#1 RE: Schermen- Kriegsende von MAGADO-2 14.05.2013 08:58

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SS-Scharführer Erdmann ermordet eine Gruppe polnischer Zwangsarbeiter bei Schermen, am 3. Mai 1945

Neubearbeitung von Helmut Menzel
Das faschistische Deutschland, das sich seit 1939 im Krieg befand, war am Zusammenbrechen. Die faschistische Führung versuchte jedoch mit allen Mitteln, den Zusammenbruch noch aufzuhalten. Ja man glaubte sogar das Blatt noch wenden zu können. So sind alle noch verfügbaren wehrfähigen Männer in den Volkssturm gepresst worden. Die Stimmung in der Bevölkerung war noch nicht in allen Kreisen auf dem Nullpunkt. Das beweisen zahlreiche Erinnerungsberichte. Aber der Unwille zur Weiterführung des Krieges war erkennbar. Sehr häufig waren in den letzten Kriegstagen Standgerichte aktiv, mit Erschießungen und Aufhängungen, um einzelne Wehrmachtsangehörige an Desertationen zu hindern und die Zivilbevölkerung einzuschüchtern.
In Schermen, einem kleinen Ort bei Burg, war die Situation nicht anders. In der Bevölkerung gab es auch hier Kräfte, die den Krieg mit allen Mitteln weiterführen wollten. Unterstützt wurden diese Kräfte durch auf der Flucht befindliche oder versprengte Wehrmachts- oder SS-Verbände.
In Schermen befanden sich auf vielen Gehöften versprengte SS- und Wehrmachtsgruppen. Die Dorfbevölkerung wurde von ihnen sogar drangsaliert. Es wurden Lebensmittel kurzerhand requiriert. Die Schermener verhielten sich aus Angst passiv gegenüber den SS-Leuten und waren deshalb sehr oft mit Hass erfüllt. Ebenfalls befanden sich in Schermen sehr viele Fremd- und Zwangsarbeiter.
Frau Gotzel berichtete, dass sehr viele Trecks polnischer Fremdarbeiter durch Schermen zogen und von den Dorfbewohnern und sogar von den Fremdarbeitern, die auf Schermener Höfen arbeiteten, mit Lebensmitteln versorgt wurden.

Frau Felux erinnerte sich, dass in den letzten Apriltagen eine Gruppe polnischer Fremdarbeiter aus einem Magdeburger Rüstungsbetrieb nach Schermen gebracht wurde.
Frau Nattrodt ergänzte, diese Fremdarbeiter seien nach Schermen gebracht worden, um hier und in der Umgebung Panzersperren gegen die nahenden amerikanischen und sowjetischen Truppen zu bauen. Diese Fremdarbeiter waren auf dem Grundstück Beckmann untergebracht. Frl. Beckmann, heute Frau Nattrodt, versorgte sie heimlich mit Lebensmitteln.





Aufgrund der sich zuspitzenden Verhältnisse und der drohenden Niederlage des nationalsozialistischen Regimes, ließen einige SS-Angehörige ihre Wut und ihren Hass an den polnischen Fremdarbeitern aus. Der SS-Scharführer Erdmann trieb mit Unterstützung des Wehrmachtsangehörigen Müller die zu Schanzarbeiten hier her gebrachten Fremdarbeiter nach ihrem Einsatz zusammen. Jetzt sollten sie erschossen werden.
Erdmann war etwa 32 - 34 Jahre alt und mittelgroß. Sein Heimatort wurde mit Wien angegeben. Allein durch sein arrogantes Auftreten waren die Menschen in Schermen sehr stark eingeschüchtert.
Frau Grotius, die an diesem Tage im Dorfe zu tun hatte, wurde auf die zusammengetriebenen Polen aufmerksam. Erdmann hielt sich zu dieser Zeit in der Schermener Gaststätte auf. Frau Grotius ging in die Gaststätte und forderte Erdmann auf: „Lassen Sie die Polen frei. Es ist eine Sünde, sie zu erschießen. Versorgen Sie die Polen mit Lebensmitteln." Erdmann, der zu dieser Zeit in Begleitung zweier Nachrichtenhelferinnen war, zog seine Pistole und fuhr Frau Grotius an: „Verschwinde, sonst wirst Du mit erschossen." Daraufhin, berichtete Frau Grotius, verließ sie ebenfalls eingeschüchtert den Raum und fuhr nach Hause.
Frau Nattrodt teilte weiter mit: „Erdmann verließ daraufhin die Gaststätte und forderte einen Soldaten auf, mit ihm die Erschießung vorzunehmen. Dieser Soldat weigerte sich mit den Worten: „Ich will mich mit anderen Taten rühmen, als wehrlose und Unschuldige zu erschießen." Erdmann und Müller trieben dann die polnischen Fremdarbeiter zur Erschießung. Unter den Polen sollen sich Juden befunden haben, weiterhin ein 12 -13 Jahre altes Mädchen und ein Arzt.
Auf ihrem Weg durch Schermen wurden Erdmann und Müller von den Schermener Bürger Herrn Stuter und seiner Frau angesprochen, berichtete Frau Felux weiter. Sie versuchten Erdmann zu beschwichtigen und baten ihn, die Fremdarbeiter nicht zu erschießen, da der Krieg doch bereits verloren sei. Erdmann antwortete darauf: „Kein Wort von Barmherzigkeit, sonst kommt ihr mit."
Erdmann und Müller trieben die Gruppe der zehn polnischen Fremdarbeiter mit Kolbenschlägen und Hunden in die Nähe der Autobahn zum so genannten „Schacht". Der Schacht war eine Kiesgrube.
Herr Förster berichtete, dass sie auf den Weg dorthin Erdmann um Gnade baten. Das Mädchen weinte und flehte Erdmann an, alle freizulassen. Erdmann ließ sich nicht nicht erweichen.
Frau Krüger berichtete, dass Erdmann auf dem Wege zum „Schacht“ zwei Unteroffiziere beauftragte, an der Erschießung teilzunehmen. Auch sie weigerten sich, diesem Befehl Folge zu leisten. Erdmann drohte ihnen: „Mit euch rechne ich später ab."





In der Sandgrube wurden die Fremdarbeiter dann von ihnen erschossen und notdürftig verscharrt.

Herr Förster informierte, dass die Bürgerin Neuendorf aus Schermen Augenzeuge der Erschießung war. Nach der Erschießung kam Erdmann zu ihr, er forderte sie auf, mit ihm zu feiern. Frau Neuendorf lehnte dies aber entrüstet ab.
Erdmann und Müller verließen nach dieser Bluttat zusammen mit anderen Wehrmachtsangehörigen Schermen und versuchten, in Richtung Elbe zu fliehen, um in amerikanische Kriegsgefangenschaft zu gelangen. Müller wurde dabei von seinen eigenen Leuten erschossen, weil er einen Befehl mit Waffengewalt durchsetzen wollte, teilte Frau Nattrodt zum Abschluss mit.
Im Spätsommer 1948 wurden die zehn Leichen der ermordeten Fremdarbeiter exhumiert, in Särge gelegt und zum Friedhof Schermen überführt.

Die Gemeinde Schermen pflegt heute noch die Grabstätten der Ermordeten. Zum 40. Jahrestag der DDR wurde am Ort der Ermordung eine Gedenkstätte durch Schüler der EOS „Geschwister Scholl“ in Burg, durch die Staatliche Forstwirtschaft Detershagen, den Rat der Gemeinde Schermen und der LPG (P) Burg errichtet. Der ehrenamtliche Denkmalpfleger Klaus Möbius leitete das Entstehen.
1974/1975 hatte eine Arbeitsgruppe der Klasse 9b der POS „Hermann Matern“ aus Burg den Auftrag zur Erforschung dieses Massakers vom Kreiskomitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer erhalten.
Diese kleine Forschungsarbeit brachte 1975 Licht ins Dunkel und entriss diesen Nazimord dem kollektiven Vergessen.
Zeitzeugenbefragungen und Erarbeitung der Dokumentation unter der Leitung von Herbert Gräb, durch Dagmar Knobloch, Peter Strotmann, Frank Zarsky, Axel Thiem und Gerald Huhn.


Quelle: Bericht zum Forschungsauftrag… AG, Kl. 9b, POS „Hermann Matern“ Burg, 1975
Neufassung Axel Thiem, 1997.

#2 RE: Schermen- Kriegsende von MAGADO-2 17.05.2013 09:34

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Schermen von 1933 bis zum Kriegsende

Aus der Gemeindechronik Schermen, 1975

1933 begann jene Periode der deutschen Geschichte, die wohl als die dunkelste und unrühmlichste Zeit gilt.
Bürgermeister wurde nach Herrn Sander und Herrn Segebrecht der Bauer Herr Schopp.
Die Ortsgruppe der SA verhaftete die bekannten Mitglieder der KPD im August 1933. Verhaftet wurden Gustav Müller, August Geue, Willi Geue und Albert Hahn. Während die Mitverhafteten Karl Welner und K. Lüdecke, die nicht der KPD angehörten freigelassen wurden, wurden die anderen des Hochverrats angeklagt und bis zum April 1934 im Burger Gefängnis und im KZ Brandenburg eingesperrt. Nach ihrer Entlassung standen sie unter ständiger Afsicht und Beobachtung. Zu dieser Zeit begann jene Germanisierung, das Ariertum und der furchtbare Krieg der auch das deutsche Volk durch Chauvinsmus, Rassenwahn und Größenwahn ins Verderben stürzte. Unermessliches Leid brach auch über unseren kleinen Ort herein. Und während sich einige unter den Einwohnern von Schermen sich vom siegreichen Feldzug, vom genialen Blitzkrieg berauscht den NS-Regime vertrauten, rüsteten sich im Osten die Völker der SU und im Westen die Briten und Amerikaner um das faschistische Regime zu zerschlagen.
(Anmerkung: In den letzten Kriegstagen hatte Schermen auch deutsche Wehrmacht im Dorf. Von weitem hörten die Einwohner das Artilleriegetöse an der Elbe und sahen Granaten bis nach Pietzpuhl fliegen. Fremdarbeiter auf den Bauernhöfen ersehnten endlich ihre Freiheit. Vor den Sowjetstreitkräften zuckweichende deutsche Truppen fluteten wieder durch Schermen, um an der Elbe in amerikanische Gefangenschaft zu gehen, gefolgt von Ostflüchtlingen. Der Krieg ging hier an der Elbe zu Ende, H. Menzel)
Bald wussten alle Bürger ehrlichen Herzens, dass die sowjetischen Soldaten, die am 6. Mai aus Richtung Pietzpuhl kommend, Schermen erreichten, nicht nur die ruhmreichen Bezwinger des faschistischen Regimes waren, sondern den Sozialismus in den Ort brachten… Die zentrale Leitung unseres Ortes oblag am Anfang der Amtsbürgermeisterei Möser, unter dem Kommunisten Taeger, später Klingeberg. Erster Ortsbürgermeister wurde Gustav Müller.
(Der Auszüge aus der Chronik wurden auf den Sachverhalt bezogen geringfügig verändert)

Nachstehend, ein Volksstimmeartikel vom Februar 1952, zu den Ereignissen des Kriegsendes in Schermen - ebenfalls als Abschrift in der Schermener Chronik.

Anfang Mai 1945… Chaos…Vernichtung… An der Autobahn bei Schermen steht einer der letzten Auffangposten der Wehrmacht, der dem wahnsinnigen Befehl folgeleisten musste, alle Soldaten, die dem Grauen und dem Tod vor Berlin entronnen sind, noch einmal in die Hölle zurückzuschicken. Erbarmungslos wird befohlen, neue Haufen werden zusammengestellt, die das tausendjährige Reich zwischen Havel und Elbe noch retten sollen.
Alles ist in Aufregung! Sowjetische Truppen haben Ziesar erreicht, amerikanische Soldaten beschießen die Bewohner von Hohenwarthe, die im Widerlager des Kanalpfeilers Schutz gesucht haben. Endlose Flüchtlingskolonnen ziehen an der Elbe entlang. Zahlreiche ausländische Arbeiter in den Arbeitslagern der großen Rüstungskonzerne in Magdeburg hoffen auf die langersehnte Freiheit – die letzten Überlebenden der grauenhaften Konzentrationslager wurden durch unseren Kreis getrieben, der Freiheit entgegen. Das ist der Schein der großen Hoffnung, der den matten Augen der jahrelang Gequälten neuen Glanz gibt.
So mancher Häftling in Holzschuhen und gestreiftem Anzug mit der in den Arm eingebrannten Kennummer bricht vor Entkräftung zusammen und bleibt am Wege liegen. Stumme Gräber zeigen noch heute den Leidensweg an. Zwischen Parchau und Ihleburg mahnt ein schlichtes Kreuz. Tausende waren von der Gestapo nach Deutschland als Zwangsarbeiter transportiert worden.
Eine Gruppe ausländischer Arbeiter wurde bei Schermen von SS-Streifen aufgegriffen. Einige haben die Schreckenslager von Oranienburg, Sachsenhausen oder Buchenwald überstanden, andere kamen aus den Arbeitslagern Magdeburger Rüstungsbetriebe. Die Waldgebiete zwischen Pietzpuhl, Madel und Schermen sollten als Unterschlupf für die letzten Stunden dienen. Sie hatten inzwischen erfahren, dass die Befreiung nahe sei, die Sowjetarmee schon in nächster Umgebung wäre.
Von einer Streife gestellt und zusammengetrieben mussten diese Menschen nun ihr eigenes Grab an der Autobahn schaufeln und wurden dann niedergeschossen.
16 ausländische Zwangsarbeiter und KZler mussten hier durch die Kugeln einiger Irregeleiteter ihr Leben lassen und wurden verscharrt.
Am Tage der Opfer des Faschismus 1948 konnten dann diese Toten unter starker Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Friedhof in Schermen würdig bestattet werden. Sie sollen uns allen Mahnung sein, dass nie wieder Völkermord und Völkerhass über unschuldige Menschen hereinbricht.

#3 RE: Schermen- Kriegsende Massaker von MAGADO-2 17.06.2016 09:36

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So, hier ist es, brauch kein neues Thema eröffnen, ist schon da

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