Berlin, 13. Juli 1844. Vor einigen Tagen ist von Seiten des Generalcommando's des Gardecorps an die betreffenden commandirenden Offiziere und Militärbehörden der Befehl ergangen, keinem Soldaten vom Feldwebel abwärts zu gestatten, Mitglied eines Mäßigkeitsvereins zu werden, indem die Gesetze dieser Gesellschaften den Genuß eines Getränkes verbieten, welches bis jetzt noch nach der höchsten Anordnung zu gewissen Zeiten, namentlich bei den Manövern, Lagern und Bivouacs, auch an gewissen feierlichen Tagen, als Siärkungs- und Erquickungsmittel regelmäßig den Truppen verabreicht wird. (Hamburger Correspondenz-Blatt)
Hygienische Pflichten hatten die Soldaten nur in sehr rudimentärer Weise. Da in der Öffentlichkeit auch mehr auf Helmbüsche, Orden und Uniformstickereien geachtet wurde, will ich hier einen Blick auf das "darunter" ermöglichen. Als Hinweis möchte ich noch bemerken, dass das "Darunter" unter dem Waffenrock bedeutet, denn Unterhosen gehörten z. B. nicht zur Ausrüstung der Soldaten. Wenn das Nachfolgende durch altertümlichen Stil und ein paar Fachbegriffe auch etwas schwer zu lesen ist, kommt das Wesentliche aber wohl doch gut zum Vorschein.
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Seite 155 ff.
Die Hosen der Soldaten, vom Standpunkte der Militair-Sanitäts-Polizei beurtheilt.
In der preussischen Armée wird jährlich für jeden Soldaten ein Paar Beinkleider geliefert. Jeder Truppentheil hat drei bis vier Paar Hosen zum Gebrauch disponibel, die, von Jahr zu Jahr an Werth fallend, zu verschiednen Zwecken benutzt werden. Wenn die neu gelieferten im ersten Jahre nur zu grossen Paraden vor Sr. Maj. und den inspicirenden Generälen bestimmt sind und auf der Montirungs-Kammer verwahrt werden , lässt man sie im zweiten Jahre nur Sonntags und zum Wachtdienst, so wie bei minder wichtigen Gelegenheiten von der Kammer verausgaben, im dritten Jahre zum täglichen Gebrauch benutzen und, da wohl mit königl. Gute nicht, wie mit selbstgeschaffnem Eigenthum umgegangen wird, viele Menschen mit Kleidern sehr verwüstend überhaupt umgehen, auch noch viele ein viertes Jahr Dienste leisten, wenn sie tragbar sind. Es ist daher nicht zu vermeiden, dass ein Paar Hosen bei der 3- und 2jährigen Dienstzeit durch 3, 4, ja selbst noch durch mehr Individuen getragen wird, wenn man berücksichtigt, dass während dieses Zeitraums Mancher wegen häuslicher Verhältnisse von den Civilbehörden reclamirt wird, Viele wegen Kränklichkeit entlassen werden und Einzelne sterben. Die Hose wandert also von Einem zum Andern, und an das Futter derselben wird von dem Träger allmälig eine Masse der verschiedenartigsten, theils gewöhnlicher, theils krankhafter Excretionsstofle abgesetzt, die das Produkt der specifischen Natur und der ganzen Erbsünde nach Hahnemann darstellen. Es gibt viele Menschen (und besonders unter den Rekruten aus dem Bauern- und Handwerkerstande), die, wie Reil sagt, in ihrem Leben nur zweimal gewaschen werden, d. h. nach der Geburt und nach dem Tode. Diese setzen nicht nur ihren mitgebrachten Schmutz, sondern den Niederschlag ihrer specifischen Atmosphäre, die jeder Mensch, selbst der hochgeborne, hat, die Absonderung aus Geschwüren und Excoriationen, die bei der Cavallerie durch das Durchreiten besonders entstehen, aus Ausschlägen aller Art, die nicht zu den ansteckenden gerechnet und von solchen während ihrer ganzen Lebenszeit räudigen Menschen ganz ignorirt werden, u. den Schweiss, so wie die Absonderung von den Weichen, dem Scrotum , Perinaeum u. s. w. an das Futter ab, lackiren dasselbe im Verlauf der Zeit und bilden es gewissermaassen für den nachfolgenden Inhaber oder Träger zu einer ansteckenden, allerlei Hautkrankheiten mittheilenden Umkleidung, wodurch den reinlichem und weniger durch solche pathologische Blüthen imprimirten Mannschaften für ihre ganze Lebenszeit Parasyten der Haut aufgebürdet werden, die sie nicht nur zu den Aussätzigen hinüberziehen, sondern durch ihre Rückwirkung auf den Gesammt-Organismus während des Lebens gefährliche Erkrankungen zur Folge haben können, wenn nach dem Vorübergehen jugendlichen Leichtsinns das Bewusstsein einer grössern Werthschätzung der Gesundheit eintritt und desfallsige Bestrebungen zur Beseitigung solcher Uebel, die früher nicht beachtet wurden und nun unbequem erscheinen, gemacht werden und Aerzte Heilungen versuchen, nachdem die Uebel dem Körper schon zum Bedürfniss geworden sind. Der grösste Theil der jährlich eintretenden Mannschaften vermag wegen Armuth nicht, diesen Gefahren zu entgehen, durch die er bedroht wird, wenn ihm Hosen, die bereits 2 u. 3 Jahre von Andern getragen sind, übergeben werden, um in ihnen ausgebildet zu werden. Wer einen Nothgroschen mitbringt oder etwas zuzusetzen hat und durch seinen Vorgesetzten oder einen Freund darauf aufmerksam gemacht wird, schafft sich Unterbeinkleider, bei der Cavallerie besonders lederne, an, oder lässt sich die Hosen auf seine Kosten neu füttern. Bei manchen Cavall.-Regimentern kaufen die Escadron-Chefs lederne Hosen an und lassen den Betrag dafür allmalig vom Tractament abziehen. Sehr häufig geschieht dies aber nicht, u. kaum ist der Rekrut einige Wochen in der Ausbildung begriffen, so wird er von Eczema, flechtenartigen Hautgeschwüren hartnäckiger Art an den Unterextremitäten, selbst von Hämorrhoidalflechten an der innern Seite der Leisten, am After und Scrotum heimgesucht, mit Excoriationen am Penis behaftet u. s. w., wodurch er wochenlang der Lazarethbehandlung unterzogen werden muss. In einem Falle wurden, wie dem Referenten bekannt ist, Condylomata lata ani et scroti unter mehren Leuten einer Escadron verbreitet, indem ein Missbrauch von einem Paar Hosen auf einer Stube durch gemeinschaftlichen Gebrauch während der Stallwache in der Nacht gemacht worden war. Um die Soldaten der schädlichen Einwirkung dieses Hosen-Contagium, wie man es nennen kann, zu entziehen, müsste zunächst für die grössere Reinlichkeit der Soldaten durch Errichtung von Bade-Anstalten in den Kasernen gesorgt werden, in denen die neu angekommenen Rekruten gesäubert würden und die Soldaten Gelegenheit fänden, sich während des Winters einigemale baden zu können, bis ihnen im Sommer diese Wohlthat in einem bei der Garnison befindlichen Flusse zu Theil werden kann. Ferner müsste befohlen werden, dass die Aufseher über die Montirungs- Kammer einer Escadron oder Compagnie jedes Paar Hosen, das von einem Soldaten abgenommen und einem andern übergeben oder daselbst zu diesem Zwecke aufbewahrt wird, umgedreht und sorgfältig mit schwarzer Seife und Wasser durch eine Bürste gereinigt und abgespült wird, wie dies in den Garnison-Lazarethen mit den Kleidungsstücken von Kranken geschieht, welche an Syphilis, Krätze, Flechten etc. leiden. Aber auch auf mechanische Weise veranlassen neben der angegebenen die Hosen der Soldaten, besonders bei der Cavallerie, Krankheiten. In der Regel wird das Tuch und das Leder wöchentlich durch die Schneider der Escadron ausgebessert, die Reparaturen des Futters aber dem Soldaten überlassen. Diese werden von ihnen, so gut es Jeder vermag, selbst gemacht, denn Geld dafür kann der Soldat selten ausgeben, und da dies nicht kunstgerecht geschieht, so kann es nicht ausbleibeu, dass die Hosen mit Wülsten, starren Nähten und Falten übersäet sind und während des Reitens die Veranlassung von tiefen und grossen Excoriationen (Durchreiten) werden, in die das Hosen-Contagium inoculirt wird. Ausserdem werden durch den Druck an den Nates Blutschwären, an dem Damme Abscesse, am Knie, das bei Cavalleristen durch die angespannten Hosen am mehrsten leidet, phlegmonöse Rose veranlasst, die in Eiterung übergeht, welche das ganze Gelenk umgibt, mehrfache Incisionen und einen mehrmonatlichen Aufenthalt im Lazarethe nothwendig macht. Auch sah der Verf. nicht selten das Hygrona patellae auf diese Weise entstehen. Diesen Krankheiten würde vorgebeugt werden, wenn von Seite der militairischen Vorgesetzten auch Sorgfalt auf das Ausbessern des Futters durch Sachverständige verwendet und für jedes Paar Hosen während dessen Tragezeit ein zweites neues Futter acquirirt werden könnte. — Dies als Beitrag zu der Militair-Gesundheitspflege, welche der Herr General-Arzt Dr. Kothe schreibt.
Uniformproben - hier Hosen - 1842 Allgemeine Militärzeitung Nr. 34 vom 27. April 1842
b) Die Pantalonhose mit Schlitz ist gleich der bisherigen von grünem Tuch mit rothem Paspoil oder von weißer Leinwand, aber bedeutend weiter und ohne Stege. Der nach Art der heutigen Civilhosen vorn angebrachte, von oben herab zuzuknöpfende und durch eine breite Patte verdeckte Schlitz muß als eine sehr zweckmäßige Verbesserung angesehen werden; ob man ihn nicht noch besser und zweckmäßiger bis hinten hin hätte verlängern und dadurch dem lästigen und weitläufigen Gepäckablegen, bei eintretendem Bedürfniß, hätte begegnen können, steht dahin. Eines Versuches wäre diese Erweiterung, die auch durch Knöpfe zu schließen wäre, jedenfalls wohl werth; — da die Lithewka Unterleib und Gesäß vollständig bedeckt, so kann auch von unanständigem Aussehen nicht die Rede sein. Statt des Leinwandfutters in der Tuchhose sollte man dem Soldaten lieber ein Paar waschbare Unterhosen geben, die der inneren Reinlichkeit so förderlich und hier doppelt nothwendig sind, wo jede Hose nach und nach mehrere Eigenthümer bekommt, unter denen sich mindestens Einer gewiß findet, dem es nicht gleichgültig ist, wie das ihm in Gebrauch gegebene Stück innerlich beschaffen! Daß das Leinwandfutter einer so weiten Hose, die nie eine Anspannung im Knie oder Gesäß zu erleiden hat, zur größeren Haltbarkeit nöthig sein, und ihr wirklich dazu dienen soll, will nicht, wohl aber wird das Degoutante dieses Futters Jedem einleuchten.
Allgemeine Militär-Zeitung Nr. 114 vom 22. November 1842
— Se. Majestät der König habe Sich, so schreibt man aus Berlin, nunmehr definitiv für die Annahme der neuen Bekleidungsmuster, Helm, Waffenrock, Zwillichjacke und Schlitzdose entschieden, und befohlen, daß im nächsten Jahre schon das und 4. Armercorps, inclusive Landwehr, in diesem Ajustement zur großen Revue erscheinen sollen. —
Hallo, danke Peter, was Du da wieder ausgegraben hast. So langsam scheinen sich dann doch gewisse hygienische Erfordernisse durchgesetzt zu haben. Warum die Hosen in früheren Zeiten nicht gewaschen wurden, sondern mehr oder weniger über 4 Jahre benutzt wurden, kann ich mir nicht so recht erklären. vielleicht hing es mit den Materialien zusammen, aus denen die Hose bestand. Wäsche eines anderen Soldaten benutzen zu müssen, gibt es schon eine ganze Weile nicht mehr. Allerdings ein paar getragene Knobelbecher bei der NVA gehörte für die neu Eingezogenen zur Ausrüstung. Fluch und Segen, denn das Paar neue Stiefel musste erst eingelaufen werden. Da gab es manche Blase. Das ist mir mit den alten Stiefeln nicht passiert. Allerdings waren die ein wenig zu groß und Umtausch gab es nicht. MfG Wirbelwind
Hoch interessant wie immer, die Ausflüge in die Vergangenheit, auf die uns Hugo mitnimmt. In diesem Zusammenhang hab ich mal eine Frage an die geneigte Fachleserschaft. Irgendwo hab ich mal gelesen/gehört das die eigentlich funktionslos erscheinenden Knöpfe an den Ärmeln des Waffenrockes doch einen Grund haben. Die Knöpfe sollen verhindern das der Träger dieses Rockes seine Nase an den Ärmeln zu reinigen beliebte. Ich meine Friedrich II hätte diese List an seinen Waffenröcken eingeführt um diese Unsitte des Schneuzens am Ärmel unter seinen Männern zu verhindern. Kann das sein?
Hier noch ein Nachtrag zu den Hosen der preußischen Soldaten:
Zufolge Allerh. Kabinets-Ordre vom 16. März 1867 fiel (wegen gleichzeitiger Einführung der Unterhosen) das Hosenfutter im Beine fort, es wurde nur Futter von grauer Leinwand oder grauem Kallikot im Bunde sowie unten an den Füßen 3 Zoll hoch beibehalten. Die Hosen hatten früher keine Taschen; eine Verfügung des Kriegsministeriums vom 15. Dezember 1856 erlaubt die Anbringung derselben, mit dem Bemerken, daß dies schon immer nachgegeben worden; das Bekleidungs-Reglement von 1868 schreibt eine Tasche auf der rechten Seite vor und erlaubt die Anbringung einer zweiten auf der linken Seite.