriffen. Kleist commandierte: „Mit abwechselnden Zügen chargiert!“ Und während dies vorfiel, schob der König uns Fahnenjunker gewiß über 30 Schritt vor der retirierenden Linie vor und befahl: „Ausgetreten! Macht, daß ihr aus dem Spiel kommt!“ Wir, wie die Kiwitte über die Erde fort, waren gewiß schon 50 Schritt vor dem Bataillon, als Kleist, dies gewahr werdend, von rückwärts rief: „Aber wo will der Teufel die Junkers hinhaben? Wollen Sie kurz treten bis das Bataillon heran ist!“ Nun erhob sich ein förmlicher Commandozank zwischen dem König und Kleist. Der König: „Aber Herr, was will Er! Mache, daß er aus dem Spiel kommt! Aber Herr, Er ist en Windbeutel, - die Junkers vorwärts!“ (Uns bei den Fahnen fortreißend) Kleist: „Die Junker kurz getreten, bis das Bataillon heran ist!“ Und so ging der Zank fort, bis die Cavallerie abermals in Masse einen neuen Choc machte und endlich der König den Befehl schickte, die Cavallerie solle aufhören anzugreifen. Wir waren durch diese Attaquen nun gewiß über 1000 Schritt hinter der retirierenden Linie zurückgeblieben und Kleist eilte jetzt, nachzukommen. Das Bataillon war indeß in großer Ordnung geblieben. Der König ritt nun um das Bataillon herum zu Kleist, und wir dachten alle, er würde ihn zum wenigsten in Arrest schicken oder gleich verjagen; - aber, was geschah! – „Kleist, Er hat seine Sache gut gemacht!“ waren die Worte, die er laut zu ihm sprach. Der Rückzug des Bataillons wurde nun fortgesetzt und der König blieb bei demselben. Salder ebenfalls. Letzterer bemerkte, daß bei einem Bataillon vom Regiment Knobelsdorf aus Stendal einige Unordnung herrschte und hatte, so daß es der König nicht merken sollte, auf einem Umwege einige seiner Adjutanten hingeschickt; dem König war es nicht entgangen und als wieder Einer fortritt, sagte er ganz laut, so daß wir Alle es hörten: „Saldern, lasse Er das Regiment, die haben niemals retirieren gelernt, aber avanciert haben sie immer gut!“ Und nannte ihm mehrere Schlachten, wo sie immer gut avanciert hätten.“
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